Einführung: Von der persönlichen Umkehr zur Gemeinschaftsverantwortung
Ja, das, was wir in dem Lied gesungen haben, wird uns heute Morgen noch etwas weiter beschäftigen. Die vergangenen Kapitel haben uns sehr viel gelehrt und beigebracht, wie wir die Welt um uns herum richtig wahrnehmen können. Wir haben gelernt zu sehen, wo es Gutes und Böses gibt, was im Sinne Gottes ist und was gegen den Sinn Gottes steht.
Dabei wurden wir immer wieder aufgefordert, innerlich neu zu bedenken, neue Vorstellungen und Ziele zu verinnerlichen. In diesen Kapiteln wird Paulus ganz konkret. Das haben wir bereits in unserer letzten Bibelarbeit erfahren, die ich unter dem Titel „Befreites Leben noch einmal neu anfangen“ gestellt habe. Dort haben wir verschiedene Beispiele gehört, wie sich unser Leben verändern kann und wie es sich verändern sollte.
Heute gehen wir ein ganzes Stück weiter. Wir werden merken, dass Paulus seine Aufmerksamkeit insbesondere auf die Menschen richtet, mit denen wir zusammenleben. Es geht also nicht nur um uns selbst. Es ist nicht nur die Frage, wie ich vor Gott gerecht werde oder wie ich mich verhalten muss, um von Gott anerkannt zu werden.
Vielmehr stellt sich bei Paulus immer stärker die Frage, wie ich mich meinem Nächsten zuliebe verhalten soll. Wie soll ich mit den Menschen umgehen, mit denen ich zu tun habe? Und welche Verpflichtung habe ich ihnen gegenüber?
Ich lese dafür die angegebenen Verse aus Römer 13,8 bis 14,1 und dann 14,16 bis 15,7. Ich beginne mit Römer 13,8 bis 14,1.
Die Verpflichtung zur Liebe als Erfüllung des Gesetzes
Seid niemandem irgendetwas schuldig, außer einander zu lieben. Denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt.
Denn die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren – und wenn es ein anderes Gebot gibt – sind in diesem Wort zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.
Und dies noch: Da wir die Zeit erkennen, dass die Stunde schon da ist, aus dem Schlaf aufzuwachen. Denn jetzt ist unsere Errettung näher, als da wir zum Glauben kamen.
Die Nacht ist weiter fortgerückt, und der Tag ist nahe. Lasst uns nun die Werke der Finsternis ablegen und die Waffen des Lichts anziehen.
Lasst uns anständig wandeln, wie am Tag, nicht in Schwelgereien und Trinkgelagen, nicht in Unzucht und Ausschweifungen, nicht in Streit und Neid.
Sondern zieht den Herrn Jesus Christus an und treibt nicht Vorsorge für das Fleisch, damit Begierden wach werden.
Den Schwachen im Glauben aber nehmt auf, doch nicht zur Entscheidung zweifelhafter Fragen.
Die Priorität des Friedens und der gegenseitigen Erbauung
Römer 14,16
Lasst nun euer Gut nicht verlästert werden, denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist.
Denn wer in diesem dem Christus dient, ist Gott wohlgefällig und den Menschen bewährt. So lasst uns nun dem nachstreben, was des Friedens ist, und dem, was zur gegenseitigen Erbauung dient.
Zerstöre nicht einer Speise wegen das Werk Gottes. Alles zwar ist rein, aber es ist böse für den Menschen, der mit Anstoß isst. Es ist gut, kein Fleisch zu essen, noch Wein zu trinken, noch etwas zu tun, woran dein Bruder sich stößt.
Hast du Glauben, so habe ihn für dich selbst vor Gott. Glückselig ist, wer sich selbst nicht richtet in dem, was er gutheißt. Wer aber zweifelt, wenn er isst, der ist verurteilt, weil er nicht aus Glauben isst.
Alles aber, was nicht aus Glauben ist, ist Sünde.
Wir aber, die Starken, sind schuldig, die Schwachheit der Schwachen zu tragen und nicht uns selbst zu gefallen. Jeder von uns möge dem Nächsten zum Guten gefallen, zur Erbauung.
Denn auch der Christus hat nicht sich selbst gefallen, sondern wie geschrieben steht: „Die Schmähung derer, die dich schmähen, ist auf mich gefallen.“
Denn alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermutigung der Schrift die Hoffnung haben.
Der Gott des Ausharrens und der Ermutigung aber gebe euch, gleichgesinnt zu sein untereinander, Jesus Christus gemäß, damit ihr einmütig mit einem Mund den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus verherrlicht.
Deshalb nehmt einander auf, wie auch der Christus euch aufgenommen hat, zur Ehre Gottes, zur Herrlichkeit Gottes.
Die praktische Umsetzung der Nächstenliebe im Alltag
Ja, schon beim ersten Durchlesen wird deutlich, dass es hier ganz konkret darum geht, wie wir mit Menschen in unserer Umgebung umgehen. Ganz besonders geht es darum, wie wir als Christen, als Geschwister, als Gläubige miteinander umgehen.
Wir wollen Vers für Vers etwas durchgehen und uns zu den einzelnen Versen Gedanken machen. Dabei sollen wir uns hinterfragen lassen, um uns zeigen zu lassen, wie wir uns verhalten sollen. Gleichzeitig wollen wir überprüfen, wo wir Fehler gemacht haben und wo uns dieses innere Umdenken dazu führen sollte, auch anders zu handeln.
Ich beginne jetzt mit Kapitel 13, Vers 8, lese aber vorher noch kurz aus Kapitel 8 vor. Dort haben wir die Auseinandersetzung mit dem Staat. Der Christ ist dem Staat gehorsam schuldig, weil Gott den Staat eingesetzt hat, um über die Ordnungen hier auf der Erde zu wachen. Paulus weist darauf hin, dass derjenige, der ein gottgefälliges Leben führt, eigentlich den Staat nicht fürchten muss. Nur derjenige, der die Gebote übertritt, ist der Macht des Staates unterworfen.
Das nur kurz zwischendurch. Wir wollen uns damit nicht ausführlicher beschäftigen, als dass wir sehen, dass sich Paulus auch dort mit dem praktischen Leben beschäftigt. Allerdings geht es dort um die Verpflichtung gegenüber einer Organisation, der Gemeinschaft des Staates. Hier hingegen hat Paulus den einzelnen Menschen im Blick, insbesondere die Gläubigen, mit denen wir es zu tun haben.
„Seid niemandem irgendetwas schuldig, als nur einander zu lieben, denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt.“ Hier sind zwei wesentliche Aussagen, die Paulus machen möchte.
Einmal redet er von einer Schuldigkeit. Wir sprechen ja auch davon, dass wir in der Schuld eines anderen Menschen stehen, wenn dieser zum Beispiel etwas Gutes für uns getan hat und wir denken, wir müssten es zurückgeben. Oder wenn wir einen anderen verletzt haben und ihm schuldig geworden sind, etwa durch Betrug oder Lügen. Dann schulden wir dieser Person etwas.
Demjenigen, den wir belogen haben, schulden wir was? Die Wahrheit, ganz genau. Demjenigen, den wir bei einer finanziellen Transaktion übervorteilt haben, schulden wir das Geld, das wir ihm genommen haben.
Davon redet Paulus hier: Wir sollen niemandem etwas schuldig sein. Wir sollen tadellos leben. Es soll nicht so sein, dass wir dem anderen irgendetwas schuldig sind, sei es die Wahrheit, weil wir gelogen haben, sei es Geld, weil wir den anderen übervorteilt haben, oder sei es die Anerkennung, die wir jemandem schuldig waren, aber nicht gegeben haben. So wie wir das ja beim Staat am Anfang von Kapitel 13 gehört haben.
Doch eines sollen wir bleiben: Wir sollen ständig in der Schuld bleiben, und zwar in der Schuld der Liebe. Paulus fordert hier nicht auf, den anderen nicht zu lieben. Es könnte ja so verstanden werden, wenn da steht: „Seid niemandem etwas schuldig, als nur einander zu lieben.“ Das heißt also, in allem sollen wir dafür sorgen, dem anderen nicht schuldig zu bleiben. Nur bei der Liebe kann es sein, dass wir ihm schuldig bleiben.
Das meint Paulus hier natürlich nicht. Paulus will sagen: Diese Verantwortung, diese Pflicht, den anderen zu lieben, die können wir gar nicht vollkommen erfüllen. Er stellt damit fest, dass dieser Auftrag so groß ist, dass wir ihn aus eigener Kraft nicht erfüllen können. Wir werden immer in der Schuld des anderen Menschen bleiben. Wir können uns nur bemühen, diesem Ziel näherzukommen.
Das wird durch den zweiten Teil des Verses erläutert: „Denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt.“ Paulus führt das in Vers 9 noch näher aus, indem er schreibt: „Denn das, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren, und wenn es ein anderes Gebot gibt, das ist in diesem Wort zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Hier greift Paulus nochmals zurück. Wir erinnern uns daran, dass er darüber gesprochen hat, wie man gerecht werden kann vor Gott. Dabei hat er gesagt, durch die Gerechtigkeit der Gesetze kann man das nicht, weil man die Gesetze gar nicht alle einhalten kann.
Nun kommt Paulus darauf zurück und sagt: Zwar ist das Gebot der Nächstenliebe die Zusammenfassung der ganzen Gesetze, aber in diesem Gebot der vollkommenen Nächstenliebe können wir nicht genügen – aus eigener Kraft nicht und solange wir hier auf der gefallenen Erde sind, auch nicht.
Er will uns aber auffordern, danach zu streben. Dabei sollen wir nicht so sehr die einzelnen Gebote im Blick haben, auch wenn wir gesehen haben, dass die Gebote uns helfen. Die Gebote zeigen uns, wo Sünde in unserem Leben ist, und was der Wille Gottes für unser Leben ist. Auch wenn wir dadurch nicht gerettet werden, zeigen sie uns etwas vom Gedankengang Gottes, etwas vom Grundgesetz Gottes für die Welt, die er einmal schaffen will.
Paulus sagt hier in Vers 8 und 9, dass alle einzelnen Gebote eigentlich nur da sind, damit wir es besser verstehen. Im Grunde genommen würde dieses eine Gebot genügen: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Oder wie Jesus es auch einmal sagt: „Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Also gehört die Liebe zu Gott natürlich an erster Stelle auch dazu.
Paulus lässt das hier weg und zitiert aus 3. Mose 19,18: „Du sollst dich nicht rächen und den Kindern deines Volkes nicht nachtragen, sondern du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr.“ Hier steht die Aufforderung dahinter, und die Autorität, die dahinter steht.
Wir sehen also: Wir sollen dem Menschen um uns herum nicht schuldig bleiben – nur in der Liebe bleiben wir ihnen immer etwas schuldig. Da können wir nie genug tun. Wir sind immer noch auf dem Weg, dem anderen Liebe entgegenzubringen.
Die Liebe als Erfüllung des Gesetzes und der Aufruf zum Wachsein
Lesen wir etwas weiter, beschreibt Paulus in den folgenden Versen genauer, was es bedeutet, den Nächsten zu lieben. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.
Das heißt, um noch einmal zurückzugehen: Selbst wenn jemand alle zehn Gebote in seinem Leben gehalten hätte, sagt Paulus hier, dass das nicht ausreicht. Eigentlich sind diese Gebote nur Ausführungen des einen Gebots: Du sollst deinen Nächsten lieben.
Selbst wenn du deinen Nächsten nicht belogen hast, ihn nicht bestohlen hast, nicht die Ehe gebrochen hast und all diese Gebote eingehalten hast, aber das Gebot, den Nächsten zu lieben, nicht erfüllt hast, dann war das alles sinnlos und leer. Es kommt nicht auf formale, äußerliche Gerechtigkeit an, sondern im Grunde genommen muss das Ganze umgekehrt gedacht werden.
Da ist die Liebe zum Nächsten. Wenn ich den Nächsten liebe, werde ich ihn ja nicht bestehlen. Wenn ich jemanden wirklich liebe, werde ich ihn normalerweise auch nicht belügen oder gar töten. Denn wer kann schon sagen: Ich liebe jemanden und töte ihn hinterher? Das ist unsinnig, das ist Blödsinn.
Genau das will Paulus hier sagen. Die einzelnen Gebote, die wir im Alten Testament haben, sind nur eine kleine Hilfe, die eigentlich für jedermann selbstverständlich sein müsste. Wenn ich den anderen liebe, tue ich ihm das nicht. Ich achte den anderen und versuche, sein Bestes zu erreichen und mich dafür einzusetzen.
Dann lesen wir in Vers 11: "Und dies tut als solche, die die Zeit erkennen, und die Stunde ist schon da, dass ihr aus dem Schlaf aufwacht. Denn jetzt ist die Rettung näher, als da wir zum Glauben kamen."
In Vers 12 heißt es: "Die Nacht ist weit fortgerückt, und der Tag ist nahe. Lasst uns nun die Werke der Finsternis ablegen und die Waffen des Lichts anziehen."
Weiter in Vers 13 lesen wir: "Lasst uns anständig wandeln wie am Tag, nicht in Schwelgerei und Trinkgelagen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Streit und Eifersucht. Sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und treibt nicht Vorsorge für das Fleisch, dass die Begierde wach werde."
Das Bild von Tag und Nacht als Aufruf zur Wachsamkeit und Heiligkeit
Hier gebraucht Paulus ein Bild. Wenn wir dieses Bild lesen und anschließend seine Anwendung dazu betrachten, sind wir zunächst erschreckt. Denn wir denken: Paulus schreibt hier an Christen und sogar an eine Gemeinde in Rom, die er als vorbildlich betrachtet, wie wir am Anfang des Römerbriefs gelesen haben.
Dann warnt er sie davor, sich durch Trinkgelage, Ausschweifung und Unzucht zu verhalten, was sie nicht tun sollen. Da müssen wir uns fragen: Wie haben die damals gelebt? Oder wir müssen uns heute fragen: Wie leben wir heute? Sind wir vielleicht auch davon betroffen? Was versteht Paulus eigentlich damit?
Wenn wir aber in Vers 11 und 12 anfangen zu lesen, dann redet Paulus davon, dass es eine Stunde gibt – oder diese Stunde ist schon da –, zu der wir aufwachen sollen. Hier gebraucht Paulus das Bild von Tag und Nacht. In der Nacht schläft man, und irgendwann am Morgen ist die Stunde gekommen, in der wir aufstehen müssen. Dann klingelt der Wecker, und wir wissen: Jetzt ist die richtige Zeit.
Das Wort, das dort benutzt wird, haben die Griechen besonders gut ausgedrückt. Es ist das Wort Kairos, und Kairos bedeutet der richtige Zeitpunkt, der jetzt da ist. Im Gegensatz zu einer Zeitspanne oder einer längeren, sich ausdehnenden Zeit ist die Stunde da, in der ihr vom Schlaf aufwachen sollt.
Unsere Rettung ist näher als zu dem Zeitpunkt, als wir zum Glauben kamen. Das ist eine Wahrheit, der wir zustimmen können. Wenn wir vor zehn Jahren zum Glauben gekommen sind, dann ist die Stunde unserer Rettung beziehungsweise der Wiederkunft Jesu näher als damals. Das ist eine ganz einfache Wahrheit, nichts Besonderes, was Paulus hier schreibt. Er sagt: Der Tag, an dem Jesus Christus wiederkommt, rückt immer näher. Macht euch bereit, Jesus wird bald wiederkommen.
Dazu sollen wir innerlich wach sein. Deshalb fordert er sie auch auf: Schlaft nicht! Das heißt, so viel wie vorher haben die Christen geschlafen. Dann müssen wir uns fragen: Schlafen wir vielleicht auch? Sind wir uns bewusst, dass die Stunde nahe herbeigekommen ist? Sind wir bereit dafür, dass Jesus kommt, um uns zu holen? Sei es in dem Augenblick, in dem wir sterben und vor Gott stehen werden, oder sei es, wenn Jesus Christus auf diese Erde kommt, um hier sein Reich aufzurichten und wir mit ihm vereint werden.
Diese Stunde ist nahe, und wir sollen uns darauf vorbereiten. Dieses Bild weitet Paulus jetzt noch aus. Er sagt: Die Nacht ist weit fortgerückt. Hier meint er mit Nacht das, was wir später noch genauer betrachten werden, nämlich in Vers 13, wo er Schwelgerei, Trinkgelage, Unzucht und Ausschweifung beschreibt.
Er wählt ganz bewusst diese Ausdrücke, denn das sind meistens Dinge, die in der Nacht stattfinden. Trinkgelage zum Beispiel finden meist nicht gerade am Mittag statt. Die wenigsten betrinken sich schon am Tag. Meist trifft man sich am Abend in der Wirtschaft und betrinkt sich bis in die Morgenstunden hinein. Ebenso ist es mit der Unzucht. Die meiste Unzucht passiert eher nachts, im Dunkeln, ebenso die Ausschweifung.
Paulus nimmt das Bild dazu und sagt: So ist das im Dunkeln. So verhalten sich die Menschen in der Nacht. Aber seht, die Nacht ist bald vorbei. Nacht steht auch dafür, was das Licht meiden muss. Wenn das Licht Gottes da ist, wird Schuld und Sünde bei den Menschen offenbar. Noch ist das alles im Dämmerlicht, noch ist nicht alles offenbar, und deshalb leben viele Menschen noch darin.
Wir sollen ein Licht in der Welt sein, wie Jesus es sagt. Auch das passt in dieses Bild hinein. Es ist noch nicht ganz Tag, aber wir sollten unser Licht schon anzünden. Wir sollten unser Licht leuchten lassen unter den Menschen, unter all dem, was sie in der Dunkelheit treiben und tun. Wir sollen uns nicht an diese Dunkelheit anpassen.
Da ist es finster, aber wir wissen: Unser Wecker hat schon geklingelt. Bald kommt Jesus wieder, und bald wird offenbar werden, was in dieser Dunkelheit alles geschehen ist. Lasst uns nun die Werke der Finsternis ablegen. Paulus zählt später Beispiele dafür auf. Dazu gehört alles, was das Licht scheuen muss, was nicht in der Gegenwart Gottes im ewigen Licht bestehen kann.
Lasst uns stattdessen die Waffen des Lichts anziehen. Das ist die Aufforderung, die ich gerade genannt habe. Jesus fordert uns auf, ein Licht in dieser Welt zu sein. Am Anfang des Johannesevangeliums lesen wir, dass Jesus als das Licht in diese Welt gekommen ist und als das Wort in diese Welt kam. Doch die Welt wollte nichts davon wissen. Wir sollen so handeln, wie Jesus es getan hat.
Wir staunen darüber und müssen uns herausfordern lassen, dass Paulus davon ausgeht, dass wir Christen auch in einem Dämmerzustand oder einem Halbwachzustand am frühen Morgen sein können. Manchen geht es sicherlich so. Das ist nur übertragen gemeint. Aber der Tag bricht bald an, und wir sollen bereit sein, Menschen darauf aufmerksam zu machen, sie zur Umkehr zu rufen und selbst unser Leben umzugestalten.
Der Tag, der hier gemeint ist, wird in der Bibel oft erwähnt. Es ist der Tag des Herrn oder später auch der Tag des Gerichts. Der Tag des Herrn, wenn Jesus Christus wiederkommt und alle Menschen erkennen müssen, dass er Herr ist. Sie müssen anerkennen, dass sie vor ihm verantwortlich sind.
Aufforderung zu einem heiligen Lebenswandel
Vers 13: Ich habe bereits darauf hingewiesen: „Lasst uns anständig wandeln wie am Tag, nicht in Schwelgerei und Schwinkellage.“ Hier sagt Paulus sogar ausdrücklich: Lasst uns anständig wandeln – so wie die Menschen es sonst vielleicht nur oberflächlich tun, nur am Tag, wenn es niemand bemerkt. Nachts hingegen leben sie ausschweifend.
Es steht hier, dass wir immer so leben sollen, und zwar nicht nur äußerlich angestrichen, sondern tief in uns. Unsere Werte sollen anders sein. Wir sollen immer so leben, egal ob jemand zuschaut oder nicht, egal ob uns jemand sieht oder nicht. Wir sollen so leben, als wäre es Tag. Dabei meint „Tag“ nicht nur das Licht, das wir hier sehen, sondern das Licht Gottes.
Das heißt, wir sollen uns ständig bewusst sein: Gott ist bei uns und sieht alles. So wie man es kleinen Kindern vielleicht immer sagt: Auch wenn du jetzt irgendwo im Geheimen etwas Schlechtes tust und deine Mama es nicht sieht, Gott sieht es. Aber nicht wie ein Polizist, der Strafe ausspricht, sondern wir leben in der Gegenwart Gottes. Das hat auch etwas Positives: Wir wissen, Gott ist immer da.
Wir sind nicht irgendwo verloren oder fern von Gott. Im Psalm lesen wir vom Schatten des Todestals. Schatten bedeutet, dass wir Angst bekommen können, dass wir aus der Nähe Gottes herausfallen. Wir sollen aber immer so leben, dass wir im Licht Gottes sind und wie am Tag wandeln.
Schwelgerei, Trinkgelage, Unzucht, Ausschweifung, Streit und Eifersucht sind hier genannt. In manchen Bibelübersetzungen wird anstelle von Eifersucht das Wort Neid verwendet. Das sind Beispiele, die Paulus anführt, und wir müssen uns fragen, inwieweit wir uns davon leiten lassen.
Wenn hier Schwelgerei und Trinkgelage genannt werden, möchte ich auf ein moderneres Wort hinweisen: die Vergnügungsgesellschaft oder Vergnügungssucht, die in unserem Land weit verbreitet ist. Es geht um das möglichst viele Genießen. Man könnte auch von Genusssucht sprechen: Ich muss alles miterleben und mitmachen, ich muss hier und dort dabei sein, um möglichst alles auszuprobieren.
Paulus spricht hier von Schwelgerei, und das meint genau das. Er nennt als Beispiel das Aufgehen im Essen, Trinken und Genuss der Sexualität – aber nur in dem Sinne, wie es außerhalb der Ordnung Gottes steht. Denn all diese Dinge sind in dem Rahmen, den Gott gesetzt hat, gut.
Das Essen ist gut, wir können uns daran freuen und sollen es auch. Aber das Essen soll nicht der Inhalt unseres Lebens werden. Wir sollen nicht nur danach ausgerichtet sein oder ständig neue Genüsse suchen. Genauso gilt das für das Trinken und für die Sexualität. Sexualität ist an sich etwas Gutes, von Gott geschenkt, aber nur dort, wo sie in dem Rahmen stattfindet, den Gott gesetzt hat.
Die weiteren Punkte, die Paulus nennt – Ausschweifung, Streit und Eifersucht – sind von vornherein negativ. Wir müssen uns fragen, inwieweit wir dazu beitragen, Streit zu fördern, wo wir leben, oder ob wir Friedensstifter sind. Sind wir diejenigen, die gemäß dem Gebot der Nächstenliebe leben?
Wo ist die Eifersucht beziehungsweise der Neid tief in unserem Herzen, vielleicht sogar gegenüber Christen in der Gemeinde, mit denen wir zusammenleben? Paulus sagt: Das geht in der Nähe Gottes nicht. Das ist eine Tat, die nur im Finsteren gedeihen kann. Wenn wir in der Gegenwart Gottes leben, stört das und hindert die Verbindung zu Gott.
Wir sollten daran arbeiten, das aufzugeben. Neid haben wir ja schon zu Beginn des Römerbriefs behandelt. Wenn ihr euch erinnert, war das Bild: Es gibt die Gesetze der Welt, das Handeln der Welt, und das Handeln Gottes. Neid war einer der Punkte, die Paulus für das Handeln und die Werte in dieser Welt aufzählt.
Stattdessen sollen wir uns an den Herrn Jesus Christus ziehen und keine Vorsorge für das Fleisch treffen, also nicht den Begierden nachgeben.
Die Bedeutung des „Anziehens“ Christi und die richtige Lebensausrichtung
Hier sind wiederum zwei Punkte: einmal davor, wo wir aufgefordert werden, und davor, wo wir gewarnt werden, keine Vorsorge für das Fleisch zu betreiben.
Nun, damit meint Paulus sicherlich nicht, dass wir keine Rentenbezüge bezahlen sollen oder dass wir aus der Krankenversicherung austreten sollen, weil wir dann Vorsorge für unsere Zukunft betreiben. Nein, Paulus geht es hier vielmehr um die Gewichtung, um das, was unseren Sinn und unser Ziel im Leben ausmacht.
Ist alles in unserem Leben darauf ausgerichtet, es uns möglichst angenehm für unser Fleisch zu machen? Zum Beispiel: Mir ist es jetzt mühsam. Ich will am Abend lieber die Beine hochlegen und mich etwas ausruhen oder einen Fernsehfilm schauen, obwohl ich weiß, dass ich eigentlich die Verpflichtung hätte, einmal zu meinem Nachbarn zu gehen, der krank im Bett liegt, oder ihm etwas vom Evangelium zu sagen.
Da, wo ich weiß, dass ich einen Auftrag von Gott habe und dann nicht dafür sorge, sondern nur daran denke: „Nun, es könnte mir ja schaden“, eben nur Vorsorge dafür zu treffen, dass es mir so körperlich, irdisch hier gut geht, dann ist das falsch. Das meint Paulus hier damit.
Deshalb schreibt er ja auch als Gegenüberstellung, dass wir den Herrn Jesus Christus anziehen sollen. Und dieses Anziehen meint tatsächlich so etwas wie die Kleider, die wir anziehen. Das heißt, Jesus Christus überdeckt uns vollkommen.
Das ist nicht nur ein kleiner Teil in unserem Herzen, wo wir sagen können: Da lebt nun Jesus, und der Rest, da bestimme ich doch noch weiter drüber. Sondern das bedeutet, äußerlich soll ich dann auch so wie Jesus Christus aussehen.
Denn wenn ich ihn jetzt angezogen habe, er über mir drüber ist, was sehen die Menschen dann? Was sehen die Menschen? Ganz genau: Da will Paulus hier eigentlich mit sagen, dann sehen die Menschen in dem, was ich tue, in dem, was ich lebe, nicht mich, sondern Jesus Christus.
Und so sollen wir leben: eben nicht auf unser Fleisch, das sowieso vergänglich ist, achten, sondern wir sollen darauf achten, dass wir Jesus repräsentieren. Wie Paulus an anderer Stelle sagt: Wir sind Botschafter an Christi statt (2. Korinther 5,20).
Da meint er etwas ganz Ähnliches damit, nur hier ist das vielleicht sogar noch etwas intensiver ausgedrückt. Wir sollen hineinschlüpfen in Jesus Christus. Er soll uns ganz umhüllen. Die Menschen sehen Jesus Christus an uns. Wir haben die engste Verbindung, die überhaupt möglich ist.
Darüber hinaus hat das ja noch einen Vorteil: Was ist denn für diejenigen, die uns angreifen, für die Versuchung des Teufels, die von außen auf uns zukommt? Ganz genau, das ist wie ein Schutzpanzer um uns herum.
Denn letztendlich wird dann Jesus Christus angegriffen und nicht wir. Denn wir haben ihn ja angezogen, und alle Angriffe, die von außen kommen, treffen eben auf dieses Wesen, womit Jesus Christus uns prägt.
Und das ist sicherlich etwas, wo wir sagen können: Wir werden dazu aufgefordert, aber es ist zu unserem eigenen Wohl, zu unserem eigenen Vorteil.
Paulus weist noch weiter darauf hin. Ja, wir kommen auch noch darauf zurück: auf die geistliche Waffenrüstung, die ja auch etwas ganz Ähnliches sagt. Dort wird dasselbe Bild gebraucht, nur werden einzelne Teile benannt. Da ist dann die äußere Kleidung, da ist die Waffenrüstung Gottes, die uns schützt von außen her.
Hier ist das eben etwas zusammengefasst dargestellt.
Umgang mit Schwachen im Glauben und der Verzicht auf übermäßige Vorschriften
In Kapitel 14 überspringen wir jetzt einige Verse. Aus Kapitel 14, Vers 1 wollte ich noch etwas lesen: „Den Schwachen im Glauben nehmt auf, aber nicht zur Entscheidung zweifelhafter Fragen.“
Das wird im gesamten kommenden Kapitel behandelt. Am Anfang von Vers 14 stellt Paulus die Frage, inwiefern wir anderen Einzelheiten unseres christlichen Lebens vorschreiben sollen. Kurz zusammengefasst sagt Paulus in Vers 4: „Wer bist du, der du den Hausknecht eines anderen richtest? Er steht oder fällt vor seinem eigenen Herrn.“
Hier fasst Paulus zusammen und möchte sagen: Was Äußerlichkeiten betrifft, also das, was nicht den Kern des Glaubens, das Leben mit Jesus Christus, berührt, das sollen wir hinten anstellen. Wir sollen andere nicht ständig überprüfen und ihnen in jeder Einzelheit vorschreiben, wie sie sich in der Gemeinde oder im Alltag verhalten sollen. Jeder Mensch ist in diesen Fragen zuerst Jesus Christus verantwortlich.
Paulus führt Beispiele auf, von denen wir ab Vers 16 noch einiges sehen. Vers 16, Kapitel 14: „Lasst nun euer Gut nicht verlästert werden.“ Was unser Gut ist, haben wir ja schon kennengelernt. Es ist das, was gut, vorbildlich, brauchbar und tüchtig in den Augen Gottes ist. Und dieses Gut leben wir, und es soll nicht verlästert werden.
Warum könnte es denn von Menschen verlästert werden? Warum könnte das, was an sich gut ist, was der Wille Gottes ist und zum Besten der Menschen dient, verlästert werden? Weil sie Gott ablehnen, ja. Aber dagegen können wir nichts tun.
Hier fordert Paulus auf: Lasst euer Gut nicht verlästert werden. Das heißt, er rechnet damit, dass es möglich ist, dass Menschen das Gute, das wir ihnen bringen, verlästern. Aber wer ist daran schuld? Paulus meint hier, dass wir selbst dazu beitragen können, dass Menschen das Gute verlästern, das wir eigentlich bringen wollen.
Das kann daran liegen, dass wir nicht im Licht wandeln, sondern noch in der Finsternis, in der Nacht leben und solche Werke tun. Menschen lehnen dann die Botschaft Jesu ab, nicht unbedingt, weil sie etwas gegen Gott haben, sondern weil sie sehen, wie wir leben. Das ist erschreckend und traurig.
Darüber hinaus kann es auch sein, dass Paulus uns hier unmittelbar davor warnt, zusätzliche Gesetze aufzustellen. Dass wir sagen: „Als Christ musst du aber so und so leben, du darfst nur diese Musik hören, du musst dich so und so kleiden, du darfst nur das und das essen.“ Dadurch lehnen Menschen die Botschaft ab, nicht das Gute, das Gott ihnen gibt, sondern die Art und Weise, wie wir es vermitteln. Sie sagen: „So zu leben will ich nicht, das kann ich mir nicht vorstellen, was soll das für einen Sinn haben?“
Menschen lehnen es deshalb ab – um unseres Willen. Wir werden hier aufgefordert, nicht so zu handeln, sondern das Gut, den Kern des Evangeliums, in den Mittelpunkt zu stellen.
Vers 17: „Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.“
Vers 18: „Wer in diesem den Menschen dient, ist Gott wohlgefällig und den Menschen bewährt.“
Vers 20: „Zerstöre nicht einer Speise wegen des Werkes Gottes! Alles zwar ist rein, aber es ist böse für den Menschen, der mit Anstoß isst.“
Hier geht es um die Frage des Essens und Trinkens, das wir neutral gebrauchen sollen. Nicht das überschwängliche Essen oder die Schwelgerei, sondern das normale Essen und Trinken. Bei den Juden gab es eigene Gesetze, die vorschrieben, nur koscher zu essen. Auch manche Christen meinten, sie dürften nur koscher essen, kein Schweinefleisch, am besten nur Gemüse. Das mag gesund sein, aber wir sollen aufpassen, keine eigenen Gebote und Gesetze aufzustellen.
Paulus sagt, Essen und Trinken sind nicht das Wesentliche im Reich Gottes. Wesentlich sind Gerechtigkeit vor Gott, Friede und Freude im Heiligen Geist. Das soll uns prägen und bestimmen, nicht die äußeren Gebote und Gesetze.
Deshalb sagt Paulus in Vers 20 auch: „Zerstöre nicht der Speise wegen das Werk Gottes.“ Wenn wir zusätzliche Gebote aufstellen, können wir das Werk Gottes zerstören. Ein Mensch kann dadurch Schaden nehmen, indem er Anstoß nimmt und in seinem Glauben verletzt wird.
Vers 17 und 20 fassen zusammen: Essen und Trinken sind nicht das Wesentliche. Äußere Gebote, zum Beispiel wie lang ein Rock sein muss oder welche Kleidung im Gottesdienst getragen wird, sind zwar Fragen, über die man sprechen sollte. Aber sie dürfen uns nicht dazu bringen, anderen Menschen Anstoß zu geben oder das Werk Gottes, das Gott in anderen Menschen begonnen hat, zu zerstören.
Paulus spricht hier auch von Schwächeren und Stärkeren, wie er es im 1. Korinther 8 ausführlicher tut, wo es um die Frage des Götzenopferfleisches geht. Interessanterweise interpretiert Paulus das anders, als wir es vielleicht tun würden.
Wir würden vielleicht sagen, die Schwachen im Glauben seien diejenigen, die das Götzenopferfleisch essen, weil sie nicht die Kraft haben, standzuhalten. Die Starken im Glauben sind diejenigen, die streng bleiben, die Feiertage einhalten, die Gebote beachten, kein bestimmtes Fleisch essen oder eben, um es aktueller zu machen, lange Röcke tragen oder bestimmte Musik hören.
Aber Paulus macht es umgekehrt: Er sagt, die Schwachen sind diejenigen, die sich an all diesen äußeren Geboten festhalten. Sie brauchen den äußeren Halt und halten sich an Äußerlichkeiten, damit ihr innerliches Leben mit Gott einen Rahmen hat.
So war es auch bei den Juden. Die ganzen Gebote nannten sie den „Zaun ums Gesetz“. Das Gesetz war da und sollte gehalten werden. Um es leichter zu machen, haben sie diesen Zaun ums Gesetz gebaut, damit man genau weiß, was man als Minimum tun muss. So war es einfacher, das Gesetz zu halten.
Wir sollen daran denken, die Schwachen, die diese Gebote und Gesetze aufgestellt haben und für die sie sehr wichtig sind, zu achten und ihnen kein Anstoß zu sein.
Wir wurden zuvor ermahnt, den anderen nicht zu richten, denn Gott wird richten. Paulus spricht hier die an, die ein Gesetz aufstellen – zum Beispiel, jeder muss am Sonntagmorgen im Gottesdienst einen Hut tragen. Das wäre ein mögliches Gebot.
Paulus sagt zuerst zu denen: Richtet die anderen nicht, wenn sie ein solches Gesetz nicht einhalten. Jeder ist selbst vor Gott verantwortlich. Gott wird die Person richten.
Dann wendet er sich an die anderen, die sagen: „An äußeren Geboten halte ich mich nicht auf. Alles hier auf der Erde ist von Gott gegeben und wir können es nutzen, solange wir es richtig einschätzen und es nicht an erster Stelle steht. Wir gebrauchen es unter der Liebe und den Geboten Gottes.“
Paulus spricht hier zu beiden Gruppen und sagt: Seid den anderen kein Anstoß! Wenn die Schwachen sich ärgern oder in ihrem Glauben Probleme bekommen, weil ihr etwas nicht tut, dann denkt an die Liebe zum anderen.
Aus Liebe sollt ihr ihnen entgegenkommen, auch wenn es euch selbst nicht gerechter macht oder euch nicht näher zu Gott bringt.
Beide werden ermahnt: Paulus spricht zu den einen und zu den anderen und sagt, kommt zusammen, achtet aufeinander, verurteilt den anderen nicht, sondern akzeptiert ihn, selbst wenn er schwach ist und an äußeren Formen festhält, die für ihn ein wesentlicher Punkt sind.
Vers 18 und 19 fassen das noch einmal zusammen: „Denn wer in diesem den Menschen dient, ist Gott wohlgefällig und den Menschen bewährt. So lasst uns nun dem nachstreben, was Frieden und was der gegenseitigen Erbauung dient.“
Hier fasst Paulus zusammen: Wir sollen Frieden in der Gemeinde haben – das ist nicht der weltweite Friede, sondern der Friede im Miteinander. Wir sollen dazu dienen, dass wir uns gegenseitig erbauen.
Es geht nicht darum, dass der andere meine Überzeugung übernimmt oder sich nach meinen äußeren Formen richtet, sondern dass wir uns gegenseitig im Glauben fördern und Freude daran haben, wenn es dem anderen besser geht und er mehr Erkenntnis gewinnt.
Vers 21: „Es ist gut, kein Fleisch zu essen, noch Wein zu trinken, noch etwas zu tun, woran dein Bruder sich stört. Hast du Glauben? Habe ihn für dich selbst vor Gott glückselig, der sich nicht richtet in dem, was er gutheißt.“
Hier geht es noch einmal um das Fleischessen, das Paulus im 1. Korintherbrief ausführlicher behandelt, oder das Weintrinken. Damals sagte man, man müsse kein Fleisch essen und keinen Wein trinken, um Gott gerecht zu sein.
Paulus mahnt, auf die Geschwister Rücksicht zu nehmen und zu beachten, was ihnen wichtig ist.
Er fragt: Hast du Glauben? Vertraust du Gott ganz? Wenn ja, dann bleib dabei und handle vor Gott. Gott achtet darauf, nicht auf die äußeren Formen.
In der Gemeinschaft aber müssen wir manchmal auf die anderen Rücksicht nehmen.
Ich werde jetzt nicht mehr weiter darauf eingehen, damit unsere Zeit nicht ausgeht, und gehe gleich zu Vers 23 über.
„Wer aber zweifelt, wenn er isst, der ist verurteilt, weil er es nicht aus Glauben tut. Alles aber, was nicht aus Glauben ist, ist Sünde.“
Hier sagt Paulus: Wenn jemand sich in bestimmten Fragen nicht sicher ist, wenn er meint, vielleicht ist das doch Gottes Ordnung, die ich einhalten soll, denn Gott hat auch äußere Ordnungen, dann ist es besser, sich daran zu halten, als es zu übertreten, weil es unbequem oder mühsam erscheint.
Wenn ich mir innerlich sicher bin, dass Gott nicht von mir erwartet, jede äußere Form zu beachten oder mich nach jedem Gebot auszurichten, dann kann ich darauf verzichten. Denn dann tue ich es aus Glauben, aus der Beziehung zu Jesus Christus.
Verantwortung der Starken und das Vorbild Jesu
Vers 1 aus Kapitel 15:
Wir aber, die Starken, sind verpflichtet, die Schwachheit der Kraftlosen zu tragen und nicht uns selbst zu gefallen. Jeder von uns möge dem Nächsten zum Guten gefallen, zur Erbauung.
Denn auch Christus hat nicht sich selbst gefallen, sondern wie geschrieben steht: Die Schmähung derer, die dich geschmäht haben, ist auf mich gefallen.
Hier führt er das noch einmal weiter aus und sagt, dass Jesus ja auch so gelebt hat. Er war nicht mit sich zufrieden, weil er vor Gott gerecht war und alle Gebote erfüllt hatte. Stattdessen finden wir hier den Hinweis, dass Jesus ganz für die anderen gelebt hat.
Er selbst hätte vieler dieser Dinge, die er gesagt und getan hat, nicht bedurft. Aber um der anderen willen hat er es getan.
Denken wir beispielsweise an die Geschichte der Taufe. Jesus wurde getauft. Ja, Jesus hätte doch nicht getauft werden müssen, denn er war ja schon vorher gläubig, oder?
Jesus war ja schon gläubig, als er geboren wurde. Man kann sagen, er ist nicht erst zum Glauben gekommen. Trotzdem hat er sich taufen lassen – sozusagen um unseres Willen, als Vorbild für uns.
Wir sollen sehen, dass dies eigentlich der Weg ist, den wir gehen sollten: Wir kommen zum Glauben und lassen uns taufen als Zeichen dieses Glaubens.
Und hier wiederum gilt: Nicht wir selbst sollen gerecht werden, nicht wir sollen uns nur darüber freuen, dass wir alles geschafft haben. Vielmehr sollen wir den anderen im Blick haben, eben zur Erbauung und zum Guten unseres Nächsten – so wie Jesus es uns als Vorbild getan hat.
Abschluss: Einigkeit und Gottes Herrlichkeit als Ziel
Ich lese zum Abschluss die Verse vier bis sieben aus dem fünfzehnten Kapitel:
Denn alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schrift die Hoffnung haben.
Der Gott des Ausharrens und der Ermunterung aber gebe euch, gleichgesinnt zu sein untereinander, Jesus Christus gemäß – also so, wie Jesus Christus es auch getan hat.
Damit ihr einmütig mit einem Mund den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus verherrlicht. Deshalb nehmt einander auf, wie Christus euch aufgenommen hat, zur Ehre Gottes, zur Herrlichkeit Gottes.
Hier ist das höchste Ziel nicht Selbstgerechtigkeit, nicht unsere Errettung, nicht das Wachstum der Gemeinde und auch nicht, alle Gebote einzuhalten. Das höchste Ziel ist die Herrlichkeit Gottes, zu der alles dienen soll und dem alles untergeordnet wird.
Wir sollen einmütig miteinander sein. Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Das ist eine Verheißung, die auf die Einigkeit und die Gemeinschaft der Geschwister gemünzt ist.
Kein falscher Individualismus: „Die anderen fallen mir doch sowieso auf die Nerven, ich kann doch für mich selbst als Christ leben. Und wenn du wüsstest, welche seltsamen Typen in meiner Gemeinde sind, dann würdest du verstehen, dass ich am Sonntag gleich nach dem Gottesdienst nach Hause gehe, um möglichst wenig Gemeinschaft mit den anderen zu haben.“
Nein, uns soll es danach ziehen, auch wenn es mühsam ist. Paulus schreibt hier ja davon, dass wir Ausharren brauchen in der Ermunterung. Das geschieht nicht von heute auf morgen und kann auch mühsam sein. Aber wir sollen darin bleiben, Jesus Christus als Vorbild nehmen und diese Einigkeit, die Entwicklung und das Ziel unserer Geschwister vor Augen haben: Gott näherzukommen.
Dann können wir mit einem Mund – oder heute würde man vielleicht sagen mit einer Zunge, also mit einem Gedanken – in voller Einigkeit Gott loben und mit Gott zusammenleben.
In der Folge, im Römerbrief und in anderen Verheißungen des Neuen Testaments, sehen wir, dass Gott einen Segen auf diese Einigkeit der Geschwister gelegt hat.
Wo Streit unter uns ist, wo wir nur an uns selbst denken – sei es auch an unsere eigene Heiligkeit –, da wird kein Segen Gottes auf unserer Arbeit, auf unserem Leben und auf unserer Gemeinde liegen. Manche Menschen haben das den Heilsegoismus genannt: „Ich bin jetzt gesund, ich bin gerettet, das genügt. Die anderen können bleiben, wo sie sind.“
Wenn wir so radikal handeln, dann wird kein Segen auf uns liegen. Stattdessen sollen wir auf den anderen zugehen – dem Schwachen oder dem Starken, je nachdem, wie wir den anderen ansehen und auf welcher Seite wir stehen.
Nicht nur ertragen, sondern ihm helfen, weiter im Glauben zu wachsen.
Zusammenfassung und Schlussgedanken
Ich fasse kurz zusammen: Ab Vers 13 in Kapitel 8 haben wir gesehen, dass die Liebe das Gesetz erfüllt. Selbst wenn wir alle Gesetze halten, entsprechen wir noch lange nicht dem Willen Gottes, denn die Liebe ist das Gebot, das immer dann gilt, wenn wir dem anderen etwas schuldig sind und bleiben.
Dann haben wir festgestellt, dass diese Liebe ganz konkrete Züge in unserem Leben annimmt. Wir sollen aufwachen, dort, wo wir bisher geschlafen haben – also an den Stellen, an denen wir bislang nicht entsprechend dem Willen Gottes gehandelt, gelebt oder gedacht haben.
Wir sollen uns von dieser Welt unterscheiden, denn sonst machen wir Gott zum Gespött. Dabei dürfen wir uns nicht an Äußerlichkeiten festhalten und dem anderen keine Vorschriften in äußeren Punkten machen, die eher auf Traditionen oder persönlichen Überzeugungen beruhen.
Gleichzeitig sollen wir uns nicht über andere erheben und sagen: „Das betrifft mich alles nicht mehr.“ Vielmehr sollen wir um des anderen Willen auf ihn zugehen und ihm in keinem Ärgernis oder Anstoß sein.
Wir sollen auch nicht die Menschen, die noch nicht gläubig sind, durch unsere eigenen Gebote und Gesetze, die wir aufgestellt haben, daran hindern, Gottes Liebe und Wesen kennenzulernen. Gott hängt nicht an Äußerlichkeiten. Wir sollen uns innerlich ganz Gott hingeben. Daraus ergeben sich Auswirkungen in unserem Leben, die sich jedoch nicht einfach an einzelnen Gesetzen festmachen lassen.
Schließlich sollen wir nach dem streben, was zum Guten dient und zur Erbauung beiträgt – und zwar nicht nur zu unserer eigenen Erbauung, sondern besonders zur Erbauung unseres Nächsten.
Wir beten zusammen.