
Letztes Mal bei der Doppeldecker-Crew.
Aber wie? Ihr kennt doch meinen Nachbarn, Herrn Reinhardt, oder? Nur vom Sehen, er redet nicht viel. Das kann man wohl sagen.
Die Buche stand auf der Grenze unserer beiden Grundstücke. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass jeder seine Seite stutzt. Jetzt hat er einfach den Baum gefällt.
Was? Das ist ja furchtbar.
Weißt du was, Mike? Wenn uns so etwas passiert, erzählt uns eine Geschichte.
Denkst du, das hilft heute auch?
Lass mich mal einen Moment nachdenken.
Oh nein! Was denn?
Schau dich mal um! Sieht aus, als wäre alles aufgefressen. Die Felder sind ja komplett kahl.
Ich habe so etwas schon mal erlebt, als ich noch bei meinem Alten gewohnt habe. Das sind Blattschneideameisen.
Die Lage ist ernst. Die Vorräte werden für etwa eine Woche reichen, wenn wir sparsam sind.
Was würde Jesus wohl tun?
Ach, gut, dass wir kein Licht gemacht haben.
Wie schön, dass du da bist, Toni! Wolltest du nicht eigentlich ganz spät zurückkommen?
Ja, das Flugzeug ist ein paar Stunden früher gestartet. Auf dem Radar wurden nämlich starke Unwetter gesehen. Ich hätte auch einen Tag später fliegen können, aber morgen ist ja Schule.
Ja, ich freue mich sehr, dass du noch bei uns vorbeischaust.
Ja, voll. Aber mit der kaputten Scheune hättet ihr mich nicht begrüßen müssen.
Ist der Doppeldecker okay?
Ja, zum Glück. Er hängt so weit von der eingestürzten Wand weg, dass er nicht erwischt wurde.
Aber Mike hat großen Ärger mit dem Nachbarn.
Kann ich verstehen, du bist bestimmt tierisch sauer, oder?
Das war ich, ja. Aber ihr kennt das: Mit einer Geschichte geht es einem manchmal besser.
Aber erst, wenn sie ein gutes Ende nimmt. Das gab es bis jetzt noch nicht.
Den ersten Teil der Geschichte auf der Farm hatten Marie und Philipp allein gehört. Doch da Toni früher aus Italien zurück ist, kann er beim zweiten Teil dabei sein.
Dann erzähle ich besser gleich weiter, oder?
Ja, unbedingt.
Dann schauen wir jetzt, was sich hinter der Tür abspielt, durch die Marie gerade gelinst hat. Wer ist das nur? Riecht man das? Die anderen riechen nichts mehr. Wen interessiert das schon?
Jetzt packt noch jemand eine Ladung ein. Das sind diese fiesen Eichhörnchen.
Leise, Sammy! Hast du das auch gehört?
Was denn?
Sei ruhig! Das sind Theo und Gustavo. Die klauen Essen.
Na, sieh mal einer an! Theo und Gustavo stehen so plötzlich vor ihnen, dass sie vor Schreck erstarren. Die beiden packen Marie und Philipp und halten ihnen die Münder zu.
Sammy will sich gegen die Angreifer wehren, doch da packt ihn eine blitzschnelle Hand, und er kann sich nicht mehr bewegen.
Die werden uns nicht verpfeifen.
Nicht nur das, es kommt noch besser.
Was meinst du?
Na ja, wir schieben einfach alles denen in die Schuhe, dann sucht keiner bei uns. Sie haben das Essen geklaut und sich davon gemacht. Wir wollten sie aufhalten, aber sie waren zu schnell.
Das ist genial. Bloß ob uns noch irgendjemand glaubt, das ist die Frage.
Theo und Gustavo verlassen den Vorratsraum. Niemand hört die Hilferufe von Marie, Philipp und Sammy, auch nicht Toni.
Er hat gerade ganz eigene Sorgen und irrt lange durch das große Gelände. Irgendwann, mitten in der Nacht, steht er in einem langen Flur. Abgesehen von einer kleinen, flackernden Glühbirne ist es dunkel.
Er sucht Schutz hinter einem großen Pflanztopf, als zwei schemenhafte Gestalten näherkommen. Er kann kaum verstehen, was sie sagen.
„Einfach perfekt. War gut, mal wieder richtig reinzuhauen. Ich war gefühlt am Verhungern.“
„Aber hoffentlich geht's denen gut da drin.“
„Ach klar, denen geht's bestimmt prima. Die können froh sein, dass wir nicht ihr blödes Eichhörnchen einkassiert haben.“
„Alter, da drin ist es mega kalt und stockdunkel.“
„Hör doch mal auf zu heulen. Was interessiert dich überhaupt, was mit denen wird?“
„Ich will einfach nicht, dass ihm was passiert. Und wenn Viktor sie findet, dann sind wir dran.“
„Mann, dann lasse ich mir morgen was einfallen. Jetzt leg ich mich erst mal pennen.“
„Guck mal, da ist jemand!“
„Viktor, weg hier!“
Theo rennt den Flur hinunter, öffnet die Tür und flüchtet über die Feuertreppe. Bald ist er außer Sicht.
Gustavo bleibt wie angewurzelt stehen und starrt angestrengt in die Dunkelheit.
Dunkelheit umgibt nicht nur ihn.
Ich habe Angst, Phil.
Ich auch, aber keine Panik.
Ich friere richtig und kann gar nichts sehen.
Wie lange sind wir schon hier?
Keine Ahnung, aber schon ziemlich lange.
Hier drin stinkt es langsam richtig fies.
Oh klar. Du riechst ja ziemlich gut.
Ich habe mich auch extra gründlich geputzt heute.
Nein, ich meine doch deine gute Nase.
Ach so, wir müssen hier raus.
Hört uns denn niemand?
Energisch rüttelt Marie an der Metalltür.
Sie lässt sich nicht öffnen.
Keiner hört die Hilferufe seit Stunden.
Verzweiflung macht sich breit.
Wütend und ängstlich ruft Marie noch lauter.
Toni dagegen versucht, völlig still zu sein.
„Viktor, bist du das?“
Keine Antwort.
Toni atmet bebend hinter seinem Blumenstock.
Einen kleineren daneben hatte er eben aus Versehen umgestoßen.
So waren die beiden auf ihn aufmerksam geworden.
Aber wer ist Viktor? Er wirkt in Ordnung, im Gegensatz zu dem, der abgehauen ist. Vielleicht führt er mich zu den anderen.
Bedächtig kommt Toni aus seiner Deckung. „Ich bin Viktor“, sagt er. „Ich heiße Toni. Und du? Was willst du hier? Meine Freunde finden? Ich glaube, du hast vorhin von ihnen gesprochen.“
Angespannt mustert Gustavo Toni. Im Dunkeln kann er seine Gesichtszüge kaum erkennen. „Ist dieser Fremde die Wahrheit? Ist er Freund oder Feind? Wird er ihn verraten?“ Diese Fragen schießen Gustavo wie eiskalte Blitze durch den Kopf.
Toni weiß, dass er ein großes Risiko eingegangen ist. Er rechnet mit allem, außer...
„Hä, habe ich was Falsches gesagt? Hey Mann, was ist denn los? Komm mit, wir müssen uns beeilen.“
Rettung naht – wenn die drei Gefangenen das bloß wüssten.
Mir ist das Bein eingeschlafen. Wir müssen doch etwas tun. Verzweifelt lehnt sich Marie gegen die kalte Wand und lässt sich auf den Boden sinken. Philipp würde sie gern irgendwie aufmuntern, aber er weiß selbst nicht mehr weiter.
„Psst, hört mal, hört mal da! Hallo?“
„Wie soll ich denn etwas hören, wenn du so grünst?“
„Hilfe, wir brauchen Hefe und Wärme und Nüsse! Komm, hier, da drin!“
„Ihr habt den Kühlraum gesperrt?“
„Was stimmt denn nicht mit dir?“
„Können wir das später klären? Komm, pack mit an!“
„Glemm, zieh fester!“
Mit aller Kraft ziehen Toni und Gustavo an der Tür des begehbaren Kühlschranks im Vorratsraum. Endlich knirscht das klemmende Schloss.
„Toni, freut mich auch, dich zu sehen, aber jetzt runter von mir.“ Zitternd tritt auch Marie heraus.
„Du? Ich kann das erklären.“
„Du Mistkerl, wir waren stundenlang eingesperrt, keiner hat uns gehört, es war stockdunkel, und ich spüre meine Füße nicht mehr. Bitte nicht noch mehr Kälte!“
„Bitte, es tut mir leid!“
„Es tut dir leid? Wir hätten darin sterben können!“
„Bleib bloß weg von dem Eichhörnchen, Toni!“
„Ich habe es verdient, ich weiß!“
„Und wie! Willst du mal fast erfrieren und nicht wissen, ob du je wieder rauskommst?“
„Nein, ich ...“
„Kannst du ja nicht mal ins Gesicht schauen und antworten?“
„Leute, lasst ihn! Er hat euch gerettet!“
Was? Kurz darauf klopft es an Viktors Wohnungstür.
Ich dachte, ihr liegt im Bett. Ist etwas vorgefallen?
„Viktor, wir wissen, es ist mitten in der Nacht, aber können wir reden? Kommt in die Küche, damit wir Sophia und die Kinder nicht wecken.“
Fröstelnd sitzen Marie und Philipp auf dem Sofa in der Küche. Sie zittern immer noch, obwohl es hier sehr warm ist. Vorsichtig nippen sie an ihrem heißen Tee.
Toni und Viktor hören aufmerksam zu.
„Es tut mir so leid, Mann, ich hätte es nicht machen dürfen.“
„Viktor, ich hätte ja beinahe jemanden umgebracht.“
„Sag das nicht mir“, sagt Viktor, während sie auf dem Sofa sitzen.
„Es tut mir so leid, ich weiß, ich kann es nicht wiedergutmachen, aber ich weiß einfach nicht weiter.“
Mhm, warum hast du das gemacht, Gustavo?
Weil wir so einen Hunger hatten, und ich... Die beiden wurden beim Essen klauen erwischt. Da musste ich Theo helfen.
Du musstest?
Ja, ich wollte sie doch nicht einsperren. Aber dann habe ich es doch gemacht. Sonst hätte er mich bei dir verpfiffen.
Wegen des Diebstahls?
Da war er doch selbst dabei.
Nein, wegen ein paar anderen Sachen.
Schuldbewusst erzählt Gustavo von der Sache mit dem Handy, dem ausgedachten Puma und anderen Vorfällen.
Ehrlich, ich wollte es wirklich zurückbringen. Der sprudelt ja wie ein Wasserfall. Ich glaube aber, er meint das ernst. Ihm tut das wirklich leid.
Einmal Eichhörnchen, immer Eichhörnchen.
Klar, ich meine das ernst. Ich hätte es nie tun dürfen.
Wenn er mit Diebstählen angefangen hat, wie konnte es so weit kommen?
Ich hatte Angst, dass du mich rauswirfst, und ich will nicht wieder auf der Straße landen.
Theo hat mir geholfen, alles geheim zu halten, aber ich dachte, damit wäre es okay.
Jetzt zwingt er mich aber ständig, bei seinem Mist mitzumachen. Dann passiert halt so etwas wie heute, und gar nichts ist okay.
Verstehe, ich werde mit Theo sprechen.
Keine Angst, ich werfe dich nicht raus.
Jetzt ist wohl erst einmal alles Wichtige gesagt. Lass uns morgen weiterreden, okay?
Nein, bitte nicht, da gibt es noch etwas Schlimmeres.
Also gut, wir reden sofort.
Geht ihr drei bitte ins Bett?
Können die nicht bleiben? Sie haben mir Mut gemacht, herzukommen.
Wirklich?
Na ja, Gustavo hat uns eingesperrt.
Ja, aber er war es auch, der uns am Ende wieder gerettet hat. Ihm ging es so schlecht. Wir dachten, mit dir kann er reden.
Na gut, bleibt hier. Aber ich erwarte euch nachher trotzdem pünktlich am Frühstückstisch.
Also, Gustavo, was ist mit den Ameisen?
Von denen haben wir also – ich habe von denen schon eine Woche früher gewusst und nichts gesagt, weil du damit zugegeben hättest, dass du heimlich auf der Party warst, habe ich Recht?
Jetzt müssen wir hier alle hungern, und ich bin daran schuld.
Ich bin so ein verkorkster Mistkerl, ich hätte es verdient, dass du mich einfach rauswirfst.
Irgendwie ist er ein total fieses Eichhörnchen und nicht mehr.
Gustavo, du bist jetzt schon dreizehn Jahre alt. Es enttäuscht mich, dass du die Verantwortung für deine Taten von dir schiebst. Immer wieder hast du getan, als wäre alles nicht so schlimm. Ich weiß, dass es schlimm ist.
Weißt du noch, was ich gestern beim Essen zu dir gesagt habe? Ja, dass ich gehen muss, wenn ich mir noch einmal etwas erlaube. Aber da hatte ich doch noch gar nichts ... Das weiß ich inzwischen. Aber es war viel, was du dir erlaubt hast. Du hast Menschen in Lebensgefahr gebracht – absichtlich und egoistisch.
Ich weiß, du hast mir immer wieder eine Chance gegeben, und ich habe sie verbockt. Endgültig. Ich packe meine Sachen.
Gustavo erhebt sich mit Tränen in den Augen. Er meidet Viktors Blick und will hastig hinausgehen. Als er die Türklinke schon heruntergedrückt hat, erhebt Viktor seine Stimme.
„Gustavo, ich vergebe dir. Setz dich wieder an den Tisch.“
„Was?“
„Komm wieder her, ich verurteile dich nicht.“
Das verschlägt Gustavo die Sprache. Ängstlich und etwas misstrauisch blickt er nun Viktor genau in die Augen.
„Meinst du das ernst?“
„Vollkommen ernst.“
Schweigend schauen alle Gustavo an. Er braucht mehrere Minuten, bis er widersprechen kann.
„Danke, Viktor. Und was jetzt? Ich habe jede Strafe verdient.“
„Keine Strafe, nur eine Sache.“
„Ich tue alles.“
Es war richtig, dich mit mir zu versöhnen, aber noch nicht alles. Versöhne dich auch mit Jesus. Vertraue dich ihm an, so wie du dich mir anvertraut hast. Er ist der Einzige, der dich wirklich aus deiner tiefen Not und Schuld befreien kann.
Lass ab jetzt ihn dein Leben bestimmen – nicht mehr Egoismus und zweifelhafte Freundschaften.
Ja, Viktor, das werde ich machen. Und vor dem Frühstück werde ich mit Theo reden.
Das geht leider nicht.
Wieso nicht?
Er ist abgehauen. Durch das Fenster habe ich noch gesehen, wie er in die Felder verschwunden ist.
Und das sagt ihr mir erst jetzt?
Theo hatte ja gedacht, dass Viktor im Flur wäre. Er wollte der Strafe entgehen und ist weit gerannt. Er wusste gar nicht genau, wohin – einfach nur weg.
Durch die Felder war er im Sternenlicht mühelos vorwärtsgekommen, doch im Wald war es so düster, dass er bald anhalten musste. Unheimliche Geräusche hielten ihn für den Rest der Nacht wach.
Als die Sonne aufgeht, ist Theo völlig erschöpft und wütend. „Zu mir könnt ihr kommen“, hatte Viktor versprochen. „Ich gebe euch Essen, ich höre euch zu, ich bin für euch da.“ Doch was ist? Er ist nie da, wenn ich etwas brauche. Er hat die ganze Farm von Ameisen abfressen lassen und ist bestimmt riesig froh, mich endlich loszuwerden. Sogar im Knast wäre es besser.
Theo verstrickt sich in seine düsteren Gedanken. Auf wackeligen Beinen tastet er sich tiefer ins Dickicht des Regenwaldes vor. Ist das wirklich so? Freut sich Viktor, dass Theo weg ist?
Alle fertig? Mhm, jawohl, fertig, sowas von fertig! Dann gehen wir jetzt Theo suchen. Sophia bleibt bei ihren Kindern und den übrigen Jugendlichen.
Der Suchtrupp muss viel Essen mitnehmen, denn es kann sein, dass sie länger als einen Tag weg sind. Die Jugendlichen sind deswegen sauer auf Theo. Seine Wut ist inzwischen verflogen, aber er hat einfach keine Kraft mehr. Mutlos lehnt er an einem Baum, ihm ist schwindelig.
Regenwald – wieso heißt das Ding so, wenn man nirgends Wasser findet? Ich kann nicht mehr. Hoffentlich hält er durch. Wie sollen wir ihn finden? Hier gibt es doch ein Handyverbot, oder? Sonst hätten wir ihn vielleicht per GPS aufspüren können. Manchmal klappt das.
Bis jetzt haben wir nur die Abdrücke von seinen riesigen Quadratlatschen. Stimmt, bis jetzt. Aber Theo hatte viel Zeit. Wie ich ihn kenne, wird er nicht in den Feldern geblieben sein. Denkst du wirklich, dass er in den Wald abgehauen ist? Da muss man doch ziemlich blöd im Kopf sein.
Er ist überstürzt aufgebrochen, wohl ohne Wasser und ohne Essen, oder? Na stimmt, dann ist er nach der ganzen Rennerei vielleicht wirklich blöd im Kopf und einfach total erledigt. Das wäre vielleicht gar nicht das Schlechteste.
Bist du immer noch so auf ihn? Nein, das meine ich nicht. Ich meine nur, dass er sich dann irgendwo ausruhen wird und nicht noch weiter wegläuft. Ich will es hoffen.
Hier fängt der Wald an. Schaut mal auf den Boden! Er ist total dicht bewachsen, man sieht die Spuren kaum noch. Wir müssen dicht zusammenbleiben.
Mist, was ist? Pferdemist! Guck dir mal meine Schuhe an. Oh, vielleicht von unserem Rundgang gestern. Das alles für einen, der sich so daneben benommen hat und dem das nicht mal leid tut.
Ich kann deinen Ärger verstehen. Für mich sind gerade auch ganz andere Dinge sehr wichtig. Aber ich lasse nicht zu, dass mir jemand verloren geht. Danke, dass ihr dabei helft.
Schon okay. Soll ich versuchen zu riechen, wo er hingegangen ist? Ach, das war in deiner Tasche. Ich will auch so ein sprechendes Eichhörnchen. Wo kriege ich eins her?
Also jetzt mal ehrlich: Eichhörnchen haben einen buschigen Schwanz und sind fies und gemein. Streifenhörnchen haben Streifen auf dem Rücken und sind voll cool. Was gibt's denn da immer zu verwechseln?
Noch jemand außer dem Suchtrupp hat den Vogelschwarm gesehen. Auch das noch: Sie haben sich vor irgendetwas Großem erschrocken. Ich hoffe, es kommt nicht näher.
Und noch jemand. Die wurden ja ordentlich aufgescheucht. Lieber nicht zu nah an den Wald heran. Aber diese endlosen Feldwege müssen doch irgendwann irgendwohin führen. Hoffentlich.
Wer war denn das? Hoffentlich kein Bote, der noch mehr Ärger bringt. Das wird die Crew erst später erfahren. Zuerst müssen sie Theo finden. Dank Sammys feiner Nase und einiger Spuren kommen sie schnell voran.
„Hey, seid mal still!“
„Was ist?“
„Eine Miezekatze?“
„Eine hungrige Miezekatze, die fürchtet, um ihr Essen betrogen zu werden. Wie wir.“
„Bleibt ihr hier und versteckt Samy.“
„Marie, warte im Viktor.“
Viktor schleicht ins dichte Gebüsch, genau auf das Fauchen zu. Nach wenigen Metern trifft er direkt auf die gefährliche Katze. Marie und die anderen können nur gedämpft hören, was vor sich geht. Eng kauern sie sich alle aneinander.
„Los, hau ab, weg mit dir!“
Denkt er. Es ist weg.
„Glaub schon, ihr könnt jetzt nachkommen.“
Poma, ich habe kein Handy. Das ist ja Theo. Er sieht aber mitgenommen aus. Ist er verletzt?
Ja, aber nur leicht. Er hat gerade etwas Wasser getrunken, aber nicht viel.
Ich muss schnell handeln können, falls der Puma wiederkommt. Gustavo, Toni, schafft ihr es, ihn bis nach Hause zu stützen?
Na ja, machen wir.
Gustavo und Toni stützen Theo von beiden Seiten. Es läuft zwar etwas holprig, aber sie schaffen es. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit sehen sie von weitem die hell erleuchtete Farm.
Das gibt neuen Mut, und sie kommen auf den letzten Metern schneller voran. Voller Freude kommt Sophia der Gruppe aus dem Haus entgegen. Sie trägt Lilly auf dem Arm.
Papa! Hallo, mein Schatz! Ihr seid alle zurück! Ach, wie schön, dass du heute schon da bist, Victor. Komm schnell, hier möchte jemand mit dir reden.
Viktor folgt Sophia ins Haus, und die anderen kommen mit. Behutsam helfen Gustavo und Toni Theo, sich auf eine Sitzbank zu legen. Sofort schläft er unruhig ein.
Können Sie das bitte noch einmal wiederholen? Ich traue meinen Ohren kaum. Mein Laster ist etwa zehn Kilometer von hier umgekippt.
Ich bin wie durch ein Wunder unverletzt geblieben und den ganzen Tag durch diese einsame Gegend gewandert. Nun muss ich über Nacht irgendwo bleiben. Mit meinem Chef konnte ich dank Ihrer wundervollen Frau bereits telefonieren.
Der Laster ist randvoll mit Lebensmitteln, da ich eine Supermarktkette in Rio beliefern sollte. Leider wurden viele Verpackungen beschädigt. Verkaufen lässt sich das nicht mehr, aber es verdirbt zum Glück nicht so schnell.
Wenn Sie möchten, biete ich die Lebensmittel gerne als Bezahlung für die Unterkunft an. Einen kleinen Teil davon haben wir heute Nachmittag schon geholt. Bitte fassen Sie nicht zu hastig zu.
Wissen Sie, dieses großzügige Angebot bewahrt meine Farm vor einer schlimmen Hungersnot. Ich danke Gott aus tiefstem Herzen, dass er Sie zu uns geschickt hat. Selbstverständlich können Sie hier so lange übernachten, wie Sie möchten.
Theo wacht auf. Was? Wo? Meine Schuld, alles meine Schuld. Nein, nein, die Ameisen fressen alles auf.
„Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment.“
„Natürlich. Was ist los?“
„Hey Mann, du bist in Sicherheit. Theo?“
„Ich war's, ich war's. Gustavo kann nichts dafür, alles meine Schuld.“
Vorsichtig, aber bestimmt fasst Viktor Theo, der sich inzwischen aufgesetzt hat, an beiden Schultern. Dann macht er etwas Unerwartetes: Er zieht Theo an sich und schließt ihn fest in die Arme.
„Es tut mir so leid, wirklich so leid.“
„Ich weiß.“
„Theo, ich will nicht verhungern.“
„Du wirst nicht verhungern.“
Eine Weile lang hält Viktor Theo einfach fest. Langsam kommt Theo etwas zur Ruhe und lässt sich in die väterliche Umarmung sinken. Zum ersten Mal wird sein Blick wieder klar.
Oh, was macht ihr alle hier? Dasselbe wie du: Sie werden sich mit mir an den Tisch setzen und ein Festmahl genießen.
Hä, bin ich überhaupt wach? Ich denke schon. Ich glaube, ich habe alles Wichtige gesagt. Nein, doch nicht! Muss ich jetzt wieder in den Jugendknast? Nein, ich will, dass die Dinge ab jetzt anders mit dir laufen. Aber ich freue mich darüber, dass du wieder bei uns bist.
Danke, Mann! Und wie geht's jetzt weiter? Na, ich würde sagen, jeder schnappt sich Messer, Löffel und Töpfe, und dann bereiten wir das Fest mal zu.
Au ja, am liebsten Nusskuchen!
Niemand musste die Farm verlassen. Der Trucker blieb die ganze Woche und packte fleißig mit an. Mit Pferdekarren brachten sie tagelang Essen vom Laster zur Farm. Am Ende war so viel da, dass es für alle bis zur nächsten Ernte reicht.
Das muss ganz schön anstrengend gewesen sein, auf den holprigen Feldwegen zu gehen. Es ist wirklich beeindruckend, dass sie es geschafft haben.
Ich fand es sehr bewundernswert, dass Viktor in der Geschichte immer die Ruhe bewahrt hat. Er ist nie panisch geworden.
Außerdem war er immer sehr liebevoll, selbst wenn er richtig wütend war. Ich habe ihn fragen hören, was Jesus wohl getan hätte. Was hätte Jesus wohl getan? Er hätte seinem Vater Gott vertraut und andere liebevoll behandelt – genau wie Viktor es getan hat.
Was wäre passiert, wenn Theo sich nicht entschuldigt hätte? Denkst du, Viktor hätte ihn aus der Farm geworfen?
Ich glaube, Viktor hätte Theo mit sehr schwerem Herzen davongeschickt, wenn dieser überhaupt nichts eingesehen hätte. Theo hätte dann wegen seiner kriminellen Vergangenheit ins Jugendgefängnis gemusst.
Aber Viktor hätte nie aufgehört, Gott für ihn zu bitten. Er hätte sich riesig gefreut, wenn Theo eines Tages doch zurückkäme und sie sich versöhnen könnten.
So ist das auch bei Gott: Wer seine eigenen Fehler einfach nicht einsehen will, kann nicht bei ihm sein. Aber jeden, der sich ihm anvertraut, schließt er wie ein Vater in die Arme. Dem kann und will er alles verzeihen.
So hat meine Oma auch über meinen Vater gesprochen. Ehrlich? Was hat sie denn gesagt?
Dass er sie nie leiden konnte und sie immer beleidigt hat. Aber sie hat ihm das verziehen und möchte sich mit ihm versöhnen. Sie hat wohl schon ein paarmal versucht, ihn anzurufen. Er müsste nur abheben und sich darauf einlassen.
Hm, das erstaunt mich schon. Sie hat ja mit ihrer Krankheit selbst so viel zu kämpfen. Krebs ist wirklich etwas Schlimmes.
Meine Oma ist wirklich großartig. Hoffentlich sehe ich sie noch einmal. Das wünsche ich dir sehr.
Für mich wird es wohl auch Zeit, mich an meine eigenen Worte zu halten.
Meinst du wegen Herrn Reinhard? Und was hast du vor? Wie Viktor habe ich gerade darüber nachgedacht, was Jesus wohl tun würde.
Ganz sicher würde er zuerst mit Gott reden. Er würde Gott um Hilfe für meinen Nachbarn bitten und dann hingehen, um zu versuchen, sich mit ihm zu versöhnen.
Denkst du, das wird irgendetwas ändern? Gott kann Menschen begegnen und ihre Herzen öffnen. Ich werde es versuchen. Vielleicht reagiert Herr Reinhard darauf.
Und wenn nicht? Dann bete ich weiter für ihn und hoffe, dass er es später tut.
Schon krass, normalerweise denkt man ja erst einmal daran, sich zu rächen, oder? Schon allein, weil jemand so etwas Schlimmes gemacht hat. Aber irgendwie wird es dadurch ja auch gar nicht besser, eigentlich eher schlimmer.
Andererseits darf man sich doch nicht alles gefallen lassen, finde ich. Und wenn es ihm gar nicht leid tut, dann ist das auch nicht mit Verzeihen und Versöhnen gemeint. Ich tue bestimmt nicht so, als wäre es okay, wie er sich verhalten hat. Aber ihm zu verzeihen heißt trotzdem, liebevoll auf ihn zuzugehen, obwohl es eben nicht okay war. Verstehst du, was ich meine?
Weißt du was, Mike? Wir helfen dir, die Scheune wieder aufzubauen.
Ja, unbedingt! Wir bauen die Wand neu und räumen alles auf.
Ja, und vielleicht richten wir eine kleine Lounge unter dem Doppeldecker ein.
Hat dir das Hörspiel gefallen? Dann schau doch auf unserer Website vorbei und teile uns deine Meinung mit. Die Adresse lautet www.doppeldecker-crew.de.
Die Crew freut sich auf deine Rückmeldung.