Herr Präsident! Dieses Thema ist auch für gläubige Christen ein großes Problem, weil diese dunklen Gedanken durch unser ganzes Herz gehen.
Ach, ich denke an so viele Situationen bei Besuchen. Ich habe sehr gerne Besuche gemacht, und ich finde, dass es heute das größte Versäumnis ist, dass wir so wenig Hausbesuche machen.
In meinen 30 Jahren in der Stuttgarter Innenstadt habe ich immer erlebt, dass niemand sagte: „Ich will Sie nicht.“ Das galt auch für Menschen, die schon jahrelang aus der Kirche ausgetreten waren. Viele fragten sogar: „Warum kommen Sie erst jetzt?“ Sicher gab es mal einen Termin, der ungeschickt war. Aber die Menschen haben in wenigen Minuten über die großen Verzweiflungen ihres Lebens gesprochen.
Es ist eine ganz große Not, dass etwa die Depressionen bei uns Männern rapide zunehmen. Wenn kluge Leute sagen, man solle Schwermütigen nicht mehr erlauben, ein Flugzeug zu fliegen, dann dürfte bald kein Flugzeug mehr am Himmel sein. Denn die schweren Gedanken gehen durch unseren Kopf.
Die Realität der Verzweiflung und die Kraft Gottes
Darum möchte ich am Anfang ein Wort Gottes lesen:
Warum sprichst du denn: „Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber“?
Ja, unsere Gedanken sind oft so: „Gott kümmert sich nicht um mich, und Gott weiß nicht, wie schlecht es mir geht.“
Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt sein. Sein Verstand ist unausforschlich.
Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, und junge Leute, junge Männer, straucheln und fallen.
Die aber auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.
Und jetzt, hier um uns herum in Berlin, ist das gar nicht vorstellbar. Bei den vielen Haushalten unter allen Dächern leben schwer verzweifelte Menschen, die ich mir aus- und einbilde.
Wir können sie aufzählen. Die Ärzte können wohl noch sagen: Wenn einer keine Hoffnung hat, gibt es auch keine Heilung.
Aber wie viele Kranke sind ohne Hoffnung? Und wie schlimm ist es mit den seelisch Kranken?
Es gibt in Stuttgart, bei mir in der Nähe, eine Frau, 50 Jahre alt, mit Schwangerschaftsdepression. Zum Schluss war sie eineinhalb Jahre in der Klinik auf einer geschlossenen Abteilung.
Und wie ist das, wenn ein Kind stirbt? Wie furchtbar ist das, wenn eine Ehe zerbricht, wenn aus der Liebe plötzlich Bitterkeit wird? Du wirst nicht mehr gebraucht.
Und das heilt eben nicht. Auch die Wunden einer Scheidung heilen nie, auch bei den Kindern nicht. Das bleibt ein Leben lang.
Wir können das jetzt alles aufzählen: Wenn einer in der Firma gemobbt wird und seinen Platz verliert.
Auf einmal vollzieht sich das, dass wir sagen: Ich bin enttäuscht. Das Wort ist interessant: Ich bin einer Täuschung unterlegen, ich habe auf Menschen gebaut.
Heute, bei den Gesprächen dort, die wir hatten auf dem Albert-Scholz-Platz, hat eine junge Frau zu mir gesagt: „Nein, ich habe gut vorgebaut, mein Geschäft läuft gut, und ich bin gesund.“
Und Sie wissen, wie das ist, wenn man sich als Täuschung entlarvt, als ein Strohhalm, auf den man sein Leben gebaut hat?
Es ist ja wunderbar, wenn man gesund ist. Ich muss immer lachen, wenn ich die alten Achtzigjährigen besuche und sage: Man muss ja was tun für seine Gesundheit – als ob die anderen nichts getan hätten für ihre Gesundheit. Dummes Geschwätz.
Sondern es kommt eben die Krankheit, und wenn sie einen trifft, dann ist das so furchtbar, weil alles zusammenbricht und man nicht mehr weiterkann.
Und deshalb ist es nicht auszuhalten, in dieser Hoffnungslosigkeit zu leben. Woher kommt denn die Hoffnung meines Lebens? Worauf kann ich denn bauen?
Natürlich kann ich einem immer wieder Hoffnung machen, so wie die Ärzte einem Hoffnung machen, die Psychologen einem Hoffnung machen oder die Mutter sagt zum Schüler: „Du wirst es doch noch schaffen“, so wie es der VfB Stuttgart gegenwärtig im Abstiegskampf hat.
Vielleicht schaffen wir es doch noch mit der Hoffnung, die doch ein Trug ist und keine Hoffnung, die real ist, auf die man sich verlassen kann und auf die man gründen kann.
Die Ehrlichkeit der Bibel gegenüber menschlicher Verzweiflung
Ich bin so froh. Die Bibel ist das einzige Buch, das – wie mein großer Professor der Psychologie, Herr von Bayach in Heidelberg, gesagt hat – kein Buch der Weltliteratur nennt die Verzweiflung des Menschen so offen und ehrlich beim Namen wie die Bibel.
Lesen Sie die Psalmen. Dort heißt es zum Beispiel: „Ich bin ein Wurm und kein Mensch mehr, ich bin im Sumpf und versinke immer tiefer im Schlamm. Ich habe keinen Boden mehr unter den Füßen, ich weine nur noch und weiß nicht weiter.“ Wenn Sie die Psalmen irgendwo aufschlagen, wird ehrlich konstatiert, was in unserer Umwelt so oft geleugnet wird.
Und ich bin so froh darüber, denn ich halte das nicht für eine gute Losung, wie manche meinen, etwa das Motto, das der amerikanische Präsident Obama heute für unsere Generation mitgegeben hat. Ich halte es für einen Blöff, wenn er sagt: „Yes, we can“ – ja, wir können es. Wir können es eben nicht. In unserer Kraft können wir es nicht. Wir können uns im Sterben nicht einreden, dass alles gut wird. Solche Worte kann ich noch frivol auf den Lippen tragen, aber beim Schmerz geht das nicht.
Wenn ein Kind stirbt, kann ich nicht sagen: „Ach, das ist nicht so schlimm.“ Ich kann es einfach nicht tun, weil ich diese Seelenkraft nicht habe. Ich bin so ehrlich mit mir selbst, dass ich den Schmerz ertragen muss.
In der Bibel gibt es schon im Alten Testament eine ganz andere Stimme, die plötzlich aus der ganzen großen Klage und dem Leid heraus erklingt. Aus dem schweren Geschehen, wenn eine Sintflut über die Welt kommt und alles menschliche Leben auslöscht. Später sitzt Hiob da, kratzt sich die Wunden mit einer Scherbe, und seine Frau verhöhnt ihn noch. Sie sagt: „Gott sei Lob und Dank, habe ich eine andere Frau!“ Wir wissen, wie furchtbar das sein kann – wie die Hölle, die einen noch verspottet in seinem Glauben.
Und doch sagt dieser Hiob: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“
Die Hoffnung, die über das Leben hinausweist
Und das ist eine ganz andere Ebene der Hoffnung. Es handelt sich nicht um eine innerweltliche Hoffnung, wie wir uns das oft einreden wollen. Vielmehr ist es eine Hoffnung, die weit über die Grenzen dieser Welt hinausgeht.
Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Als der Letzte wird er sich über dem Staub erheben, und ich weiß, dass ich ihn sehen werde. Welch eine große Hoffnung, welch eine große Zuversicht ist das für uns!
Deshalb können wir diese Hoffnung erst einüben und einstudieren. Wenn Sie mich fragen, wo ich diese Hoffnung gelernt habe: Ich war dankbar – das habe ich vorhin schon gesagt. Als junger Mann, mit 15, 16 Jahren, habe ich mir gerne Biografien gekauft, wenn mich das fasziniert hat.
Wir hatten damals schon in unserer Kinderkirche einen Leiter – eine sehr große Kinderkirche mit 300 Kindern. Ein sehr genial begabter Mann, der uns jeden Sonntag ein Lebensbild erzählte. Er konnte so erzählen, dass wir an seinen Lippen hingen.
Da wurde mir plötzlich bewusst, dass gerade Menschen, die durch das Schwerste hindurchgingen, den größten Weitblick hatten. Sie hatten eine Hoffnung, die weit über diese Welt hinausging und im Tod nicht erlosch.
Nehmen Sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib, lass fahren dahin – das bringt es doch gar nicht! An diesen Dingen hängt es nicht.
Das hat mich vor allem als junger Mensch sehr geprägt, weil ich plötzlich merkte: Ich stehe in einem aussichtslosen Kampf.
Der Kampf mit der eigenen Gottlosigkeit und die Erlösung durch Christus
Für mich gibt es ein Predigtthema, das an jedem Sonntag wieder aktuell ist: Mit der Gottlosigkeit meines Lebens fertigzuwerden.
Ich habe in mir kein gutes Herz, sondern ein böses Herz, das Gott und den Nächsten hasst – so steht es im Heidelberger Katechismus. Eine ganz tiefe Erkenntnis ist in mir gewachsen: Jesus hat gesprochen, dass das Böse nicht von außen in mein Leben kommt, sondern aus meinem Herzen.
Wie kann ich dieses Böse überwinden? Das kann ich nur, wenn Christus in meinem Leben und in meinem Herzen der Herr ist. Wenn er mich erlöst aus den Bindungen des Bösen und der Nichtigkeit.
Es besteht die Gefahr, dass wir uns an die vergänglichen Güter dieser Welt und an dieses vergehende Leben klammern. Wir neigen dazu, diese für wichtiger zu halten als den lebendigen Gott, der mich geschaffen hat und vor dem ich einmal stehen werde.
Plötzlich wird diese Dimension so groß: die Nichtigkeit meines Lebens, das vergeht – trotz aller Schönheit. Ich habe Ihnen vorher erzählt, dass ich nie gedacht hätte, wie reich der Herr unser Leben füllt. Ich hätte nie gedacht, dass ich so alt werde und dass er uns bis zum heutigen Tag diese Freude schenkt, dass wir dieses Leben in Fülle genießen dürfen.
Doch wir wissen, dass unser Leben zerrinnt. Nur das, was ich für die Ewigkeit lebe, hat Bedeutung. Und nur wenn heute etwas für die Ewigkeit drin ist, ist das so groß.
Darum ist mein erster Punkt, wo Hoffnung entsteht – in der hoffnungslosen Zeit, in der Hoffnungslosigkeit meines Lebens, in der Nichtigkeit meines Lebens: Das Erste, was mich immer fasziniert, ist, dass Jesus die Nichtigkeit einer menschlichen Existenz gelebt hat. Meine Nichtigkeit hat er auf sich genommen.
Jesus als Vorbild in Leid und Gehorsam
Es ist beeindruckend, was im Evangelium erzählt wird. Wenn man hier noch einmal in Berlin die Schönheiten des deutschen Kaisertums erlebt, die Schönheit des klassischen Berlin, wie es einst war, dann fällt auf: Jesus hat nicht den Glanz und den Prunk dieser Welt gesucht, wie sie im Kaiserreich noch vorhanden waren. Jesus hat das Elend dieser Welt angezogen.
Er suchte die Verzweifelten, die Zerbrochenen, die Hungernden, die Aussätzigen, die keine Hoffnung mehr hatten. Die Depressiven hat er gesucht und an sich gebunden. Ebenso die Schuldbeladenen, die mit ihrem Leben nicht mehr fertig wurden. „Das verzeihe ich mir nie, warum habe ich das getan?“ – so dachten viele, die nie mehr aus ihrer schrecklichen Lebensführung herauskamen.
Bei Jesus begann alles mit der Geburt. Kein Mensch von uns ist so niedrig geboren wie er. Er hatte nicht einmal ein Bett, wurde in Windeln gewickelt und dann von allen Menschen verachtet. Das Schlimmste, was einem in dieser Welt widerfahren kann, ist Schande. Jesus hat die Schande des Menschseins getragen.
Man hat ihm ins Gesicht gespuckt – etwas, das Sie selbst wohl nie erlebt haben. Er wurde verlacht und verspottet. „Du bist ein Hochstapler! Bist du Gottes Sohn, so steige vom Kreuz herab!“ – so verhöhnten sie ihn. Diese Hohnungen, das Lachen und Spott hat Jesus gewählt. Er ist wie das Weizenkorn, das in die Erde fällt und erstirbt.
Wir wollen unserem Leben immer einen Glanz verleihen. Umso mehr wundern Sie sich, wenn in Ihrem Leben einmal etwas von diesem Lack abbröckelt. Dann wird Ihnen Jesus ganz groß, der für uns etwas Größeres vollbracht hat. Und was war ihm dabei so wichtig? „Vater, nur dein Wille geschehe.“
Manche denken, Jesus könne tun, was er will. Das kann er nicht. Er kann nur tun, was der Vater im Himmel will. Der Gehorsam war für Jesus das Allerwichtigste. „Ich will nur dir gehorsam sein.“ Selbst vor dem grausamen Schritt der Hinrichtung am Kreuzestag flehte er: „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber.“ Doch dann fügte er hinzu: „Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.“
So ging Jesus diesen Weg. Er lud sich den schweren Balken auf den Rücken und ließ sich hinausführen zur Kreuzigung, wo man ihm die Nägel in die Arme trieb. Das Elend deiner menschlichen Existenz hat Jesus erlitten: nur Staub und Asche, verachtet von den Menschen, preisgegeben.
Die Erkenntnis des Gauners am Kreuz und die Bedeutung der Vergebung
Es war an dem Tag der Hinrichtung von Jesus nur einer, der wirklich begriffen hat, was er in Jesus entdeckt hatte. Es war nicht einer seiner treuesten Freunde, die es nicht bemerkten. Auch seine Mutter oder Maria Magdalena erkannten es nicht. Es war ein Lumpenkern, ein Gauner, ein Verbrecher, der neben Jesus am Kreuz hing. Er begriff: Dieser Jesus, der dort am Kreuz hängt, kann mir die Tür zum Paradies öffnen. Das ist die einzige Hoffnung meines Lebens.
Er hat verstanden, dass es Erlösung von Schuld gibt. Das ist an sich kaum vorstellbar. In all den Religionen dieser Welt gibt es keine Vorstellung davon, dass Schuld abgenommen wird. Wie soll denn vergeben werden können? Wie kann einem Menschen vergeben werden, wenn er einen anderen umgebracht hat? Wie soll das möglich sein? Wie können mir meine vergangenen Taten, mit denen ich nicht mehr klarkomme, vergeben werden?
Plötzlich wird uns klar, was uns am meisten belastet: unser Leben mit all den Taten, die an uns haften und die uns ständig beschäftigen. Wir können mit Gott keinen Frieden haben, weil wir immer wieder daran erinnert werden. Wir schämen uns. Auch wenn wir vor anderen Menschen so tun, als ob wir gute Menschen wären, schämen wir uns für die Dinge, die geschehen sind und für die wir ein waches Gewissen haben.
Doch gerade ein Gauner hat begriffen: Jesus kann ewig selig machen, weil Jesus an meiner Stelle gebüßt hat. Das ist ein Geheimnis, ein Wunder. Niemand kann das mit seinem normalen Verstand verstehen. Paulus beschreibt es als Torheit, Blödsinn, Ärgernis. Und so ist das Evangelium wahr.
Jesus kann Sünde vergeben und kann selig machen. Wir dürfen glücklich sein über das, was uns Gott in seiner unbegreiflichen Gnade schenkt. Das ist die Hoffnung für mein Leben.
Die Auferstehung als Bestätigung der Vergebung und Hoffnung
Wie soll ich denn vor Gott mit meinem Leben reden können? Kein Mensch auf der Welt in all den Jahrtausenden vor uns hat das je geschafft. Es gab noch nie einen Menschen, der durch seine Taten vor dem heiligen Gott bestehen konnte.
Doch derjenige, der die Vergebung durch Jesus begriffen hat, der am Kreuz für mich gestorben ist, hat dies möglich gemacht. Gott hat dies bestätigt – und schöner kann man es kaum ausdrücken –, indem er Jesus von den Toten auferweckt hat. Das gibt es überhaupt nicht: den toten Jesus auferwecken.
Jesus ist auferstanden. Die Jünger selbst haben es zunächst nicht verstanden. Die besten Freunde waren ratlos, sie hatten Todesangst und haben sich eingesperrt. Doch dann stand Jesus plötzlich vor ihnen.
Heute können wir Jesus nicht mit unseren Augen sehen – Gott sei Lob und Dank –, aber wir können Jesus erkennen. Seit seiner Auferstehung und Himmelfahrt kann er überall sein, so wie er bei denen ist, die ihm gehören. Überall auf der Welt, in allen Ländern, denn er ist nicht an Raum und Zeit gebunden.
Das ist das Herrliche: der auferstandene und in den Himmel aufgefahrene Christus. Den kann und muss man finden. Es ist die einzige Hoffnung im Leben und im Sterben, dass ich heute weiß: Er ist bei mir, so wie es der Gauner am Kreuz erfahren hat – Vergebung, das Geheimnis, und Jesus lebt.
Die Kraft der Auferstehung will er in mir wirken lassen. Für mich war es das Wichtigste: dass er für mich in den Tod gegangen ist.
Der Glaube als Sieg und Trost am offenen Grab
Also, in den drei Tagen, seit wir hier sind, sind wir durch Berlin gegangen und waren wieder fasziniert.
Dann sagt meine Frau: „Guck mal, was da oben am Dom steht – ‚Der Glaube ist der Sieg‘.“ Was bedeutet das? Wer Jesus vertraut, hat gesiegt, egal was auch geschehen mag. Wer Jesus kennt, sein Leben ihm öffnet und ihm gehört, der hat den Sieg.
Zuvor haben wir ein Lied gesungen von Gerhard Schnitter und seiner Frau Elisabeth. Wir standen auf dem Hauptfriedhof Tegel am offenen Grab. Ich habe sein Kind beerdigt. „Du gibst das Leben, das sich wirklich lohnt“, sangen wir. Denn der Glaube ist der Sieg.
Da werden die vergangenen, sichtbaren Dinge plötzlich unwichtig. Ich erinnere mich noch, wie Gerhard Schnitter sagte: „Jetzt machen wir eine Gebetsgemeinschaft.“ Am Grab reden wir ja mit Jesus und stehen in seiner Gegenwart.
Und da war Trost, unbegreiflicher Trost, Hoffnung und Zuversicht. Wir konnten sagen: Es ist nur ein Augenblick, bis wir selbst hinüberziehen über die Schwelle des Todes. Denn Jesus hat meine Niedrigkeit, meine Nullexistenz, meine Hinfälligkeit ertragen – meine Hoffnungslosigkeit.
Er gibt mir eine ewige, sichere Hoffnung.
Die Gewissheit der Zuversicht und der Schutz Gottes
Jetzt möchte ich noch einen zweiten Punkt anfügen. Das Erste ging ganz tief hinunter in unsere menschliche Nichtigkeit, Finsternis und Dunkelheit.
Und jetzt das Zweite: Jesus gibt uns eine ganz bestimmte Zuversicht. Das Wort Hoffnung ist eigentlich ein dummes Wort, weil Sie kennen doch all die Sprichworte: "Hoffen und Harren macht Menschen zu Narren." Dieses Sprichwort gibt es in allen Sprachen, weil man immer wieder sieht, wie Menschen mit der Hoffnung umgehen. Das ist oft eine trügerische Hoffnung, eine vage Hoffnung, die auf Sand gebaut ist und kein Fundament hat.
Darum ist es in der Bibel immer ganz anders. Ja, ich habe mich schon gefreut, dass außen an eurem Schaukasten neben dem Einladungsplakat zu diesem Abend das Wort aus dem Psalm stand. Ihr könnt jetzt mal in der Bibel nachschlagen: "Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt." Das haben wir heute Mittag erlebt, als es schon geregnet hatte. Was ist ein Schirm? Plötzlich ist man geschützt. Dann heißt es: "Du bist meine Zuflucht und meine Zuversicht, Gott, du bist meine Zuversicht." Da flüchte ich mich hin. Man hat diese vertraute Nähe zum lebendigen Gott.
Wissen Sie, den lebendigen Gott können wir uns gar nicht vorstellen. Doch durch Jesus Christus habe ich diese ganz vertraute Nähe. Seine Liebe macht es auf einmal möglich, dass ich bei ihm bleiben kann und bei ihm ganz sicher geborgen bin in den Stürmen dieser Welt.
Jetzt habe ich das vorhin schon angedeutet: Meine Frau und ich sind Leute, die noch geprägt wurden durch die großen Lieder des Glaubens. Da hat der Bürgermeister von Guben in der schrecklichen Zeit des Dreißigjährigen Krieges ein Lied gedichtet: "Unter deinem Schirmen bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei. Lass den Satan wettern, lass die Welt erzittern, mir steht Jesus bei."
Weißt du das so sicher? Das musst du absolut und sicher wissen. Du kannst das nur wissen, weil Jesus es zugesagt hat. Ist das wahr, was Jesus sagt? Oder hat er dich angeschmiert? Lügt er? Ist er der Betrüger oder ist er der, dem man glauben kann? Andere Lösungen gibt es nicht. Entweder ist es wahr oder Jesus ist der gerissenste Betrüger, der je da war.
Er hat gesagt: "Niemand kann dich aus meiner Hand reißen. Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Ja, und dann darf ich an die schöne Nikolaikirche erinnern, die für uns immer wieder ein ganz großes, bewegendes Erlebnis ist. Die schönsten Lieder von Paul Gerhard hat man ja rausgerissen, zum Beispiel "Schwing dich auf zu deinem Gott, du betrübte Seele." Da hat er ein Lied für Schwermütige gedichtet. Suchen Sie es in den alten Gesangbüchern, wenn Sie mit der Schwermut kämpfen müssen.
Und da kommt er, wie er sagt: Das, was Christus für dich erworben hat, das ist das Einzige, was dich herausholt aus der Dunkelheit, der Traurigkeit und der Verzweiflung.
Aber auch ein herrliches Adventslied: "In der Welt ist alles nichtig, nichts ist, das nicht kraftlos wäre. Habe ich Hoheit, die ist flüchtig, habe ich Reichtum, was ist mehr als ein Stück Leinen armer Erd." Und dann sagt er: "Aller Trost und alle Freude ruht in dir, Herr Jesus Christ." Das ist das, was bleibt, was mein Leben groß macht und was mich füllt. Darin will ich bleiben und mich freuen.
Zeugnisse von Glauben und Hoffnung in schweren Zeiten
Ach ja, das war in diesen schrecklichen Kriegstagen 1945. Wir waren evakuiert auf der Schwäbischen Alb bei der Oma. Dort hat ein junger Familienvater, 31 Jahre alt, auf zwei französische Kriegsgefangene, die das Regiment im Ort übernommen hatten, irgendwo Steine geworfen.
Es war ja in diesen chaotischen Tagen, und sie hielten ein Standgericht ab. Am Abend, um 17 Uhr, wurde er auf dem Friedhof des kleinen Dörfleins erschossen. Es war eine Mordspannung. Um 17 Uhr standen wir damals im Garten und warteten, bis wir die Schüsse hörten. Dann sagte uns unsere Mutter, dass dieser Mann, Vater von zwei kleinen Kindern, bevor er erschossen wurde, mit dem Pfarrer, der ihn besucht hatte, alle Verse auswendig noch gesagt hat: "Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt."
Die Mutter erzählte, sie ging damals in die erste Klasse und musste alle Verse auswendig lernen. Ich danke meiner Mutter, dass sie uns gezwungen hat, das auswendig zu lernen. Sie hat uns mehr mitgegeben als mit allen modernen pädagogischen Mitteln, die sie uns hätte mitgeben können. Diesen Schatz: "Weg hast du allerwegen, an Mitteln fehlt dir es nicht, dein Tun ist lauter Segen, dein Gang ist lauter Licht." Auch wenn nach unserem Blick in dieser Welt alles zerbricht, gibt es Hoffnung, wo alles hoffnungslos ist und alles verzweifelt böse aussieht.
Ja, natürlich. Wenn wir dann durch Berlin weitergehen, erinnern wir uns, dass vor hundert Jahren eine Frau dort war. Sie war zuerst ganz schüchtern und traute sich gar nichts zu, weil damals Frauen in der christlichen Gemeinde keine große Bedeutung hatten. Dann sagte der Chinamissionar Hudson Taylor zu ihr: "Wir brauchen mütterliche Frauen." Das war Hedwig von Redern, eine Generalstochter. Sie richtete die erste Bibelstunde für Schutzmänner in Berlin ein.
Bei Bolle in der Molkerei wurde ein Raum zur Verfügung gestellt für eine Schutzmann-Bibelstunde. Sie schenkte uns das schöne Lied: "Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl, das macht die Seele still und friedevoll." Wenn sie mich fragen, geht mein ganzer Glaube immer noch diesen herrlichen Liedern entlang.
Später, 1919, haben die baltischen Märtyrer, die als Geiseln von den Bolschewiken genommen wurden, noch vor ihrer Hinrichtung diese Lieder gesungen. Das ist so groß, wenn man so ein Zeugnis hat, auch ein Vorbild. Da stehen wir auf einmal in dieser Kette und dürfen mit eintreten. Das, was in den Bibelworten drinsteht, das Wort Gottes, ist voll davon und bezeugt mir das. Ich darf das Wissen in allem, was ich habe. Das Schöne kann man gar nicht mehr ausdrücken, was in den Bibelworten da ist.
Ein Psalm, in dem einer eigentlich mit sich selbst streitet und sagt: Warum leben eigentlich die Gottlosen so gut? Sie haben Erfolg, bekommen Boni und machen im Leben den großen Schnitt. Sie können toll leben auf großem Fuß. Doch dann gingen sie ins Heiligtum. Was sahen sie dort? Den Brandopferaltar, wo das Opfer für Gott gebracht wurde.
Wenn ich das einmal weiß: Christus hat das Opfer für mich vollbracht. Dann wusste dieser Psalmbeter: Dennoch bleibe ich stets bei dir, denn du hältst mich bei deiner Hand. Das ist mit nichts aufzuwiegen, mit gar nichts in der Welt ist das aufzuwiegen, was Christus mir gibt.
Der Petrich hat vorher so schön gefragt, was mich in der Welt fasziniert hat. Das hatte ich nie erwartet, dass ich das in dieser Dichte erleben kann, in der ganzen Welt. Dass Menschen einem bekennen und sagen: Jesus ist das Allergrößte. Dass einem das Leute in China erzählen, die hohe Stellungen hatten, und sagen: Das ganze Sozialistische ist nur ein Traum, so wie wir es auch im Kommunismus erlebt haben – eine Enttäuschung. Christus ist das Einzige.
Wie Buddhisten in Burma sagen: Das habe ich erst entdeckt, als ich Jesus fand. Heute sagen viele Muslime im Iran, dass sie eine ganz große Zahl von Bekehrungen erleben. Wir reden von einem 90-prozentigen Wachstum der christlichen Kinder, aber viele Muslime werden wach unter diesem schrecklichen Terror.
Sie müssen wissen, dass 96 Prozent der Muslime das nicht wollen. Wenn sie in den Koran schauen, sehen sie, dass dort alles steht – auch die Gewalttaten. Dann sind sie angewidert und fragen: Wo ist denn Gott? Ist das wirklich Gott? So sagen sie: Nur der Friede, den Jesus gibt, und die Freude, die Jesus gibt.
Da ist ein Hunger da. Streiten Sie nie mit Muslimen über Religion, sondern bekennen Sie, was Sie in Jesus gefunden haben. Und das ist so wunderbar, dass man das wissen darf.
Der Glaube als gewisse Zuversicht und die unsichtbare Wirklichkeit
Im Neuen Testament gibt es ein Kapitel, das ganz kurz beschreibt, was Glauben bedeutet. Für uns ist Glauben oft ein abgegriffenes Wort. Zum Beispiel sagen wir: „Ich glaube, morgen wird das Wetter besser“ oder „Ich glaube, morgen wird ein guter Tag“. Unser Glaube wirkt oft unverbindlich.
In der Bibel ist das jedoch ganz anders. In Hebräer 11 heißt es: „Der Glaube ist eine gewisse Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ Im Griechischen kann man das so übersetzen, dass man von der unsichtbaren Wirklichkeit überwältigt wird.
Wahrscheinlich ist das die größte Armut für uns im 21. Jahrhundert: Wir sagen, es gibt nur diese sichtbare Welt – die Welt der Kriege, der Unterdrückung, der Ausbeutung und der Ungerechtigkeit. Alles andere seien Ideale, die nie realisiert werden.
Doch es gibt eine unsichtbare Wirklichkeit, die Wirklichkeit, die Jesus Christus ans Licht gebracht hat. Im Hebräerbrief wird erzählt, wie Abraham nicht auf das Sichtbare schaut, sondern auf den unsichtbaren Gott. Das dürfen wir lernen, so wie es viele vor uns getan haben.
Mose sah nicht auf die Schätze Ägyptens, sondern auf einen größeren Reichtum. Hoffentlich sind auch wir nicht an diese Dinge gebunden, auch nicht in unserem eigenen Leben. Stattdessen können wir sagen: „Ich habe Christus, ich habe Christus.“
Wie Paul Gerhardt sagt: „Warum sollte ich mich denn grämen? Als ihm alles weggenommen wurde, habe ich doch Christus noch. Wer will mir den nehmen? Wer will mir den Himmel rauben, den mir schon Gottes Sohn beigelegt hat?“ Im Glauben können wir so gewiss und fröhlich in ihm sein.
Zeugnis von Glauben und Hoffnung inmitten von Leid
Es war für mich sehr bewegend, als ein guter Freund von mir in Afghanistan ermordet wurde. Er war Entwicklungshelfer der deutschen Entwicklungshilfe der Bundesregierung, und ich musste ihn beerdigen. Dieser Mann war 30 Jahre lang einer der besten landwirtschaftlichen Berater im Dienst der Bundesregierung. Er half in vielen Notgebieten der Welt und setzte sich dann in Afghanistan ganz beeindruckend dafür ein, Genossenschaften für Frauen aufzubauen. Sein Name war Willi Ehret, Sohn des Bürgermeisters eines Ortes in der Nähe von Stuttgart.
Es war ungeheuerlich, wie die Straßen gesperrt werden mussten und wie bewegt die Menschen waren. Besonders eindrücklich war, was die Frau einer Missionarin sagte, die in Malawi blieb, weil sie aus Sicherheitsgründen nicht nach Afghanistan mitreisen durfte: „Wir machen an der Beerdigung einen großen Tag für Jesus.“
Dann haben wir gesungen: „In dir ist Freude, in allem Leide. Wenn wir dich haben, kann uns nichts schaden, Teufel, Welt, Sünd’ oder Tod.“
Haben Sie diese Sicherheit Ihres Glaubens und Ihres Lebens? Sonst sind Sie arm, ganz arg arm. Ich kenne keinen anderen Weg.
Schlussgebet der Dankbarkeit und Bitte um Glauben
Ich möchte noch mit Ihnen beten.
Herr, wir sind so dankbar, dass du uns all das kostenlos schenkst. Trotz der vielen Verfehlungen und Schuld in unserem Leben, trotz unseres bösen Herzens, schenkst du uns deine ganze Liebe und Güte – absolut verlässlich.
Herr, vergib uns, wo wir das immer wieder zurückgewiesen haben. Wir wollen dich nun aufnehmen und dir glauben.
Danke, Herr. Amen.
