Ja, ich freue mich, dass ihr heute wiedergekommen seid oder zum ersten Mal während dieser Reihe dabei seid. Ich mache eine ganz kurze Wiederholung für diejenigen, die gestern Abend nicht hier sein konnten.
Gestern Abend haben wir uns mit dem Wesen der Gemeinde beschäftigt. Wir haben zuerst damit begonnen, die Gemeinde heilsgeschichtlich einzuordnen. Wenn ihr hier einmal ganz grob den Heilsplan Gottes seht, erstreckt sich dieser über Tausende von Jahren – von der Schöpfung über das Volk Israel bis hin zur Zeit der Nationen. Diese begann mit der Zerstörung des Tempels in Jerusalem, also mit der Wegführung, eigentlich schon 605 v. Chr.
Die Zeit der Nationen ist die Zeit, in der wir jetzt leben. Hier befinden wir uns in der Zeit der Gemeinde, die mit dem Kreuz, der Auferstehung, der Himmelfahrt und Pfingsten begann. Diese vier großen Taten Gottes gehören zusammen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Geburtsstunde der Gemeinde das erste Pfingsten in Jerusalem war. Natürlich ist die Gemeinde vor Grundlegung der Welt schon erwählt, aber ins Leben gekommen ist sie am Pfingsttag.
Die Gemeindezeit wird mit der Entrückung enden. Danach folgt die Zeit der Trübsal, die große Trübsal und dann das tausendjährige Reich. Über diese Zeit sprechen wir: Was Gott vorhat in diesen nun schon bald zweitausend Jahren seit dem ersten Pfingsten, was danach noch sein wird und so weiter, was er sich mit der Gemeinde Jesu Christi gedacht hat.
Soweit zur heilsgeschichtlichen Einordnung. Dann haben wir gesehen, dass die Gemeinde Jesu Christi an verschiedenen Orten existiert – zum Beispiel in Hünfeld oder in Flieden oder dort, wo wir herkommen. Sie existiert in unterschiedlichen menschlichen Einrichtungen. Es gibt einzelne Gläubige in der römisch-katholischen Kirche, einzelne Gläubige in der evangelischen Kirche, einige in der Bibelgemeinde Nordröhn und russlanddeutsche Geschwister, die sich in Sangenzell versammeln, was politisch zu Hünfeld gehört.
Es gibt auch Gläubige, die zu ganz anderen Kreisen gehören oder im Augenblick keiner Gemeinde angehören, die sich so gebildet hat, dass sie von Ältesten geleitet wird und konstituiert ist. Trotzdem sieht Gott vom Himmel aus auf Hünfeld und erkennt alle seine Kinder, die dort leben. Der Herr kennt die Seinen, er sieht, wo sie sind. Das ist seine Gemeinde in Hünfeld – alle Wiedergeborenen, auch wenn sie in verschiedenen Gemeinden oder Versammlungen ihren Weg gehen. Er sieht sie alle.
Und trotzdem gibt es hier zum Beispiel in der Mackenzeller Straße eine Gemeinde, die zusammenkommt. Wir dürfen uns mit Fug und Recht als örtlich versammelte Gemeinde bezeichnen, als Ortsgemeinde – wobei wir diesen Begriff nicht so gerne verwenden. Christus ist das Haupt von allem. Er kennt seine Gemeinde, er baut sie und bringt sie zum Ziel.
Bilder und Wesen der Gemeinde
Dann haben wir gesehen, dass das Neue Testament mindestens zehn Bilder für die Gemeinde verwendet, also Illustrationen, die alle eine bestimmte Bedeutung haben. Ich möchte diese jetzt nicht noch einmal ausführlich erklären, sondern nur kurz wiederholen: Leib, Gebäude, bebautes Feld, Tempel, reine Jungfrau, Herde, Haus, Leuchter, Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit oder Familie.
Auf einer zweiten Folie haben wir außerdem gesehen, dass es Bilder gibt, die zeigen, wie eng die Gemeinde mit ihrem Herrn und Haupterlöser Christus verbunden ist. Christus ist der Hirte, die Gemeinde die Herde. Christus ist der Weinstock, die Gemeinde die Reben. Christus ist der Eckstein, die Gemeinde die Steine. Christus ist der hohe Priester, die Gemeinde die Priester. Christus ist das Haupt, die Gemeinde der Leib. Christus ist der letzte Adam, die Gemeinde die neue Schöpfung. Christus ist der Bräutigam, die Gemeinde die Braut.
Das sind sehr tiefe Wahrheiten, bei denen wir uns jetzt den ganzen Abend aufhalten könnten. Aber wir haben noch anderes, was wir anschauen wollen.
Dann haben wir gesehen, dass Gemeinde im Neuen Testament nicht dasselbe ist wie Kirche, so wie wir sie landläufig verstehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um katholische oder evangelische Kirchen handelt. Kirche ist Kirche, Gemeinde ist etwas anderes. Denn die Grundlage der Gemeinde ist das Wort und nicht pluralistische theologische Überzeugungen.
Die Gemeinde im Neuen Testament besteht aus Wiedergeborenen und nicht nur aus irgendwie Getauften, in Anführungsstrichen. Dort gibt es bibeltreue Verkündigung, das allgemeine Priestertum, Älteste leiten die Gemeinde, die Gläubigen bilden eine Einheit im Heiligen Geist, und Gemeindezucht wird geübt.
Ihr seht, all das ist in den allermeisten Kirchengemeinden leider nicht möglich und auch nicht der Fall.
Zum Schluss haben wir gesehen, dass die Gemeinde eine kostbare Perle ist, für die der Kaufmann, der Herr Jesus, alles verkauft hat – wirklich alles. Bis er am Ende entehrt am Kreuz hing, um diese Perle zu erwerben.
Das ist die Gemeinde, die kostbare Perle. Hier sehen wir, wie Gott und unser Herr Jesus Christus über die Gemeinde denken. Und das soll auch unser Wunsch sein: dass wir die Gemeinde so lieben, so ansehen und so schätzen, wie unser Herr sie sieht – nicht mit menschlichen Augen.
Ziel und Zweck der Gemeinde
So weit dieser kurze Rückblick auf den gestrigen Abend. Jetzt wollen wir heute mit dem Thema „Zweck und Struktur der Gemeinde“ weitermachen. Darum geht es heute Abend.
Lassen Sie mich am Anfang die Frage stellen: Warum gibt es eigentlich Gemeinden auf dieser Erde? Wozu sind sie da? Welchen Zweck sollen sie erfüllen? Man könnte sogar noch einen Schritt weitergehen und fragen: Wozu sind eigentlich wir Menschen da? Warum hat Gott uns gemacht? Damit wir hier 70, 80 Jahre lang uns irgendwie durchschlagen?
Im Westminster-Glaubensbekenntnis, das schon sehr alt ist, wurde es einmal so ausgedrückt: Das Ziel des Menschen ist es, Gott zu verherrlichen und sich an ihm zu erfreuen. Das ist die Bestimmung von uns Menschen. Wir sollen mit unserem Leben Gott verherrlichen und uns an ihm erfreuen.
Wir leben in einer Zeit, die sehr anthropozentrisch ist. Das soll heißen: Der Mensch steht im Mittelpunkt – mit all seinen Wünschen, Bedürfnissen, Sehnsüchten, Hoffnungen, allen möglichen Taten und Untaten. Auch in den Gemeinden ist das sehr deutlich zu beobachten. Zunehmend steht der fromme Mensch im Mittelpunkt, um den sich alles drehen soll.
Es gibt eine neue Bewegung, die von bedürfnisorientierten Gottesdiensten und Versammlungen spricht. Dabei werden ganz stark die Bedürfnisse des Menschen in den Mittelpunkt gestellt – unter christlicher Flagge. Das kommt natürlich aus der humanistischen Psychologie, die in das Denken aufgenommen und mit christlichem Glauben vermischt wurde.
Deshalb ist es gut, wenn wir uns am Anfang fragen: Was ist Gottes Ziel? Er hat uns geschaffen, damit wir ihn verherrlichen und uns an ihm erfreuen. Wenn wir so leben, werden wir dabei nicht zu kurz kommen. Unsere Bedürfnisse werden ganz gewiss gestillt. Dann werden wir ein reiches, gesegnetes und erfülltes Leben haben.
Wie verherrlichen wir Gott?
Wie geschieht das? Wie können wir Gott mit unserem Leben verherrlichen?
Diese Folie stammt von Richard Haferkamp. Er wollte sie ursprünglich vor einigen Monaten in Großdölln verwenden, kam aber nicht dazu. Mike und ich haben sie für ihn erstellt.
Wie können wir Gott verherrlichen? Indem wir Gott preisen, wie es in Psalm 50 beschrieben ist. Wir sollen unseren Kindern lehren und beibringen, diese Worte auswendig zu lernen. Zum Beispiel: „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.“ Gott preisen wir als Dank und als Antwort darauf, dass er uns errettet hat. Das geschieht, indem wir Frucht bringen.
Jeder geistlich lebendige Christ hat den Wunsch, Gott Frucht zu bringen. Er möchte nicht mehr für sich selbst leben, sondern für den, der für uns gestorben und auferstanden ist. Das tun wir, indem wir unsere Geistesgaben gebrauchen.
Am Ende, in Vers 23, steht noch einmal etwas Wichtiges: „Das Dankopfer verherrlicht mich.“ Es heißt dort auch, wie gefährlich Gott sein kann, aber zugleich, dass er heilvollen Segen schenkt. „Du bist nicht allein in der Not. Am Tag der Not will ich dich erretten, und du wirst mich verherrlichen.“
Wir verherrlichen Gott, indem wir das Werk vollenden, das er uns aufgetragen hat. Darüber haben wir letzte Woche im Hausbibelkreis in Hilders nachgedacht, als wir Johannes 17 gelesen haben. Jesus konnte am Ende seines Lebens sagen, dass er das Werk vollendet hat, das Gott ihm aufgetragen hatte.
Ich wünsche mir, dass auch auf meinem Grabstein stehen könnte, dass ich das Werk vollendet habe, das Gott mir für mein Leben anvertraut hat.
Die Gemeinde im Heilsplan Gottes
Jetzt zur Frage: Wozu gibt es Gemeinden?
Ihr habt es ja auch auf dem Ausdruck, deshalb denke ich, dass ich es hier auch ganz deutlich auf der Folie ansprechen möchte. Die Gemeinden sind um Gottes Willen da. Wir müssen immer mit Gott beginnen. Alles, was in dieser Welt existiert, ist durch Gott geschaffen und zu ihm hingeschaffen, sagt Paulus im Römerbrief.
Auch die Gemeinde ist natürlich um Gottes Willen da, denn Gott möchte angebetet werden und er möchte unter seinen Erlösten wohnen. Das können wir in der ganzen Bibel sehen. Gott wollte immer unter seinen Erlösten wohnen. Schon im Paradies war er unter seinen Menschen. Später war er im Volk Israel in der Stiftshütte unter seinem erlösten Volk. Er will in seiner Gemeinde wohnen, mitten unter den Erlösten.
Dann können wir auch sehen, dass die Gemeinde um unserer Willen da ist. Wir brauchen die Gemeinde als Stätte der gemeinsamen Anbetung, des Dienstes, des Wachstums und als geistliches Nest. Das sind alles wichtige Dinge. Wir brauchen die Gemeinde, um wachsen zu können und um den Herrn anbeten zu können, auch durch Lieder.
Natürlich kann ich ihn auch zu Hause in meinem Kämmerlein anbeten, aber Gott will auch gemeinsam angebetet und gepriesen werden, auch durch Lieder. Durch Dienst, durch Wachstum und als geistliches Nest wird die Gemeinde ebenfalls gebraucht. Wir brauchen ein Zuhause, wir brauchen Geschwister, wir brauchen eine Stätte, wo wir geliebt und angenommen sind, wo wir nicht um Anerkennung kämpfen müssen. Das brauchen wir.
Natürlich ist die Gemeinde auch um der verlorenen Welt willen da. Die unerlösten Menschen brauchen das Zeugnis und das Modell christlicher Gemeinden. Wir sind hier in Hünfeld nicht nur, um ein schönes Nest zu haben. Ja, das gehört auch dazu, das haben wir als zweites genannt, aber wir sind auch dazu da, dass wir Licht und Salz sind, dass wir den Menschen hier das wirklich wahre Evangelium bringen – in unserer Stadt und darüber hinaus.
Es ist wichtig, dass wir das am Anfang sehen: Wozu ist die Gemeinde da?
Ergänzungen zum Zweck der Gemeinde
Darf man Ergänzungen fragen, oder ist das von der jüngeren Kassette? Ja, ganz ruhig, wenn es nicht so...
Auch wegen der unsichtbaren Welt: Die gewaltigen Mächte sehen in der Gemeinde die mannigfaltige Weisheit Gottes. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Ja, Epheser 3, könnte man hier auch noch ergänzen? Um der unsichtbaren Welt willen, damit die Engelwelt, also die unsichtbare Welt, an der Gemeinde die Weisheit Gottes sieht. Danke für den Hinweis. Hat Richard Haferkamp nicht daran gedacht, und ich auch nicht, das hier zu ergänzen? Ja, aber jetzt kann ich es ergänzen. Schön.
Wenn wir das verstanden haben, warum Gott uns Menschen gemacht hat und warum er die Gemeinde gemacht hat, dann können wir auch daraus Rückschlüsse ziehen auf unser Zusammenkommen.
Wenn wir hier in der Gemeinde zusammenkommen, dann wollen wir eben zusammenkommen, um den Herrn anzubeten – Stossrichtung nach oben. Die Anbetung sollte eigentlich nie fehlen, wenn Christen zusammenkommen. Anbetung ist nicht Dank und nicht Bitte und nicht Fürbitte, das ist auch wichtig.
Anbetung ist das freie Liebesgespräch mit Gott, in dem wir unserem Herrn sagen, was er uns bedeutet, wie unsere Beziehung zu ihm ist, dass wir ihn anbeten, ihn preisen, ihn verherrlichen, ihn loben und ihm sagen, was er ist und was er für uns getan hat.
Dann wollen wir einander auferbauen durch die verständliche Weitergabe des Wortes Gottes. Nicht durch Zungenrede, dadurch wird niemand erbaut, sondern durch die verständliche Weitergabe des Wortes Gottes.
Und zwar soll nicht nur einer da sein, der das Wort Gottes weitergibt, sondern viele. Das ist wichtig. So geschieht Erbauung, wenn Menschen da sind, die etwas weitergeben, was sie vom Herrn empfangen haben – indem sie ihre Bibel gelesen haben, indem sie mit ihm gelebt haben im Alltag. Das ermutigt andere.
Wir wollen uns zurüsten lassen, um in dieser sterbenden Welt das Evangelium zu bringen – Stossrichtung nach außen. Also alle drei Richtungen: nach oben, zur Seite, nach außen.
Das ist der Grund, warum wir zusammenkommen am Sonntagmorgen, in der Bibelstunde, selbst heute Abend, auch wenn ihr heute Abend überwiegend einen Vortrag anhören müsst. Ja, aber ich hoffe, ihr seid ganz aktiv dabei – so wie dieser Beginn jetzt hier schon sei.
Die Gemeinde als Bindeglied zwischen Gott und der Welt
Diese letzte Folie möchte ich noch zeigen, ebenfalls von Haferkamp. Er hat es hier so dargestellt: Ah, jetzt sieht man das oberste Wort nicht. So, okay, so geht es schon, danke.
Da ist Gott, hier ist die Gemeinde, und dort ist die Welt. Die Gemeinde steht zwischen Gott und der Welt. Sie gibt Dank, Anbetung und Lobpreis nach oben. Gleichzeitig gibt sie das Zeugnis weiter in die Welt.
Die Gemeinde ist Gottes Werkzeug und steht ganz zentral in Gottes Gedanken und Heilsplan. Er will die Gemeinde in erster Linie gebrauchen, um sein Evangelium in diese Welt zu bringen. Das ist auf dieser Skizze so ausgedrückt.
Gestern Abend haben wir gesehen, dass zwischen der weltweiten Gemeinde und der örtlichen Gemeinde eine Entsprechung besteht. Alles, was die weltweite Gemeinde tut und was sie ist, soll auch in der örtlichen Gemeinde in Hünfeld zum Ausdruck gebracht werden.
Dass die Gemeinde ein Leib ist, ist eine Tatsache für die weltweite Gemeinde. Aber das wollen wir auch hier als kleine, ganz kleine Stücke der Familie Gottes auf dieser Erde zum Ausdruck bringen: Wir sind ein Leib, eine Herde, ein Leuchter, ein Bau, eine Familie.
All das, was auf die weltweite Gemeinde zutrifft, wollen wir als kleine, örtlich versammelte Gemeinde darstellen.
Weil das so ist, tragen wir natürlich eine Verantwortung. Wir können Gemeinde nicht einfach nach eigenem Gutdünken bauen und leben. Das Neue Testament gibt uns ganz klare Richtlinien, Anweisungen, Grundprinzipien und auch Befehle, die wir zu befolgen haben.
Heute gibt es eine Strömung, die weit verbreitet ist. Dort sagen Leute, es sei offen gelassen, wie Gemeinde gebaut werden soll. Jeder könne es so machen, wie er es eben denkt. Er müsse nur ein paar Dinge vielleicht berücksichtigen, ansonsten könne er machen, was er wolle.
Diese Strömung ist falsch. Ich glaube, das Neue Testament zeigt uns sehr klar, wie Gott sich Gemeinde gedacht hat.
Sieben große Wahrheiten über die Gemeinde
Jetzt kommen wir zum Hauptteil dieses Abends. Ich möchte sieben große Wahrheiten über die Gemeinde anhand dieses kleinen Büchleins entfalten.
Frage: Wer von euch hat es denn schon mal gelesen? Gesehen haben es schon viele, und vielleicht steht es auch zu Hause im Schrank, aber noch nicht gelesen – William Macdonald: Christus und die Gemeinde.
In meinen Vortrag sind noch andere Aspekte eingeflossen, aber heute Abend habe ich den Aufbau aus diesem Buch genommen. Christus und die Gemeinde von Macdonald ist einfach gut, das wisst ihr doch. Ja, und das gilt wirklich auch für William Macdonald.
Ich habe viel von ihm gelesen, aber ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas gelesen zu haben, wo ich gesagt hätte: „Jetzt liegt er aber ganz daneben“ oder „Wie kommt er denn da drauf?“ Er ist wirklich vom Herrn sehr reich beschenkt mit viel Erkenntnis, und ich freue mich, dass es diesen Mann gibt.
Sieben große Wahrheiten über die Gemeinde.
1. Es gibt nur einen Leib
Erstens: Es gibt nur einen Leib.
Im Epheserbrief Kapitel 4, Vers 4 heißt es: „Da ist ein Leib und ein Geist, ein Herr und eine Taufe usw.“ Am Anfang steht also ein Leib. Nach der Schrift gibt es auf der Erde nur eine Gemeinde, den weltweiten Leib Christi. Zu ihm gehören alle wiedergeborenen Christen auf der Erde. Das haben wir gestern Abend bereits gehört.
Unsere menschlichen Augen sehen natürlich oft eine sehr zerrissene Christenheit, die sich in unzählige Kirchen, Denominationen, Richtungen und Strömungen aufteilt. Doch von Gottes Sicht her, wenn er vom Himmel auf die Erde schaut, bleibt es dabei: Es gibt nur einen Leib.
Alle Christen sind dazu aufgerufen, die Einheit des Geistes zu bewahren. Diese Einheit muss sich in unserem gesamten Gemeindeleben zeigen. Das sollte auch für jeden von uns ein Anliegen sein – die Einheit des Geistes mit allen wiedergeborenen Gläubigen zu bewahren.
Ich sage noch einmal: Man kann nicht mit allen zusammenarbeiten, aber wir haben so viele Brüder und Schwestern, wie Gott Kinder hat. Und diese sollen wir alle lieben – Liebe zu allen Heiligen.
Ich möchte keinen einzigen Bruder oder keine Schwester in meinem Herzen mit Ablehnung begegnen. Ich möchte sie wirklich alle schätzen als solche, die Gott erlöst und mit demselben teuren Blut Christi erkauft hat und mit denen ich einmal den Himmel verbringen werde.
2. Christus ist das Haupt des Leibes
Zweite Wahrheit: Christus ist das Haupt des Leibes.
Es gibt einen Leib, und dieser Leib hat ein Haupt. Dieses Haupt ist Christus (Kolosser 1,18). Was bedeutet der Begriff „Haupt“? Das Haupt steht für Führung und Autorität. Es ist der Sitz der Intelligenz – bei manchen mehr, bei anderen weniger. Intelligenz befindet sich normalerweise im Haupt.
Haupt und Leib sind miteinander verbunden. Sie teilen dasselbe Leben und dieselben Interessen. Es gibt nicht den Fall, dass der Kopf etwas anderes will als der Fuß. Wenn das so wäre, wäre bereits etwas gestört.
Christus als das Haupt der Gemeinde
Der Herr Jesus ist das Haupt sowohl der weltweiten Gemeinde als auch der örtlichen Gemeinde. Er ist unser Haupt, das Haupt der Gemeinde Hünfeld und der Bibelgemeinde Nordröhn, die sich hier versammelt. Er ist unser Haupt.
In der Praxis bedeutet das: Über uns als örtliche Gemeinde gibt es keine weitere Instanz. Es gibt keine Zwischeninstanz zwischen uns und ihm, dem Haupt. Dazwischen ist nichts.
Was gibt es da alles für Zwischeninstanzen in anderen Kirchen und Gruppierungen? Priester, Bischöfe, der Papst, die Bundesleitung, der Präses, die Synode, der Rat – all diese Zwischeninstanzen gibt es bei uns nicht. Nein, wir erkennen an, dass es zwischen uns und Christus keine weitere Instanz gibt.
Fried Colwin, den einige von euch kennen und manche vom Namen, wurde einmal gefragt, wo das Hauptquartier der Salzburger Gemeinden sei. Durch Gottes Gnade sind im Salzburger Land inzwischen etwa 25 Gemeinden entstanden, sehr schöne Gemeinden. Auf die Frage, wo das Hauptquartier sei, antwortete er: Dort, wo unser Hauptquartier ist – im Himmel. Wir haben kein irdisches Hauptquartier, keine Zentrale. Weder Rom noch Wittenberg, noch Jerusalem, noch Brooklyn, wo die Zeugen Jehovas ihre Zentrale haben, noch irgendein anderer Ort.
Auch nicht irgendwelche anderen Gemeinschaften wie Grischona oder Liebenzell. Das ist nicht unser Zentrum. Wir haben ein Haupt im Himmel, und da steht niemand zwischen.
Das ist der tiefste Grund, warum wir als Gemeinde keine Zugehörigkeit zu einem Bund anstreben wollen. Wir sind von der Autonomie der Ortsgemeinde überzeugt, von der Selbständigkeit. Autonomie ist kein schönes Wort und eigentlich auch falsch in diesem Zusammenhang, denn „autonom“ bedeutet, sich selbst ein Gesetz gebend zu sein. Wir haben uns aber nicht selbst ein Gesetz oder Richtlinien gegeben.
„Autonom“ ist also falsch. Wir sind Christonomen – das ist ein Ausdruck des amerikanischen Missionswissenschaftlers Hasselgrave. Das ist der richtige Begriff: Wir sind Christonomen, abhängig von unserem Haupt, von Christus, und sonst von niemandem.
Das hat auch die Folie vorhin gezeigt mit den verschiedenen Kreisen, die es hier in Hünfeld gibt, und darüber Christus, das Haupt. So soll es sein.
Und wisst ihr, ihr hört mir zwar brav zu und nickt auch. Ich hoffe, dass ihr da wirklich mit ganzem Herzen einstimmen könnt und das verinnerlicht habt: Über uns als Gemeinde ist nur Christus, und da darf sich nichts anderes dazwischen drängen. Das wollen wir nicht zulassen.
3. Die Gemeinde Gottes ist heilig
Drittens: Die Gemeinde Gottes ist heilig. Gott ruft aus den Nationen ein Volk für seinen Namen heraus. Er sondert sie von der sündigen Welt ab und ruft sie dazu auf, mit einem Leben in praktischer Heiligung zu reagieren. Nur so kann die Gemeinde in dieser verdorbenen Welt einen heiligen Gott glaubwürdig repräsentieren, sagt William Macdonald auf Seite 17.
Ich hatte einmal ein großes Vorrecht: Im Jahr 1996 besuchten wir in Kalifornien verschiedene Personen. Unter anderem hatten wir die Gelegenheit, William Macdonald zu treffen. Wir interviewten ihn eine Stunde lang. Es war Silvias Geburtstag, und als Geburtstagsgeschenk waren wir zusammen mit ihm dort.
Während des Gesprächs fragte ich ihn: "Bill, was war für dich das Wichtigste in deinem Leben? Was war dein oberster Grundsatz, dein Leitgedanke?" Er antwortete: "Ich kann es nicht anders sagen, ich hatte von sehr früh an den Wunsch, in meinem Leben mit der Sünde zu brechen. Ich wollte der Sünde abschwören, ich wollte nicht mehr sündigen." Natürlich meinte er das nicht im vollkommenen Sinn. Dennoch hat er wirklich eine Heiligkeit in seinem Leben gelebt – bis ins hohe Alter. Er ist jetzt siebenundachtzig Jahre alt. Das merkt und spürt man ihm an. Er ist ein Mann Gottes, der mit der Sünde gebrochen hat.
Dies drückt sich auch in seinen Büchern aus, besonders in dem Buch über die Heiligkeit Gottes und einigen anderen Schriften. In all seinen Werken kann man das sehen. Und genau das lehrt er auch hier zu Recht über die Gemeinde: Die Gemeinde ist ein heiliges Volk. Sie ist von der Welt und von der Sünde abgesondert. Sonst kann sie einen heiligen Gott nicht in dieser Welt repräsentieren. Damit hat er vollkommen Recht.
Das bedeutet für uns, für jeden von uns, der wir hier sind, zweierlei. Erstens sollten wir alle immer bereit sein, uns selbst zu richten. Was meine ich damit? Im Sinne von 1. Korinther 11,32 lesen wir manchmal beim Brotbrechen diesen Vers: „Wenn wir uns selbst richteten, würden wir nicht gerichtet werden.“ Sich selbst richten bedeutet, sich selbst zu prüfen, sich selbst ins Licht Gottes zu stellen und bereit zu sein, wenn man Sünde erkennt, sie sofort unter das Kreuz zu bringen, abzulegen, zu bekennen und loszulassen.
Wir sollten uns selbst richten und nicht andere. Es ist wichtig, mit uns selbst ins Gericht zu gehen – im richtigen Sinne.
Zweitens bedeutet das ganz praktisch: Gläubige, die trotz wiederholter Ermahnung in offenkundiger Sünde verharren wollen, müssen in letzter Konsequenz aus der Gemeinde ausgeschlossen werden. Wenn sie mehrfach ermahnt wurden, sollen die Schritte befolgt werden, die unser Herr in Matthäus 18 gelehrt hat: Zuerst unter vier Augen ermahnen, dann unter sechs bis acht Augen halböffentlich und schließlich vor die ganze Gemeinde bringen. Wenn derjenige auf die Gemeinde nicht hört, muss er ausgeschlossen werden.
Denn die Gemeinde ist ein heiliges Volk. In ihr kann man nicht in allen Sünden leben. Man muss der Sünde den Abschied geben – der bewussten Sünde. Ich spreche nicht davon, dass wir alle schwach sind und täglich in Gedanken, Worten, Taten oder Unterlassungen sündigen können. Ich meine die bewusste Sünde, das andauernde Leben in einer Sünde. Man weiß, dass man in einer Sünde lebt, in einer ganz konkreten Verfehlung, und ist nicht bereit, diese aufzugeben.
Also: Die Gemeinde Gottes ist heilig.
4. Alle Gläubigen sind Glieder des Leibes
Viertens: Alle Gläubigen sind Glieder des Leibes.
Wir haben vorhin gesehen, dass es einen Leib gibt. Dieser Leib hat ein Haupt, er ist heilig, und nun sind alle Gläubigen Glieder dieses Leibes. Bitte schlagt mit mir den Ersten Korintherbrief Kapitel zwölf auf. Wir wollen in einigen Schritten durch dieses wunderbare Kapitel gehen, das ihr sicherlich kennt. Manchmal muss man es aber auch neu hören.
1. Korinther 12 behandelt den Leib und die Glieder. Zunächst sagt uns der Apostel in Vers 13, wie wir zu diesem Leib kommen. Dort heißt es: „Denn in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden.“ Wann ist das passiert? Wann sind wir zu dem Leib getauft worden? Das war natürlich in dem Augenblick unserer Wiedergeburt. Da sind wir durch den Heiligen Geist in den Leib hineingetauft worden. In diesem Moment werden wir Glieder des Leibes.
Wenn man ein Kind Gottes wird, also wiedergeboren wird und in die Familie Gottes aufgenommen wird, ist man ein Glied am Leib Christi. Im Griechischen steht hier eine Form, ein Aorist, eine abgeschlossene Vergangenheitsform, die wir im Deutschen nicht kennen. Dieser Aorist drückt aus, dass das Geschehen abgeschlossen ist: Man wird nicht immer wieder in den Leib getauft, sondern einmal – und das ist der Moment der Wiedergeburt.
Diese Taufe in den Leib vollzieht nicht ein Mensch, sie hat nichts mit der Wassertaufe zu tun. Es ist der Herr selbst, der durch den Heiligen Geist hineintauft.
Der Leib hat viele Glieder. In Vers 14 lesen wir ganz schlicht: „Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele.“ Unser Körper besteht ja allein aus 256 Knochen, wenn ich mich richtig erinnere aus dem Biologieunterricht. Dazu kommen noch viele Sehnen, Muskeln, Zellen, Nervenbahnen und Organe – viele Glieder also. Genauso ist es mit der Gemeinde. Der Leib hat viele Glieder, die aus verschiedenen Rassen, Nationalitäten und Gesellschaftsschichten kommen. Alles, was hineingetauft wurde, gehört zu diesem einen Leib.
Jedes Glied am Leib hat eine Aufgabe zu erfüllen. Das lesen wir in den Versen 15 bis 17: „Wenn der Fuß spräche: Weil ich nicht Hand bin, gehöre ich nicht zum Leib? Und wenn das Ohr spräche: Weil ich nicht Auge bin, gehöre ich nicht zum Leib? Wenn aber der ganze Leib Auge wäre, wo wäre das Gehör? Wenn ganz Gehör, wo wäre der Geruch?“
Ihr seht also: Es gibt viele Glieder, und alle haben eine bestimmte Aufgabe. Nicht jedes Glied hat dieselbe Funktion. In Kapitel 12, Vers 19, heißt es: „Wenn aber alles ein Glied wäre, wo wäre der Leib?“ Stellt euch vor, der Leib bestünde nur aus Augen – das wäre ein Monster, kein funktionierender Leib. Oder nur aus Ohren oder nur aus Händen. Das geht nicht. Es braucht all die vielen Glieder, damit der Leib funktionieren kann.
Das Wohlergehen des Leibes hängt vom Zusammenwirken aller Glieder ab. Das drückt der Apostel in Vers 21 aus: „Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht! Oder das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht!“ Gerade die Glieder, die schwächer erscheinen, sind notwendig. Die Glieder, die wir weniger ehren, umgeben wir mit größerer Ehre. Unsere weniger ansehnlichen Glieder haben größere Wohlanständigkeit.
Es gibt also Glieder, die schwächer sind und die wir oft nicht beachten. Für uns sind auffällig der Mund, die Hände oder die Augen. Aber es gibt Glieder in unserem Körper, ohne die wir nicht leben könnten. Habt ihr schon mal von den Langerhansschen Inseln gehört? Diese befinden sich auf der Bauchspeicheldrüse. Sie sind so klein, dass man sie nur unter dem Mikroskop sehen kann. Wenn diese Inseln nicht funktionieren, können wir nicht mehr leben, weil der Zuckerhaushalt nicht geregelt wird. Das ist bei manchen Diabetikern der Fall, die Insulin benötigen.
Die Langerhansschen Inseln sind winzige Organe auf der Bauchspeicheldrüse, die Gott gegeben hat. Ohne sie könnten wir nicht leben – und erst recht nicht ohne Nieren und all die anderen Organe.
So ist es auch in der Gemeinde. Die, die man oft gar nicht sieht und die nicht vorne stehen, sind die treuen Beter. In Gottes Augen sind das vielleicht die wichtigsten Glieder in der Gemeinde. Diese treuen Beter beten jeden Tag für die Geschwister und für die ganze Arbeit.
Da alle Glieder einander brauchen, gibt es keinen Grund für Neid oder Unzufriedenheit, aber auch keinen Grund für Stolz und Unabhängigkeit. Der Apostel entfaltet das weiter: Weil alle Glieder zum selben Leib gehören, soll es vielmehr gegenseitige Fürsorge, Mitleiden und Mitfreuen geben.
1. Korinther 12,23-26 sagt: „Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dabei dem Mangelhafteren größere Ehre gegeben, damit keine Spaltung im Leib sei, sondern die Glieder dieselbe Sorge füreinander hätten. Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit. Ihr aber seid Christi Leib und einzeln genommen Glieder.“
Dieses Bild vom Leib ist großartig. Welche Wahrheiten der Apostel hier entfaltet, sind elementare Grundlagen jedes biblischen Gemeindelebens.
Also: Alle Gläubigen sind Glieder des Leibes.
Fünftens: Der Heilige Geist ist der Stellvertreter Christi in der Gemeinde.
5. Der Heilige Geist ist der Stellvertreter Christi in der Gemeinde
Der Heilige Geist will sowohl unser persönliches Leben als auch das gesamte Gemeindeleben prägen. Einige Aussagen dazu finden wir im Neuen Testament.
Der Heilige Geist möchte unsere Anbetung leiten. Er hat etwas mit der Gemeinde zu tun. Dabei müssen wir keine Pfingstler oder Charismatiker sein, um das festzuhalten: Der Heilige Geist baut Gemeinde.
Wenn wir die Apostelgeschichte lesen, zum Beispiel, sehen wir, dass dieses Buch das Buch des Heiligen Geistes ist. Gleichzeitig ist es auch das Buch von der Gemeinde. Nirgendwo wird Gemeindebau so beschrieben wie in der Apostelgeschichte. Es gibt keinen Gemeindebau ohne den Heiligen Geist. Das gesamte Gemeindeleben steht in engem Zusammenhang mit dem Heiligen Geist.
Er will sogar unsere Anbetung leiten. Das lesen wir in Johannes 4, wo es heißt, dass wir Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten sollen. In Epheser 2,18 heißt es, dass wir durch einen Geist Zugang zum Vater haben, nämlich im Heiligen Geist.
Der Heilige Geist will unserer Predigtkraft verleihen. Möge der Herr uns Predigten schenken, die geistvoll und kraftvoll sind, die der Geist Gottes gebrauchen kann, um wirklich zu bauen und die Hörer weiterzubringen.
Der Heilige Geist will Christen aus unserer Mitte senden (Apostelgeschichte 13). Das ist etwas Großartiges: Wenn eine Gemeinde da ist, gibt es zum ersten Mal einen Bruder, eine Schwester oder ein Ehepaar, die der Heilige Geist sendet. Übrigens ist der biblische Sprachgebrauch so, dass der Heilige Geist Menschen aussendet – in die Mission oder andere Dienste. Die Gemeinde entlässt sie, aber sie sendet sie nicht aus. Wenn wir biblisch korrekt denken und sprechen wollen, sagen wir: Die Gemeinde entlässt, erkennt den Ruf des Heiligen Geistes und bestätigt ihn. So kann die Gemeinde sagen: Ja, das erkennen wir auch, und entlässt die betreffende Person.
Das finden wir beschrieben in Apostelgeschichte 13,2 und 13,1-3.
Der Heilige Geist will Brüder zum Hirtendienst bereitmachen und einsetzen (Apostelgeschichte 20,28). Paulus spricht zu den Ältesten in Milet und sagt, dass der Heilige Geist Aufseher in der Gemeinde Ephesus eingesetzt hat.
Der Heilige Geist ist also, um nur eine kurze Aufzählung zu machen, der Stellvertreter Christi in der Gemeinde. Er ist der Sachwalter und derjenige, der das gesamte Gemeindeleben gestalten und prägen will.
Im Blick auf unsere Versammlungen bedeutet diese Wahrheit, dass wir bestrebt sein sollen, dem Heiligen Geist Raum zu geben. Zum Beispiel beim Brotbrechen sollen viele Beiträge möglich sein. So machen wir es ja seit einiger Zeit besonders, wenn das Brotbrechen am ersten Sonntag um neun Uhr morgens stattfindet. Dabei können sich viele mit Beiträgen, Liedvorschlägen, Gebeten und Wortbeiträgen beteiligen.
Auch im allgemeinen Gottesdienst gilt: Je mehr sich wirklich geistlich beteiligen, desto lebendiger ist der Gottesdienst und desto mehr wird die Gemeinde gebaut. Das müssen wir anstreben.
Wir wollen keine Ein-Mann- oder Zwei-Mann-Show. Das ist eine Verirrung der Kirchengeschichte, auch wenn es heute weltweit weit verbreitet ist. Wir streben Zusammenkünfte an, an denen sich viele Glieder beteiligen können.
Ihr, die jetzt hier seid – und das sind bei weitem nicht alle – hört jetzt zu. Bitte lasst euer Verständnis von Gemeinde neu prägen. Es geht nicht nur darum, eine Predigt abzuholen, ein paar Lieder zu singen und vielleicht den oder die eine oder andere zu treffen. Das ist zu wenig.
Versucht, etwas mitzubringen in die Versammlung, etwas einzubringen: einen Beitrag, ein Gebetsanliegen, ein Gebet. Ich kann euch sagen: Man geht anders in die Gemeinde, wenn man nur eine kleine Aufgabe hat oder einen Dienst tun will, als wenn man einfach nur in die Gemeinde stolpert oder schlurft und die Zeit absitzen will.
Das ist biblisch: Wenn wir kommen, sollen wir nicht mit leeren Händen und leerem Herzen kommen, sondern wenn möglich etwas beitragen. Wenn es so viele sind, die sich beteiligen, dass wir selbst nicht zu Wort kommen, ist das wunderbar. Dann dürfen wir auch mal still den Gottesdienst verbringen, genießen, was die anderen geben, und uns durch deren Beiträge erbauen lassen.
Sechstens: Zur Auferbauung der Gemeinde hat Gott Gaben gegeben.
6. Zur Auferbauung der Gemeinde hat Gott Gaben gegeben
Epheser 4, Verse 11-12 – Gaben
Schaut, das Neue Testament kennt zwei verschiedene Gabenbegriffe. Zum einen die Gaben im Sinne von Fähigkeiten oder Befähigungen. Das haben wir eben gesehen in 1. Korinther 12, wo vom Leib mit vielen Gliedern die Rede ist, und die Glieder alle bestimmte Aufgaben und Gaben haben.
Zum anderen werden in Epheser 4 Gaben im Sinne von besonders begabten Menschen angeführt. Man nennt diese Personengaben. Bitte schlagen Sie mal die Stelle auf: Epheser 4. Das ist eine der wichtigsten Stellen in der ganzen Bibel zum Thema Gemeindebau, Epheser 4,11-12.
Hier heißt es: „Und er, nämlich der auferstandene Herr“ (Epheser 4,11), „hat die einen als Apostel gegeben und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer zur Ausrüstung der Heiligen für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes Christi.“
Was wird hier gesagt? Er, der auferstandene Herr, hat seiner Gemeinde Gaben gegeben – Personengaben. Fünf werden hier genannt: zuerst Apostel und Propheten. Diese beiden Gaben wurden besonders in der Gründungszeit der Gemeinde gebraucht, in erster Linie zur Gründung der Gemeinde.
Woher wissen wir das? Wir müssen nur einmal umblättern zu Kapitel 2, Vers 20 – oder vielleicht müsst ihr nicht mal blättern, bei mir ist auf der Nachbarseite Epheser 2,20. Dort lesen wir: „Ihr seid aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, wobei Christus Jesus selbst Eckstein ist.“
Die Gemeinde, die Gemeinde des Christus, ist auf der Grundlage aufgebaut, die die Apostel und Propheten gelegt haben. Die Apostel waren die zwölf Apostel. Sie haben Grund gelegt, an Pfingsten gepredigt und danach all die Dinge gelehrt, die Apostellehre weitergegeben. Sie haben Grund gelegt.
Propheten – „Propheten“ meint hier nicht die alttestamentlichen Propheten wie Jesaja und Daniel, sondern neutestamentliche Propheten. Was waren das für Leute? Schaut: Sie waren in der Zeit, als die Gemeinde entstanden war und noch kein Neues Testament hatte, die Werkzeuge, die Gott gebraucht hatte.
Die Gemeinde sollte wie eine neutestamentliche Gemeinde leben. Das war etwas Neues, es war nicht mehr Israel, es war nicht mehr Judentum. Sie sollten wie Gemeinde leben, hatten aber kein Neues Testament.
Woher sollten sie wissen, wie Christen Ehe führen sollen? Woher sollten sie wissen, wie sich Christen dem Staat gegenüber verhalten sollen? Woher sollten sie wissen, wie sie mit Götzenopferfleisch umgehen sollen? Ja, wir sagen: Das steht doch alles im Neuen Testament. Ja, genau, da steht es. Aber die hatten noch kein Neues Testament.
Und diesem Mangel kam Gott in einer Übergangszeit durch Propheten entgegen. Da stand einer auf im Gottesdienst und sagte eine Prophetie, und zwar direkt inspiriert. Der bekam senkrecht von oben, vom Himmel, eine Inspiration, eine Eingebung, eine Geisteseingebung – eine wirkliche. Und hat das in die Gemeinde hineingesagt.
In der anderen Gemeinde war ein Prophet, der sagte das in die Gemeinde hinein, was eben gerade dran war. All die Dinge, die wir heute im Neuen Testament haben, gab der Heilige Geist damals direkt inspiriert in die Gemeinde hinein.
Diese Propheten gibt es natürlich in diesem direkt inspirierten Sinn heute nicht mehr. Wenn heute einer am nächsten Sonntag aufsteht und sagt: „So spricht der Herr“, dann müssen wir ihm sofort gebieten, dass er sich hinsetzt. Ja, es sei denn, er sagt: „So spricht der Herr Plock“ oder „der Herr Müller“ oder „Meier“. Ja, das kann er sagen, aber nicht „So spricht der Herr“, denn der Herr redet heute nicht mehr direkt inspiriert in der Gemeinde, sondern indirekt, mittelbar, durch das Wort.
Wir haben das prophetische Wort. Dort hat Gott alles gesagt, was wir wissen müssen für das Gemeindezeitalter. Lasst euch da nicht irritieren von bestimmten schwärmerischen Gruppen, wenn die da irgendwelchen Zinnober machen, wenn Leute angebliche Prophetien haben.
Ich habe diese angeblichen Prophetien oft gehört. Es ist immer dasselbe, was sie sagen: „Ich sehe eine Mauer, ich sehe einen Brunnen und Wüste, und der Herr spricht: Komm doch zu dem Brunnen.“ Diese schönen Weissagungen klaut der eine von dem anderen, sie hören sie hier und da und geben sie weiter in den Gemeinden.
Ich sage das vielleicht jetzt ein bisschen salopp, aber es ist leider so: Das sind keine direkten Prophetien vom Herrn.
Also, er baut auf den Grund der Apostel und Propheten. Und das steht wiederum in der Aoristform der Vergangenheit. Dieses Fundament ist gelegt. Wir müssen heute im Jahr 2000 nicht mehr Fundament legen für die Gemeinde. Wir sind nicht mehr in der Urgemeindezeit, sondern in der Entgemeindezeit. Das Fundament ist lange gelegt.
Darum sind diese beiden Gaben heute nicht mehr im vollen Sinne erforderlich: Apostel und Prophet.
Aber die nächsten drei, die hier genannt werden, Evangelisten, Hirten und Lehrer: Evangelisten führen Sünder zu Christus, bringen sie dann in die örtliche Gemeinde, helfen ihnen, dass sie getauft werden und sich eingliedern in der Gemeinde.
In dem Sinn können viele von uns Evangelisten sein. Evangelist muss hier nicht heißen, ein Vortragsevangelist zu sein, der große Vorträge hält irgendwo. Jeder von uns kann ein Zeuge sein, der auch in der Richtung ein wenig begabt ist. Die können diese Gabe einsetzen – der Helmut und nicht nur der Helmut – und können Evangelisten sein in der Umgebung, wo sie leben.
Und Hirten und Lehrer: Hirten kümmern sich um die Schafe, während Lehrer das Wort Gottes auf verständliche Art und Weise erklären.
Schaut, und jetzt kommt etwas ganz Wichtiges: Diese Männer, die Gott seiner Gemeinde gegeben hat, sollen die Heiligen zum Werk des Dienstes zurüsten. Das ist die Hauptaufgabe, auch gerade wenn solche Personengaben vielleicht sogar freigestellt sind vom Beruf.
Wenn sie vielleicht sogar vollzeitlich dienen dürfen als Evangelisten, als Hirten, als Lehrer, dann sollen sie ihre ganze Zeit und Kraft da rein investieren: Heilige zuzurüsten, sprich die Gemeindeglieder vorwärtszubringen, ihnen zu helfen, ihre Gaben zu entfalten.
Und da habe ich ein schönes Zitat gefunden. Ich habe absichtlich nicht gesagt, aus welchem Buch, weil da ist nicht alles ganz koscher in dem Buch, wo ich das herausgenommen habe. Deswegen habe ich jetzt hier mal nicht genannt, wo das her ist. Aber das, was hier steht, braucht er keine Angst zu haben, das ist ausgezeichnet. Und das wollen wir gerade zusammen lesen.
Der Autor schreibt: „Leiter wachsender Gemeinden konzentrieren ihre Arbeit darauf, andere Christen zum Dienst zu befähigen.“ Das wäre die Aufgabe, wenn es unter uns solche gibt: Evangelisten, Hirten und Lehrer, andere Christen zum Dienst zu befähigen.
Das Entdecken und Einsetzen von geistlichen Gaben ist auch die einzige Möglichkeit, das reformatorische Konzept des allgemeinen Priestertums praktisch werden zu lassen.
Gott hat selbstbestimmt, welche Christen nach seinem Plan welche Dienste am besten wahrnehmen sollten. Die Aufgabe der Leiter ist lediglich, den Gemeindegliedern dabei zu helfen, ihre gottgegebenen Gaben ausfindig zu machen und einen Dienst zu finden, der zu diesen Gaben passt.
Leiter verhelfen somit jedem Gläubigen zu dem Grad an Vollmacht, der ihnen nach Gottes Plan zusteht. Sie befähigen, unterstützen, motivieren und begleiten die Einzelnen, damit sie zu dem werden, was Gott mit ihnen vorhat.
Leiter, die ihre eigene Vollmacht gerade darin sehen, andere Christen zu Vollmacht und Mündigkeit zu führen, können erleben, wie dieser Einsatz sehr zum Wachstum beiträgt.
Anstatt möglichst viel der gemeindlichen Arbeit selbst zu tun – das ist immer wieder der Fehler, den diese Hauptberuflichen oft machen, ja, sehr oft, und ich habe das auch schon gemacht, schließe mich voll ein – anstatt möglichst viel der gemeindlichen Arbeit selbst zu tun, investieren sie einen Großteil ihrer Zeit in Jüngerschaft.
Delegation und Multiplikation – so kann sich die von ihnen eingesetzte Energie nahezu unbegrenzt vervielfältigen. Auf diese Weise wird Gottes Kraft freigesetzt, anstatt mit menschlicher Kraft und viel Druck die Gemeinde in Bewegung zu bringen.
Das sind zentnerschwere Sätze, die kann ich aber voll und ganz unterschreiben, auch wenn sie von Christian Schwarz stammen. Jetzt habe ich die Katze aus dem Sack gelassen, mein Freund Christian Schwarz.
So, das kennt ihr alle, das stammt von Paulus aus der Bibel, und den lieben wir, den Apostel Paulus. Er hat uns so viel Gutes gegeben über Gemeindebau. Das ist biblische Multiplikation nach 2. Timotheus 2.
Paulus sagt zu Timotheus: „Was du von mir gehört hast vor vielen Zeugen, das befiehl treuen Menschen an, die tüchtig sind, auch andere zu lehren.“
Das ist so einfach, das hört sich so einfach an, aber das ist so schwer zu leben in der Gemeinde. Das ist schwer zu leben, das kann jeder von uns leben.
„Was du von mir gehört hast“ – hier sind vier Christengenerationen beschrieben, deswegen habe ich das in Klammern gesetzt.
Paulus, die erste Generation, hat Timotheus zum Herrn geführt. Er war sein Jünger, er hat ihn gefördert, er hat ihn zugerüstet. Er ist unter Paulus gewachsen.
Und jetzt sagt er: „Was du von mir gehört hast, das befiehl treuen Menschen an.“ Nicht irgendwelchen Menschen, sondern treuen Menschen. Da liegt die Betonung: treuen Menschen, die tüchtig sind, auch andere zu lehren.
Dritte Generation, vierte Generation – so möchte das der Herr haben.
Und wenn du irgendwo ein Glied bist in dieser Kette – Paulus ist keiner von uns, Timotheus auch nicht –, ja, aber wenn wir vielleicht zu diesen treuen Menschen gehören, dann sollen wir andere lehren, sie auch wieder anleiten, jünger machen aus ihnen, damit sie wieder die nächste Generation gewinnen und lehren und weiterführen können.
So wünscht sich Gott das.
Das ist das Prinzip, das aus Epheser 4 folgt: Wenn diejenigen, die von Gott begabt sind – Evangelisten, Hirten, Lehrer – Heilige zurüsten, dann geschieht genau das, was Paulus hier beschreibt anhand seines Verhältnisses zu Timotheus.
Das ist Gottes Programm zu echtem Gemeindewachstum.
Davon sind wir vielleicht noch ein Stück entfernt, das müssen wir ruhig ehrlich einräumen.
Ich fürchte, einige wenige in unserer Gemeinde, auch hier in Hünfeld, machen zu viel. Und darum machen viele zu wenig. Das ist immer dasselbe, das hängt zusammen.
Wenn einige wenige zu viel machen, dann machen viele zu wenig. Nicht weil sie nicht wollen, sondern weil sie nicht zum Dienst angeleitet werden.
Und ich hoffe, das wird noch besser mit uns werden.
Der Herr hat ja Geduld mit uns, und wir wollen auch Geduld mit uns haben.
Wir sind ja noch eine ganz junge Gemeinde, und Gott hat die Gemeinde gebaut und er hat sie auch gesegnet. Es ist schon viel Gutes ausgegangen von hier.
Aber wir wollen noch nicht zufrieden sein. Ja, wir wollen uns noch weiter ausstrecken. Gott hat noch mehr für uns bereit, ganz gewiss.
7. Alle Gläubigen sind Priester Gottes
Ein siebter und letzter Punkt unterrömisch erstens: Alle Gläubigen sind Priester Gottes. Sieben Wahrheiten haben wir versucht zu entfalten, und nun sind wir bei der siebten: Alle Gläubigen sind Priester Gottes.
Petrus spricht von einem heiligen Priestertum, das geistliche Schlachtopfer darbringen soll, in 1. Petrus 2,5. Einige Verse weiter nennt er die Gläubigen ein königliches Priestertum, das die Tugenden seines Erlösers verkündigen soll, in Vers 9. Das zeigt sich wieder in den beiden Stoßrichtungen der Gemeinde.
Wir sind ein heiliges Priestertum. Wenn wir zusammenkommen, wollen wir anbeten und dem Herrn geistliche Schlachtopfer bringen, also Lob, Anbetung und ähnliche Dinge. Gleichzeitig sind wir ein königliches Priestertum, das nach außen wirkt und die Tugenden unseres Herrn sowie seine Wohltaten verkündet.
Im Alten Testament galt der Grundsatz „Ein Teil fürs Ganze“, lateinisch ausgedrückt pars pro toto. Das war ein Prinzip: Nicht alle Tage der Woche waren geheiligt, sondern nur der siebte Tag war für Gott geheiligt, stellvertretend für die anderen. Nicht alles musste dem Herrn gegeben werden, sondern stellvertretend der zehnte Teil. Nicht alle Israeliten durften Gott dienen, sondern unter den zwölf Stämmen stellvertretend ein Stamm, der Stamm Levi. Ein Teil stand also stellvertretend für das Ganze – dieses Prinzip finden wir im Alten Testament.
So war es im Alten Testament, aber so ist es nicht mehr im Neuen. Die Gemeinde Jesu kennt keine Unterscheidung in Klerus und Laien, in Priesterklasse und Fußvolk. Der Herr Jesus lehrt: „Einer ist euer Lehrer oder Meister, ihr alle aber seid Brüder“ (Matthäus 23,8).
Übrigens war das der Leitgedanke der Brüderbewegung, der weltweiten Brüderbewegung, von der wir so viel gelernt haben und zu der auch William MacDonald, Arnold Fruchtenbaum und viele andere gehören. Der Leitgedanke lautete: „Ihr alle aber seid Brüder.“ Die Bewegung heißt also nicht Brüderbewegung, weil nur die Brüder etwas sagen dürfen, sondern weil alle auf derselben Stufe stehen. Es gibt keinen Klerus und keine Laien – diese unselige Unterscheidung des Leibes in zwei Klassen wurde abgeschafft.
In der Brüderbewegung gab es keinen Klerus mehr, keine Priester, Pfarrer, Bischöfe oder diese ganze Hierarchie. Diese wurde abgeschafft, als die Brüderbewegung diese Wahrheiten um 1827 bis 1840 in England und Irland neu entdeckte.
Eine solche unbiblische Unterscheidung von Geistlichen und Laien zerstört den Kerngedanken von Gemeinde. Ich spreche das Wort „Laien“ überhaupt nicht aus, denn normalerweise gebrauche ich es nicht. Es gibt keine Laien, das ist wirklich ein scheußlicher Ausdruck. Man kann ihn im handwerklichen Bereich verwenden: Da bin ich in vielem ein Laie, weil ich manche Sachen nicht kann, die Handwerker können. Aber in der Gemeinde gibt es keine Laien. Das gibt es nicht. Dieser Ausdruck ist unbiblisch.
Dazu noch ein Satz von William MacDonald: Er schreibt am Ende seines Buches: „Widersteht der Tendenz, dass der Dienst immer mehr von einem Mann allein getan wird. Gebt vielmehr dem Heiligen Geist die Freiheit, die verschiedenen Gaben zu gebrauchen, die Christus der Gemeinde gegeben hat, und sorgt somit für die aktive Verwirklichung des Priestertums aller Gläubigen.“
Dann wird es Wirklichkeit, dann wird es verwirklicht, wenn auch die Möglichkeit da ist und der Rahmen geschaffen wird, dass viele Glieder sich aktiv beteiligen können und ihre Gaben in der Gemeinde und in allmöglichen Zusammenkünften einbringen.
Soweit dieser erste Teil, diese sieben Grundwahrheiten.
Verschiedene Gemeindeleitungsstrukturen im Lauf der Geschichte
Ich habe euch zu diesem Ausdruck noch etwas hinzugefügt. Das wollen wir jetzt nicht mehr im Detail durchgehen. Ihr könnt es, wenn ihr wollt, zuhause in Ruhe studieren. Ihr seht, ich habe verschiedene Kirchen- und Gemeindeleitungsstrukturen angehängt, denn das hat auch mit dem Thema zu tun, wie Gott Gemeinde will.
Im Lauf der Jahrhunderte hat es Tausende von verschiedenen Leitungsstrukturen gegeben, die sich entwickelt haben. Zum Beispiel gibt es die episkopale, bischöfliche Gemeindeleitungsstruktur. Dabei werden Bischöfe eingesetzt, die über mehrere Ortsgemeinden regieren. Das können drei, fünf, zwanzig oder sogar hunderte oder tausende von Gemeinden sein. Bischöfe gibt es zum Beispiel in der römisch-katholischen Kirche oder in der Methodistenkirche, und ihr wisst ja, dass es überall Bischöfe gibt.
Dann gibt es die repräsentative oder synodale Gemeindeleitungsstruktur. Hier wird eine Synode gewählt, die entscheidet, was in den Gemeinden geschieht – ob sie rechts, links oder geradeaus gehen. Das wird in der Synode beschlossen, und alle Gemeinden müssen das dann so ausführen. Das Neue Testament kennt jedoch über der Ortsgemeinde keine Bischöfe und auch keine Synode.
Drittens gibt es die konkret-kongregationalistische Gemeindeleitungsstruktur – ein schöner Zungenbrecher, fast nicht auszusprechen. Das Kennzeichen ist, dass die örtliche Versammlung alle Autorität hat und alle Entscheidungen selbst trifft, natürlich nach demokratischen Prinzipien. Viele evangelikale Gemeinden praktizieren das so. Russlanddeutsche Gemeinden sind fast alle kongregationalistisch aufgebaut. Ich habe noch keine kennengelernt, die nicht so ist.
Das hat auch seine guten Seiten und viele positive Elemente. Solche Ansätze finden wir auch im Neuen Testament. Leider wird hier oft das Ältestenprinzip vernachlässigt. Diese Gemeinden haben meistens keine Ältesten, oder wenn doch, dann nur einen, der lediglich als Repräsentant nach außen fungiert. Er muss das umsetzen, was die Gemeinde beschlossen hat. Die Gemeinde entscheidet alles per Abstimmung, etwa durch Hände heben, Aufstehen oder Sitzenbleiben.
Demokratie, also Volksherrschaft, ist dem Neuen Testament jedoch fremd. Unreife Gläubige haben bei dieser Struktur das gleiche Stimmrecht wie geistliche Christen, und das kann ein sehr schiefes Bild ergeben.
Dann gibt es eine Brüderstundenleitungsstruktur. Das ist nicht gegen die lieben Brüdergemeinden gerichtet, doch manche von ihnen haben genau diese Leitungsstruktur entwickelt. Man trifft sie vor allem in älteren Brüdergemeinden an. Dort trifft nicht die ganze Gemeinde die Entscheidungen, sondern nur die Brüder – alle Brüder der Gemeinde, egal ob geistlich oder nicht. Hauptsache, sie sind Brüder. Allein das Geschlechtsmerkmal befugt sie, bei der Gemeindeleitung mit dabei zu sein.
Das ist natürlich nicht in Ordnung und kann nicht gut funktionieren. Ein Beispiel sind die alten Versammlungen, also die exklusiven Brüderversammlungen, die das bis heute leider noch so handhaben. Auch einige freie Brüderversammlungen dillenburger Prägung praktizieren das, obwohl sich viele von ihnen inzwischen von diesem Leitungsprinzip gelöst und Ältestenschaft eingeführt haben. Dabei hat das Buch von Alexander Strauch sehr geholfen.
Diese Entwicklung geht zurück auf Darby, der eine Stelle falsch interpretiert hatte. Das schmälert jedoch nichts an der großen Lebensleistung von John Nelson Darby.
Fünftens gibt es die Ein-Mann-Leitungsstruktur, die leider weit verbreitet ist. Das Kennzeichen ist, dass ein einziger Mann – ob Priester, Pfarrer, Pastor, Prediger oder ein einzelner Ältester – die Gemeinde allein leitet. Es gibt sogar Gemeinden, die von einer Frau geleitet werden.
Ich habe eine solche Gemeinde in der Nähe von Heidelberg kennengelernt. Die Leiterin ist eine ehemalige Liebenzeller-Schwester, die aus der Liebenzeller Mission ausgetreten ist, eine Gemeinde gegründet hat und heute als Herrin über die ganze Gemeinde mit vielen Brüdern steht. Man kann es kaum fassen, aber so ist es.
Ein weiteres Beispiel ist Martin Müller aus Mannheim. Er kam als junger Praktikant in eine Gemeinde und hat diese dann übernommen. Nach 45 Jahren ist er immer noch dort. Es ist ein langes Praktikum. Er hat die Gemeinde völlig in der Hand, macht alles allein – von der Begrüßung bis zur Verabschiedung. Ich habe im Spaß gesagt, wenn er alleine im Chor singen würde, würde er auch das machen.
Er macht alles allein, weil andere Brüder es nicht genauso gut könnten wie er. Das ist ernst zu nehmen. Es ist eine völlige Verachtung des Leibes Christi mit seinen Gaben und Gliedern, die da sind und begabt sind. Er ist ein sehr patriarchaler, väterlicher und gütiger Mensch, aber an diesem Punkt total von der Schrift abgeirrt.
Ich kenne ihn, er stammt ebenfalls aus der Liebenzellermission.
Sechstens gibt es die Gemeindeleitung durch eine Ältestenschaft, also durch mehrere Älteste. Das ist das, was wir im Neuen Testament erkannt haben. Das ist es, was wir anstreben und hier verwirklichen wollen: Gemeindeleitung durch ein Team von Ältesten.
Diese sollen Hirtenälteste sein. Alexander Strauch unterscheidet sehr schön zwischen Gremienältesten und Hirtenältesten. Wir wollen keine Gremienältesten sein, die nur Sitzungen absitzen und darüber entscheiden, ob der Kindergarten 300 oder 400 Euro bekommt. Dazu muss man nicht qualifiziert sein, das könnte jeder machen.
Ihr wisst, dass Gott hohe Qualifikationen für Älteste gesetzt hat – Qualifikationen, bei denen für uns alle die Luft dünn wird, mich eingeschlossen. Doch danach wollen wir uns ausstrecken und hineinwachsen.
Viele Gemeinden weltweit haben diese Struktur, die Ältestenschaft. Ich glaube, das ist Gottes Modell für das Gemeindezeitalter.
Wir haben das hier nur im Schnelldurchgang überflogen. Lasst mich abschließend noch diese Folien zeigen.
Wir streben im Blick auf die Leitung keine Pyramidenstruktur an. Mir fällt gerade auf, dass ich eine siebte Form von Gemeindeleitung absichtlich vergessen habe: Gemeindeleitung durch von Frauen ferngesteuerte Brüder.
Das heißt, es sitzen zwar Brüder zusammen, aber zuhause haben ihre Frauen ihnen ins Ohr geflüstert, was sie sagen, tun, abstimmen und entscheiden sollen. Das war jetzt nur ein Scherz. So etwas gibt es bei uns nicht. Aber ihr habt sicher mein Augenzwinkern bemerkt, und die Hörer der Aufnahme hören es ebenfalls.
Diese Struktur gibt es wirklich. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Brüder zu solchen Besprechungen kamen und Zettelchen von ihren Ehefrauen dabei hatten, auf denen stand, was sie sagen und wie sie abstimmen sollten.
Das heißt nicht, dass wir nicht auch auf unsere Schwestern hören wollen, auch auf unsere Ehefrauen. Aber wir wollen keine ferngesteuerte Gemeindeleitung durch die Ehefrauen der Brüder.
Wir wollen keine Pyramidenstruktur, bei der ein Mann – wie auch immer er heißt, ob Pastor, Prediger oder Ältester – an der Spitze steht und die ganze Gemeinde leitet.
Stattdessen wollen wir keine Spitze, sondern eine Ebene – ein Trapez, wenn wir bei geometrischen Körpern bleiben wollen. Ihr seht, da fehlt die Spitze. Stattdessen gibt es eine Ebene, auf der Platz für die Ältesten ist, unterstützt von den Diakonen.
So wollen wir Gemeinde leiten. Die Ältesten sind Diener, wie alle anderen auch. Sie wollen nicht über die Gemeinde herrschen, sondern ihre Gaben zur Ehre Gottes einsetzen.
Humorvoller Abschluss und Ausblick
Noch etwas zum Schmunzeln zum Schluss. Wie kann ich euch das beibringen?
Wir befinden uns im Jahr zweitausend nach Christus. Die ganze Christenheit ist von der römisch-katholischen Kirche besetzt. Nein, nicht die ganze Christenheit: Eine von unbeugsamen Brüdern bevölkerte Versammlung hört nicht auf, eindringlichen Widerstand zu leisten. Das Leben ist nicht leicht für die Pastoren, die als Besatzung in den befestigten Lagern Charismatum, Romica, Katholica, Pentecostum und Protestantantelige wohnen.
Ihr habt natürlich erkannt, dass es sich hier nur um Asterix handeln kann – eine Anspielung auf ihn. Und das finde ich doch zu köstlich. Hier sind also die Lager Romica, Katholica, Protestantantel, Pentecostum, Charismatum. Alle haben das Ein-Mann-Leitungsprinzip. Es geht nur um diese eine Wahrheit, um diesen einen Gedanken.
Dagegen steht eine unbeugsame kleine Brüderversammlung, die an dem Prinzip festhält, dass die Leitung durch mehrere Älteste, durch ein Ältestenteam erfolgt. In diesem Sinne hat hier jemand ganz humorvoll den Asterix umgearbeitet. Ich hoffe, wir gehören auch dazu hier in Hünfeld und sind so eine unbeugsame Bastion, in der an diesem biblischen Prinzip festgehalten wird.
Kommen wir zum Schluss. Die Frage ist am Ende: Welchen Weg wollen wir gehen im Blick auf unser Gemeindeleben? Wie wollen wir das innere Gemeindeleben gestalten? Wie wollen wir unsere Zusammenkünfte gestalten? Wie verstehen wir uns und wie definieren wir uns?
Da wäre mir wirklich sehr wichtig – das ist mein Gebet und Wunsch auch für heute –, dass uns das ein Stück mehr klar wird. Dass wir das ein Stück tiefer erkennen dürfen. Gott will die Gemeinde so, wie wir sie beschrieben haben, davon bin ich fest überzeugt.
Die Frage ist einfach: Welchen Weg wollen wir gehen? Welche Art von Gemeinde wollen wir bauen? Ich wünsche mir, dass wir alle sagen können: Die Gemeinde soll ein bibeltreues Schriftverständnis vertreten. Die Gemeinde soll nicht von Bünden und Vereinigungen, sondern allein von ihrem Haupt abhängig sein – Christus, nicht autonom.
Die Gemeinde soll einen nüchternen Glaubensweg gehen, nicht pseud-ocharismatisch, also scheincharismatisch. Ja, wirklich biblisch charismatisch, aber nicht so, wie es die Charismatiker unbedingt verstehen. Die Gemeinde soll von Hirten, von Ältesten geleitet werden.
Das ist noch nicht alles, was Gemeindeleben wirklich so macht, dass es dem Herrn gefällt. Aber es sind ganz wesentliche Eckdaten, möchte ich sagen. Und das andere – da wollen wir morgen Abend noch ein bisschen weiter fortsetzen.
