Wir lesen Jesaja und kommen heute zu den Kapiteln 46 und 47.
Wir verfahren so, dass wir zuerst die erste Hälfte von Kapitel 46 hören. Anschließend singen wir ein paar Verse zum Muntermachen. Danach lesen wir Kapitel 47.
Der Zusammenbruch der Götzen und Gottes bleibende Treue
Also Jesaja 46: Bael bricht zusammen, Nebo ist gefallen. Ihre Götzenbilder sind den Tieren und dem Vieh aufgeladen, sodass sie sich müde tragen an dem, was eure Last war. Ja, sie können die Last nicht wegbringen. Die Götzen sind gefallen, alle zusammengebrochen und müssen in die Gefangenschaft gehen.
Hört mir zu, ihr vom Hause Jakob und alle, die ihr noch übrig seid vom Hause Israel, die ihr von mir getragen werdet, von Mutterleibe und von Mutterschosse an auf mich aufgeladen seid. Auch bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan, ich will heben und tragen und erretten.
Wem wollt ihr mich gleichstellen, und mit wem vergleicht ihr mich? An wem messt ihr mich, dass ich ihm gleich sein soll? Sie schütten das Gold aus dem Beutel und wiegen das Silber mit der Waage dar. Sie dingen den Goldschmied, dass er einen Gott daraus mache, vor dem sie knien und beten.
Sie heben ihn auf die Schultern und tragen ihn und setzen ihn nieder an seine Stätte, damit er stehe und nicht von seinem Ort rücke. Schreit einer zu ihm, so antwortet er nicht und hilft ihm nicht aus seiner Not.
Gedenkt doch daran, ihr Abtrünnigen, und nehmt es zu Herzen. Gedenkt des Vorigen, wie es von alters her war: Ich bin Gott und sonst keiner mehr, ein Gott, dem nichts gleicht. Ich habe von Anfang an verkündigt, was hernachkommen soll, und vor Zeiten, was noch nicht geschehen ist.
Ich sage, was ich beschlossen habe, geschieht, und alles, was ich mir vorgenommen habe, das tue ich. Ich rufe einen Adler vom Osten her, aus fernem Land den Mann, der meinen Ratschluss ausführe. Wie ich es gesagt habe, so lasse ich es kommen. Was ich geplant habe, das tue ich auch.
Hört mir zu, ihr trotzigen Herzen, die ihr ferne seid von der Gerechtigkeit! Ich habe meine Gerechtigkeit nahegebracht, sie ist nicht ferne, und mein Heil säumt nicht. Ich will zu Zion das Heil geben und in Israel meine Herrlichkeit.
Das Ende Babylons und die unerbittliche Rache Gottes
Herunter, Jungfrau, du Tochter Babel! Setze dich in den Staub, setze dich auf die Erde, wo kein Thron ist, du Tochter der Chaldäer! Man wird nicht mehr zu dir sagen: „Du Zarde und Verwöhnte!“ Nimm die Mühle und mahle Mehl, decke deinen Schleier auf, hebe die Schleppe in Blöße!
Denn Schenkel warten durchs Wasser, damit deine Blöße aufgedeckt und deine Schande gesehen werde. Ich will mich unerbittlich rächen, spricht unser Erlöser, das heißt der Herr Zebaoth, der Heilige Israels.
Setze dich stumm hin, geh in die Finsternis, du Tochter der Chaldäer! Denn du sollst nicht mehr heißen: Herrin über Königreiche!
Als ich über mein Volk zornig war und mein Erbe entheiligt wurde, gab ich sie in deine Hand. Aber du erwiesest ihnen keine Barmherzigkeit; auch über die Alten machst du dein Joch allzu schwer.
Du dachtest, ich sei eine Herrin für immer. Du hattest noch nicht zu Herzen genommen und noch nicht daran gedacht, wie es danach werden könnte.
So höre nun dies, du, die du in Wollust lebst und so sicher sitzt und in deinem Herzen sprichst: „Ich bin’s und sonst keine. Ich werde keine Witwe werden noch ohne Kinder sein.“ Dies beides wird plötzlich über dich kommen an einem Tag: dass du Witwe und ohne Kinder bist.
Ja, es wird in vollem Maße über dich kommen, trotz der Menge deiner Zaubereien und trotz der großen Macht deiner Beschwörungen. Denn du hast dich auf deine Bosheit verlassen, als du dachtest: „Niemand sieht mich.“ Deine Weisheit und Kunst hat dich verleitet, sodass du in deinem Herzen sprachst: „Ich bin’s und sonst keine.“
Aber nun wird Unglück über dich kommen, das du nicht wegzaubern kannst, und Unheil wird auf dich fallen, das du nicht durch Sühne abwenden kannst. Es wird plötzlich ein Verderben über dich kommen, dessen du dich nicht versiehst.
So tritt nun auf mit deinen Beschwörungen und der Menge deiner Zaubereien, um die du dich von der Jugend auf bemüht hast, ob du dir helfen und es abwenden kannst!
Du hast dich müde gemacht mit der Menge deiner Pläne. Esel, herzutreten! Dir helfen die Meister des Himmelslaufs und die Sternbucker, die in jedem Neumond kundtun, was über dich kommen werde.
Siehe, sie sind wie Stoppeln, die das Feuer verbrennt. Sie können ihr Leben nicht erretten vor der Flammengewalt. Denn es wird nicht eine Glut sein, an der man sich wärmen kann, oder ein Feuer, um das man sitzen könnte.
So sind alle, um die du dich bemüht hast und die mit der Handel trieben von deiner Jugend auf. Ein jeder wird hierin und dorthin wanken, und du hast keinen Retter. Amen!
Der weite Blick im Alter als Schlüssel zum Leben
Und nun wollen wir noch einmal von einer ganz bestimmten Seite aus an diesen Text herangehen, um ihn zu erschließen. Ja, das ist die große Frage: Wann wird man alt? Diese Frage wird sehr unterschiedlich beantwortet.
Wann wird man alt? Ein junger Mensch sagte mir: „Ab achtzehn sieht man alt aus.“ In der Tat, manche sehen alt aus. Die Nächsten sagen: „Ja klar, trau keinem über dreißig.“ Und so sagt man als Schwabe: „Ab vierzig ist der Rubikon überschritten. Dann geht es nur noch bergab.“ Fünfzig – ein halbes Jahrhundert. Ich überlege: So weit schon? Fünfzig und sechzig – ja, das ist klar, wie mir einer schrieb, das ist der Einstieg ins Kreisenalter. Klar, sechzig. Einer meinte, alt ist man dann, wenn man sich danach fühlt. Aber so sagte der Achtzigjährige: „Ich fühle mich noch ganz jung.“
Sehen Sie, es ist, wie man sich fühlt. Aber ich denke bei all diesen verschiedenen Auslegungen ist es überhaupt nicht wichtig, wie alt man ist. Wirklich, es ist überhaupt nicht wichtig, wie alt man ist. Wichtig ist, wie man alt ist. Das ist die Frage: Wie man alt ist.
Und da ist die Frage bei den Zwanzigjährigen genauso wie bei dem Achtzigjährigen nicht, wie alt man ist, sondern wie man alt ist – verbittert, verdrossen, verzweifelt oder getragen, getrost, gewiss.
Frau Kaschnitz, die Schriftstellerin und Dichterin, sagte: „Das Alter ist ohnehin kein Kerker, sondern ein Balkon, der einen weiten Blick öffnet.“ Sehen Sie, ein Balkon, der einen weiten Blick öffnet. Um diesen weiten Blick soll es auch heute Abend anhand dieses Textes gehen.
Den weiten Blick kann man nämlich bekommen, auch wenn man kurzsichtig ist, auch wenn man dann eine Lupe zur Hand nehmen muss, auch wenn man keinen Schimmer mehr sieht – so wie der alte Jakob, von dem es im 1. Mose 48 heißt: Die Augen waren schwach geworden und konnten nicht mehr sehen. Aber er hatte den weiten Blick, den weiten Blick etwa für seine Söhne: „Sebulon, du wirst am Wasser wohnen, Dan, du wirst Richter sein, Joseph, du wirst wachsen wie ein Baum.“
Im Alter, im Glauben kann man weitsichtig werden. Und das ist auch mein herzlicher Wunsch: Dass, wenn unsere Augen abnehmen, wenn wir immer stärkere Brillen brauchen, wenn wir vielleicht blind durch die Tage tappen müssen, sie weitsichtig werden – diesen weiten Blick von Gott bekommen, um das zu sehen, was allein wichtig ist.
Das Alter ist ein Balkon, von dem sich ein weiter Blick hinein in die Ewigkeit tut.
Müdigkeit im Alter und die Last der unerfüllten Pläne
Und nun diese vier Punkte:
Erstens, wenn man alt wird, kommt die Müdigkeit. Die Müdigkeit! Verordnet man einem Kind einen Mittagsschlaf, so gleicht das einer schweren Strafe. Diese Strafe durchzusetzen kostet einem die letzten Nerven. War man unartig, steckte die Mutter einen ins Bett – das war schon fast wie Zuchthaus.
Doch das ändert und ändert sich ja auffallend schnell im Leben. Ausschlafen, liegenbleiben, nicht mehr aus den Federn kommen – das ist für viele der Sonntag. Und ohne Siesta, ohne Nickerchen, ohne Mittagsschlaf läuft überhaupt nichts mehr. Diese Müdigkeit nimmt eben zu.
Früher feierte man mit Freunden bis zwei Uhr nachts und stand am nächsten Morgen wieder im Geschäft wie ein Junger. Heute ist um zehn Uhr der Ofen einfach aus. Der Opa nickt im Lehnsessel ein, und die Oma sitzt im Sessel mit ihrem Strickzeug, das dort liegen geblieben ist. Man sagt im Schwäbischen, sie sei „eingedosnet“ – ein ganz komisches und unverständliches Wort. Es bedeutet eingeschlafen zu sein.
Das ist eigentlich der Inbegriff der Müdigkeit. Das personifizierte Alter ist die Müdigkeit. Alter und Müdigkeit gehören zusammen, aber nicht nur äußerlich, leider auch innerlich.
Früher hatte man etwas angepackt, in die Wege geleitet und auf die Füße gestellt. Heute fehlt einem der Schwung, er geht einem immer mehr abhanden. Man sagt: „Das soll der Junge machen, das soll der andere machen, das sollen die machen.“ Man ist selbst müde geworden.
Der Prophet sagt jedoch nicht „müde geworden“, sondern „müde gemacht worden“ – plötzlich ein Passiv. Nicht müde geworden, sondern müde gemacht worden. Durch was? Er sagt: durch die Menge deiner Pläne.
Durch die Vielzahl deiner Pläne kommt die Müdigkeit des Alters, die innere Müdigkeit des Alters. Vielleicht hatte man einen Berufsplan. Man stellte sich vor, wie das einmal laufen wird. Schaut man diesen Berufsplan heute rückblickend an, so ist nicht die Verwirklichung eingetreten, die man sich erhofft hatte. Es hat nicht geklappt.
Oder man hatte einen Familienplan – heute spricht man sogar von Familienplanung. Man plante Frau und vier Kinder. Jetzt ist man entweder ledig oder die Ehe hat längst nicht das gebracht, was man sich erhofft und gewünscht hat. Der Familienplan ist so nicht geworden.
Man hatte einen Vermögensplan, um den Verdienst und den Erbe sichernden Lebensabend zu gewährleisten. Jetzt kostet das Heim fast 5000 Mark im Monat. Oder man hatte sogar einen Altersplan: Man hat drei Töchter großgezogen und dachte: „Eine wird mich ganz bestimmt aufnehmen.“ So sagte mir einer am Telefon: „Das Heim kommt für mich nicht in Frage, ich habe drei Töchter großgezogen.“ Aber der Altersplan geht nicht auf, weil nicht eine einzige Tochter die Mutter aufnimmt oder aufnehmen kann.
Obwohl man Planhelfer hatte – einen Mann, den man zu Rate zog, um diese Pläne zu verwirklichen. Damals waren die Planhelfer wörtlich die Meister des Himmels und die Sterngucker. Heute sind es vielleicht die Meister der Wissenschaft und die Seelengucker, die einem zur Selbstverwirklichung der eigenen Pläne helfen wollen.
Aber nichts war’s. Alle Pläne sind wie Stoppeln, die das Feuer verbrennt. Alles, was wir zusammengestoppelt haben und heute noch zusammenstoppeln, ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Müde gemacht durch die Menge der Pläne – unsere Pläne liegen einfach so zerrissen wie Fetzen vor unseren Füßen.
Je älter man wird, desto mehr merkt man, wie stückweise alles im Leben geworden ist und keineswegs ein großer Wurf, ein großer Plan. Kein Plan mehr, sagen heute junge Leute schon. „Kein Plan mehr“ ist zu einem Slogan, zu einem Wort geworden. Sagen Sie es auch: „Kein Plan mehr.“
Nun sagt der Prophet: „Höre mir zu!“ (Vers 3, Vers 8). So höre nun zu und wieder, so höre nun zu und wieder. Sieht so aus, als wolle er müde Leute einfach aufwecken, auch an einem Abend: „Schau doch her, hört mal zu, was ich zu sagen habe!“
Er sagt: Abgesehen von euren Plänen, die nicht zum Zuge gekommen sind, euren Plänen, die abgebrochen sind, gibt es neben und über all diesen Plänen einen Gottesplan. Nicht einen Fünf-, Zehn- oder Zwanzigjahresplan, sondern einen Ewigkeitsplan.
Gestern Abend hatten wir eine Kirchengemeinderatssitzung, und dort machten wir einen Haushaltsplan. Dieser Haushaltsplan ist bei unserer Stiftsgemeinde noch verhältnismäßig einfach aufzustellen – ein ganz großes Geschenk. Große Opfer werden wieder eingesetzt, erhofft und erbeten in diesem Jahr.
Ob sie dann so eingehen, wissen wir nicht. Im nächsten Jahr müssen wir einen neuen Haushaltsplan machen. Unser Haushaltsplan gilt für ein Jahr. Oder die UNO macht einen Friedensplan für Bosnien und Herzegowina. Aber diesen Friedensplan kann überhaupt kein Mensch verwirklichen. Darüber sitzen sie Monate und nichts läuft.
Oder die Regierung macht einen Wirtschaftsplan für den Aufschwung Ost. Aber jeder Ministerpräsident schwingt sich auf zu einem „So nicht! So auf gar keinen Fall!“
Sehen Sie, Gottes Plan steht. Gottes Plan muss nicht nachgebessert, umgeschrieben oder verbessert werden. Er gerät nicht durcheinander.
Selbst wenn das Volk in Babel gefangen sitzt und keinen Plan mehr hat, so wie diese Leute. Denn so, wie es damals von Ägypten aus durch die Wüste ins gelobte Land ging, so sagt er hier, so geht Gottes Plan von Jerusalem durch die babylonische Gefangenschaft zurück in die Heimat.
Gottes Plan geht nie und gar nie von unten nach oben, liebe Freunde. Das meinten die Dschalisten, das meinte ein Goethe: „Wir sind ein Geschlecht, das vom Dunkel ins Helle strebt.“ Jeder Lebensplan gehe im letzten Grunde aus dem Dunkel ins helle Licht.
Im Grunde sei jedes Leben nur eine Hühnerleiter, es geht von unten nach oben. Der Gottesplan geht nie von unten nach oben, sondern so wie schon in Ägypten, so wie schon in Babylon, so ist auch Jesu Plan: Jesu Plan ist gekreuzigt, gestorben und hinabgestiegen. Und dann erweckt, aufgefahren gen Himmel.
Sehen Sie, alle Pläne, die nach Gottes Plan gehen, haben eine Ausbuchtung nach unten, und das tut uns weh. Das wollen wir nicht wahrhaben. Aber das ist der einzige Plan, der zum Ziel führt.
Und sehen Sie, wenn man auf einer Strecke geführt wird – und dies vor allem im Alter – eine Strecke, die nach unten geht, wo man abnimmt und wo einer sagen kann: „Es ist doch einfach unverständlich, wie einem eins nach dem andern weggenommen wird, fast wie geraubt.“ Und wenn Arm und Elend dastehen am Schluss.
Wer daran leidet, dass es hinuntergeht, der wisse: Diese Ausbuchtung nach unten ist fortgesetzt durch einen Bogen nach oben. Die, die darin leiden, werden sich einmal freuen können.
Der, der seinen Lebensplan in Gottes Plan hineingibt und sagt: „Herr, du hast einen Plan für mich“, der würde sich nicht über seinen Lebensplan ärgern, der von so viel Schatten belegt ist, der von so viel Belastungen heute Abend auch bedrückt ist, der von so viel Sorgen nun verfolgt ist.
Der wisse: Das ist nur diese Ausbuchtung nach unten, hinabgestiegen in das Reich des Todes, aber dann auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel.
Sehen Sie, das ist auch unser Weg, das ist der Blick auf jenen Plan, der uns auch die schwerste Müdigkeit des Glaubens nehmen kann. Das sagt Jesaja 40, die auf diesen Herrn hinzielen, die den weiten Blick haben: „Sie werden auffahren, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“
Wenn man alt wird, kommt diese Müdigkeit, und dann braucht es den weiten Blick.
Gebrechlichkeit im Alter und das Bedürfnis getragen zu werden
Zweitens: Wenn man alt wird, kommt die Gebrechlichkeit. Das ist das Zweite – die Gebrechlichkeit.
Ich hatte vor einigen Jahren einen bedeutenden Fernsehauftritt. Von Politikern weiß ich, dass sie ihre Bedeutung von der Zahl der Fernsehauftritte ablesen. Ich hatte einen einzigen, und zwar im dritten Programm. Er dauerte ungefähr 20 Sekunden – trotzdem ein bedeutender Fernsehauftritt.
Der war nämlich auf der Eugensstaffel. Dort stand ein Fernsehteam. Ich kam gerade die Stufen herunter, um ins Büro zu gehen – locker, sportlich, wie immer. Dann hielt mir ein Reporter das Mikrofon unter die Nase und fragte: „Haben Sie einen Augenblick Zeit?“ Ich sage immer ja. Dann fragte er: „Wissen Sie, wie man die Stuttgarter im Volksmund heißt?“
Mir kam die Antwort aus der Pistole geschossen: „Steffelesrutscher.“ Er strahlte. Dann fragte er nach: „Was halten Sie von den Stuttgarter Staffeln?“ Ich antwortete: „Viel. Sehr viel! Das sind alles Gesundheitsstaffeln. Sie massieren das Rückgrat, bewegen den Kreislauf und halten einen fit.“
Bei dem 20-Sekunden-Auftritt sah man mich dann fröhlich die Treppe hinuntergehen. Leider wurde dieser Streifen nie als Werbespot für Rittersport oder Naturjoghurt eingebaut. Aber sehen Sie, das war vor zehn Jahren. Heute würde ich es nicht mehr so sagen. Die Staffeln springen unglaublich an. Man muss schon arg schnaufen, bis man auf dem Eugensplatz ist.
Jedenfalls ist man alt, man wird in der Tat gebrechlicher, und eines Tages geht es gar nicht mehr. Dann braucht man einen Stock, einen Gehwagen oder einen Rollstuhl, der einen trägt. Man kann nicht mehr tragen, sondern man muss getragen werden.
Freunde, das ist unser Weg: Man kann nicht mehr tragen, sondern man muss getragen werden. Das gilt nicht nur für den äußeren, sondern auch für den inneren Menschen. Anfangs stürmten wir doch durchs Leben. Da brauchte es gar nichts dazu. Da brauchte es keinen Glauben, keine Kirche, keine Krücken fürs Menschsein, wie Nietzsche es einmal bezeichnet hat.
Man kann sogar aus dieser Kirche austreten. Man nennt sich Atheist und glaubt an das Gute im Menschen. Und dann? Dann kommen die Belastungen, die Ängste, die Krankheiten und jene Beschwerden – wie die Familie unter uns, die gerade vom Krankenhaus kommt, von einem schweren Besuch.
Freunde, dann kommt man mit all diesen Dingen, und man braucht etwas, das einen trägt. Wenn einer unter uns sagt: „Das schaffe ich schon“, auch er braucht jemanden, der ihn trägt.
An dieser Stelle kommt man zu der Erkenntnis: Doch, ich brauche jemanden, der mich trägt, oder ich brauche etwas, das mich trägt. Da melden sich die Religionen zu Wort: „Wir tragen dich, wir tragen dich ins Nirwana“, sagt Buddha. „Wir tragen dich zu Allah“, sagt Mohammed. „Wir tragen dich zum Glück“, sagt der Guru.
Damals sagte Baal Matuk, hier im ersten Vers der Schöpfer: „Wir tragen dich zu einer neuen Schöpfermacht.“ Und Nebo sagte der andere, der hier genannt ist: „Wir tragen dich zur Weisheit“, denn Nebo war der Ursprung der Weisheit überhaupt.
Behl und Nebo waren riesige Staatsgötter, große Figuren, die man am größten Feiertag, nämlich am Neujahrsmorgen, aus ihren Schuppen zog, auf Wagen lud und dann durch die Stadt in feierlicher Prozession führte.
Daran erinnert sich jetzt der Prophet in Kapitel 46. Er sieht nämlich vor seinem inneren Auge wieder diese Stadt Babel. Und dann sieht er, wie plötzlich – obwohl es wohl gar nicht Neujahr ist – die großen Schuppen, die großen Tempel geöffnet werden. Wie man diese großen Götter herauszerrt, auf die Wagen lädt, sie dort verspannt und wie Ochsen davor gespannt werden.
Diese Gefährte setzen sich plötzlich in Bewegung – nicht mehr zu einer Prozession, sondern zur Flucht der Götter. Die Peitschen sausen auf die Zugtiere, die Räder ächzen. Die britischen Wagen schwanken gefährlich bei diesem Tempo. Behl und Nebo auf der Flucht – eine Katastrophe, ein Erdbeben, ein Weltuntergang für die damaligen Leute.
Als würden heute der Mont Blanc und der Mount Everest auf einmal zusammenfallen und ein Signal für die hereinbrechende Apokalyptik geben. Denn die, die versprochen hatten, einen durch alles hindurchzutragen, wurden selbst hinausgetragen – wie Leichen, mausetot. Das ist das Bild hier.
Die, die einem versprochen hatten, einen zu tragen und zu begleiten, mussten getragen werden und waren in Särgen verpackt. Im Grunde haben sie einen schon nicht vorher getragen, sondern nur die Menschen mit einer entsetzlichen Last belastet. Prüfen Sie es nach!
Der buddhistische Glaube ist eine entsetzliche Last, der mohammedanische Glaube ist eine entsetzliche Last. Die Anhänger von Religionen leiden an Gebrechlichkeit. Alles, was heute angeboten wird, bis hin zur christlichen Wissenschaft, ist eine Last. Sprechen Sie mit diesen Leuten, wenn sie kommen – eine schwere Last, alles zu erfüllen. Auch die Anthroposophie ist eine schwere Last, weil man überhaupt nicht durchblickt.
Nun wieder: Hört mir zu, hört mir zu! Ich will euch tragen, ihr werdet von mir getragen. Ich bin der einzige Lastträger, den es überhaupt gibt. Freunde, wenn diese Belastungen kommen, wenn wir jemanden brauchen, der uns tragen hilft, dann braucht es den weiten Blick. Den weiten Blick auf diesen Herrn: „Ihr werdet getragen“ (Vers 3), „Ihr werdet getragen“ – beginnend von Mutterleib an.
Hören Sie: „Ihr werdet getragen von Mutterleib an.“ Wir sagen heute: Diese Frau kann dieses dritte Kind nicht mehr ertragen. Sie kann es nicht mehr ertragen, diese neue Schwangerschaft ist unzumutbar. Das kleine Kindlein erträgt sie nicht, und deshalb nehmen wir es weg und treiben ab.
Wissen Sie, liebe Freunde, nach diesem Wort hier nehmen wir es nicht aus dem Schoß der Mutter, sondern wir nehmen es aus der Hand Gottes. Abtreibung ist Raub, Abtreibung ist Diebstahl – und zwar der schwerste, den es gibt. Man stiehlt es Gott. Jedes Kindlein ist eingebettet in Gottes Fürsorge vom ersten Tag an. Abtreibung ist Austreibung aus Gottes Fürsorge, aus seiner Hand – das ist die Lage.
Ihr werdet getragen von Mutters Schoß an, als Kleinkinder dann getragen durch die Jugendzeit, getragen durch Prüfungen der Universität hindurch, getragen durch die Belastungen des Berufs, getragen dann, wenn die Kräfte abnehmen, getragen bis ins Alter und bis ihr grau werdet.
Und, liebe Freunde, wenn Sie uns dann in den Sarg legen und hinaustragen, dann sind wir erst recht in Gottes Händen. Denn wir sind dort angenommen, angekommen, wohin unser Glaube gezielt hat – nämlich zum letzten Punkt, zur letzten Heimat.
Wenn ich diesen Herrn kenne, wenn ich diesen weiten Blick habe, wenn auch mein Alter zum Balkon wird, wie dieser weite Blick, dann kann ich unter Lasten leiden. Aber ich kann unter Last nicht mehr zerbrechen.
„Ich will euch tragen“, sagt Gott, „weil alle Götter, weil alles andere schlussendlich hinausgetragen wird wie Behl und Nebo.“
Es ist eine persönliche Zusage für Sie heute Abend. Es ist keine Predigt, es ist kein Zitieren, keine Sprüche. Es ist durch Gottes Heiligen Geist eine persönliche Zusage an Sie persönlich: „Ich will Sie tragen, ich will Dich tragen.“ Darauf können Sie sich verlassen.
Vergänglichkeit und Vergesslichkeit im Alter
Das Dritte noch
Wenn man alt wird, kommen Vergänglichkeit und Vergesslichkeit. Die Vergesslichkeit äußert sich darin, dass man Namen nicht mehr sagen kann, sie entfallen einem. Daten, an die man eigentlich denken wollte, etwa um zu gratulieren, weiß man nicht mehr. Sogar die Geburtstage der eigenen Kinder geraten in Vergessenheit.
Eine Frau klagte mir bitter in der vergangenen Woche: Sie sei ständig auf der Suche nach irgendetwas, das sie in der Wohnung verlegt oder verloren habe. Das Gedächtnis werde zu einem Sieb mit Löchern. Und das Schlimme daran ist, dass diese Löcher immer größer werden.
Leider greift die Vergesslichkeit auch auf den Glauben über. Man vergisst Gottes Liebe, Gottes Barmherzigkeit und Gottes Versorgung, die uns bis zu diesem Abend getragen hat. Man vergisst seine Vergebung. Deshalb heißt es: Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. Oder wie es in Vers 9 heißt: Gedenke des Vorigen, wie es von alters her war, von Abraham angefangen bis zu Jesus.
Dieser Gott schweigt nicht, sondern er redet. Er sagt: Ich habe dich nicht vergessen. Vergiss es nicht, trotziges Herz, verzagtes Herz, zitterndes Herz. Ich war Gott, ich bin Gott und ich werde dein Gott sein und sonst keiner.
Es sind die Sorgen, die vor allem alte Menschen plagen: Kann ich wohnen bleiben? Wird mir gekündigt? Kann ich hier versorgt werden? Wo ist ein Platz für mich?
Vergessen Sie das eine auch nicht: Ob in der Dachwohnung, im Wohnstift oder im Pflegeheim – ich werde bleiben im Hause des Herrn, immer da. Arbeitszimmer, Krankenzimmer, Altenzimmer und Sterbezimmer sind nur Wohnzimmer im Hause des Herrn, nichts anderes. Nur Wohnzimmer im Hause des Herrn, unter seinem Dach, in seiner Nähe, mit seinem Schutz.
Weitsichtig muss man werden, wenn man alt wird.