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Ein Ziel biblischer Prophetie: Aus der Zukunft lernen

Überblick über Jesaja, Teil 7/18
13.11.2022Jesaja 1-12
SERIE - Teil 7 / 18Überblick über Jesaja

Lernen aus der Zukunft statt aus der Vergangenheit

Geraldes Leben sollte eigentlich so funktionieren, dass wir aus der Vergangenheit lernen. Doch wir merken, dass das offensichtlich nicht funktioniert. Jemand hat einmal gesagt: Aus der Geschichte lernen wir, dass wir aus der Geschichte offensichtlich nichts lernen.

Ich habe heute einen anderen Vorschlag. Statt aus der Vergangenheit könnten wir aus der Zukunft lernen. Geraldo, soll das funktionieren? Ja, das ist der Sinn von Prophetie, oder?

Ich meine, der Sinn von Prophetie in der Bibel ist nicht, unsere Neugierde zu befriedigen. Auch ist der Sinn von Prophetie nicht, dass wir sagen können: „Ältsch, ich weiß mehr als du, ich weiß etwas, was du nicht weißt.“ Vielmehr ist der Sinn von Prophetie in der Bibel, dass wir aus dem, was uns von der Zukunft offenbart wird, etwas für die Gegenwart lernen – etwas für unser Leben.

Ich möchte heute mit euch noch einmal einen Blick auf den Propheten Jesaja werfen. Ihr habt seit ungefähr einem Jahr versucht, die ersten zwölf Kapitel, eigentlich den ersten großen Abschnitt des Propheten Jesaja, euch vor Augen zu führen.

Ich möchte heute eine kurze Wiederholung machen, weil, wie mir ein sehr weiser Mann gesagt hat: Wiederholung ist der beste Lehrer.

Jesaja war von Gott beauftragt, dem Volk Israel seinen Zustand vor Augen zu führen – so, wie Gott sie sieht. Es war eine sehr schockierende Botschaft: Wie Gott dieses Volk sieht, welche Zukunft Gott diesem Volk voraussagt – letzten Endes die Vernichtung, den Tod vieler, die Deportation und ein Leben in der Fremde.

Vier Zukunftsvisionen Jesajas

In den ersten zwölf Kapiteln gibt es vier Abschnitte, in denen Jesaja sehr bewusst und ausdrücklich in die Zukunft blickt.

Ich meine, es gibt noch die eine oder andere Andeutung, die zusätzlich vorkommt. Aber viermal sagt Jesaja sehr deutlich voraus, wie das zukünftige Reich und die zukünftige Regierung aussehen werden.

Dabei geht es darum, dass Gott seinen König, seinen Gesalbten – auf Hebräisch Messias, auf Griechisch Christus – auf den Thron setzt. Dieser Gesalbte wird die ganze Erde regieren und sie von Israel aus neu ordnen.

Jesaja schaut also viermal in die Zukunft. Ich möchte heute mit euch diese vier Abschnitte noch einmal anschauen, als Abrundung der ersten zwölf Kapitel.

Doch bevor ich beginne, lese ich zunächst einen Abschnitt aus dem Propheten Micha.

Micha und Jesaja: Parallele Zukunftsbilder

Bei Micha gab es jemanden, der zeitgleich und etwa genauso lange wie Jesaja in Israel als Prophet wirkte. Er hat uns ein deutlich kürzeres Buch hinterlassen – nur sieben Kapitel statt 66. Jesaja lebte und prophezeite zu dieser Zeit in Jerusalem, während Micha eher in einer Kleinstadt auf dem Land tätig war. Micha betrachtete Jerusalem mehr von außen als von innen.

Interessanterweise schreibt Micha in Kapitel 4, Vers 1: „Und es wird geschehen in zukünftigen Tagen, dass der Berg des Hauses des Herrn feststehen wird als das Haupt der Berge und bleibend erhoben sein wird über die Hügel.“ Diese Propheten verwenden oft eine sehr bildhafte Sprache. Er bezeichnet diesen Berg Gottes in Jerusalem als den höchsten Berg. Ich glaube nicht, dass er das geografisch meint – wenn überhaupt, dann nur nebenbei.

Was er mit diesem Bild ausdrückt, ist: Von Jerusalem aus wird diese Erde regiert werden. Die Regierung, die in Jerusalem sein wird, wenn Gottes gesalbter König auf dem Thron sitzt, wird über allen Regierungen dieser Erde stehen. Auf diesem Berg werden die Völker strömen, und große Nationen werden kommen und sagen: „Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns belehrt aus seinen Wegen und wir auf seinen Pfaden wandeln.“

Micha sagt, dass Menschen von der ganzen Erde kommen werden – aus allen Völkern, auch aus mächtigen, die sonst gewohnt sind, selbst zu bestimmen, was sie tun und lassen. Aus allen Völkern werden Menschen nach Jerusalem kommen, wo Gottes gesalbter König auf dem Thron sitzt, und sich Rat holen – für ihr Leben. Auch die Regierenden werden sich Rat für ihre Regierung holen.

In der Geschichte gab es schon Ansätze davon: Salomo nahm Tribut dafür, dass er Regierungsberatung für umliegende Völker anbot. Doch jetzt werden Menschen von der ganzen Erde kommen, um sich Rat von diesem gesalbten König Gottes zu holen, den Gott eingesetzt hat.

Denn „das Gesetz wird von Zion ausgehen und das Wort des Herrn von Jerusalem“, und er wird richten zwischen vielen Völkern und mächtigen, weit entfernten Nationen zu Recht weisen. In Jerusalem wird dieser König Gottes sozusagen der internationale Gerichtshof sein. Von dort wird das Gesetz ausgehen.

Der Unterschied zu heute ist, dass man auf diesen Richter hören wird. Er wird viele Nationen zurechtweisen, heißt es. Dann folgt in Micha der berühmte Satz: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern. Kein Volk wird mehr gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“

Wow, das ist eine Zukunft – ganz anders als unsere Gegenwart.

Die Hoffnung auf Frieden und ihr Scheitern

Die Vereinten Nationen haben diesen Wahlspruch 1945 zu ihrem Motto gemacht. Man kann ihn vor ihrem Hauptgebäude in New York lesen.

Im Jahr 1945 hegten sie die Hoffnung, dass, wenn sich alle Regierungen zusammenschließen und ein gemeinsames Gremium gründen, Frieden auf der Erde möglich wird. Generationen sollten aufwachsen, ohne Krieg zu lernen.

Doch vielleicht mehr als jemals seit 1945 wird uns heute deutlich vor Augen geführt, dass dieser Plan gescheitert ist. Haben sie die Sätze vorher nicht gelesen? Sie versuchten, Frieden auf der Erde zu schaffen – ohne Gott, ohne seine Regierung und ohne seinen Rat.

Spannend ist, dass Jesaja in seinem zweiten Kapitel mit genau den gleichen Worten beginnt, die ich euch gerade vorgelesen habe. Micha Kapitel 4, Verse 1 bis 3 entsprechen exakt Jesaja 2,1-4. Ich hätte euch die gleichen Sätze aus Jesaja vorlesen können.

Ich vermute, dass Jesaja sie von Micha übernommen hat und nicht umgekehrt, aber das kann ich nicht versprechen. Dieser Abschnitt steht in beiden Propheten dieser Zeit. Es ist ein zentraler Abschnitt, diese drei oder vier Verse, je nachdem, wie man sie einteilt. Sie sind eine zentrale Botschaft dieser Zeit.

Die praktische Schlussfolgerung für heute

Warum ich denke, dass Jesaja diesen Satz von Micha übernommen hat, liegt daran, dass Jesaja einen sehr prägnanten Satz als seinen fünften Vers einfügt, nämlich Jesaja 2,5.

Dieser Vers kommt dem, was ich über Prophetie gesagt habe, sehr nahe. Dort heißt es: „Kommt, Haus Jakob“, oder auch „Kommt, Israel“, „lasst uns wandeln im Licht des Herrn.“

Was sagt Jesaja mit anderen Worten, nachdem er diese vier Verse geschrieben hat? Er richtet sich an die Leute und sagt: Wenn das in der Zukunft funktioniert, wenn es eine Regierung auf dieser Erde geben wird, die für Frieden auf der ganzen Erde sorgen kann, wenn man auf ihren Rat hört, wenn ein König durch seinen Rat dafür sorgt, dass kein Krieg mehr herrscht, dass diese Erde gut regiert wird und die einzelnen Staaten harmonisch miteinander auskommen – wenn ihr diese Zukunft vor Augen habt, dann…

Jesaja fährt fort: Wer kennt heute diesen Gott, wenn nicht wir, sein Volk, Haus Jakob? Wenn es in Zukunft funktionieren wird, wäre es dann nicht gut, wenn wir zumindest heute schon auf den Rat Gottes hören?

Jesaja sagt: Vielleicht könnten wir dann zumindest Frieden in unseren Familien und Gemeinden haben, wenn derselbe Rat in der Zukunft einmal Frieden auf der ganzen Erde garantiert.

Das ist die Botschaft. Es geht nicht nur darum, was in vielen Generationen sein wird. Jesaja fordert uns auf: Wenn das so ist, lasst uns die Schlussfolgerung ziehen und heute auf den Rat Gottes hören.

Der Zustand Israels und die Notwendigkeit von Schutz

Wie hat Jesaja sein Buch begonnen? Jesaja 1,2: „Hört, ihr Himmel, und horcht, du Erde! Denn der Herr hat gesprochen: Ich habe Kinder großgezogen und erzogen, aber sie sind von mir abgefallen. Ein Ochse kennt seinen Besitzer, und ein Esel die Krippe seines Herrn. Israel aber kennt nicht, mein Volk versteht nicht.“

Er spricht zu einem Volk, das nicht mehr auf Gott hört. Er fordert sie auf: Schaut in die Zukunft und lernt daraus! Auch wir sollten heute auf den Rat Gottes hören, um seinen Frieden zu erleben – zumindest in unserem Land, zumindest in unserer Umgebung. Jesaja sagt: Lernen wir aus der Zukunft.

In den Kapiteln 2 und 3 entfaltet Gott durch Jesaja die Tatsache, dass wir einen Schutzschirm brauchen, weil wir so schutzbedürftig sind. Gerade in Zeiten, in denen es uns sehr gut geht und unser Land prosperiert, haben wir das oft nicht so empfunden – besonders wenn eine Krankheit uns persönlich getroffen hat.

Jesaja zeigt auf, dass wir Schutz brauchen: Schutz vor Kriegen, Schutz vor Ausbeutung, Schutz vor marodierenden Banden und Schutz vor ungerechten Richtern. Besonders die Schwachen in der Gesellschaft brauchen Schutz, vor allem die Frauen. Jesaja beschreibt ausführlich, wie besonders Frauen Schutz benötigen.

Wir brauchen Schutz auf allen Ebenen unseres Lebens. Auch dieser Abschnitt endet mit einem zweiten großen Ausblick in die Zukunft, in Jesaja 4. Dort fragt Jesaja: Wer kann das Schutzschild dieses Volkes sein? Unter wessen Schutz können wir uns wirklich sicher fühlen? Wodurch sind wir in unserem Leben und in unserer Lebensqualität beschützt?

Sind es die politischen Führer mit ihrer Diplomatie und ihren Bündnissen, die uns schützen? Oder die vielen Ratgeber im Internet, die Regierungsberater mit ihren guten Ideen? Schützen uns diese Dinge und sichern unsere Zukunft? Haben die Militärs, die Männer, die Macht, ihre Frauen zu schützen?

 Jesaja 4,5-6: „Der Herr wird über der ganzen Fläche des Berges Zion und über seine Versammlung eine Wolke bei Tag, einen Rauch und den Glanz seines Feuers, eine Flamme bei Nacht bilden.“

Jeder, der diese Worte gehört und gelesen hat, wusste, wo Jesaja historisch steht: als das Volk Israel zum ersten Mal ein Volk wurde. Es war als Familie nach Ägypten gekommen und als Volk aus Ägypten gezogen. Das Erste, was sie erlebten, war Gottes Gegenwart – tagsüber als Wolkensäule, nachts als Feuersäule.

Diese Wolkensäule war nicht nur ein Zeichen, das ihnen sagte, wann sie aufbrechen oder lagern sollten. Schon ganz am Anfang, als das ägyptische Heer sie verfolgte, stellte sich die Wolkensäule zwischen sie und die Ägypter, damit sie genug Zeit hatten, trockenen Fußes durch das Schilfmeer zu ziehen.

Jesaja blickt in die Zukunft und sagt, dass es über dieser Regierung und um diese Regierung herum für die Menschen ein Schutzschild geben wird: eine Wolkenhöhle bei Tag, ein feuriges Schutzschild bei Nacht. Über der ganzen Herrlichkeit wird ein Dach sein, das Schutz bietet – Schatten bei Tag vor der Hitze und Zuflucht sowie Bergung vor Wolkenbruch und Regen.

Dieses Bild zeigt, dass es Dinge gibt, vor denen die Menschen mehr Angst haben als vor Regen. Wir brauchen Schutz. Die Frage, die sich hier stellt, ähnelt der aus Kapitel 2: Wenn Gott in der Zukunft dieser zukünftigen Regierung seines Königs, seines Messias, die Menschen beschützen kann, die zu ihm und zu diesem Gott gehören – wäre es dann nicht gut, wenn wir heute schon seinen Schutz suchen?

Wenn wir uns zu ihm flüchten und ihm manchmal sagen, dass wir seinen Schutz brauchen? Dass wir nicht die Starken und Großen sind, die sich selbst schützen und durchs Leben bringen können? Dass wir zwar froh sind über den Schutz durch eine gute Regierung und ein gutes Grundgesetz, aber letzten Endes seinen Schutz brauchen?

Manchmal sollten wir das Gott vielleicht auch dann sagen, wenn wir uns noch relativ sicher fühlen. Das ist die zweite große Botschaft. Die erste Botschaft lautet: Es wäre gut, seinen Rat und seine Maßstäbe zu suchen. Die zweite Botschaft ist: Es wäre gut, seinen Schutz zu suchen und ihm zu sagen, dass wir seinen Schutz wollen und brauchen.

Hoffnung durch die Geburt bedeutungsvoller Kinder

Ein kleiner Sprung zu den Kapiteln sieben und acht. In diesen Kapiteln geht es um verschiedene Söhne, die geboren werden oder bereits geboren sind, mit bedeutungsvollen Namen. Einige dieser Namen deuten auf das schreckliche Gericht hin, das über Israel kommen wird. Ein Name weist darauf hin, dass Gott zumindest mit den wenigen Treuen im Land sein wird. Er wird ihnen sehr nah sein, besonders denen, die noch auf ihn vertrauen und ihm nachfolgen.

Diesen Namen haben viele schon einmal gehört, weil Matthäus im Neuen Testament „Immanuel“, Gott mit uns, zitiert. Bevor Jesaja diesen Abschnitt beendet, wendet er sich zu Beginn von Kapitel neun erneut seinem Blick in die Zukunft zu. Zum dritten Mal richtet er seinen Blick auf den kommenden König und auf das Reich, das Gott aufrichten wird. Wie wird dieses Reich sein? Was bedeutet es, wenn Gott wirklich mit uns ist? Nicht nur einzelne Menschen, sondern wenn diese Erde, dieses Volk Gottes das erleben wird – was bedeutet das?

Zum vierten Mal in diesem Abschnitt geht es um meinen Sohn, und zum vierten Mal um Namen. Nachdem Jesaja am Ende von Kapitel acht sehr eindrücklich von der Unterdrückung und der Deportation Israels gesprochen hat, von Hoffnungslosigkeit und Finsternis – all dem, was Israel in seiner Geschichte zur Genüge erfahren hat bis heute – beginnt er Kapitel neun mit dem Satz: „Das Volk, das im Finstern wandelt“ – dieses Volk mit der finsteren Zukunft, von der er gerade geschrieben hat, mit Jahrhunderten und Jahrtausenden von Finsternis und Albtraum – „hat ein großes Licht gesehen, das Wohnen im Land der Finsternis, Licht hat über ihnen geleuchtet.“

Dann folgt der berühmte Vers: „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben.“ Wie gesagt, zum vierten Mal geht es um einen Sohn in diesem Abschnitt. Die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. Hier geht es nicht um Weihnachten. Es geht nicht um die Zeit, als Jesus auf dieser Erde war. Ja, es hat an Weihnachten angefangen, aber hier geht es um die Zeit, wenn wirklich sichtbar die Herrschaft auf seiner Schulter ruht.

Und wieder geht es um Namen. Man nennt seinen Namen „Wunderbarer Ratgeber“. Diesen Namen hatten wir bereits in Kapitel zwei. Der vierte Name ist „Fürst des Friedens“, den hatten wir auch in Kapitel zwei. Dazwischen kommen zwei weitere Namen: „Mächtiger Gott“ und „Vater in Ewigkeit“.

Der Text fährt fort: „Fürst des Friedens – seine Herrschaft wird gewaltig sein, und der Frieden wird kein Ende haben auf dem Thron Davids und über sein Königreich.“ Indem er es aufrichtet und befestigt, durch Recht und Gerechtigkeit, von nun an bis in Ewigkeit. „Der Eifer des Herrn der Heerscharen wird das tun.“ Das ist die Aussicht.

So sieht es aus, wenn Gott wirklich mit seinem Volk ist. Aber wie gesagt, er hat schon vorher versprochen, vor dem Aufrichten dieses großen Reiches, mit denen zu sein, die ihm treu sind, die seine Autorität anerkennen und ihm treu bleiben wollen in einer Gesellschaft, die damals in Israel so weit weg von Gott war. Er hat gesagt: „Ich will schon heute mit ihnen sein.“

Ich gebe euch nur diesen Ausblick, wie es ist, wenn Gott mit uns ist. Seinen Rat und seinen Frieden können wir persönlich in unserem Leben erleben. Er kann schon jetzt unser Ratgeber, unser mächtiger Gott, unser Vater in Ewigkeit sein und der Friedensfürst in unserem Leben, in unserer Umgebung und in unserer Gemeinde. Gott will mit uns sein – Immanuel.

Die Frage, die Jesaja an dieser Stelle indirekt stellt, lautet: Wollt ihr diesen Gott? Wollt ihr seine Autorität? Wollt ihr euch dieser Autorität schon heute unterstellen? In der Zukunft wird seine Regierung erstaunliche Auswirkungen haben. Aber wie ist es, wenn er jetzt schon über unser Leben regieren darf?

Der kommende König aus Davids Linie

Okay, und jetzt der letzte von diesen vier Abschnitten: Jesaja elf. Zum letzten Mal in diesen zwölf Kapiteln schaut Jesaja in die Zukunft.

Was haben wir gerade in Kapitel neun gelesen? Seine Herrschaft wird gewaltig sein, der Frieden wird kein Ende haben auf dem Thron Davids und über seinem Königreich. Die Frage ist: Kann es auf dieser Erde jemals echten Frieden geben? Kann man sich das überhaupt vorstellen – mit den Menschen, mit den Regierungen, mit den Despoten?

Jesaja sagt, dass er sein Königreich aufrichtet und befestigt durch Recht und durch Gerechtigkeit. Ist eine völlig gerechte Regierung vorstellbar? Ich meine, der gerechteste Mensch – sobald er in die Regierung kommt – wird er nicht automatisch sofort korrupt werden? Salomo schreibt es in seinem Prediger. Ich sehe einen alten König vor Augen, der nicht mehr auf Rat hört. Ich sehe einen jungen, armen Mann, der an die Regierung kommen wird, aber er wird genauso enden.

Ist es überhaupt möglich, in Gerechtigkeit zu regieren? Ein englischer Bischof hat mal gesagt, es sei nicht möglich, England oder Großbritannien mit der Bergpredigt zu regieren, weil die Menschen nicht so sind. Ist eine friedliche Koexistenz unter den Menschen denkbar? Hat Gott eine Lösung für dieses Problem, für diese tiefsitzende Botschaft des Menschen – sowohl der Regierenden als auch der Regierten? Und wie kann diese Lösung aussehen?

Jesaja hat es immer wieder angedeutet. In Kapitel zwei haben wir es gesehen, in Kapitel vier ebenso, in Kapitel neun ebenfalls. Und jetzt kommen wir zum Höhepunkt dieses gewaltigen ersten Buches von Jesaja.

Aber vorher möchte ich ganz kurz eine Stelle lesen. Das ist Micha Kapitel fünf:

„Und du, Bethlehem-Ephrata, aus dir wird für mich hervorkommen, der Herrscher über Israel sein soll, und sein Ursprung ist von Alters, von lange zurückliegenden Tagen her.“

Micha sagt: Nach langer Zeit wird ein König aufstehen, irgendwie aus der verschollenen, aber nie vergessenen Linie Davids, aus dem Dorf, aus dem Davids Familie stammt, Bethlehem. Aus dem seit Jahrhunderten unsichtbaren Königshaus Davids. Sein Ursprung, der Ursprung dieses neuen Herrschers, ist von Alters.

Jesaja erwähnt in einer parallelen Stelle die Familie. Jesaja 11,1: „Und ein Trieb wird hervorwachsen aus dem Stumpf Isaias, und ein Schössling wird sprossen aus seinen Wurzeln.“

Ich weiß nicht, ob ihr Linden kennt? Also wenn du eine Linde absägst – meine Eltern haben das mal versucht –, das Haus war relativ neu, der Garten auch. Aus irgendeinem Grund haben sie eine kleine Linde gepflanzt. Als sie irgendwann zu groß wurde, haben sie die Linde abgesägt. Das Problem ist: Wenn du eine Linde absägst, dann kommen auf allen Seiten die Lindensprosse heraus. Plötzlich hast du nicht eine Linde, sondern acht.

Früher wurde das bei Dorflinden so lange gemacht, bis du eine Tanzfläche hattest. Weil man immer wieder auf der gleichen Ebene abschnitt, bis man auf der Linde, auf der Tanzlinde, tanzen konnte.

Aber hier spricht Jesaja von einem besonderen Baum, von einem Baum, bei dem über Jahrhunderte kein Spross hervorging. Trotzdem ist dieser Stumpf noch da, und auch von den Wurzeln ist noch etwas da. Niemand denkt, dass er noch lebendig ist. Er ist eher ein Monument.

Und plötzlich kommt ein Spross aus einer Seite, aus dieser Wurzel. Es ist der Wurzel Isaias, ein Nachkomme Davids.

Jesaja beendet diesen Abschnitt in Jesaja 11,10 mit den Worten: „Und es wird geschehen an jenem Tag, der Wurzelspross Isaias, der dasteht als Banner der Völker. Nach ihm werden die Nationen fragen, und seine Wohnstätte wird Herrlichkeit sein.“

Der Geist des Herrn auf dem kommenden König

Und wie wird dieser König sein? In der langen, verschollenen Dynastie Davids heißt es in Jesaja 11,2: „Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn.“ Ich lese nicht alles, nur zwei Verse und einen Teil des dritten.

Er wird unter der Führung Gottes regieren. Der Geist der Weisheit und des Verstehens wird auf ihm ruhen. Das ist beeindruckend, oder? Ein König, der versteht – nicht nur, was er tut und welche Auswirkungen es hat, sondern wahrscheinlich auch die Menschen, über die er herrscht. Das wäre wirklich etwas Besonderes.

Weiter heißt es, dass der Geist des Rates und der Kraft auf ihm ruht. Ein König, der gute Ideen hat. Wir haben schon gesehen, dass die ganze Welt zu ihm kommt, um Rat zu holen. Aber er hat nicht nur gute Ideen, sondern auch die Kraft, diese umzusetzen. Ein Geist des Rates und der Kraft.

Das Beeindruckendste aber ist der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. Jesaja betont besonders, dass dieser König in der Furcht des Herrn leben wird. Das ist ein wichtiger Punkt, den er wiederholt. Dieser König ist nicht nur einer, der versteht, Rat geben kann und die Kraft hat, seine Ideen umzusetzen, sondern er erkennt Gott. Seine Herrschaft ist von Gottesfurcht geprägt.

Genau das macht seine Regierung aus.

Die Veränderung der Menschen im Reich des Friedens

Aber das größte Wunder, das Jesaja in diesem Abschnitt beschreibt, ist, dass die Menschen anders sein werden.

Dieser Abschnitt wurde oft so verstanden, dass sich die Natur in diesem Reich verändert. Wahrscheinlich ist das auch so. Doch Jesaja geht es nicht darum, dass Raubtiere nicht mehr rauben. Sein Punkt ist, dass menschliche Raubtiere nicht mehr rauben.

Wie hat Micha die Menschen seiner Zeit beschrieben, also die Gesellschaft in Israel? Lest einige Stellen aus Micha, insbesondere Micha 3,1. Micha lebte zur gleichen Zeit wie Jesaja. Sein Buch kannte Jesaja wahrscheinlich, zumindest die Predigten daraus.

Micha spricht von den Verantwortlichen, den Regierenden, den Mächtigen – auf welcher Ebene auch immer – zu seiner Zeit. Er sagt: „Hört doch, ihr Häupter Jakobs und ihr Entscheider des Hauses Israel! Solltet nicht gerade ihr das Recht kennen, die ihr das Gute hasst und das Böse liebt?“

Dann beschreibt er mit drastischen Worten, wie Menschen regiert haben und wie sie ihre Macht ausgenutzt haben: „Die Haut ziehen sie ihnen ab und das Fleisch von ihren Knochen, sie essen das Fleisch meines Volkes, sie streifen ihnen die Haut ab und brechen ihre Knochen in Stücke, zerstückeln sie wie für die Pfanne und wie Fleisch für den Topf.“

Das waren keine Kannibalen, das ist nicht wörtlich zu verstehen. So empfanden es Gott, Micha und Jesaja: Die Mächtigen machten aus dem Leben anderer Menschen eine Suppe für sich, eine Fleischbrühe, indem sie ihnen die Haut abziehen und das Fleisch von den Knochen entfernen. So regierten die Menschen in ihrem Bereich. Es geht nicht immer nur um den König. So gingen Menschen miteinander um, wenn sie die Macht dazu hatten – wie brutale Tiere.

In Micha 3,5 spricht Micha von den Propheten: „So spricht der Herr gegen die Propheten, die mein Volk zu Falschem führen, die mit ihren Zähnen zubeißen und dabei Frieden rufen. Und wer ihnen nicht gibt, was sie verlangen, gegen den heiligen sie einen Krieg.“

Das ist nicht der erste Krieg, den religiöse Führer dieser Welt geheiligt haben, wenn man ihnen nicht gibt, was sie wollen.

Micha bleibt aber nicht nur bei den politischen und religiösen Führern stehen. Ein paar Kapitel später, im letzten Kapitel seines Buches, spricht er von dem Umgang der Menschen in der Gesellschaft miteinander: „Treue und Ehrlichkeit sind aus dem Land verschwunden“, schreibt er. „Da ist kein Rechtschaffender unter den Menschen, allesamt lauern sie auf Blutvergießen, sie jagen ein jeder seinen Bruder mit dem Netz.“

Auch das ist nicht wörtlich zu verstehen.

Jesaja sagt: Wenn dieser König Gottes regiert, dann muss sich niemand mehr fürchten. Niemand muss sich vor den Regierenden fürchten, vor den religiösen Führern oder vor den Mitmenschen.

In Jesaja 11,9 heißt es: „Man wird weder verletzen noch zerstören auf meinem ganzen heiligen Berg. Es wird niemand mehr den anderen mutwillig verletzen, denn die Erde wird voll Erkenntnis des Herrn sein, wie Wasser den Meeresgrund bedeckt.“

Das ist der letzte Vers eines Bildes, das Jesaja entfaltet. Von diesem Vers lernen wir, was er mit dem Bild eigentlich meint.

Vielleicht meint er tatsächlich, dass sich auch die Natur verändert und sogar Raubtiere anders sind als vorher. Doch Vers 9 zeigt, dass er vor allem die Menschen im Blick hat. Niemand wird mehr verletzen, niemand wird mehr sterben.

Ich lese trotzdem noch einmal dieses wunderbare Bild: Der Wolf – vielleicht ein Raubtier, aber auf jeden Fall ein Bild für Menschen, die wie Wölfe mit ihren Mitmenschen umgehen – wird beim Lamm wohnen und anders sein als vorher.

Der Leopard wird beim Böckchen lagern, das Kalb, der junge Löwe und das Mastvieh zusammen. Ein kleiner Knabe wird sie treiben. Kuh und Bär werden zusammen weinen, ihre Jungen werden zusammen lagern, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Das Säugling wird am Loch der Otter spielen, und das entwöhnte Kind wird seine Hand ausstrecken nach der Höhle der Viper.

Manche Menschen laufen nicht herum wie ein brüllender Löwe. Manche sind wie Schlangen, die von hinten beißen mit dem Giftzahn. Vielleicht kennt ihr solche Menschen, vielleicht sind wir manchmal selbst solche Menschen. Das war Vers 8.

Dann kommt noch einmal Vers 9: „Man wird weder verletzen noch zerstören auf meinem ganzen heiligen Berg, denn die Erde wird voll Erkenntnis des Herrn sein, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken.“

Der Messias wird nicht nur ein Reich des Friedens regieren, weil er so einen guten Rat hat oder so viel Einfluss in der Welt, sondern auch, weil er Menschen grundlegend verändern kann.

Die Frage, die bei Jesaja mitschwingt, ist: Wenn das in der Zukunft funktioniert, könnte das nicht auch heute bei uns funktionieren?

Könnten wir nicht Gott darum bitten, dass er anfängt, uns zu verändern, damit wir keine Wölfe mehr sind und keine Vipern? Damit unser Zusammenleben in Familien und Gemeinden funktioniert?

Was können wir aus der Zukunft lernen – dass wir einen Gott haben, der Menschen verändern kann? Kann er das schon heute oder erst in der Zukunft?

Das ist letztlich die Frage, die Jesaja in den Raum stellt. Und wir wissen, dass wir die besten Voraussetzungen haben, denn wir haben schon den Heiligen Geist bekommen.

Zusammenfassung: Vier Lektionen aus der Zukunft

Okay, das ist meine Botschaft, nein, das ist die Botschaft Jesajas. Wir betrachten sie in vier Abschnitten.

Lassen wir uns von der Zukunft lernen, Kapitel 2. Wenn sein Rat in der Zukunft Frieden schaffen kann, was würde passieren, wenn wir jetzt schon auf seinen Rat hören – ganz persönlich?

Wenn Gott in Zukunft seinen Schutzschirm ausspannen und Menschen beschützen kann, wäre es dann nicht gut, wenn wir ganz persönlich jetzt schon seinen Schutz suchen?

In Kapitel 9 heißt es: Wenn er in Zukunft als Gott und Vater mit all den Auswirkungen, die das letztlich auf die ganze Erde spürbar sein werden, im Reich des Friedens herrscht, wäre es dann nicht gut, wenn wir jetzt schon bewusst seine Autorität akzeptieren? Wenn wir im Leben nach der Autorität dieses Gottes und Vaters handeln und seine Maßstäbe annehmen? Wenn wir jetzt schon erleben würden, dass Gott mit uns ist – Gott mit uns ist, Immanuel.

Und in einem weiteren Kapitel: Wenn Gott in der Zukunft Menschen so grundlegend verändern kann, wäre es dann nicht gut, wenn wir uns jetzt schon von ihm verändern lassen?

Die Frage ist: Wollen wir seinen Rat und seine Maßstäbe? Wollen wir seinen Schutzschirm? Wahrscheinlich ja. Aber wollen wir auch seine Autorität? Wollen wir eine Veränderung unserer Persönlichkeit?

Jesaja sagt: Wenn wir aus der Zukunft lernen würden, könnte das so viel in unserem Leben, in unseren Familien und in unseren Gemeinden verändern.

Vielen Dank an Gerald Dippell, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen! Ein empfehlenswertes Buch des Autors über das Leben von Paulus ist bei CLV erschienen: Paulus persönlich