Jubilate

Warum der Sonntag ein Festtag ist
Konrad Eißler
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Geburtstag, Hochzeitstag oder auch Abschiedstag sind ein Grund, sich zu freuen. Viel größer und wichtiger ist aber die Tatsache: Gott feiert Sonntag - und wir sollen uns mitfreuen. Konrad Eißler nennt drei Gründe. - Abschiedspredigt in der Stuttgarter Stiftskirche zum Sonntag Jubilate


Jubilate, das ist der Name dieses Tages. Jubilate, das ist das Thema dieses Tages. Jubilate, das ist der Jubel dieses Tages. Zu deutsch: Lobet, preiset, singet, Martin Buber übersetzt sogar: schmettert! Festlich soll es klingen, majestoso, fast weihnachtlich : “Jauchzet frohlocket, auf preiset die Tage. Lasset das Zagen, verbannet das Klagen. Stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an.” Aber warum?

Einer feiert Geburtstag. Vierzig ist er geworden.Die Kinder flöteten “Happy birthday” zum Aufwachen. Die Frau stellte 40 Rosen auf den Frühstückstisch. Die Schwiegermutter telefonierte, dass er nun endlich gescheit sei. Also jauchzt dem Geburtstagskind. Singt ihm ein Geburtstagsständchen. Preist seinen Namen.

Oder einer feiert Hochzeitstag. 25 Jahre hat seine Ehe unbeschadet überstanden. Noch keinen Tag hat er sein Ja vor dem Traualtar bereut. Mit Matthias Claudius Versen zum Hochzeitsjubiläum an Rebekka erfreute er seine Frau: “Ich habe dich geliebet und will dich lieben, solang du gold’ner Engel lebst. Ich war wohl klug, dass ich dich fand. Doch ich fand nicht, Gott hat dich mir gegeben, so segnet keine andere Hand.” Also jauchzt dem Hochzeitspaar. Singt ihm ein Hochzeitslied. Preist seinen Namen.

Oder einer feiert Abschiedstag. Über zwanzig Jahre lang hat ihn seine Gemeinde ertragen. Keiner begrüßte ihn auf der Straße: “Ach Herr Pfarrer, sind Sie immer noch da.” Niemand erinnerte ihn an die Spruchweisheit: “Unsere Amtszeit währet 10 Jahre. Und wenn’s hoch kommt, so sind’s 15 Jahre. Und wenn es köstlich gewesen ist, ist es vom Übel gewesen.” Und die Kirchenoberen empfahlen keine Luftveränderung auf der Schwäbischen Alb oder Schwarzwald, rein fürsorglich, versteht sich. Aber jetzt packt er die Koffer. Also jauchzt dem Pfarrherrn. Singt ihm die Abschiedsmelodie. Preist seinen Namen.

Aber, liebe Gemeinde, was soll Geburtstag, was soll Hochzeitstag, was soll Abschiedstag, gegenüber der viel größeren und ungleich gewichtigeren Tatsache: Gott feiert Sonntag. Gott macht Ruhetag. Gott heiligt den siebten Tag, so, dass er ihn aus den gewöhnlichen Werktagen herausnimmt und zu einem besonderen Festtag macht. Und weil er nicht alleine feiern will wie der König von Thule, der einsam an der großen Tafel saß, deshalb stellt er seinen Leuten die Hausglocke ab, hängt ihnen das Telefon aus, legt das Unerledigte beiseite und ruft sie in seine Gemeinschaft, um mit ihnen zu festen. Warum haben so viele einen Ausschlaftag oder einen Ausflugstag oder einen Aufräumtag daraus gemacht? Am Sonntag soll sein Lob gesungen werden. Menschenlob hat immer ein Geschmäckle. Am Sonntag soll seine Ehre groß gemacht werden. Menschenehre ist immer nur von kurzer Dauer. Am Sonntag soll seine Herrlichkeit über aller Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit aufstrahlen. Menschenherrlichkeit ist sogar Gottlosigkeit. Deshalb die Aufforderung des Psalmisten: Jubilate deo, jauchzt Gott alle Lande. Singet zur Ehre seines Namens. Preist den Namen des Herrn! Damit uns dieser Lobpreis leichter fällt, werden uns heute drei Gründe genannt.

1. Jauchzet Gott, denn von ihm kommen wir.

Auch wenn die uralten Babylonier behaupteten, wir kämen vom Urei. Am Anfang sei das Tohu, das Gefährliche, und das Bohu, das Unheimliche gewesen, aber dazwischen ein befruchtetes Ei, das plötzlich zersprungen sei und die Menschen zur Welt gebracht habe. Wir kommen vom Urei, sagten die Babylonier, aber die Bibel sagt: Wir kommen von Gott. Auch wenn die alten Germanen behaupteten, wir kämen vom Urriesen. Am Anfang sei nur Reif und Eis gewesen, aber daraus habe eine Kuh mit ihrer warmen Zunge eine Menschengestalt namens Umir geleckt, die später den Kampf mit dem Riesen Odin aufnahm. Wir kommen vom Urriesen, sagten die Germanen, aber die Bibel sagt: Wir kommen von Gott. Auch wenn die heutigen Paläoanthropologen behaupten, wir kämen vom Urfeuer, aus dem sich Energien bildeten, oder wir kämen vom Urnebel, aus dem Konzentrate ausflockten, oder wir kämen vom Urschleim, aus dem Lebewesen krochen, die Bibel sagt: Wir kommen von Gott. Am Anfang war nicht etwas, sondern jemand. “Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat, samt allen Kreaturen.” Das bedeutet, dass wir kein fluchbeladenes Genmaterial eines Ureis mit uns herumtragen, das uns wie ein grausiges Schicksal bestimmt. Das bedeutet auch, dass wir keine negativen Erbanlagen mit uns herumschleppen, die uns trotz allen guten Vorsätzen böse beeinflussen. Das bedeutet weiter, dass wir auf keinen Fall mit unheimlichen Urchromosomen befrachtet sind. Unsere vorgeburtliche Mitgift ist einzig und allein seine Liebe. Liebevoll hat er den Himmel geschaffen, damit wir ein Dach überm Kopf haben. Liebevoll hat er die Erde geschaffen, damit wir Boden unter die Füße bekommen. Liebevoll hat er das Licht erschaffen, dass wir nicht im Dunkeln munkeln müssen. Liebevoll hat er alles installiert, damit wir ein Zuhause haben und nicht unbehaust vegetieren müssen. Sein Menschenkind kam nicht ungewollt. Sein Menschengeschöpf kam nicht unerwünscht. Bei ihm gibt es keine übrigen Leute. Ob es der hilflose Säugling auf den Armen seiner Mutter ist, über dem noch ein Hauch der Ewigkeit liegt, oder ob es der hilflose Greis am Arm seines Pflegers ist, der von den Stürmen des Lebens gezeichnet ist, für alle gilt, was Kurt Marti so sagte: “Ich wurde nicht gefragt bei meiner Geburt, und die mich gebar, wurde auch nicht gefragt bei ihrer Geburt, niemand wurde gefragt, außer dem Einen, und der sagte Ja.” Und wenn immer wieder jenes Wort zu quälen beginnt: “Der Schlaf ist gut, der Tod ist besser, am besten wäre, nie geboren zu sein”, dann gilt es jenes deutliche und laute Ja über meinem Leben zu hören. Selbst wenn mein Vater mich nicht gewollt und meine Mutter mich nicht gewünscht hat: Gott hat mich gewollt. Gott hat dich gewünscht. Jeder ist Gottes Wunschkind. Deshalb: Jauchzet Gott, denn von ihm kommen wir. Daraus folgt das Zweite:

2. Jauchzet Gott, denn bei ihm sind wir.

Manche denken, bei ihm seien wir nur eine liebliche Puppe, die auf seiner Hand zu spielen hätte. Aber Gottes Werkstatt ist kein Puppentheater. Manche glauben, bei ihm seien wir nur eine geschnitzte Marionette, die an seinen Fingern zu tanzen hätte. Aber Gottes Werkstatt ist kein Marionettentheater. Manche befürchten, bei ihm seien wir nur ein Schoßhündchen, das an der ganz kurzen Leine geführt werde. Aber Gottes Werkstatt ist anders, gleichsam ein Atelier. Am 6. Tag nämlich, als er der Schöpfung die Krone aufsetzte, sagte er nicht: Lasset uns Puppen, Marionetten oder Tiere, sondern lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei. So schuf er Mannsbilder und Frauenbilder, unverkäufliche Kunstbilder, Handarbeiten des lebendigen Gottes. Als Originale sind wir bei ihm, die er nicht kopiert. Kein Bild gleicht dem andern. Sie und mich gibt es nur als einmalige Sonderausgabe. Als Originale sind wir bei ihm, die er in einen Rahmen stellt. Das Bebauen und Bewahren der Erde ist die Rahmenordnung für unser Leben. Ohne sie fallen wir aus dem Rahmen und geben nur ein erbärmliches Bild ab, das man vergessen kann. Als Original sind wir bei ihm, denen er einen besonderen Platz zuteilt. Dem einen die Schule, dem andern das Büro, dem Dritten die Fabrik und dem Vierten den Haushalt. Sein Platz ist die richtige Platzanweisung und seine Stellung die richtige Lebensstellung. Alle miteinander sind wir wertvolle Originale, die er sich nicht abkaufen lässt. Deshalb jauchzt dem Herrn, denn bei ihm sind wir.

Nur eines, liebe Gemeinde, was ist, wenn unser Erscheinungsbild nicht mehr dem Original entspricht? Was ist, wenn schmutzige Hände drüber gegangen sind, wenn lieblose Hände mich verletzten, wenn harte Hände unübersehbare Zerstörungen angerichtet haben? Was ist, wenn wir dem jungen Mann gleichen, von dem Leonardo da Vinci erzählt. Für seine Christusgestalt auf dem berühmt gewordenen Abendmahlsbild suchte er ein Modell. Endlich fand er einen jungen heranwachsenden Menschen, der seinen Vorstellungen entsprach. Und als er einige Jahre später für dasselbe Bild ein Modell für die Judasgestalt suchte, fand er nach langem Suchen eine verstörte Gestalt, die er von der Straße weg in seine Wohnung mitnahm. Dort stellte sich heraus, dass es sich um den gleichen Menschen handelte, der schon für seine Christusgestalt Modell gestanden hatte. Was war aus seinem Menschenbild geworden, in das sich sein schweres Leben tief eingegraben hatte? Was ist aus unserem Menschenbild geworden, in dem sich Leid und Trauer und Schmerz als Risse und Verletzungen wiederfinden? Gott sei Dank ist auch dann der Jubel dieses Tages nicht erstickt, denn, und das ist das Dritte:

3. Jauchzet Gott, denn zu ihm gehen wir.

Er hat nämlich mit der Vollendung des 7. Tages sein Schöpferwerk nicht abgeschlossen. Wider Erwarten und gegen jede Logik setzte Gott noch einmal an. Er schuf den Menschen zu seinem Bilde, der im Stall von Bethlehem geboren wurde, in Nazareth groß geworden ist und mit zwölf Jüngern durch das Land zog. Aber alle fragten skeptisch: Was kann von Nazareth Gutes kommen? Sie hatten ein völlig anderes Messiasbild. Er deckte ihre Erwartungen nicht ab. Er störte ihre Kreise. Er verunsicherte ihren Glauben. Deshalb stachen sie mit Dornen auf ihn ein, spuckten ihm mit Verachtung ins Gesicht und schlugen ihn mit Zimmermannsnägeln am Holz fest. So haben sie Jesus ganz geschafft, aber Gott schaffte etwas ganz anderes daraus. Aus diesem Jammer- und Elendsbild wurde das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. In diesem Erschöpften will der Schöpfer wieder erkannt werden. Bei diesem Erschöpften will er seine Geschöpfe wiedersehen. Wenn uns also der Schmutz zu schaffen macht, dann gehen wir zu ihm und sagen: Herr, wasche mich rein von aller Sünde. Wenn uns die Verletzungen zu schaffen machen, dann gehen wir zu ihm und bitten: Heile du mich, so bin ich geheilt. Wenn uns die Zerstörungen durch Trauer und Schmerz zu schaffen machen, dann gehen wir zu ihm und rufen: Hilf uns, lieber Herr und Gott. Und dieses Sagen, Bitten, Rufen ist nicht in den Wind gesprochen. Er hört und erhört. Sein Blut wäscht uns rein. Seine Hände heilen unsere Verletzungen. Seine ausgebreiteten Arme verdecken unsere Risse. “Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden.” Jauchzet Gott, denn zu ihm gehen wir, bei ihm sind wir und von ihm kommen wir.

Liebe Gemeinde, bei einem Geburtstag steht das Geburtstagskind im Mittelpunkt und ihm gelten die Gratulationen. Beim Hochzeitstag steht das Jubelpaar im Mittelpunkt und ihm gelten die Glückwünsche. Beim Abschiedstag jedoch steht einzig und allein der Herr in der Mitte und ihm gilt der schmetternde Lobgesang: Jauchzet Gott alle Lande. Singet zur Ehre seines Namens. Praise the Lord. Preist den Herrn.

Amen