
2019 habe ich ein Erasmus-Studienjahr in England gemacht, und zwar in Durham, an der Grenze zu Schottland. Das war ein traumhaftes britisches Städtchen, ganz klischeehaft, fast wie ein Harry-Potter-Drehort. Es gab dort eine riesige Kathedrale und viele alte Steine. Das war eine sehr coole Zeit, auch weil ich dort mit einem Chinesen, einer Französin und einer Engländerin in einer WG gewohnt habe.
Diese Zeit war unglaublich spannend und bot viele interessante Gespräche. Es war für mich das erste Mal, dass ich mit wirklich säkularen Leuten eng zusammengelebt habe. Die meisten meiner Schulfreunde waren nicht besonders gläubig, teilweise sogar offen atheistisch, aber ich habe verstanden, dass es einen Unterschied gibt zwischen nichtgläubig und säkular. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge.
Ich kann mich noch lebhaft an einen WG-Abend erinnern, an dem die Pariser Studentenklicke von Mathilde, meiner französischen Mitbewohnerin, zu Besuch war. Wir haben ein bisschen erzählt, was wir so studieren. Ich sagte, dass ich Theologie studiere und gern Pfarrer werden würde. Die Reaktion hat mich sehr überrascht.
In Tübingen auf WG-Partys oder in Tuttlingen, wo ich herkomme, bekam ich, wenn ich sagte, ich studiere Theologie, meistens sehr positives Feedback. Manchmal haben die Leute auch ihren Frust über Glaube und Kirche abgeladen, aber es ergaben sich immer spannende Gespräche. Die Reaktion dieser Pariser Studentenklicke war völlig anders. Sie schauten mich mit großen Augen und großer Irritation an, fast so, als hätte ich erzählt, ich würde Hufschmied oder Scherenschleifer werden. Das war einfach so weit weg von ihrer Lebensrealität, dass sie nicht einmal wussten, was sie entgegnen sollten. Sie waren irritiert, wir hatten keine gemeinsame Gesprächsgrundlage und wechselten dann schnell das Thema.
Diese Erfahrung hat mich nachdenklich gemacht. In meinem Schuljahrgang ließen sich noch etwa drei Viertel der Leute konfirmieren oder firmen und besuchten den Religionsunterricht. Die meisten kannten noch ein paar Bibelgeschichten und wussten, dass es Christen gibt, die an irgendetwas glauben. Doch inzwischen treffe ich immer mehr Menschen, bei denen das nicht mehr der Fall ist. Wenn ich sage, ich habe Theologie studiert oder ich glaube an Jesus, erhalte ich oft überhaupt keine Reaktion mehr.
Ich würde den Leuten gern etwas von Jesus erzählen, aber es gibt kaum noch jemanden, der mir zuhört. Ich möchte meinen Glauben teilen, aber es ist niemand da, der mich versteht. Es fühlt sich manchmal so an, als käme ich von einem anderen Planeten.
Falls solche Situationen bekannt sind oder ihr schon einmal Ähnliches erlebt habt, könnte die nächste halbe Stunde gut investierte Zeit sein. Ich habe drei Dinge mitgebracht: Erstens meinen Lieblingsvers aus dem 1. Petrusbrief, zweitens mein Lieblingskochrezept und drittens ein mächtiges Werkzeug der Evangelisation. Das liegt direkt hier unten, aber ich hole es erst am Schluss heraus, um die Spannung noch ein bisschen hochzuhalten.
Die Bibel ist wie ein Kochbuch. Wer von euch mit diesen Texten manchmal Schwierigkeiten hat, dem kann das vielleicht eine Hilfe sein.
Die Bibel ist tatsächlich voller Rezepte. Es sind Rezepte, die Kraft schenken, weil sie innerlich satt machen. Sie können unruhige Herzen festigen, innerlich stärken, uns in Frage stellen und wieder aufbauen. Diese Rezepte deuten auf etwas hin. Bei diesem Kochbuch geht es darum, einen Vorgeschmack auf etwas zu bekommen, das noch kommt.
Mit biblischen Rezepten ist es ein bisschen so, als wäre man auf einer Hochzeit. Dort spricht es sich herum, was es abends Gutes zu essen geben wird. Diese biblischen Rezepte wollen Vorfreude wecken auf das Gute, das noch kommt, und auf das Gute, das Gott mit jedem Einzelnen von euch vorhat.
Das Neue Testament und die Reden von Jesus sind nicht umsonst voller Festmalsituationen und Essensmetaphern. Auch in der Offenbarung am Ende häufen sich solche Bilder. Die Texte der Bibel wollen uns zum niemals endenden Festmahl im Himmel einladen.
Ich habe euch deshalb ein biblisches Rezept mitgebracht, in dem das ganz besonders deutlich wird. Gott hat wirklich ein brennendes Herz dafür, dass im Himmel beim Festmahl die Hütte zum Bersten voll wird.
Gleichzeitig ist dieses Rezept, das ich dabei habe, ein Rezept für genau das Problem, das ich angesprochen habe: für Leute in der Situation, denen einfach niemand mehr zuhört. Petrus schreibt seinen Brief an Christen in Kleinasien. Sie sind in einer krassen Minderheitensituation, die er in dem Brief immer wieder anspricht.
Er schreibt, wie man in so einer schwierigen Lage, in der man nicht mehr verstanden wird und die Leute nicht nachvollziehen können, was man glaubt, trotzdem Zeugnis geben kann. Und wie man in so einer Situation missionarisch als Christ leben kann.
Und dieses Rezept aus 1. Petrus 2,9 ist eines der spannendsten und leckersten Rezepte der Bibel. Es ist ein bisschen wie mein Lieblingsgericht, das ich euch hier mitgebracht habe: eine leckere Portion Käsespätzle. Das Gericht ist eigentlich relativ einfach zu kochen, wenn man sich ans Rezept hält.
Ich lese aus 1. Petrus 2,9:
"Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk zum Eigentum, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat, aus der Finsternis in sein wunderbares Licht."
Das ist das Rezept, das ich mitgebracht habe. Ihr dürft auch gerne in eure Bibelübersetzung reinschauen.
Das Erste, was Petrus uns in diesem Rezept an die Hand gibt, ist praktisch wie die Auswahl der richtigen Zutaten beim Kochen. Wie bei jedem Rezept sollte man sich am Anfang klar darüber sein, was man eigentlich braucht und was man lieber weglassen sollte.
Wer von euch schon mal Spätzle gekocht hat, weiß, dass man erst mal mit dem Spätzlesteig anfangen muss. Wir brauchen also 500 Gramm Mehl, fünf Eier, ein bisschen Salz, ein bisschen Wasser und die richtige Teigkonsistenz. Es kommt am Anfang auf die richtige Auswahl an: nicht zu viele Eier, nicht zu viel Wasser, genau die richtige Menge Salz. Und hier kann man beim Spätzlespressen auch am meisten falsch machen.
Wie gut, dass Petrus uns am Anfang klar macht, dass die richtigen Zutaten für unser missionarisches Rezept Gott selbst ausgewählt hat. Er hat praktisch alles fürs Kochen so schön hingestellt, feinsäuberlich abgewogen und bereitgestellt.
So lautet auch der erste Satz: "Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht." Gott hat sich diejenigen auserwählt, die er braucht für sein einladendes Festmahl, nämlich jeden einzelnen von euch.
Gott ist einer, der erwählt. Die ganze Bibel ist voll davon: Gott erwählt Abraham, Gott erwählt Jakob, Gott erwählt Isaak, Gott erwählt Israel, er erwählt David, die Propheten, Jesus erwählt seine Jünger. Gott erwählt.
Für viele Leute klingt das erst mal ein bisschen anstößig. Deswegen ist es zuerst wichtig, zu klären: Was heißt Erwählung eigentlich in der Bibel?
Erwählung bedeutet nicht, Privilegien vor Gott zu haben. In der Bibel bringt Erwählung meistens eher das Gegenteil mit sich, nämlich Anstrengung, Schmach und Demütigung. Wenn man sich die Lebensgeschichten von Abraham, David oder Paulus anschaut, hätten sie es ohne Erwählung wesentlich leichter gehabt.
Erwählung bedeutet auch nicht, einen besonderen Anspruch auf Gott zu haben. Jesus hat seine jüdischen Zeitgenossen immer sehr hart kritisiert, wenn sie sich wegen ihrer Erwählung im Vorteil wähnten gegenüber anderen Leuten. Auch Paulus hat ordentlich gegenüber den Christen ausgeteilt, die sich gegenüber den Juden aufgrund ihrer Erwählung im Vorteil sahen.
Also bedeutet Erwählung nicht, dass man vor allen anderen gerettet ist und andere ausgeschlossen sind. Das wäre ein völliges Missverständnis dessen, was die Bibel meint.
Erwählung bedeutet in der Bibel eine Auswahl von Gott, die dem Ganzen dient. Wer erwählt ist, wird eingebettet in Gottes Mission, und diese hat immer ein einfaches Ziel: den Mitmenschen.
Wer erwählt ist, hat zuallererst die Aufgabe, das Evangelium zu teilen. Ich vermute mal, bei jedem von euch gibt es Menschen im Leben, die euch auf eurem Weg zum Glauben an Jesus begleitet haben und eine Rolle gespielt haben.
Hätte Gott sich nicht Menschen erwählt, die euch das Evangelium weitergegeben haben, dann würde keiner von euch heute hier sitzen. Gott erwählt, weil er Menschen braucht, die seine gute Botschaft weitersagen.
Deswegen auch die Aufforderung, mal ein bisschen in Kontakt mit den Leuten neben euch zu kommen. Erzählt euch gegenseitig für ein oder zwei Minuten, ob euch eine oder mehrere Personen einfallen, die auf eurem Weg zum Glauben wichtig waren und eine Rolle gespielt haben. Was war der Beitrag dieser Person?
An der Lautstärke hier im Saal erkenne ich: Ihr alle habt Menschen in eurem Leben, die Gott erwählt hat, weil sie euch im Glauben geprägt haben.
Gott hat auch dich und mich auserwählt, um Teil seiner Mission zu werden und für andere Leute ein Segen zu sein, um seine gute Botschaft mit der Welt zu teilen.
Wir sind erwählt wie Zutaten zu einem guten Essen, das vorbereitet wurde – aber eben nicht, um bei uns zu bleiben.
Wenn wir mit unserer Erwählung bei uns bleiben, ist das so, als würde man sich in der WG die Küchenablage anschauen, wo die Zutaten stehen gelassen wurden. Was so lange auf der Küchenablage rumsteht, wird irgendwann schlecht. Eier können faulen, im Mehl finden sich Maden, und selbst Salz ist nicht ewig haltbar.
Wir sind nicht erwählt, um herumzustehen und für uns zu bleiben, sondern um etwas weiterzugeben. Deshalb liegt es an uns, diese Erwählung anzunehmen und auch zu leben, damit andere Leute auch den Genuss haben dürfen, den wir schon erleben konnten.
Dann geht es also los: Die Eier werden in eine Schüssel geschlagen und mit dem Mehl vermischt. Das Salz kommt dazu. Jetzt gilt es, geduldig zu rühren – außer ihr habt so eine tolle Küchenmaschine.
Nach und nach wird dann so viel Wasser zugemischt, bis der Teig die perfekte Spätzlesteigkonsistenz hat. Er darf nicht zu trocken sein, aber auch nicht zu feucht. Er muss so leicht klebrig sein, dass er von alleine runtertropft, aber eben nicht zu klebrig.
Das Interessante ist: Mit einer anderen Zusammensetzung und anderen Zutaten wäre das ein ganz anderer Teig geworden. Da hätte man vielleicht Pfannkuchen machen können oder etwas anderes. Aber man wollte ja Spätzlesteig.
So ist es auch in unserem Bibelrezept: Mit anderen Zutaten wäre das etwas anderes geworden. Aber es ging um etwas ganz Besonderes, für das dieses Rezept gedacht ist.
Es geht nämlich darum, dass wir ein königliches Priestertum sind. Wir alle sind auserwählt, ein königliches Priestertum zu sein.
Was meint Petrus mit diesem Ausdruck?
Als Gott das Volk Israel am Sinai bei sich versammelte und seinen Bund mit ihm schloss, sprach er zu ihnen Worte aus dem Buch Exodus, Kapitel 19, Verse 5 bis 6. Ich lese sie kurz vor: „Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten? So sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern, denn die ganze Erde ist mein. Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein.“
Ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk. Die Israeliten wurden von Gott aus diesem einen Grund erwählt: Sie sollten eine Priesterschaft sein, ein Königreich von Priestern.
Die Priester hatten im Volk Israel im Wesentlichen zwei Aufgaben. Zum einen sollten sie Menschen vor Gott bringen, indem sie Gott opferten und ihm Lob darbrachten. Zum anderen sollten sie Gott vor den Menschen repräsentieren und seinen Segen weitergeben. Das heißt, die Priester lobten und opferten für Gott, brachten die Menschen vor Gott und trugen Gottes Segen in die Welt hinaus.
Das ist die Priesteraufgabe, die Petrus in unserem Text beschreibt. Man könnte sagen, Priester sind Brückenbauer zwischen Gott und den Menschen.
Das Interessante daran ist, dass diese Aufgabe eigentlich relativ einfach ist. Es ist weder Hexenwerk noch eine Doktorarbeit. Es geht ganz simpel.
Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt, auf dem Nachhauseweg an jeder Tür in meinem Mietshaus kurz für die Menschen dort zu beten. Das ist eine kleine Übung, die ich mir angewöhnt habe.
Ich kenne Kirchengemeinden, in denen der Kirchengemeinderat einmal im Jahr die ganze Mitgliederkartei durchbetet. In jeder Sitzung bekommt jeder zehn Namen, und dann wird fünf Minuten lang gebetet. Ich kenne auch Jugendkreise, in denen die Leiter für ihre Teilnehmer beten.
Wenn du dich fragst, wie du selbst missionarisch sein kannst und das Gefühl hast, keinen Anfang zu finden, dann ist das eine ganz einfache Sache: Bet für deine Nachbarn, bet für deine Klassenkameraden, für deine Kommilitonen und Arbeitskollegen. Bring sie vor Gott!
Wenn du das tust, wird der zweite Schritt – nämlich Gott vor die Menschen zu bringen – viel einfacher. Wenn du regelmäßig Menschen vor Gott bringst, wirst du automatisch zum Brückenbauer. Es wird dir leichter fallen, auch Gott vor die Menschen zu bringen.
Meine Erfahrung ist: Wenn ich im Gebet verwurzelt bin und nahe bei Gott bin, schenkt er mir Gelegenheiten, Zeugnis zu geben. Sei es, weil ich einen wachen Blick für die Menschen habe, denen ich begegne, oder weil Gottes Geist in ihnen zu wirken begonnen hat.
Gott erwählt also die Menschen, um ein königliches Priestertum zu sein. Dabei ist ein wichtiger Hinweis: Priesterschaft ist per Definition ein Pluralwort. Das geht nicht alleine. Priester sein kann man nicht allein.
Wenn du Priester für Gott sein möchtest, brauchst du deinen Hauskreis, deinen Jugendkreis oder im besten Fall deine Gemeinde.
Oft denkt man: „Meine Gemeinde, mein Jugendkreis müsste erst noch etwas größer werden, wir bräuchten bessere Musiker, coolere Leute, eine hippere Einrichtung, und dann könnten wir mit missionarischer Jugendarbeit anfangen.“
Aber dieser Gedanke ist völlig falsch. Gott hat genau euch und die Gruppe, aus der du kommst, als Priesterschaft erwählt. Kein einziger ist fehl am Platz, auch du nicht.
Genau ihr mit euren Begabungen bildet eine Priesterschaft. So wie 500 Gramm Mehl, fünf Eier, eine Prise Salz und ein halbes Glas Wasser zusammen einen Spätzleteig ergeben, so ergibt ihr in eurer Gruppe, so wie ihr seid, schon eine Priesterschaft.
Das ist alles, was es braucht. Dann kann es weitergehen. Der Teig ist angerührt, das Salz kommt ins kochende Wasser, die Spätzlepresse steht bereit.
Aber bevor wir jetzt anfangen, Spätzle zu pressen, noch eine kleine Vorbemerkung.
Ich habe lange selbst nach Patentrezepten gesucht, wie Mission in meinem Leben funktionieren kann, wie ich im Alltag zu Glaubensgesprächen kommen kann. Es gibt viele coole Ansätze: Apologetik, Gesprächsstrategien. Ich habe sogar Seminare besucht und Bücher gelesen. Das ist alles gut und nützlich, aber ich glaube, das ist nicht der entscheidende Punkt.
Während meiner Studienzeit durfte ich eine missionarische Studentengruppe in Tübingen mitleiten. Wir haben viel davon gemacht: Bücher gelesen, uns in der Mensa zu Leuten dazugesetzt und Glaubensgespräche begonnen. Doch ich habe in dieser Zeit etwas Wichtiges gelernt: Man kann missionarische Gelegenheiten nicht menschlich herbeiführen. Ich kann Gespräche nicht einfach anhalten, um zu überlegen, was ich jetzt Gutes oder Interessantes sagen müsste, damit die Leute darauf eingehen und es verstehen.
Stattdessen habe ich festgestellt, dass Mission zu einem großen Teil mit meinem Charakter zusammenhängt. Was meine ich damit? In den meisten Alltagssituationen entscheidet man nicht bewusst, was man tut, sondern der Charakter bestimmt, wie man sich verhält.
Ein Beispiel: Mit 18 Jahren war ich lange in Tansania und habe dort in einer christlichen Großfamilie gewohnt – etwa dreißig Leute in einem kleinen Haus. Wir haben jeden Abend gemeinsam gebetet, die Bibel gelesen und Gott gelobt. Es war wie eine Jüngerschaftsschulung, umgeben von inspirierenden Christen mit unglaublichem Gottvertrauen. Die offene Kultur dort und die offene Art, Zeugnis zu geben, waren eine ganz alltägliche Sache, die ich ein Jahr lang einübte.
Rückblickend habe ich festgestellt, dass ich in den ersten ein, zwei Jahren nach meiner Rückkehr nach Deutschland in unglaublich viele Zeugnismomente kam. Ich habe mich nicht angestrengt oder diese Situationen eingefädelt. Es lag daran, dass ich so geprägt war, dass ich in solchen Situationen einfach Zeugnis geben musste. Mein Charakter war so geformt, dass es fast von selbst passierte.
Ich glaube, darin liegt eine tiefe Wahrheit: Missionarische Situationen werden immer von Gott geschenkt, aber mein Charakter entscheidet am Ende, ob ich diese Situationen annehmen kann oder nicht. Wenn meine Hauptprägungspunkte im Leben mein Netflix- oder mein Steam-Account sind, dann kann ich mir vorstellen, warum ich kaum in missionarische Glaubensgespräche komme. Wenn ich keine geistliche Heimat habe, in keinem Hauskreis, Jugendkreis oder in keiner Gemeinde bin, dann ist es verständlich, warum ich selten in Glaubensgespräche komme.
Die entscheidende Frage lautet also: Was prägt dich?
Der britische Theologe und Missionar Leslie Newbigin hat einen klugen Satz gesagt: „Frag dich nicht ständig, was soll ich tun, sondern in welcher Gemeinschaft will ich leben?“ Die Gemeinschaft, in der du lebst, prägt dich. Jeder, der im Sommer auf Zeltlager fährt, merkt, wie schnell so eine Prägung passieren kann. Die Gemeinschaft, in der du lebst, bringt dich in Form.
Mission braucht ebenfalls etwas, das sie in Form bringt – praktisch wie ein Spätzlesteig, der eine Presse braucht, um in Form gebracht zu werden. Petrus gibt uns hier die Spätzlespresse mit an die Hand: eine Gemeinschaft, die uns in Form bringt.
Ihr seid ein heiliges Volk, ein Volk zum Eigentum. Heilig sein bedeutet zunächst einmal, ausgesondert zu sein. Wenn Gott eine Spätzlespresse aussortieren würde, wäre sie eine heilige Spätzlespresse. Wenn er uns für seine Mission aussucht, sind wir ein heiliges Volk.
Das heilige Volk ist die Gemeinschaft von Leuten, die Gott aus verschiedenen Ländern und Kulturen über alle Grenzen hinweg auserwählt hat. Indem er uns in seine Mission hineinruft, ruft er uns in eine Gemeinschaft, die uns für diese Mission prägt.
Du wirst es selbst merken: Wenn du in einer missionarischen Gemeinde unterwegs bist, wenn du Leute um dich hast, die missionarisch gesinnt sind und das auf authentische und gute Art leben, fällt es dir viel leichter. Dann wird es natürlich, weil es Teil deines Lebensstils wird.
Deshalb die zweite Frage: Welche Leute inspirieren dich und entfachen Gottes Feuer in dir? Wo findest du so eine Gemeinschaft?
Gott hat uns erwählt. Wie ein schwäbischer Koch hat er sich sorgfältig seine Zutaten abgewogen und vorbereitet. Er hat uns mit all unseren Unterschieden zu einer Priesterschaft zusammengefügt – so wie man aus unterschiedlichen Zutaten einen Spätzlesteig macht – und uns in die Gemeinschaft gestellt, in ein heiliges Volk, sein Eigentum, damit wir geformt werden, wie Spätzle in Form gebracht werden müssen.
Wir sind jetzt schon ziemlich weit. Aber jetzt kommt etwas ganz Entscheidendes: Wenn Spätzle gepresst werden, kommt der wichtigste Teil – wir brauchen kochendes Wasser, damit die Spätzle ihren Aggregatzustand ändern. Da hilft keine heiße Pfanne, kein Ofen, sondern nur kochendes Wasser.
Die Presse wird auf den Topf gesetzt, die Spätzle werden gepresst, fallen ins kochende Wasser, gehen erst einmal unter, ändern ihren Aggregatzustand und tauchen nach etwa einer Dreiviertelminute wieder auf.
Genau so geht es bei unserem missionarischen Rezept weiter. Jetzt kommt der Teil, den man als Spätzle am wenigsten selbst hinbekommt, der Teil, wo sich unser Aggregatzustand ändern muss. Jetzt kommt der Teil, den nur Gott machen kann.
Petrus schreibt: „Von den Wohltaten dessen, der euch berufen hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht.“ Gottes Wohltaten sind das, was Gott an dir und mir getan hat.
Der Freund von Martin Luther, Philipp Melanchthon, sagte einmal: „Gott kennen heißt, seine Wohltaten kennen.“ Wer Gott kennen will, muss erleben und erfahren, was Gott an ihm getan hat.
Wir als von Gott erwählte Priesterschaft, eine ausgesonderte heilige Gemeinschaft für seine Mission, haben alle solche Wohltaten in unserem Leben und dürfen sehen, wie er uns verändert.
Ich will nur zwei kurze Beispiele geben, wo wir Gottes Wohltaten erleben dürfen.
Das erste Beispiel ist die Taufe. In der Taufe werde ich daran erinnert, was Gott an mir getan hat. Gott hat mich in seine Mission gerufen. Ich darf glauben, dass das ein unfassbares Geschenk ist.
Damit fängt alles an. Ich finde es ein richtig cooles Symbol, wenn man – wie bei Johannes dem Täufer in der Bibel – die Leute beim Tauchen richtig untertaucht. Das zeigt symbolisch, was in der Taufe passiert, so wie Paulus es beschreibt: Man wird untergetaucht und stirbt symbolisch mit Jesus Christus, um dann mit ihm zu einem neuen Leben aufzuerstehen.
Das alte Leben wird ertränkt, und etwas Neues kommt zum Vorschein. Gott nimmt das Alte weg und schenkt Neues. Er wäscht uns rein.
Der Vergleich mit den Spätzle ist nicht weit hergeholt: untertauchen und im neuen Aggregatzustand wieder auftauchen. Das ist eine coole Sache, denn ich kann mich ja nicht selbst taufen. Das muss Gott an mir machen.
Da habe ich überhaupt keinen Handlungsdruck, denn Gott ist es, der aktiv ist. Deshalb ist die Taufe für mich eine richtig schöne Erinnerung.
Ich freue mich immer, wenn ich bei Taufen dabei sein kann, weil ich mich daran erinnern kann, dass Gott einen Anfang mit mir gemacht hat und dass seine Mission mit mir schon begonnen hat. Das ist eine echte Wohltat von ihm.
Der zweite Punkt ist: Christus in uns.
Glauben bedeutet, Jesus in seinem Herzen wohnen zu lassen, ihm das Leben zu übergeben und anzuvertrauen. Ihm Raum zu geben, ihn besser kennenzulernen und mit ihm zusammen zu wachsen.
In Kolosser 1,27 heißt es: „Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit.“ Wenn Jesus in unserem Herzen wohnt, entsteht eine vertrauensvolle Beziehung, eine besondere Dynamik.
Ich möchte das an einer Geschichte verdeutlichen, die ich kürzlich von einem Pfarrer gehört habe und sehr cool fand.
Im Jahr 1919 erhielt Max Planck den Nobelpreis für Physik, weil er mitbegründet hatte, was wir heute Quantentheorie nennen.
1919 und 1920 reiste er mit seinem Fahrer durch Deutschland und hielt in jeder größeren Stadt einen Vortrag zu diesem Thema.
Irgendwann sagte der Fahrer zu Herrn Planck: „Ich kann Ihren Vortrag mittlerweile völlig auswendig.“ Tatsächlich wiederholte er den Vortrag eins zu eins.
Da sagte Planck: „Na gut, dann halten Sie jetzt in München meinen Vortrag.“
In München setzte Max Planck die Chauffeursmütze auf und nahm im Publikum Platz. Sein Fahrer hielt den Vortrag als Max Planck von vorne.
Am Ende stellte ein anwesender Wissenschaftler eine schwierige Rückfrage. Der vermeintliche Planck antwortete seelenruhig, er hätte nie gedacht, dass ihm ausgerechnet in München eine so simple Frage gestellt würde, die sogar sein Fahrer beantworten könne.
Er gab die Frage an Max Planck im Publikum weiter, der souverän antwortete.
Die Geschichte gefällt mir aus drei Gründen besonders: Erstens, sie ist wahr. Zweitens, sie hat einen mutigen Humor. Drittens zeigt sie, wie sich zwei Menschen völlig aufeinander verlassen können und sich blind verstehen.
Es gibt eine Parallele zwischen Max Planck und seinem Fahrer einerseits und unserer Beziehung zu Jesus andererseits.
Mission beginnt damit, Jesus zu kennen, ihn in seinem Herzen wohnen zu lassen und sich von ihm verändern zu lassen. Mit ihm durch den Alltag zu gehen.
Wenn man das macht, entstehen unglaubliche Dynamiken und Geschichten.
Ich finde es ein wunderbares Geschenk, eine Wohltat Gottes an uns, dass Jesus in uns wohnt, uns begleitet und wir ihn besser kennenlernen dürfen.
Damit Spätzle wirklich Spätzle werden, müssen sie ihren Aggregatzustand ändern. Genauso brauchen auch wir Veränderung – durch die Taufe und Christus in uns.
Die Spätzle sind jetzt fertig: Die Zutaten wurden ausgewählt, der Teig gemischt, alles kam in die Spätzlepresse, der Aggregatzustand hat sich geändert.
Jetzt kommt alles in die Auflaufform. Man kann es noch schön anrichten, zum Beispiel mit Tomaten und Basilikum.
Dann steht das Essen auf dem Tisch.
Ich finde es immer wunderbar, wenn Essen auf dem Tisch steht, denn damit wird etwas verkündet: Hier gibt es Gemeinschaft, hier gibt es gutes Essen, hier darfst du dich setzen und sein.
So endet auch das Rezept mit zwei Worten: Verkündigen.
Das Verkündigen der Wohltaten, die Gott an uns getan hat, dass wir Jesus kennenlernen durften – das ist der Sinn und das Ziel, der Höhepunkt dieses Rezepts, das Petrus uns hier weitergegeben hat.
Ich glaube, es gibt einen sehr einfachen Grund dafür. Der Mensch ist dafür geschaffen, das zu verkündigen, was Gott getan hat.
Gott zu loben für seine guten Taten – das ist der Sinn und das Ziel eines jeden Menschenlebens.
Ein Beispiel dazu: Letztes Jahr habe ich mir einen Kindheitstraum erfüllt. Ich habe mir eine Jahreskarte für den Wuppertaler Zoo gegönnt. Besonders gut gefallen mir dort die Pinguine. Sie sind meine absoluten Lieblingstiere geworden. Sie wirken sehr unbeholfen, wenn sie durch die Gegend watscheln. Ihre Flügel sind ganz kurz, und es sieht fast trollig aus, wenn sie so unbeholfen herumlaufen.
Doch dann gibt es einen Moment, wenn sie an den Beckenrand kommen und plötzlich ins Wasser springen. Das ist etwas völlig anderes. Im Wasser sind sie wie andere Tiere: Sie gleiten elegant, sind schnell und wendig. Man würde nicht denken, dass es dieselben Tiere sind wie vorher.
Wenn die Pinguine im Wasser sind, dann sind sie ganz in ihrem Element. Ich finde, wenn wir Menschen unser Leben so führen, watscheln wir oft unbeholfen durch den Alltag von einer Situation zur nächsten. Aber ich glaube, wenn wir anfangen, Gott zu loben, dann sind wir voll in unserem Element, denn darauf sind wir geschaffen.
Ein Mensch, der Gott lobt, ist wie ein Pinguin, der ins Wasser springt. Dafür sind wir gemacht. Wir sind fürs Loben geschaffen, so wie Pinguine fürs Wasser. Wenn wir damit anfangen, drehen wir uns nicht mehr um uns selbst, sondern richten unseren Blick auf den, der uns geschaffen hat.
Das ist übrigens der Grund, weshalb der Tempel im alten Israel so wichtig war. Dort waren Hunderte Musiker und Sänger angestellt, die den ganzen Tag Lieder zu Ehren Gottes komponierten und sangen. Es ist auch der Grund, weshalb bei uns im Gottesdienst bis heute gesungen wird – so wie wir es gerade getan haben.
Luther hat einmal in ganz altertümlichen Worten gesagt: Musik ist das beste Labseil für ein betrübtes Herz, weil dadurch das Herz wieder zufrieden, erfrischt und erquickt wird. Zufrieden, erfrischt und erquickt – das ist das Potenzial des Gotteslobs.
Wo Gott von Herzen gelobt wird, da kommt das Gute zur Sprache, das Gott getan hat. Und das ist ganz von selbst anziehend und einladend, wie ein gedeckter Tisch mit einer leckeren Portion Kässpätzle.
Petrus hat diese Worte an Christen geschrieben, die in einer sehr schwierigen Minderheitensituation lebten. Christen, denen kaum jemand zuhörte und die in ihrem Umfeld kein Verständnis für ihren Glauben fanden. Aber Petrus hat nicht resigniert, und auch sie haben nicht resigniert. Stattdessen gab er ihnen dieses Rezept mit, damit ihre Gemeinde wie ein vollgedeckter und einladender Tisch sei.
Dieses Rezept gilt auch für uns: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, Gott hat sich euch ausgesucht, wie ein Koch seine Zutaten vorbereitet. Ihr seid ein königliches Priestertum, das Gott aus verschiedenen Zutaten gemacht hat. Ihr seid ein heiliges Volk, ein Volk zum Eigentum.“
So wie Spätzle durch die Presse in Form gebracht werden, so werden auch wir in eine Form gebracht. Ihr sollt verkündigen, die Wohltaten dessen, der euch berufen hat, aus der Finsternis in sein wunderbares Licht. Gottes Wohltaten verändern unseren Zustand.
Das zu verkündigen und in die Welt hinauszutragen, ist am Ende wie ein reich gedeckter, einladender Tisch. Ich glaube, darin steckt eine große Kraft, auch für uns heute.
Ich habe euch am Anfang ein mächtiges Werkzeug der Evangelisation versprochen, das direkt hier liegt. Ich will das Geheimnis lüften: Es ist meine Spätzlepresse.
Ob meine Kochkünste etwas taugen, müsste meine Verlobte hier in der ersten Reihe beurteilen. Ich würde aber behaupten, dass ich ganz gut Kässpätzle machen kann. Weil ich das halbwegs gut kann, lade ich regelmäßig Leute zu mir nach Hause zum Essen ein.
Ich durfte schon mehr als einmal feststellen: Wenn ich Leute einlade, die mich vorher nie verstanden haben, wenn ich über meinen Glauben gesprochen habe, dann passiert etwas. Gastfreundschaft verändert eine Beziehung. Da entsteht etwas, und plötzlich interessieren sich Leute für mich, und ich interessiere mich für sie.
Ich habe Glaubensgespräche geführt, von denen ich vorher nicht gedacht hätte, dass sie möglich sind. Immer wenn ich am Anfang vor dem Essen einfach gesagt habe: „Hey, es ist okay, wenn ich bete“, und es dann getan habe, war das etwas Besonderes. Oft hatten Menschen noch nie erlebt, dass jemand gebetet hat.
Und das ist jetzt meine Herausforderung an euch, damit es zum Schluss noch etwas lebenspraktischer wird: Ladet im Januar einen nichtchristlichen Freund oder eine nichtchristliche Freundin zu euch nach Hause ein. Ich glaube, jeder von euch wird ein Gericht hinbekommen.
Bekocht diese Person und betet einen Monat lang für sie. Ihr habt jetzt eine Minute Zeit, das zu teilen und eurem Nebensitzer die Person zu nennen. Im Februar könnt ihr euch dann gegenseitig berichten, was aus dieser Sache entstanden ist.
Ich denke, ihr habt alle eine Person gefunden.
Zum Abschluss liest meine Spätzle-Espresse für mich die Erinnerung an meinen Missionsauftrag und daran, wie gut es ist, gastfreundlich zu sein. Sie erinnert mich auch an das biblische Kochrezept, über das wir gesprochen haben: Christsein mit Kässpätzle und Charakter.
Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk zum Eigentum, das ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat, aus der Finsternis in sein wunderbares Licht (1. Petrus 2,9).
Zum Abschluss bete ich noch: Jesus, ich danke dir dafür, dass hier lauter berufene Menschen sitzen. Dass du jeden Einzelnen von uns hier berufen und erwählt hast, deine guten Werke in dieser Welt weiterzutragen und deine Wohltaten zu verkündigen.
Ich bitte dich für die Person, die jetzt jeder einzelne vor Augen hatte, dass du ihr begegnest, sie berührst und dass du sichtbar wirst – in unserer Gastfreundschaft, in unserem Leben und in unserem Alltag.
In deinem Namen, Herr Jesus!