
Gott wird Mensch
Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode vierzig
Eine Jungfrau wird schwanger.
Gestern ging es um das Thema Prophetie. Im Zentrum der Episode standen zwei Kernaussagen. Erstens: Vorhersagen in der Bibel sind etwas ganz Besonderes, denn sie weisen auf Gott hin, weil nur er die Zukunft kennt. Zweitens: Die Geschichte Israels als Ganzes fungiert wie eine komplexe Prophetie auf den Messias. Einzelne Personen, wie zum Beispiel die Propheten, können dabei eine besonders zeichenhafte Rolle spielen.
Diese Vorbemerkungen sind wichtig, weil wir in Matthäus auf folgende Verse gestoßen sind: Matthäus 1,22-23: „Dies alles, also gemeint ist die Geburt Jesu durch eine Jungfrau, geschah, damit erfüllt wurde, was von dem Herrn geredet ist durch den Propheten, der spricht: Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Emanuel nennen, was übersetzt ‚Gott mit uns‘ bedeutet.“
Vers 23 zitiert eine Stelle aus dem Propheten Jesaja. Jesaja gehört definitiv zu den Propheten, die sich ihrer besonderen Rolle in der Geschichte Gottes bewusst waren. So lesen wir in Jesaja 8,18: „Siehe, ich und die Kinder, die der Herr mir gegeben hat, wir sind zu Zeichen und zu Wundern in Israel geworden, vom Herrn der Heerscharen, der auf dem Berg Zion wohnt.“
Frage: Was war passiert, dass Jesaja das so sagt? Schauen wir ein Kapitel zurück, Kapitel 7. Dort geht es um einen kurz bevorstehenden Angriff auf Juda. Zwei Könige hatten sich zusammengetan, um das Land Juda einzunehmen, den amtierenden König Ahas zu stürzen und einen Vasallenkönig zu installieren.
Ahas bekommt logischerweise vor dieser Allianz Angst. Doch Gott schickt den Propheten Jesaja und dessen Sohn zu König Ahas. Der Sohn heißt übrigens She'ar-Jashub, was übersetzt „Ein Rest kehrt um“ bedeutet – ein zugegeben ungewöhnlicher Name für ein Kind.
Also gehen Jesaja und sein Sohn zum König Ahas. Im Auftrag Gottes verkündet Jesaja dem König, dass er sich nicht fürchten braucht. Warum nicht? Weil es nicht zu einem Angriff kommen wird. Ahas darf sich sogar ein Zeichen von Gott wünschen, aber der König lehnt ab.
Dann heißt es in Jesaja 7,14: „Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird seinen Namen Immanuel nennen.“
Das ist unser Zitat aus dem Matthäusevangelium. Es bezieht sich hier aber zunächst noch nicht auf den Messias, sondern auf einen noch nicht geborenen Sohn von Jesaja.
Liest man weiter, merkt man, wie dieser Sohn zum Zeichen werden soll. Bevor er nämlich Gut und Böse zu unterscheiden versteht, sagt Gott, ist das Problem mit den zwei Königen gelöst. Gelöst wird es dadurch, dass die Assyrer deren Gebiet einnehmen und plündern.
Der Sohn, der geboren werden soll, bekommt deshalb auch den passenden Namen Maher-schalal. „Chasch Bas“ wird übersetzt mit Schnellraub oder Eilebeute. Das passt, wenn man zum Ausdruck bringen will, dass etwas zum Raub und zur Beute wird.
Woher weiß ich, dass es sich bei dem Kind aus Jesaja 7,14 um den Sohn von Jesaja handelt? Ganz einfach: Es steht im Text Jesaja 8,3-4: „Und ich nahte der Prophetin, und sie wurde schwanger und gebar einen Sohn. Und der Herr sprach zu mir: Gib ihm den Namen Schnellraub-Eilebeute, denn ehe der Junge zu rufen versteht ‚mein Vater‘ und ‚meine Mutter‘, wird man den Reichtum von Damaskus und die Beute von Samaria vor dem König von Assur hertragen.“
Aber das mit dem Zeichen ist damit noch nicht vorbei. Der Sohn wird mit dem Namen Immanuel genannt. Dabei handelt es sich nicht um seinen Rufnamen – der ist Schnellraub, Eilebeute – sondern um etwas wie einen Titel oder eine Beschreibung seines Auftrags. Es beschreibt, wofür er als Zeichen von Gott stand, nämlich für die Gegenwart Gottes.
Immanuel oder im Neuen Testament Emanuel heißt übersetzt „Gott ist mit uns“.
Und das wurde jetzt besonders wichtig. Denn die Assyrer, die kommen, um ein Problem zu lösen, werden selbst zum Problem. Sie beseitigen die beiden Könige, die sich gegen Juda verbündet hatten. Doch nun machen sie sich daran, Juda anzugreifen.
Die Zeiten werden schlimm, aber Immanuel – Gott ist mit uns. Die Feinde können tun, was sie wollen. Solange Juda seinen Gott fürchtet, ihm vertraut, auf ihn hofft und sich auf ihn stützt, können sie Juda nicht schaden.
Das klingt so in Jesaja 8, Verse 9 und 10: „Sammelt euch nur zum Angriff, ihr Völker! Ruft zum Kampf auf, dass man es hört bis in die entlegensten Winkel der Erde! Rüstet euch zum Krieg, nehmt die Waffen zur Hand! Trotzdem wird der Schrecken über euch kommen. Panische Angst wird euch überfallen. Schmiedet nur Pläne, sie werden vereitelt. Beratet euch so viel ihr wollt, es kommt nichts dabei heraus, denn Gott steht uns bei – Immanuel.“
Das ist der Hintergrund zu der Aussage aus Jesaja 8, Vers 18: „Siehe, ich und die Kinder, die der Herr mir gegeben hat, sind zu Zeichen und zu Wundern in Israel geworden.“ Während die Assyrer über Israel herfallen, lebt unter ihnen der Sohn des Jesaja als Zeichen dafür, dass Gott mit seinem Volk ist.
So, jetzt wird es spannend. Wir wissen bereits von Jona, dass das Leben eines Propheten vor allem durch ungewöhnliche Momente geprägt sein kann, die über den Propheten hinaus auf den Messias hinweisen. Jona wird für drei Tage und Nächte vom Fisch verschluckt, was sich für ihn wie Sterben anfühlt. Der Messias stirbt tatsächlich.
Jesaja erhält eine Prophezeiung, dass seine Frau noch ein Kind bekommen wird. Die Formulierung dieser Prophezeiung ist jedoch merkwürdig, denn es heißt: „Die Jungfrau wird schwanger werden.“ Auffällig ist dabei das Wort „Jungfrau“. Das hebräische Wort „Alma“ steht in der Bibel für eine junge Frau, die in der Regel noch Jungfrau war. In diesem Begriff steckt jedoch eine Doppeldeutigkeit. Man kann ihn gerade noch auf Jesajas Frau anwenden, aber er passt auch sehr gut auf eine Frau, die noch gar keine sexuellen Erfahrungen gemacht hat.
Diese Doppeldeutigkeit hätte man vermeiden können. Im Hebräischen gibt es nämlich ein eindeutiges Wort für Jungfrau und ein eindeutiges Wort für junge Frau. In der Prophezeiung wird jedoch bewusst doppeldeutig formuliert. Warum das so ist, wird vielleicht deutlich, wenn man bei Jesaja weiterliest.
Es wird nämlich schon ein Kapitel weiter, in Kapitel neun, eine spätere Zeit verheißen, in der dem Haus David selbst ein Sohn geboren werden wird. Von diesem Sohn heißt es in Jesaja 9,5: „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. Man nennt seinen Namen wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Fürst des Friedens.“
Also war der Sohn des Jesaja noch ein Immanuel im Kleinen, ein Zeichen für die Gegenwart Gottes in Zeiten der Not. So sollte nun ein Kind geboren werden, das die Grenzen zum Zeichenhaften sprengen würde.
Dieses Kind wird man „starker Gott“ nennen. Gott selbst wird Mensch und Kind und tritt in Gestalt des Messias seine Königsherrschaft an. Hier ist der eigentliche Immanuel, der Gott mit uns, nicht mehr im übertragenen, sondern im wörtlichen Sinn. In Jesus ist Gott wirklich mit uns.
Und jetzt legen wir die Puzzleteile zusammen. In Jesaja wird dem gläubigen Überrest Israels ein Immanuel verheißen, der dem Volk in einer Zeit großer außenpolitischer Not die Gewissheit gibt, dass Gott sie nicht aufgegeben hat.
Für eine spätere Zeit wird jedoch ein noch größerer Immanuel verheißen, der, wie wir schon wissen, sein Volk nicht vor Armeen, sondern von seinen Sünden retten wird. Jesaja als Prophet ist mit seinem Leben ein Zeichen, und auch die Geburt seines Sohnes ist ein Zeichen.
Wenn also schon die Zeugung des ersten Immanuel ein Zeichen war, wie viel mehr müssen wir davon ausgehen, dass auch die Zeugung des zweiten, des wahren Immanuel, besonders sein würde? Diese Idee wird noch dadurch unterstrichen, dass die Prophezeiung aus Jesaja 7,14 in der griechischen Übertragung sich ganz eindeutig auf eine Jungfrau bezieht.
Das mehrdeutige hebräische Wort "Alma" wird nämlich in der Septuaginta und dann auch in unserem Matthäustext mit dem griechischen "Parthenos" übersetzt, ein Begriff, der immer eine Jungfrau und nie eine verheiratete Frau beschreibt. Im griechischen Text des Alten Testaments ist jede Mehrdeutigkeit verschwunden.
Aber warum? Meine These ist die folgende: So wie Jesus bei Jona in der merkwürdigen Geschichte mit dem Fisch ein Zeichen auf seinen Tod sieht, kann man in der merkwürdigen Geschichte rund um die Geburt des Sohnes von Jesaja ein Zeichen auf die Geburt des Messias sehen. Umso mehr, als es sich in beiden Fällen um einen Immanuel handelt – einen Gott mit uns.
Ich denke, dass Gott selbst uns in der Lenkung der Übersetzung des hebräischen Textes ins Griechische einen Hinweis gibt, wie sich die Geburt des wahren Immanuel, also die Geburt Jesu, von der Geburt des Vorläufers, also von der Geburt des Sohnes von Jesaja, unterscheiden sollte.
Der erste Immanuel zur Zeit von König Asa wurde von einer jungen Frau geboren, der zweite Immanuel in der späteren Zeit sollte von einer echten Jungfrau geboren werden.
Jürgen, entschuldige, das ist mir alles zu kompliziert. Das verstehe ich gut. Es tut mir auch leid, dass diese Lektion länger und komplizierter geworden ist als üblich.
Es kann sogar sein, dass dich die Argumentation von Matthäus nicht überzeugt. Natürlich ist es der Heilige Geist, der das Matthäusevangelium inspiriert hat. Deshalb würde es Sinn machen, seiner Auslegung von Jesaja 7,14 zu vertrauen.
Gleichzeitig sind wir aber nicht die Zielgruppe. Matthäus schreibt sein Evangelium an Juden des ersten Jahrhunderts. Sie sollen durch seinen Bericht gewonnen werden. Die Argumente, die er bringt, müssen ihrem Erfahrungsschatz und ihrer Logik entsprechen, nicht der unseren.
In diesem Sinn reicht es mir völlig, wenn wir das Wichtige festhalten: Gott steht zu seinen Vorhersagen, ob wir sie verstehen oder nicht. Und Gott hat uns seinen Emanuel, seinen Gott mit uns, gesandt, um uns zu retten – egal, wie schwierig die Zeiten werden und wie groß die Herausforderungen sind. Gott ist da.
Das war's für heute. Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
Vielen Dank an Jürgen Fischer, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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