
Wir wollen uns in diesen Tagen einige Psalmen ansehen. Ich habe gedacht, ich beginne heute Abend nicht nur mit Psalm 1, sondern stelle euch auch noch einmal vor, was ich im vergangenen Jahr Grundsätzliches zu den Psalmen zu Beginn gesagt habe.
Für diejenigen, die im letzten Jahr dabei waren, ist das eine Auffrischung. Für die, die neu sind, ist es wichtig, einen Überblick über die Psalmen zu bekommen.
Man kann sagen, die Psalmen sind das Gesangs- und Gebetbuch der Bibel. Dabei muss man jedoch beachten, dass nicht alle Psalmen Gebete sind. Auch Psalm 1, den wir uns gleich ansehen werden, ist kein Gebet. Man könnte ihn eher als Lehrpsalm bezeichnen. Er ist also nicht direkt an Gott gerichtet, sondern an den Leser.
Wer die Psalmen öfter liest, wird merken, dass sie sehr unterschiedlich sind. Ich habe dazu einmal etwas zusammengestellt: Das Buch der Psalmen ist das meistgelesene Buch der Bibel.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn man niedergeschlagen oder traurig ist, oder auch wenn man nicht schlafen kann, liest man oft die Psalmen. Ich bin sehr dankbar dafür. Gerade wenn man selbstständig ist, kennt man durchaus schlaflose Nächte, in denen man nicht weiß, wie es weitergeht.
Dann bin ich oft aufgestanden, habe mich in die Küche auf den Sessel gesetzt, wo wir sonst morgens zusammen stille Zeit machen, und habe angefangen, die Bibel zu lesen – beziehungsweise die Psalmen.
Mein Ältester hat mir einmal zum Geburtstag einen Spruch aus Psalm 94,19 aufgeschrieben: „Als viele unruhige Gedanken in mir waren, tröstete mich dein Wort.“
Ich muss sagen, das habe ich oft erlebt. Vielleicht kennt ihr das auch: Man fängt an, die Bibel zu lesen. Man ist mit seinen Gedanken noch ganz woanders, liest die schwarzen Buchstaben, aber merkt, dass es noch nicht richtig hineingeht. Man liest nur oberflächlich.
Dann, wenn man weiterliest, kommt der Punkt, an dem man in die Psalmen eintaucht. All die anderen Gedanken, die einem durch den Kopf schwirren, gehen weg. Und das ist wirklich so: „Als viele unruhige Gedanken in mir waren, tröstete mich dein Wort.“
Deshalb kann man auch sagen: Das Buch der Psalmen ist das Buch, das Trost und Zuspruch gibt.
Außerdem könnte man sagen, das Buch der Psalmen ist ein ganz persönliches Buch. Es lässt uns in das Herz der Psalmdichter hineinschauen.
Das sind nicht Lieder, wie sie heute manchmal gedichtet werden und die nur an der Oberfläche bleiben. Wenn man die Psalmen liest, merkt man, dass der Psalmdichter uns wirklich in sein Herz und in seine Beziehung zu seinem Gott blicken lässt.
Zum anderen könnte man sagen, das Buch der Psalmen ist das meistzitierte Buch der Bibel. Allein 186 Zitate aus den Psalmen gibt es im Neuen Testament.
Es ist das Buch der Sorgen und Nöte der Menschen, aber auch das Buch des Lobes und der Anbetung. Wenn man das Buch der Psalmen liest, versuchen viele Bibelübersetzungen das auch optisch auszudrücken, indem sie die Texte nicht in Spalten setzen, sondern im Zeilenfluss darstellen.
Man kann sagen, das Buch der Psalmen ist ein poetisches Buch. Das merkt man besonders, wenn man eine gute Übersetzung hat. Oft ist das bei Luther der Fall oder auch bei der Elberfelder Bibel. Bei Luther sogar noch mehr als bei der Elberfelder.
Man hat beim Lesen einen Sprachduktus, ähnlich wie bei Liedern. Es entsteht ein Sprachfluss, ein Sprachklang. Deshalb kann man Psalmen gut vortragen. Man merkt, dass es Lieder sind, Worte, die gesungen wurden – selbst wenn das in der deutschen Übersetzung nicht mehr ganz so deutlich ist wie wahrscheinlich im Hebräischen.
Es ist ein sehr poetisches Buch.
Wenn ich fragen würde: Was ist der bekannteste Psalm? Ja, Psalm 23. Viele Christen kennen ihn auswendig, und vielen hat er geholfen.
Ich kann nur sagen, wir hatten bei uns in den letzten Jahren einen alten Mann. Gisela kennt ihn, er ist im vergangenen Herbst mit neunzig Jahren heimgegangen. Er ist mit neunundachtzig Jahren zum Glauben gekommen.
Er war vom Beruf Wanderhirte. Das heißt, er ist im Frühjahr losgezogen mit vierhundert oder sechshundert Schafen und ist mit ihnen acht Monate lang durchs Münsterland gezogen. Dabei hat er immer bei den Schafen übernachtet und sie von einer Weide zur anderen geführt. Als er dann geheiratet hat, hat er die Schafherde aufgegeben, weil das für eine Ehe nicht gerade förderlich ist.
Aber sein Herz schlug weiter, auch im Alter danach. Willi, so hieß unser Wanderhirte, ist mit neunundachtzig Jahren zum Glauben gekommen – durch Psalm 23 und durch Johannes 10. Er sagte, bei dem Psalm und dem Kapitel merkt man, dass das ein wirklicher Hirte geschrieben hat. Da ist sein Herz aufgegangen für seinen Hirten im Himmel.
Wir sind sehr dankbar, ihn kennengelernt zu haben. Er ist uns allen ans Herz gewachsen, Willi, unser Hirte. Auch durch ihn sind uns viele Dinge in der Bibel neu bewusst geworden, gerade auch Psalm 23.
Ihr kennt das ja: Im christlichen Bereich gibt es viele Bücher über Hirten, viele Kalender und Bildbände über Hirten. Jeder aus der Gemeinde hat versucht, ihm etwas Gutes zu tun und hat ihm dann einen Kalender mit Schafen geschenkt.
Der Herr hätte viele Wände in seiner Wohnung haben können, aber dann hat er diese Blätter durchgeguckt. Es konnte passieren, dass er einem den Kalender zurückgab und sagte: „Den hänge ich nicht auf.“ Wir haben gefragt, warum nicht? Er sagte: „Alle Schafe in diesem Kalender sind krank.“
Ich muss sagen, als Fotograf fällt einem das nicht auf. Schafe sind niedlich, sind schön. Aber er sagte: „Guck dir das Fell mal an, die haben Milben.“ Er erkannte sofort jede Krankheit. Da habe ich auch gedacht: Ja, das ist ein Hirte, oder?
Psalm 23. Man könnte fragen: Welcher Psalm ist der freudigste? Das ist Psalm 103. Und welcher Psalm ist der erfahrungsreichste? Das ist auch der längste Psalm, Psalm 119. Welcher Psalm ist der schmerzlichste Bußpsalm? Das ist Psalm 50. Spötschen nannte Psalm 84 das lieblichste Friedenslied. Und welcher Psalm wird im Neuen Testament am häufigsten zitiert? Das ist Psalm 110.
Wir merken also schon, dass die Psalmen ein ganz besonderes Buch sind. Oder besser gesagt: Die Psalmen sind fünf Bücher in einem. Damit man sich das besser vorstellen kann, stelle ich hier fünf Buchbände vor. Darunter habe ich die Psalmnummern geschrieben:
Für mich ist es schon fast eine feste Überzeugung, dass man diese fünf Bücher der Psalmen ähnlich einteilen kann wie die fünf Bücher Mose.
Das erste Buch der Psalmen, also Psalm 1 bis 41, legt, ähnlich wie das Buch Genesis, besonders die Betonung auf den Menschen und die Schöpfung. Hier finden wir besonders viele Psalmen, die uns die Stellung des Menschen vorstellen und uns die Größe und Schönheit der Schöpfung zeigen.
Das zweite Buch der Psalmen, die Psalmen 42 bis 72, zeigt uns, ähnlich wie das Buch Exodus, also das zweite Buch Mose, Drangsal und Rettung.
Das dritte Buch der Psalmen, von Psalm 73 bis 89, entspricht dem Buch Levitikus, also der Heiligung und Heiligkeit.
Das vierte Buch, von Psalm 90 bis 106, gleicht dem vierten Buch Mose und behandelt Themen wie Vergänglichkeit und Ewigkeit.
Das fünfte Buch, von Psalm 107 bis 150, könnte man mit dem fünften Buch Mose vergleichen, das Wort und Veränderung thematisiert.
Noch ein paar vielleicht interessante Begebenheiten oder Anmerkungen zu den Psalmen.
Die Psalmen sind ein vielfältiges Buch. Viele der Psalmen sind Loblieder. Ich habe hier mal die Nummern aller Loblieder aufgeschrieben. Aber es gibt nicht nur Loblieder. Auch Klagelieder sind enthalten, glücklicherweise jedoch nicht so viele.
Dann gibt es sogenannte messianische Psalmen, also Psalmen, in denen prophetisch etwas über den Herrn Jesus gesagt wird. Außerdem finden wir geschichtliche Psalmen, die uns die Geschichte Israels vorstellen. Busspsalmen sind ebenfalls enthalten, in denen Menschen vor Gott Buße tun in ihrem Herzen.
Wir finden auch Schöpfungspsalmen, die die Schöpfung Gottes darstellen und dadurch das Lob Gottes entfalten. Das Buch der Psalmen ist also sehr vielfältig.
Es gibt 15 Wallfahrtslieder, die man jeweils auf den Wegen nach Jerusalem gesungen hat, wenn man sich zu den Festen in Jerusalem versammelte. Außerdem gibt es die Halleluja-Psalmen, die mit „Halleluja“ anfangen und viele auch damit enden.
Rachepsalmen sind ebenfalls vorhanden. Viele Neutestamentler haben damit Schwierigkeiten, aber wir können uns in diesen Tagen vielleicht auch etwas damit beschäftigen. Ich habe eine interessante Ausführung von Pastor Ulrich Parzany gefunden, der dazu etwas sagt.
Wir finden auch alphabetische Psalmen. Das kommt natürlich im Deutschen überhaupt nicht zum Ausdruck. Diese Psalmen sind so aufgebaut, dass jeder Vers mit einem neuen Buchstaben in alphabetischer Reihenfolge geschrieben ist. Das kann man in der Übersetzung nicht nachvollziehen, aber daran merkt man, dass die Psalmen oft sehr künstlerisch geschrieben worden sind.
Lehrgedichte und Gebete sind ebenfalls enthalten.
Wenn wir überlegen, wer die Psalmen jeweils geschrieben hat, kann man das so auflisten: 73 Psalmen stammen von David, 12 von Asaf, 12 von den Söhnen Koras, 2 von Salomo, obwohl von ihm gesagt wird, dass er sehr viele Lieder geschrieben hat. Im Buch der Psalmen sind jedoch nur zwei von ihm enthalten.
Einer der Psalmen von Mose ist Psalm 90. Wir werden uns diesen auch in diesen Tagen ansehen. Ein Psalm von Ethan ist Psalm 89. Die anderen Psalmen sind namenlos, es steht also nicht dabei, wer sie gedichtet hat.
Ich erwähnte eben, dass es etliche Psalmen gibt, die messianisch sind, also prophetisch etwas über den Messias sagen.
Im Psalm 2, den wir uns morgen ansehen werden, finden wir etwas über die Geburt und die Gottessohnschaft unseres Herrn. Im Psalm 8 wird der kommende Herrscher vorgestellt. Im Psalm 16 wird die Auferstehung des Herrn Jesus erwähnt.
Sein Leiden und sein Tod werden besonders im Psalm 22 geschildert. Der Verrat des Judas wird in Psalm 41 und 69 erwähnt. Macht und Herrlichkeit des Herrn Jesus werden uns im Psalm 24 gezeigt.
Über den Überrest Israels finden wir in verschiedenen Psalmen etwas, ebenso über die Wiederherstellung Israels, nachdem Gott Gericht geübt hat.
Soweit vielleicht zunächst einmal ein allgemeiner Überblick über die Psalmen.
Und jetzt wollen wir gemeinsam Psalm 1 aufschlagen. Man könnte sagen: Psalm 1 ist sozusagen die Pforte zum ganzen Psalter. Deshalb habe ich den heutigen Abend unter die Überschrift gestellt: Das fängt ja gut an.
Ich empfinde diesen Psalm wirklich als einen Einstieg für jeden, der sich mit dem Buch der Psalmen beschäftigt, weil hier etwas Grundsätzliches gesagt wird. Eine wichtige Entscheidung wird praktisch von jedem, der die Psalmen liest, zu Anfang schon von Gott gefordert.
Ich lese mal im Zusammenhang Psalm 1:
Glücklich der Mann, der nicht folgt dem Rat der Gottlosen,
den Weg der Sünder nicht betritt
und nicht im Kreis der Spötter sitzt,
sondern seine Lust hat am Gesetz des Herrn
und über sein Gesetz nachsinnt Tag und Nacht.
Er ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen,
der seine Frucht bringt zu seiner Zeit
und dessen Laub nicht verwelkt.
Alles, was er tut, gelingt ihm.
Nicht so die Gottlosen,
sondern sie sind wie Spreu, die der Wind verweht.
Darum bestehen die Gottlosen nicht im Gericht,
noch Sünder in der Gemeinschaft der Gerechten,
denn der Herr kennt den Weg der Gerechten,
aber der Weg der Gottlosen vergeht.
Wenn wir uns in diesen Tagen verschiedene Psalmen ansehen, werden wir merken, dass es eben Lieder sind. Psalm 1 ist natürlich ein kurzes Lied, es sind nur sechs Verse. Aber man könnte sagen, es besteht aus drei Strophen.
Vers 1 bis 3 bilden eine Strophe,
Vers 4 bis 5 die zweite Strophe,
und Vers 6 ist die dritte Strophe.
Ich habe den Text einmal so aufgeschrieben und farblich unterschieden, um deutlich zu machen, wo die einzelnen Verse oder Strophen sind.
Die Gliederung wäre also:
Die erste Strophe (Verse 1 bis 3) beschreibt den Weg der Gerechten,
Verse 4 und 5 den Weg der Gottlosen,
und Vers 6 fasst das Ende der beiden Wege zusammen.
Der Psalm beginnt mit einer Seligpreisung: „Glücklich, glücklich der Mann.“ Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns sofort klar machen, worum es den Israeliten ging, wenn sie diesen Psalm gesungen haben. Hier wird etwas deutlich gemacht, was wir auf der Konferenz ja auch schon mehrfach gehört haben.
An vielen Stellen schildert die Bibel schwarz oder weiß, entweder oder. Deshalb habe ich hier unten ein Foto darunter gemacht: Ein Mann, der vor einer Entscheidung steht – nach rechts oder nach links. In diesem Psalm geht es um eine Entscheidung, die jeder Mensch treffen muss. Es wird gesagt: Wenn du glücklich werden willst, dann achte auf das, was in der ersten Strophe vorkommt.
Ihr wisst, vor, ich glaube, drei Jahren war das, da war die Jahreslosung aus Psalm 73: „Gott nahe zu sein ist mein Glück.“ Damals waren Erika und ich mit anderen zusammen im Frauengefängnis. Dort findet immer wieder eine Kontaktgruppenveranstaltung statt, und ich sollte die Andacht über die Jahreslosung halten.
Als Einstieg habe ich die Inhaftierten gefragt: „Wer von euch ist glücklich?“ Das ist natürlich im Gefängnis eine sonderbare Frage. Zwei der Frauen meldeten sich. Ich fragte die eine: „Warum bist du glücklich?“ Sie antwortete: „Ich werde nächste Woche entlassen.“ Ich sagte: „Gut, das ist verständlich, aber das ist ein vorübergehendes Glück. Ich hoffe nicht, dass du wieder zurückkommst.“ Wir sagen zum Beispiel bei Inhaftierten, wenn sie entlassen werden, „auf nimmer Wiedersehen“, weil wir nicht hoffen, dass sie wieder ins Gefängnis kommen.
Dann fragte ich die zweite Frau: „Und warum bist du glücklich?“ Das war für uns wirklich ein Grund zur Freude. Sie sagte: „Ich habe mein Leben Jesus gegeben. Ich weiß, ich bin zu Recht hier im Gefängnis, und ich sitze hier zu Recht. Das, was ich getan habe, ist mit nichts zu entschuldigen. Dass ich die Strafe hier habe – und sie hat mehrfach lebenslänglich – ist richtig. Aber ich habe Vergebung meiner Sünden, ich habe keine Schuld mehr.“
Das ist etwas, das jeder Inhaftierte versteht: den Unterschied zwischen Strafe und Schuld. Jeder Inhaftierte weiß, der Richter kann mich nur bestrafen. Aber wenn ich meine Strafe abgesessen habe, habe ich meine Schuld immer noch. Die Schuld ist nicht durch das Abbüßen einer Strafe vorbei. Das versteht jeder Inhaftierte.
Diese junge Frau sagte: „Ich weiß, ich werde meine Strafe weiter absitzen, und das zu Recht, aber ich habe keine Schuld mehr, mein Herz ist frei.“ Das ist wirklich ein riesiges Zeugnis. Auch in der folgenden Zeit macht sie Bibelkurse, wächst im Glauben und ist ein Zeugnis im Gefängnis.
Andere Inhaftierte sind zu ihrer Zelle gekommen und haben gefragt: „Wie hast du das gemacht?“ Bedienstete sind zu ihr auf die Zelle gekommen und haben gefragt, was mit ihr passiert ist. Sie haben sich verändert. Das ist schon etwas. Sie weiß, sie wird nicht aus dem Gefängnis kommen, wenn man mehrfach lebenslänglich hat. Aber sie sagt: „Ich bin frei, obwohl ich inhaftiert bin.“ Und das ist hier „glücklich der Mann“.
Im Alten Testament werden wir noch weitere Psalmen finden, in denen deutlicher wird, warum ein Mensch glücklich werden kann. Wir wissen aus dem Neuen Testament: Ich werde eigentlich nur glücklich dadurch, dass ich weiß, dass Jesus für meine Sünden gestorben ist.
Hier, bei den Israeliten, steht zunächst noch das Halten der Gebote im Vordergrund und das Leben vor Gott in Heiligkeit. Jeder von uns weiß, dass er das im Grunde nicht kann und dass er die Hilfe unseres Herrn braucht.
Selbst für das, was hier über den Gerechten gesagt wird, wird Positives und Negatives gegenübergestellt. Dies dient dazu, deutlich zu machen, was einen Menschen glücklich macht.
Glücklich ist der Mann, der nicht im Rat der Gottlosen sitzt, nicht auf dem Weg der Sünder wandelt und nicht im Kreis der Spötter verweilt. Hier werden drei Warnungen genannt. Das heißt ganz einfach: Es geht um unsere Lebensführung und darum, wo wir uns aufhalten.
Wenn ich die Woche über im Rat der Gottlosen sitze, auf dem Weg der Sünder bin und mich im Kreis der Spötter bewege, dann darf ich mich nicht wundern, wenn ich am Sonntag kein Loblied auf den Lippen habe, wenn ich in die Gemeinde gehe. Ein Evangelist hat das einmal sehr drastisch so gesagt: Geschwister, wenn ihr samstags abends den Krimi im Fernsehen anschaut, braucht ihr euch nicht zu wundern, wenn ihr sonntags morgens kein Loblied auf den Lippen habt.
Hier wird Ursache und Wirkung aufgezeigt. Wir sind glücklich, wenn wir uns vom Bösen absondern: nicht im Rat der Gottlosen sitzen, nicht auf dem Weg der Sünder wandeln und nicht im Kreis der Spötter verweilen.
Es fällt uns sicher nicht schwer, Beispiele dafür in der Bibel zu finden. Bei der Konferenz haben wir schon darüber gesprochen: Wenn wir uns das Leben von Lot ansehen, sehen wir, dass er im Tor von Sodom saß, im Rat der Gottlosen, im Kreis der Spötter. Seine Schwiegersöhne lachten ihn aus. Für sie war er wie einer, der Spott treibt. Sein Leben war nicht so authentisch, dass andere dadurch Appetit bekommen hätten, Gott nachzufolgen.
Wenn wir nur den Bericht aus dem Alten Testament hätten, kämen wir nie auf den Gedanken, dass Lot eine gerechte Seele hatte. Doch Petrus sagt das. Manchmal denke ich, dass es viele Christen gibt, die sich in der Welt aufhalten, und man kaum daran denkt, dass sie errettet sind, weil sie sich an falschen Plätzen aufhalten.
Deshalb warnt der Psalmdichter. Hier wird nicht genannt, wer diesen Psalm gedichtet hat. Es scheint aber ein Mann gewesen zu sein, der Lebensweisheit besaß und die Menschen beobachtet hat. Er macht deutlich, dass es zwei Seiten gibt: Entweder ist man auf der Seite der Gottlosen, der Sünder und der Spötter – oder, und das wird besonders betont, man hat Lust am Gesetz des Herrn und denkt darüber nach.
Mein Vater hat uns Kindern immer gesagt: Von nichts kommt nichts. Du musst dich nicht wundern, wenn du vielleicht keine Bibelverse kennst oder keine Zusammenhänge in der Bibel verstehst, wenn du dich nicht damit beschäftigst. Das gilt schon seit der Schulzeit. Deshalb bekam man Hausaufgaben.
Hier wird gesagt, wir sollen das Gesetz nicht büffeln oder es als Pflichtübung tun. Vielmehr steht: Wer seine Lust am Gesetz des Herrn hat. Macht es dir Freude, die Bibel zu lesen, oder musst du dich zwingen? Oftmals klagen Christen darüber und empfinden es als Last, die Bibel lesen zu müssen.
Wenn ich an die Zeit zurückdenke, als ich verlobt war – wir waren immerhin 650 Kilometer voneinander entfernt –, damals gab es noch kein E-Mail, Skype oder WhatsApp. Wir schrieben Briefe, zwei bis drei pro Woche, die sich überschnitten. So musste man oft die Fragen aus dem einen Brief im übernächsten beantworten.
Aber wenn ich daran denke, die Briefe meiner Braut zu lesen, da brauchte ich keine Gewalt, um sie zu lesen. Niemand sagte mir: Du musst den Brief heute noch lesen. Die Frage ist: In welchem Verhältnis stehe ich zu meinem Herrn? Macht mir das Lesen der Bibel – seines Briefes an mich – Freude oder ist es Qual?
Wenn es Qual ist, zeigt das, dass etwas in meinem Verhältnis zu meinem Herrn nicht in Ordnung ist. Hier wird gesagt: Glücklich ist, wer nicht im Kreis der Gottlosen, Sünder und Spötter sitzt. Das eine schließt das andere aus. Der Psalmdichter hat erfahren: Wenn ich im Kreis der Spötter sitze, habe ich keine Lust am Gesetz des Herrn. Andersherum gilt: Wenn ich Lust am Gesetz des Herrn habe, meide ich den Kreis der Spötter.
Eigentlich ist das ganz einfach. Natürlich wissen wir aus dem Neuen Testament, dass wir dafür die Hilfe des Herrn brauchen. Aus eigener Kraft schaffen wir das nicht. Oft meinen wir, mit eiserner Disziplin und dem festen Willen alles zu schaffen. Aber wenn ich mich am Riemen reiße, entsteht dadurch keine Liebe. Auch die Lust am Wort Gottes entsteht so nicht, sondern es wird Zwang.
Ich möchte einen kurzen Abschnitt lesen. Ich habe ein Büchlein von Ulrich Barzani gefunden, das „Täglich rufe ich zu dir“ heißt. Darin hat er zu jedem Psalm einen kurzen Gedanken geschrieben.
Zu Psalm 1 schreibt er, dass er diesen Psalm mit „das Knurren des Löwen“ überschreibt. Im Zweifelsfall solle man in einen Zoo gehen, um Psalm 1 besser zu verstehen. Am besten direkt zum Löwengehege, möglichst unmittelbar nach der Fütterung. Denn der Psalmbeter benutzt ein Wort, mit dem man auch das Knurren des Löwen über seiner Beute beschreiben könnte.
Das, was in der Elberfelder Übersetzung als „Lust am Gesetz des Herrn“ steht, ist offensichtlich eine Übersetzung von Luther: „Wohl dem, der Lust hat am Gesetz des Herrn und über sein Gesetz sinnt Tag und Nacht.“ Barzani schreibt, er habe bisher nie die Möglichkeit gehabt, einen Löwen in freier Wildbahn zu beobachten. Trotzdem kann er sich gut vorstellen, wie der Löwe mit genussvollem Knurren das Fleisch von den Knochen des Beutetiers abreißt.
Passt der Vergleich? Er meint damit, dass die Übersetzung „Er hat Lust am Gesetz des Herrn“ etwas bedeutet, das so richtig lustvoll ist – ähnlich wie das Knurren des Löwen voller Begeisterung, wenn er sein Fleisch frisst.
Ich habe beim Bibellesen zwar noch nie geknurrt, aber irgendwie macht mir dieser Vergleich deutlich, dass in diesem Wort mehr steckt als nur „Lust haben“. Wir verstehen unter „Lust haben“ meist: „Ja, das tue ich gerne.“ Aber ich bin kein Hebräer, kein Grieche und weiß nicht, wie es im Original heißt. Barzani sagt, es sei so etwas wie ein genussvolles Knurren. Da freut sich jemand unbändig über das Wort Gottes.
Wie heißt es doch: „Schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist.“ (Psalm 34,9) Dabei geht es ums Schmecken. Bei uns ist es ja verpönt, beim Essen zu schmatzen, aber manchmal möchte man das schon gerne tun, wenn es einem richtig schmeckt. Offensichtlich ist hier ein Wort gebraucht, das „Lust haben am Wort des Herrn“ beschreibt.
Und dann wird weiter beschrieben, wie es dem geht, der Lust am Wort des Herrn hat. Das heißt in Vers 3: „Er ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, dessen Laub nicht verwelkt, und alles, was er tut, gelingt ihm.“
Erinnert ihr euch an den Chorus, den wir eben nach dem Essen gesungen haben? Das war Psalm 1. Für uns ist das immer interessant. Wir haben dieses Lied immer gesungen, wenn wir in Ungarn in den Gefängnissen waren – auf Ungarisch. Leider kann ich es nicht mehr auswendig.
Wir haben immer wieder über Ungarn gesprochen. Ungarisch ist ja eine Sprache für sich. Ich sage immer, das ist die Sprache, bei der du das Gebiss andersherum reinstecken musst. Sie ist völlig unverständlich. Die Ungarn sind überzeugt, dass wir im Himmel Ungarisch sprechen, weil man eine Ewigkeit braucht, es zu lernen.
Aber dieses Lied auf Ungarisch zu lernen, war für uns immer zum Lachen. Da kamen Worte drin vor, die sind richtige Zungenbrecher.
Hier wird deutlich gemacht: Wer Lust am Wort des Herrn hat und darüber nachdenkt, der ist wie ein Baum, der Frucht bringt, der immer Saft hat und Nahrung bekommt, weil er am Wasser steht. Von nichts kommt nichts.
Wenn du möchtest, dass in deinem Leben Frucht entsteht, wenn du möchtest, dass in deinem Leben etwas für den Herrn entsteht, dann geht das nur über den Weg, dass du dich mit seinem Wort beschäftigst. Es gibt keine Überholspur.
Manche Christen meinen, sie könnten irgendwo links überholen – indem sie in Sprachen reden, Wunder herbeibeten oder in die Hände klatschen oder sonst etwas tun. Aber das ersetzt nicht das Nachsinnen über Gottes Wort.
Und dann wird uns im nächsten Vers, in der nächsten Strophe gesagt: „Nicht so der Gottlose.“ Dabei wird ein Bild verwendet, das jeder aus der Landwirtschaft kennt. Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht.
Heute wird das alles mit Maschinen gemacht. Aber selbst wenn Dreschmaschinen übers Feld fahren, entsteht eine kräftige Staubwolke. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich als Kind oft bei einem entfernten Onkel auf dem Bauernhof war. Wenn man hinter dem Wagen herging oder auf der Tenne stand, während das Korn gedroschen wurde und die Spreu flog, bekam man Husten und konnte kaum noch atmen.
Damals wurden die Körner mit den Spelzen hochgeworfen, und der Wind wehte die Spreu weg, sodass das Korn zur Erde fiel. So wurde getrennt, was weiterverwendet werden konnte – die Spreu wurde von den Körnern getrennt.
Hier vergleicht der Psalmist die Gottlosen mit dieser Spreu: Sie werden weggeweht. Er fährt weiter fort in Vers 5: „Darum bestehen Gottlose nicht im Gericht, noch Sünder in der Gemeinde der Gerechten.“ Gott stellt uns hier in diesem Psalm zwei Seiten vor: den Gerechten und den Gottlosen. Im Alten Testament wird diese Gegenüberstellung immer wieder gemacht.
Nach der Bedeutung im Alten Testament war der Gerechte derjenige, der sich nach dem Gesetz richtete, der Gottlose hingegen verwarf es. Der Gerechte war der, der nach Gott fragte, und der Gottlose verachtete Gott. Im Neuen Testament wissen wir, dass wir nicht aus eigener Kraft gottesfürchtig oder gerecht sein können, sondern Gottes Hilfe dazu brauchen. Trotzdem gelten diese beiden Seiten weiterhin.
Die Frage ist immer wieder: Auf welcher Seite stehe ich? Ich gehe davon aus, jeder von uns wird sagen: „Ich gehöre zu den Gerechten.“ Das wäre schön. Die Frage ist aber, ob ich mich auch so verhalte.
Wenn ich das fördern will, komme ich nicht umhin, das zu tun, was wir in der ersten Strophe gelesen haben: Lust am Wort des Herrn zu haben und darüber nachzudenken. Es gibt keinen anderen Weg.
Ich kann mich noch gut daran erinnern: Ich habe damals zu meinem Vater gesagt, ich möchte mehr aus der Bibel kennenlernen, ich möchte auf eine Bibelschule gehen. Er sagte zu mir: „Das brauchst du nicht. Lies fleißig in deiner Bibel, besuche die Gemeindestunden, und wenn du etwas nicht verstehst, frag nach.“
Ich muss sagen, das war meine Bibelschule. Sie hat zwar länger gedauert, aber ich habe gemerkt, dass sie eine andere Grundlage hat. Es ist nicht etwas Theoretisches, sondern man wächst dabei.
Im Grunde macht der Psalmdichter hier im letzten Vers eine Zusammenfassung: Vers 6 lautet: „Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten.“ Dem stellt er gegenüber: „Aber der gottlosen Weg vergeht.“
Die Frage ist immer wieder: Wie entscheide ich mich an diesem Punkt? Natürlich tun wir das einmal bei der Bekehrung, wenn wir sagen: „Ja, Herr Jesus, ich möchte dir nachfolgen.“ Aber zum anderen gehört auch jeder Tag neu dazu, dass ich mich darauf einstelle und sage: „Ja, ich will.“
Ich vergleiche das gerne so: Das Neue Testament zeigt uns, dass wir mit der Bekehrung neues Leben aus Gott bekommen. Aber das alte Leben ist auch noch da.
Römer 6 sagt, wir sollen den alten Menschen im Tod halten. Luther sagt: „Das Biest kann schwimmen.“ Das merkt jeder von uns, oder? Wir möchten nach dem Neuen leben, aber das Alte zieht uns immer wieder runter.
Die, die mit Computern umgehen, können diesen Vergleich vielleicht besser verstehen. Stell dir vor, du hast einen Computer. Es gibt ja unterschiedliche Betriebssysteme – ich mache jetzt keine Werbung. Manche Computer haben zwei Betriebssysteme drauf, zum Beispiel Apple auf der einen Seite und Windows auf der anderen.
Was passiert, wenn du morgens den Computer hochfährst? Bei einem Computer mit zwei Betriebssystemen erscheint zuerst ein Schild, auf dem steht: „Mit welchem Betriebssystem wollen Sie fahren?“ Du musst dich entscheiden: rechts oder links, neu oder alt.
Oft kommt mir das so vor: Mit der Bekehrung habe ich ein neues Betriebssystem, den neuen Menschen. Aber ich muss mich auch jeden Tag neu entscheiden, mit welchem Betriebssystem ich fahren will. Viele Menschen leben nach dem alten Betriebssystem.
Mir geht es oft auch so. Ich habe zum Beispiel verschiedene Programme drauf, und man muss ja immer wieder neue Programme installieren, Updates machen. Ich update zwar, aber fahre trotzdem oft mit dem Alten. Warum? Weil das einfacher ist und ich nicht nachdenken muss.
So ist es oft in unserem Leben. In der Regel fahren wir häufig nach dem alten Betriebssystem, so wie wir es von früher vor der Bekehrung gewohnt waren. Dabei haben wir das neue Betriebssystem drauf.
Paulus sagt: Halte den Alten im Tod, klick ihn nicht wieder neu an, schmeiß ihn in den Papierkorb. Aber wir werfen ihn zwar in den Papierkorb, löschen ihn aber nicht. Und das, glaube ich, ist unser Dilemma.
Das macht Psalm 1 auch deutlich: Gehören wir zu den Gerechten, die über das Wort Gottes nachdenken und Lust am Wort Gottes bekommen? Oder gehören wir zu denen, die sagen: „Ein bisschen Spaß kann man ja auch haben“?
Von daher ist die Frage: Wie entscheidest du dich? Gott erwartet eine klare Lebensentscheidung von dir. Natürlich weiß ich, dass sie mir nur in Jesus Christus leicht gemacht wird. Nur durch den Herrn Jesus werde ich gerecht.
Aber vielleicht hilft es uns, das noch einmal bewusst zu machen: Ich kann mich nicht bekehren, ich kann nicht neues Leben haben und gleichzeitig nach dem Alten weiterleben. Dann muss ich mich nicht wundern, wenn vieles schiefgeht.
Von daher kann ich nur Mut machen. Vielleicht lernen wir in diesen Tagen anhand der Psalmen durchaus einige Dinge für unser tägliches praktisches Leben. Amen.
Vielen Dank an Eberhard Platte, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen! Bücher und CDs können günstig erworben werden auf der Homepage von Eberhard Platte und in jeder Buchhandlung.