Einführung: Der Blick auf Gottes Schöpfung und seine Macht
Ich lese euch jetzt den Text zur Predigt aus Jesaja 40, Verse 26 bis 31:
Hebt eure Augen empor und seht: Wer hat diese dort geschaffen? Er, der Herr, lässt sie hervortreten nach der Zahl und ruft sie alle mit Namen. Vor ihm, reich an Macht und stark an Kraft, fällt kein einziger.
Warum sagst du, Jakob, und sprichst, Israel: „Mein Weg ist verborgen vor dem Herrn, und meinem Gott entgeht mein Recht“? Hast du es nicht erkannt oder hast du es nicht gehört? Ein ewiger Gott ist der Herr, der Schöpfer der Enden der Erde. Er ermüdet nicht und ermattet nicht. Unergründlich ist seine Einsicht.
Er gibt dem Müden Kraft, und den Unmächtigen verleiht er Stärke. Jünglinge ermüden und ermatten, und junge Männer straucheln und stürzen.
Aber die, die auf den Herrn hoffen, gewinnen neue Kraft. Sie heben die Schwingen empor wie Adler, sie laufen und ermatten nicht, sie gehen und ermüden nicht.
Die Realität menschlicher Verzweiflung und die Suche nach Trost
Ich möchte mit uns beten. In diesen Tagen sind wir viel mit der U-Bahn gefahren. Da wir kein Smartphone besitzen, gehörten wir zu den wenigen, die die Werbung in den Fenstern beobachtet haben, die dort angebracht war.
Gestern war ich doch überrascht, denn so etwas hatte ich noch nie gesehen: Werbung für ein Krisentelefon. Dort wurde alles aufgezählt, was darauf hinweist, dass auch hier in Berlin ein großes Problem besteht – Menschen verzweifeln am Leben.
Die Werbung richtete sich an Menschen, die Krisen durchleben, an Burnout-Betroffene, an diejenigen, die keinen Mut mehr zum Leben haben und aussteigen wollen, die mit ihren Sorgen nicht mehr fertig werden. Es hätte mich interessiert, welche Antworten man an diesem Krisentelefon erhält.
Ich bin oft mit Menschen zusammengetroffen, die im Leben verzweifelt waren. Doch ich habe oft den Mund nicht aufbekommen. Was soll ich sagen? Wenn jemand todkrank da liegt und ich gesund bin, wie kann ich da reden? Das klingt ja wie Hohn und Spott.
Und was sind diese Ermahnungen: „Kopf hoch“, „Lass den Kopf nicht sinken“, „Es wird nicht so schlimm kommen“ oder „Vielleicht wird es doch wieder besser“? Das ist eine Lüge. Was kann man einander wirklich zusprechen?
Tatsächlich gibt es wahrscheinlich keinen Menschen, der nicht in seinem Leben schwerste Krisen durchleiden muss – oft schon in den Kindertagen. Kinder erleben, wie die Eltern im Hass auseinandergehen. Unheilbare Krankheiten, schwere körperliche Behinderungen, Mobbing im Beruf – das alles prägt das Leben.
Manche Kinder schauen nicht mehr nach ihren Eltern. Und was ist mit all den bösen Worten, die umhergehen? Was kann man dagegen tun? Und was ist der Trost?
Die biblische Perspektive auf Leid und Murren
Nun ist es so, dass wir Christen ebenfalls mit solchen Situationen zu tun haben. Wenn man die Bibel aufschlägt, wird fast überall von Menschen erzählt, die sich in großen Krisen befanden und nicht mehr weiterwussten.
Es beginnt damit, dass einer seinen Bruder tötet. Danach folgen viele weitere Berichte von großen Nöten und Erlebnissen. Was können wir Christen in solchen Situationen sagen? Sehr häufig ist die Reaktion: „Ich verstehe dich nicht, Gott. Warum lässt du das zu?“
Ein Beispiel dafür ist das, was die Israeliten auf ihrem Wüstenzug oft praktizierten: das Murren. Murren ist eine sehr negative Sache, denn es vergiftet unser Leben. Es entsteht aus der Bitterkeit der Erfahrung. Doch gerade in großer Not verstehen wir das gut, denn solche Erfahrungen machen wir auch immer wieder selbst.
Das Besondere am Evangelium ist jedoch: „Und nun spricht der Herr.“ Nun spricht der Herr – das trauen wir uns in unserer säkularisierten Gesellschaft kaum noch zu sagen. Es gibt einen lebendigen Gott, der nicht schweigt, sondern redet.
Wie furchtbar ist das für Menschen, die allein sind mit ihren Nöten und Sorgen und die Stimme Gottes nicht mehr hören.
Die Herausforderung des Glaubens in einer säkularen Welt
Ja, natürlich, manche sagen, was gibt es da in Gottes Wort für Märchen? Wir kennen ja all die Redewendungen unserer säkularisierten Zeit.
Aber das ist so uralt, seit es Menschen gibt: Menschen reißen sich los und sagen, sie wollen ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Dieses mutige Unternehmen endet oft plötzlich in großem Fiasko, in Ausweglosigkeit und in Nöten, die man nicht mehr alleine bewältigen kann.
Der Tod ist die letzte Sackgasse für Menschen, die keinen lebendigen Gott vor sich haben, kein Erbarmen Gottes kennen und keine Gnade Gottes erfahren. Wir sollten viel mutiger darüber sprechen. Der erbarmende Gott ist da und spricht in dein Leben hinein.
Was macht es aus, wenn andere grinsen, lächeln oder sich abwenden? Nun spricht der Herr und tritt ein in unser Reden, unser Murren und unser Fragen. Wie hat das einen Hiob umgetrieben, der so schweres Leid ertragen musste?
Das Allerschlimmste war noch die unglückliche Ehe, in der die Ehefrau ihn wegen seines Glaubens verspottete. Dann hat Gott zu Hiob gesprochen, nachdem seine Freunde vergeblich versucht hatten, ihn aufzurichten und zu trösten.
Gottes Wort als letzte Instanz und Quelle der Kraft
Und nun spricht der Herr – das ist der Zuständige. Wir kennen das ja manchmal: Wenn in einem großen Plenum eine Diskussion läuft und alle durcheinander reden, dann ertönt im Parlament die Glocke zur Geschäftsordnung. Jetzt kommt das, was gilt. Und nun spricht der Herr.
In unserem Leben hat nur einer das Wort für alle Situationen. Ich denke, jeder von uns hat heute Morgen viele ungelöste Dinge mitgebracht. Und nun spricht der Herr.
Das Wort „Herr“ ist bei uns oft abgewertet, weil sich das männliche Geschlecht damit schmückt. Aber was die Bibel meint, ist der Alleingewaltige, der Anfang und das Ende, der Schöpfer aller Dinge, dem alles gehört. Er, der dich kannte, bevor du geboren wurdest, der bei dir ist, wenn dein Leben zu Ende geht – der Gott. Und nun redet er und sagt: „Warum redest du denn so dauernd? Mein Weg ist dem Herrn verborgen, mein Recht geht an meinem Gott vorüber.“
Das Bissen Recht zu leben, das wir uns wünschen – wir wollen ja gar nicht viel vom Leben haben, keine großen Erwartungen. Aber dass wir in Frieden leben können, warum gibst du mir das nicht, Gott? Es ist keine besonders intelligente Frage, die wir da stellen: Warum lässt du das zu? Wenn Gott der Herr ist, kann er alles zulassen. Was will die Frage „Warum“?
Aber Gott fragt uns: „Warum sprichst du denn? Hast du nicht gehört? Hast du das nie gehört von den Generationen vor dir?“ Dann wird Jakob angesprochen.
Jakob war ein ganz besonderer Mann. Er war nicht so naturverbunden wie sein Bruder Esau. Jakob fühlte sich gern geborgen in der Nähe seiner Mutter, er war ein Mutterschönchen, gerne zu Hause. Und dann geriet er in diese komische Sache, dass er seinen Bruder betrogen hat. Es war ihm so wichtig, den Segen des Vaters zu bekommen.
Und dann wurde sein Leben furchtbar schwer. Er musste fliehen, hinaus in die Wüste, in die gnadenlose Wüste, wo man kaum überleben kann. Dann ins fremde Land, ins Weisstromland. Und dort kennt Gott auch seinen Weg. Das hast du doch gehört.
Wie Gott mit Jakob über Jahrzehnte war, obwohl Jakob noch tief in der Schuld steckte. Er konnte doch gar nichts fordern. Und das gilt in besonderer Weise auch für das Volk Israel.
Die menschliche Erfahrung von Loslösung und Gottes bleibende Treue
Und das ist die Tragik unseres Lebens: Wir alle durchlaufen diese schmerzhafte Entwicklung, dass wir uns von Gott losreißen und dann unser Leben ohne Gott selbst bestimmen wollen. Wie oft passiert es, dass wir einfach in den Tag starten und dabei die Stille über das Wort Gottes und das Hören dessen, was Gott uns sagen will, vergessen?
Die Schwierigkeiten werden dadurch immer schlimmer, und wir kommen nicht mehr weiter. Wir suchen Rat – doch wo suchen wir ihn? Wer kann uns wirklich raten und helfen? Das ist die schlimmste Not in dieser Welt: Menschen scheitern an sich selbst.
Alle sagen: „Ich möchte mein Leben selbst meistern. Ich möchte mich selbst behaupten. Ich will es aus eigener Kraft schaffen.“ Viele meinen, sie kämen ganz gut ohne Gott zurecht. Doch es gibt kaum jemanden unter uns, der nicht einst seine frommen Eltern verlacht hat mit den Worten: „Ich brauche das nicht mehr, ich bin jetzt selbst groß. Ich will meine eigenen Wege gehen.“
Das Zerbrechen an sich selbst gehört zu den Wegen, die Menschen in dieser Welt gehen. Wann endlich erinnerst du dich daran, dass Gott zu dir gesprochen hat? Hast du es denn nicht gehört? Es hat noch nie einen Menschen auf dieser Welt gegeben – in allen Völkern, Sprachen und Nationen und zu allen Zeiten –, der sein Leben allein meistern konnte, ohne an sich selbst zu zerbrechen.
Darum ruft Gott noch einmal durch den Propheten zu seinem müden, enttäuschten Volk: „Habt ihr es denn nicht gehört?“ Der Herr, der ewige Gott, wird nicht müde und matt.
Was für eine Mühe hat Gott auf sich genommen! Wie er uns gesucht hat, wie er uns nachgegangen ist und wie er uns Menschen in den Weg gestellt hat.
Persönliche Erinnerungen an Gottes unermüdliche Suche
In meinen Erinnerungen war es noch in den Kriegsjahren. Ich erinnere mich daran, bevor unser Gemeindehaus durch Bomben zerstört wurde. Ich sehe eine körperbehinderte Frau, die uns – man nannte uns damals eine Lämmergruppe – zum ersten Mal von Jesus erzählt hat.
Man hörte es im Elternhaus durch die wunderbaren Bilderbücher, in denen die biblischen Geschichten studiert wurden. Man nahm es wahr, doch wie oft schob man es beiseite oder hörte nicht richtig zu. Dabei wird Gott niemals müde. Er hätte allen Grund, mit uns müde zu werden und zu sagen: Jetzt ist genug.
Das schlimmste Wort in der Bibel ist das, wenn Gott uns einfach laufen lässt auf unseren Wegen – ohne ihn. Mit unseren festgefahrenen, vorgefassten, frommen Ansichten und eigenen Gedanken und Vorstellungen. Mit unseren Ritualen und Formen, die wir pflegen, aber ohne Gott bleibt alles leer.
Nun spricht der Herr: Hast du es gehört? Hast du sein Wort gehört, wie er dich sucht?
Die Bedeutung des Harrens auf den Herrn
Und dann sage Gott dieses entscheidend Wichtige: "Die auf den Herrn harren!"
Das ist ein Wort, das in unserer Zeit kaum noch gebräuchlich ist. Bei manchen biblischen Worten ist das so. Das liegt nicht an der Bibel, sondern an unserer Entfernung von Gott.
Wer die Stimme Gottes hören will, der kann das nur mit Harren erreichen – mit lang andauerndem Warten. So wie ein Jäger auf seine Beute wartet und vier Stunden auf dem Stand sitzt, um zu sehen, wann endlich das Wild vorbeikommt.
Auch in unserem Leben braucht es ein Harren, ein Suchen.
Es war so schön: Gestern habe ich die Erlaubnis bekommen, als Mann am Frauenfrühstück teilzunehmen. Ich habe so selten Gelegenheit, meiner Frau zuzuhören. Dank der Amnestie der anderen war das gestern möglich.
Es war so schön, auch das Gespräch mit den Frauen. Es war berührend, wie die Leute erzählt haben und wie sie es gesagt haben. Oft ist es so im Leben, wenn man im Alter ganz allein dasitzt und die Krankheit schwer ist, ohne dass es eine Lösung gibt.
Doch dann hat man plötzlich den freien Blick auf die Liebe des erbarmenden Gottes, der da ist, der dich sucht und der dich trägt.
Beispiele für das Harren und die neue Kraft Gottes
In geschäftlichen Angelegenheiten hat ein Kaufmann in Wuppertal einmal eine Erfahrung gemacht. Er hatte sich verspekuliert, damals mit Indigo, mit der Farbe. Das ist vergleichbar mit der heutigen Börse, wo man sein Geld im Nu verlieren kann, wenn man das große Geschäft machen will. Er konnte nachts nicht mehr schlafen, vor großer Sorge. Während die Fracht aus Ostasien unterwegs war, war der Preis stark gefallen, und sein Geld war verloren.
In dieser Situation hat er das Lied gesungen: „Harre meine Seele, harre des Herrn.“ Das ist wichtig, denn man muss Menschen sagen, dass sie dranbleiben müssen, bis sie die Stimme Gottes vernehmen können. Man muss hören. Denn oft sind unsere Ohren taub für die Stimme Gottes. Was will Gott uns sagen? Dass wir auf den Herrn harren sollen.
Wer auf den Herrn harrt, wird aufgerichtet – mit einer neuen Kraft, einer ungeheuren Kraft, die mit nichts in dieser Welt vergleichbar ist. Eine ganz enorme Kraft. Deshalb ist das Bild so schön gewählt, dass die starken Männer in dieser Welt umkippen.
Es ist erschütternd, wie schnell Größen in der Politik innerhalb weniger Stunden von hundertprozentiger Zustimmung auf null absinken und plötzlich nur noch gewöhnliche Parlamentarier sind. In dieser Welt erlebt man seelische Zusammenbrüche. Heute ist man erhoben und voller Zuversicht, und dann fällt man wieder ganz tief.
Besonders junge Männer sind stolz, wenn sie nicht mehr halbstark, sondern ganz stark sind. Doch gerade sie erleben große Not. Auch in unseren Gemeinden spüren wir das in dieser Zeit des Machbarkeitswahns, der auch in der Christenheit eingekehrt ist. Man meint, man könne alles machen – Gemeinde machen, Predigten halten, einfach alles.
Und dann brechen viele ein, selbst diejenigen, die eigentlich stark sein sollten. Sie können nicht mehr. Es geht ganz schnell. Unsere irdische Kraft ist sehr klein, unsere Seelenkraft ist begrenzt. Wir können nur wenig tragen. Jeder spürt es an sich selbst: Man kann hoch jauchzen und dann tief abstürzen in den Schrecken dieser Welt, ohne noch Zuversicht zu haben.
Doch die, die auf den Herrn harren, erhalten neue Kraft.
Die Kraft Gottes als Gabe und Gegenwart
Jetzt, was ist denn diese Kraft? Wir beten ja oft um eine neue Kraft: Herr, gib uns eine Portion mehr! Aber der Herr gibt keine Portionen. Der ewige Gott gibt sich selbst her und kehrt ein in das Leben von bedrängten, verzweifelten Menschen.
Das war das Geheimnis von Jakob, es war das Geheimnis des Volkes Israel: „Ich will mit dir sein! Weiche nicht, ich bin dein Gott, ich stärke dich, ich helfe dir auch.“ Gott will in unserem Leben die Mitte sein. Er will in uns Wohnung machen, nicht bloß Kraft geben für einzelne Stunden vor der Operation, auf dem Weg oder zum Grab. Nein, er will sich selbst geben, Tag und Nacht.
Er hat sich unser irdisches Leben ausgesucht, um es zu heilen und zu erfüllen mit seiner Gegenwart. Und das ist das ganz Wunderbare: Durch Jesus wird erst sichtbar, dass Jesus in unserem Herzen wohnen will – durch Glauben und Liebe in unserem Herzen. Und dass wir von seiner Fülle nehmen können, Gnade um Gnade, ganz unverdiente Begnadigung.
Die Not der heutigen Zeit und die zentrale Frage nach Christus
Ja, es ist eine Not: Wir leben in einer gottlosen Zeit, die die Christenheit längst ergriffen hat. Die entscheidende Botschaft lautet doch: Hast du Christus?
Der große Verleger Friedrich Henssler erzählt, wie er als junger Mann in den Nachkriegsjahren von einem Geschäftsmann im Auto heimgefahren wurde. Er fuhr einen Opel P4 – die Älteren wissen, was das war. Es war damals das einzige Fahrzeug, das wohlhabenden Menschen überhaupt zur Verfügung stand.
An einer Waldlichtung hielt der Geschäftsmann an und fragte: „Friedrich, wie stehst du zu Jesus?“ Das sei die wichtigste Frage deines Lebens, erklärte er. Denn Jesus will dir nicht nur durch manche Engpässe und Schwierigkeiten helfen. Er will die Mitte deines Lebens sein.
Jesus will der Herr deines Lebens sein – deiner Entscheidungen, deiner Gespräche, deiner Gedanken. Das Wunderbare der neuen Geburt, des neuen Menschseins, das Christus schenkt, kann man nur in den Sackgassen des Lebens erfahren.
Zeugnisse von Freude und Zuversicht im Glauben
Gestern war es wunderbar, wie eine dieser lieben Frauen, die neben mir saß, so wunderbar sagte: „Ich werde plötzlich ganz fröhlich, weil ich weiß, ich habe doch den Herrn bei mir.“
Dann sind plötzlich die alten Sorgen nicht mehr da. Sie erzählt von einer lieben Frau – vielleicht ist sie unter uns – und sagt: „Die hat eine solche Jesusfreude, die spricht gar nicht mehr über ihre Nöte und Probleme. Wenn die ins Haus kommt, bin ich richtig mitgerissen und erfüllt, und der Blick ist wieder frei.“
Ich kann mich in dem Herrn Jesus freuen, alle Wege. „Freut euch in dem Herrn allewege!“
Es ist so wunderbar, dass es gar nicht darum geht, in dieser Welt stark zu sein. Das ist ein Irrtum, wenn wir immer wieder meinen, wir könnten in dieser Welt als Christen prahlen. Das funktioniert nie gut. Wir können einer gottlosen Welt nie imponieren und sagen: „Guck mal, wie stark wir sind!“
Es ist ein trügerischer Weg, den ich auch in meinem Leben oft gegangen bin. Ich wollte schon meine Mitschüler beeindrucken, wie toll die Christen sind. Aber wir sind nicht toll. Wir können den anderen nur von unserer Armut erzählen, aber von einem mächtigen Heiland.
Sind wir schwach, der Herr hat Stärke. Sind wir arm, der Herr ist reich. Wer ist unserem König gleich? Unser Herr tut Wunderwerke. Sagt, ob er nicht helfen kann, dem die Himmel untertan sind.
Die ganze Schöpfungskraft dieser Welt – der Gott, der die Planeten auf ihre Bahnen gestellt hat, der die ganze Schöpfung erfüllt – diese ganze Kraft ist in Jesus lebendig. Und noch viel mehr, in der Auferstehung Jesu von den Toten.
Die Kraft der Auferstehung und das Zeugnis schwacher Menschen
Was hat Jesus aus dem armen Leben schwacher Menschen gewirkt? Die ganze Geschichte des Reiches Gottes in dieser Welt ist eine Kette von Berichten über arme, schwache Menschen.
Die erste Christin in Europa war eine Frau, Lydia. Sie hatte eine schöne Boutique mit Purpurstoffen, aber sie war dennoch eine Frau. Im Griechentum waren die Männer sehr stolz. Doch Gott hat das noch einmal deutlich gemacht: Lydia war die erste, die erfüllt wurde. Der Herr tat ihr das Herz auf, und sie nahm Jesus in ihr Leben auf.
Das ist der entscheidende Dienst, den wir bei unseren Krankenbesuchen im Altenheim tun müssen: Suche Jesus und sein Licht. Alles andere hilft dir nicht. Oft begegnet uns darauf die Frage: „Kommst du wieder mit dem?“ Ja, womit denn sonst? Denn nichts anderes trägt mich auch durch das finstere Tal auf der letzten Strecke meines Sterbens.
Ich werde den Tod nicht schmecken. Während Jesus glaubt, hat das Leben und wird nicht den Tod schmecken, sondern die Auferstehung erfahren. In Jesus gehen wir hinüber in die neue Welt.
Dass dies hier immer wieder erlebt wird und dass wir das weiter bezeugen dürfen, ist so wunderbar.
Das Bild vom Weinstock als Symbol der Kraftquelle
Ich bin so dankbar, dass Jesus uns das in einem Bild vom Weinstock gezeigt hat. In einem dürren Land, wo es monatelang nicht regnet, ist es ein Geheimnis, dass ein Weinstock köstliche Reben trägt – Weintrauben, die am Stock hängen und tief aus dem Boden ihr Wasser und ihre Kraft holen.
Jesus sagt: „Ihr könnt ohne mich nichts tun.“ Nichts! Ja, wir sind zwar rastlos tätig, aber es ist nichts von Bedeutung, nichts von Wirkung, nichts Großes, das diese Welt überwindet.
Gestern habe ich wieder auf den Dom geblickt, wo steht, dass unser Glaube der Sieg ist, der die Welt überwindet – alles das, was uns bedrängen mag.
Zeugnisse von zerbrochenen Menschen und der Kraft Gottes
Ich habe mich einfach noch gefragt: Am liebsten würde ich Ihnen jetzt stundenlang aus dem Leben von gebrochenen Menschen erzählen. Zum Beispiel von Hann Friedrich von Podelswing, der beim Missionsfest in Publis durch Gustav Knack einst in den Missionsdienst gerufen wurde.
Doch dann wurde seine Frau schwermütig, und er konnte nicht in den Missionsdienst gehen. Kurz darauf starben innerhalb von vier Wochen über Weihnachten alle vier Kinder. Gebrochen sitzt er in Westfalen auf der Bank, dort, wo seine Kinder begraben sind – alle vier Kinder sind weg.
Dann kam der Ruf: In Bielefeld gibt es ein kleines Heim mit elf Geisteskranken. Dort durfte er die Liebe Gottes den Geisteskranken bezeugen. Das war der Anfang von Bethel, wo sechstausend Kranke eine Heimat fanden. Aus diesem Anfang entstanden viele andere Werke der Nächstenliebe.
Doch am liebsten wollte ich Ihnen von den Menschen erzählen, die dort Heimat fanden. Von denen, die diese Geschichte weitersagen und morgen selbst erleben, wie wichtig es ist. Die anderen sagen: „Weißt du, das ist das Allerwichtigste – dass du Jesus kennst.“
Die Bedeutung des Zeugnisses und der Kraft Jesu
Ich erinnere mich an Peter Schneider, besonders jetzt, wo Billy Graham verstorben ist. Peter Schneider hat Billy Graham auf wunderbare Weise übersetzt. Er war Generalsekretär der Evangelischen Allianz.
Peter Schneider erzählte einmal, wie er selbst in den USA war. Dort sind die CVJM eigentlich sehr liberale Clubs, in denen wenig über geistliche Dinge gesprochen wird. Doch an diesem Abend fand ein Evangelisationsabend statt.
Als der Abend zu Ende war, wollte der Nachbar, der neben ihm saß, das Gespräch beginnen. Er fragte: „Wie haben Sie das empfunden? Eine nette Sache, wenn man so etwas tut.“ Peter Schneider, der damals noch ungläubig war, antwortete: „Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Sachen, das geht Sie nichts an.“
Daraufhin stürmte er mit hochrotem Kopf aus dem Saal. Doch in jener Nacht folgte Peter Schneider Jesus. Er sagte später, dass er sein Leben lang diesen Unbekannten gesucht habe. Gerne hätte er ihm gesagt, wie sehr dieser ihm geholfen hat.
Deshalb sollte man nicht so ungeschickt sein zu denken: „Ach, ich bekomme ja Ablehnung.“ Denn ein Samenkorn kann aufgehen und Frucht bringen.
Wir wollen in der kurzen Zeit unseres Lebens die Menschen auf das Entscheidende hinweisen: Dass die Kraft Jesu die Kraft in unserem Leben ist. Die Kraft seiner Auferstehung wirkt Neues. Sie kann unser altes, verkorkstes Leben umgestalten. In seiner Vergebung heilt er unsere Schuld und macht unser Leben neu.
Es ist ganz wunderbar, dass wir dies erfassen und finden können.
Die Hoffnung inmitten des Leids und die Freude an Christus
Ja, wir haben das Lied von Paul Gerhardt gesungen. Das ist doch der Grund, sagt ein junger Mann zu mir. Er möchte keine Kriegslieder mehr singen, besonders nicht vom Dreißigjährigen Krieg.
Nein, nie wurde in unserem Volk in zweitausend Jahren das Elend des menschlichen Lebens so erlebt wie in dieser Zeit. Die Bevölkerung Berlins, die ohnehin nicht groß war, ist durch Pest und Kriegseinwirkungen auf nur ein Drittel geschrumpft.
Paul Gerhardt hat seinen elterlichen Besitz, seinen Bauernhof in Gräfenhainichen, verloren, als die Schweden die Stadt belagerten. Dann forderten sie zehntausend Golddukaten, Goldtal oder was das war – eine unmögliche Summe. Da habe ich gesagt: Das können wir nicht zusammenbringen. Dann gehen die Nachbarn oder die Bettler zusammen. So brachten sie das Geld den Schweden heraus, und zum Dank wurde Gräfenhainichen abgebrannt.
Paul Gerhardt sagte daraufhin: Was sind dieses Lebensgüter? Eine Hand voller Sand, kummervolle Gemüter. Warum sollte ich mich denn grämen? Habe ich doch Christus noch. Die haben es wenigstens für uns durchlebt.
Es ist so wunderbar, in diesem Vers 4, den wir vorhin übergangen haben, auch dem Satan zu trotzen. Sie wissen, was das in Ihrem Leben bedeutet: allen dunklen Mächten zu widerstehen und die Freude von Jesus in Ihrem Leben zu haben. So erhalten Sie neue Kraft.
Dann sind diese Adlersflügel so toll, wie sie über die großen, wilden Schluchten der Gebirge hinüberfliegen. Das berührt sie gar nicht mehr, diese Abhänge, die tief unten sind. Diese Adlerschwingen brauchen wir in dieser Welt.
Die Gefahr des Wohlstands und die Not der persönlichen Nöte
Wir leben heute in einer Zeit des ungeheuren Wohlstands. Keine Generation vor uns hätte sich das vorstellen können. Gerade in dieser Zeit ist es besonders gefährlich, zu denken: „Ich brauche doch keinen Heiland, ich brauche doch keinen Helfer, das funktioniert doch alles.“
Wenn die Regierung ihr Geschäft noch ordentlich macht, muss es uns ja gut gehen. Doch dann treten ganz andere Nöte auf, die uns tief bedrücken – persönliche Nöte, über die wir nicht hinwegkommen.
In solchen Momenten schenkt uns unser Herr Jesus die Adlerschwingen, damit wir uns aufschwingen können. So sind wir in der Lage, viele aufzurichten, zu laufen und nicht matt zu werden, zu wandeln und nicht müde zu werden.
Welch ein Dienst ist es, dieses herrliche Evangelium den Müden und Verzagten weiterzusagen! Nutzen Sie die Gelegenheiten, die sich Ihnen bieten. Sie dürfen den Menschen das Herrlichste verkünden: dass es neues Leben und neue Kraft gibt – schon in dieser sterblichen Welt des Todes.
Schlussgebet: Bitte um Gottes Wirken und Trost für andere
Ach Herr, wir wollen Dich bitten, in unser Leben hineinzureden und hineinzuwirken als der auferstandene Herr.
Wir haben so viel zu ordnen, was mit Dir nicht in Ordnung ist. Schuld, Versäumnisse, Ungehorsam und Selbstliebe nehmen auch viel Raum ein.
Wir wollen jetzt beten, auch für die Menschen, denen wir heute oder in den nächsten Tagen begegnen. Mögen wir ihnen in Liebe zeigen können, welch ein Trost, welch eine Hoffnung, welch eine Freude und welch eine Zuversicht Du bist. Amen!
