Gut, dann wollen wir uns gemeinsam dem fünften Gebot widmen. Die ersten drei Gebote betrachten das Verhältnis zwischen Gott und Mensch. Beim letzten Mal ging es um das vierte Gebot, das ein wenig überraschend war, weil es das Verhältnis zwischen Mensch und Schöpfungsordnung betraf.
Ihr habt sicher bemerkt, dass dieses Gebot eng mit dem Thema Arbeit verbunden ist. Warum? Weil der Mensch von seiner Berufung her dazu geschaffen ist, zu arbeiten. Oder, um es biblisch auszudrücken: Er soll die Erde bebauen und bewahren. Das bedeutet, wir sind auf Kreativität und Fortschritt ausgerichtet, aber gleichzeitig auch auf Bewahrung. Das ist unsere Berufung, sie steckt in uns drin.
Deshalb ist es so wichtig zu verstehen, dass wir uns dieser Schöpfungsordnung nicht einfach entziehen können. Wenn wir nun weiterlesen, wisst ihr schon: Die nächsten Gebote – das fünfte, sechste, siebte, achte, neunte und zehnte – drehen sich im Grunde um ein und dasselbe Thema. Es geht um Heiligkeit im Umgang zwischen Menschen.
Dabei geht es um Gebote wie: Du sollst nicht morden, du sollst nicht Ehe brechen, du sollst nicht lügen. Sogar Neid wird hier als verboten genannt. Doch ganz am Anfang, noch vor dem Gebot „Du sollst nicht morden“, das man als das Allerwichtigste im Zusammenleben ansehen würde, steht das Gebot, mit den Eltern richtig umzugehen.
Dieses Gebot nimmt in der Bibel einen sehr wichtigen Raum ein, vielleicht viel wichtiger, als uns das bewusst ist. Es taucht nämlich nicht nur in den Zehn Geboten auf, sondern schon viel früher – beziehungsweise in einem viel umfassenderen Sinn – in 3. Mose 19.
In den fünf Büchern Mose spricht Gott zur ganzen Gemeinde Israel. Dieses Gebot findet sich an zwei Stellen, und eine davon ist 3. Mose 19, ein Kapitel, das sich mit Heiligkeit beschäftigt. Wenn ihr jemals Bibelstellen aus dem Alten Testament auswendig lernt, wird 3. Mose 19 häufig dabei sein, denn dort stehen viele wichtige Aussagen.
Jetzt wollen wir uns anschauen, wie 3. Mose 19 beginnt. Wir lesen gemeinsam die ersten drei Verse: 3. Mose 19,1-3. Dabei geht es mir darum, dass ihr von Anfang an seht, wie zentral das Gebot ist, mit den Eltern richtig umzugehen.
Heiligkeit und der richtige Umgang mit den Eltern
Dritte Mose 19, und der Herr redete zu Mose: Redet zu der ganzen Gemeinde der Söhne Israel und sagt zu ihnen: Ihr sollt heilig sein, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig.
Deswegen stellt sich die Frage: Wie wird ein Mensch heilig? Was bedeutet es, im Angesicht Gottes heilig zu leben? Was heißt es, Gottes Heiligkeit widerzuspiegeln?
Und dann in Vers 3 heißt es: Ihr sollt jeder seine Mutter und seinen Vater fürchten. Das ist das Erste, was Gott hier sagt. Wir reden über Heiligkeit und den richtigen Umgang mit den Eltern.
Es geht dann weiter: Ihr sollt jeder seine Mutter und seinen Vater fürchten, und meine Sabbate sollt ihr halten. Ich bin der Herr, euer Gott.
Ihr merkt, Gott greift mitten in unser Leben hinein und hebt eben mal so zwei große Bereiche hervor, in denen Heiligkeit von besonderer Bedeutung ist.
Zum einen im zwischenmenschlichen Bereich. Wir werden uns gleich dieses Gebot genauer anschauen und feststellen, dass an diesem Gebot, Vater und Mutter zu ehren, sie zu fürchten und mit ihnen richtig umzugehen, letzten Endes der ganze soziale Umgang miteinander aufgehängt werden kann.
Zum anderen ist da der Sabbat. Die Frage ist: Welche Rolle spielt Arbeit in unserem Leben? Heiligkeit beginnt damit, dass wir miteinander und mit unserer Arbeitszeit, mit unserer Zeiteinteilung, richtig umgehen.
Das finde ich persönlich ganz interessant, weil wir ganz anders an die Sache herangehen würden. Wir würden ganz andere Gebote an den Anfang stellen.
Das Verhältnis der Kinder zu den Eltern im Alten Testament
Liest man im Alten Testament ein wenig über das Verhältnis der Kinder zu den Eltern, wird man feststellen, dass das, was über das Verhältnis zwischen Gott und Mensch gesagt wird, auch über das Verhältnis der Kinder zu den Eltern ausgesagt wird.
Wir wissen, dass Gott geehrt werden soll. In Sprüche 3 heißt es einmal: „Ehre den Herrn mit deinem Besitz.“ Wir wissen auch, dass Gott gefürchtet werden soll. Gott ist ein Gott, dem es zu fürchten gilt. An anderer Stelle steht, dass derjenige, der den Namen Gottes lästert, getötet werden muss. Das sind sehr drastische Aussagen.
Wer einmal das Alte Testament liest, besonders die fünf Bücher Mose, wird merken, dass genau dasselbe gilt: Das, was über das Verhältnis zwischen Gott und Mensch ausgesagt wird, wird auch über das Verhältnis der Eltern zu den Kindern gesagt.
So heißt es in 2. Mose 20,12 – wir sind hier wieder bei den Zehn Geboten: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit deine Tage lange währen in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt.“ Man soll die Eltern ehren.
Ebenso in 3. Mose 19,3, das wir gelesen haben, heißt es, man soll sie fürchten. Und ich weiß nicht, ob es euch auch so ging, als ihr das das erste Mal gelesen habt: In 3. Mose 20,9 steht: „Wenn irgendjemand seinem Vater oder seiner Mutter flucht, muss er getötet werden. Er hat seinem Vater oder seiner Mutter geflucht, ihr Blut ist auf ihm.“
Spätestens an dieser Stelle, denke ich, halten wir alle ein bisschen die Luft an und denken: Mann, ist das ernst! Das ist fast ein Stück zu ernst. Wie kann Gott es zulassen, dass das Verhältnis der Eltern zu den Kindern auf so einem hohen Niveau steht wie das Verhältnis des Menschen zu Gott?
Die Bedeutung der Eltern als Gottes Vertreter und die Familie als Fundament der Gesellschaft
Die Antwort lautet: Eltern repräsentieren Gott. Funktionierende Familien bilden die Grundlage für eine gesunde und funktionierende Gesellschaft. Als soziale Wesen müssen wir lernen, Verantwortung füreinander zu übernehmen.
Genau dafür hat Gott die Familie als den Ort vorgesehen, an dem wir diese Verantwortung lernen. Wenn in einer Gesellschaft die Familie zerbricht, dann zerbricht auch die Gesellschaft. Wer daran zweifelt, kann sich in Deutschland umsehen und feststellen, was das bedeutet.
Deshalb nimmt Gott dieses Gebot, deine Eltern zu ehren, sehr ernst – sowohl in der Aufforderung als auch in den Konsequenzen. Es geht hier nicht um ein Spiel, sondern um die grundlegende Frage, wie Eltern mit ihren Kindern umgehen sollen und natürlich auch umgekehrt.
Familie als Gottes Idee und die besondere Stellung der Frau
Ich möchte heute ein paar Gedanken zum Thema Familie einstreuen. Selten habe ich die Gelegenheit, mit euch darüber zu sprechen, deshalb mache ich es heute mal.
Familie in der Bibel ist eine Gruppe von Blutsverwandten. Man wohnt gewöhnlich gemeinsam unter einem Dach. Deshalb findet sich im Alten Testament der Begriff „Haus“ für Familie. Auch im Neuen Testament wird an einigen Stellen noch der Begriff „Haus“ für Familie verwendet. Wenn jemand ein Haus baut, bedeutet das oft, dass er eine Familie gründet.
Wie entsteht eine solche Familie? Nun, aus Mann und Frau, aus Ehe. Die Ehe ist Gottes Idee. Ein Mann und eine Frau sollen ein Leben lang aneinander kleben – so lautet dieses Wort. Sie sollen Kinder bekommen, einander helfen und in Gottes Sinn Herrschaft über diese Erde ausüben. So entsteht Familie.
Mann und Frau sind im Ebenbild Gottes geschaffen, zuerst der Mann, dann die Frau. Ich glaube, dass Gott sich richtig Mühe gibt, am Anfang deutlich zu machen, dass die Frau eine ganz besondere, bedeutende Stellung hat. Sie ist Ergänzung, sie ist Vollendung, und sie ist direkt vom Herzen des Mannes genommen.
Ich hasse den Gedanken, dass die Frau minderwertig sei. Deshalb denke ich gerne darüber nach, wie sich Adam wohl am Anfang gefühlt hat. In 1. Mose 2 steht, dass Adam die Tiere benennt, aber er ist allein und merkt, dass ihm etwas fehlt. Da läuft eine Giraffe vorbei – nein, die passt nicht zu ihm. Ein Tiger passt auch nicht, und dann ist da ein Stachelschwein, vielleicht schon besser, aber auch noch nicht ganz passend.
Dann schafft Gott es, dass Adam aufwacht und neben ihm jemand liegt. Plötzlich merkt er: Das ist es! Hört euch das mal an, und ihr müsst das mit der Begeisterung Adams lesen: 1. Mose 2,23 sagt: „Da sprach der Mensch: Diese endlich ist Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch; diese soll Männin heißen, denn vom Mann ist sie genommen.“
Das klingt jetzt nicht so spannend, deshalb übersetze ich es mal in modernes Deutsch: „Ey, endlich, da steht sie! Miss Eden, meine persönliche Freundin, meine Geliebte, meine Frau, wow!“ Das ist so ein bisschen der Gedanke. Es ist ein klein wenig anders ausgedrückt, aber genau das ist gemeint. Hier wacht jemand auf und sagt: „Endlich nicht mehr allein, endlich zu zweit!“
Die Frau ist ein Geschenk Gottes an den Mann. Sie ist keinesfalls das Heimchen am Herd – um das einmal deutlich zu sagen. Die Bibel kennt die Frau als die Herrin des Hauses, als jemanden mit Ausstrahlung und Gewicht.
Wer Sprüche 31 auch nur im Ansatz verstanden hat, weiß, dass es ein Text ist, den ich unglaublich stark finde. Ich denke, man muss viel mehr darüber nachdenken. Dort wird die Frau als Managerin beschrieben, als Mutter, die mit Erfolg und Autorität ihren Aufgabenbereich beherrscht. Sie ist der Stolz ihres Mannes und ihrer Kinder.
Sie ist nicht irgendein hilfloses Persönchen am Rockzipfel ihres Eheherren, sondern das Geheimnis hinter der Wirksamkeit ihres Mannes. Sie ist fleißig, gottesfürchtig, kompetent, voller Weisheit und auf eine sehr beruhigende Weise unabhängig. Das ist Sprüche 31.
Ich möchte einfach mal einen Vers daraus lesen: Sprüche 31,10 heißt es: „Eine tüchtige Frau, wer findet sie? Weit über Korallen geht ihr Wert.“
Jetzt werdet ihr sagen: Korallen kann ich in jedem Aquariumszubehörshop kaufen. Mag sein, ich bin da nicht so bewandert. Vielleicht sind Korallen heute nicht mehr so wertvoll. Heute würden wir vielleicht sagen: „Jetzt ist doch ein blauer Diamant über den Ladentisch gegangen. Für was? Acht Komma zwei Millionen?“ Ich habe es nur im Radio gehört, ich kann mir solche Zahlen nicht gleich merken.
Das ist die Frau, ja? Ein blauer Diamant. Du kannst ihren Wert, den Wert einer tüchtigen Frau, eigentlich nicht mit irgendetwas aufwiegen. Jeder Mann, der glücklich verheiratet ist, weiß: Du kannst mir bieten, was du willst, meine Frau kriegst du nicht. Denn das, was meine Frau mir gibt, geht weit über materiellen Wert hinaus.
Oder anders ausgedrückt: Mit der Erschaffung der Frau gibt es für Mann und Frau die Chance, über sich hinauszuwachsen. Deshalb heißt es in 1. Mose 2,24 – ein Vers, der gerne in Predigten bei Hochzeiten und Ähnlichem verwendet wird: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden ein Fleisch sein.“
Hier entsteht Familie. Sie entsteht aus einem Vater, der von Gott die Verantwortung bekommt, seine Familie zu führen, sie zu versorgen und zu beschützen. Dabei wird er von seiner Frau nach Kräften unterstützt. Die Kinder begegnen ihren Eltern mit Respekt und Ehrerbietung und gehen den Weg der Familie nach Kräften mit.
Ehe als Bund vor Gott und die Bedeutung der Liebe
Und deswegen ist die Ehe viel mehr als nur eine soziale Konvention, bei der jeder einfach heiratet und zum Standesamt geht. In der Bibel ist die Ehe Gottes Idee, Gottes Plan und Gottes Auftrag. Die Ehe ist ein Bund, den ich vor Gott schließe.
In Maleachi 2,14, in einer Zeit, in der Ehebruch offenbar an der Tagesordnung war, klagt Gott die Israeliten an. Dort heißt es auf die Frage, warum Gott kein Wohlgefallen mehr an den Opfern hat: "Ihr fragt, warum? Weil der Herr Zeuge gewesen ist zwischen dir und der Frau deiner Jugend, an der du treulos gehandelt hast, wo sie doch deine Gefährtin ist und die Frau deines Bundes."
In der Hochzeitsnacht fließt Blut. Braut und Bräutigam schließen miteinander einen Blutbund. Ich kann das ein bisschen romantischer ausdrücken, wenn ihr wollt. Im Hohelied 2,16 heißt es: "Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein." Oder im gleichen Buch, Kapitel 7, Vers 11: "Gehöre meinem Geliebten, und nach mir ist sein Verlangen."
Ich weiß nicht, ob ihr über diese Formulierungen schon einmal tiefer nachgedacht habt. Lieben heißt, sich zu verschenken. Wenn ich liebe, gehöre ich nicht mehr mir selbst. Es ist so, als würde ich mich nehmen und einem anderen schenken.
Merkt ihr, was das bedeutet? Wenn ich mich einem anderen schenke, bin ich selbst von mir weiter entfernt als von dem anderen. Ich stehe quasi näher bei dem anderen als bei mir, weil ich mich ihm geschenkt habe. Und wenn das wechselseitig ist, dann steht der andere mir näher als ich mir selbst.
Liebe heißt, sich zu verschenken und als Geschenk den anderen zu empfangen. Es findet fast ein Austausch statt: Der andere bin jetzt ich, und seine Bedürfnisse und Träume sind jetzt meine Träume. Ich möchte sie stillen. Wir sind nicht mehr wir selbst, sondern wir sind eigentlich der andere.
"Ich gehöre meinem Geliebten." Ich glaube, das ist eine Lektion, die wir ein Leben lang lernen müssen: Liebe heißt, sich zu verschenken, den anderen zu empfangen und quasi die Seele des anderen in den Händen zu halten. Dabei überlegen wir, wie wir mit diesem unglaublich kostbaren Geschenk umgehen.
Was heißt das für mich, dass meine Frau sich an mich verschenkt hat? Manchmal stehe ich vor unserem Hochzeitsbild. Ich habe drei Bilder in Reihe bei uns im Wohnzimmer stehen. Einmal sind wir beide noch in der Schule, kennen uns schon ein bisschen länger und haben uns gerade befreundet.
Dann ein Sprung sieben Jahre später: Da sehe ich einen ganz niedlichen Jürgen mit einer richtig fetten, altmodischen Brille und daneben eine ganz zarte kleine Bärbel. Dort haben wir geheiratet. Wir schauen ein bisschen unsicher in die Kamera.
Zwanzig Jahre sind seitdem vergangen, und dann gibt es ein Bild aus dem Jahr 2000, die ganze Familie. Ich schaue auf das mittlere Bild, wo sie im weißen Kleid ist und ich in meinem engen schwarzen Anzug, etwa 25 Kilo leichter – ein Strich in der Landschaft.
Ich denke dann: Wir schauen da so in die Gegend und wissen eigentlich nicht, was auf uns zukommt. Wir sind genauso schüchtern wie die kleinen Blumenmädchen, die vor uns stehen. Dann schaue ich meine Frau an, und mein Blick wandert weiter zu der Frau, die sie heute ist.
Ich denke mir: Diese junge Frau hat sich an mich verschenkt. Und ich durfte mit ihr leben, sie genießen, sie erfahren, ihr dienen und sie lieben. Wahnsinn! Das berührt mich sehr tief.
Ich glaube, diese Lektion, dass Liebe heißt, sich zu verschenken, den anderen zu empfangen und dann dafür verantwortlich zu sein, was aus dem anderen wird, ist eine der Lektionen, die wir ein Leben lang lernen und immer wieder lernen müssen.
Deswegen ist die Ehe als Bund auch etwas, das man nicht einfach auflösen kann. Die Ehe ist etwas, für das wir eine große Verantwortung tragen, damit sie gelingt und schön wird – immer schöner.
Ich möchte euch Mut machen. Ich weiß nicht, wo ihr mit euren Beziehungen steht. Wir haben auch eine Ehe hinter uns, die durch zwei, drei heftige Turbulenzen gegangen ist. Ich kann nur sagen: Bleibt dran! Mit Gottes Hilfe kann das wirklich gelingen, und es lohnt sich, dran zu bleiben.
Familie als Ort der Erziehung und gemeinsamer Dienst
Und dann drehen sich Eheleute natürlich nicht nur umeinander, sondern sie bauen gemeinsam an Gottes Reich.
Zuerst einmal heißt Gottes Reich bauen – das klingt immer so bombastisch – erst einmal, dass wir Gottes Reich ganz im Kleinen bauen. Das fängt meist mit einem Menschen an, manchmal starten Leute auch gleich mit zweien. Aber meistens beginnt es mit einem. Dann haben wir diesen Menschen, und es geht darum, mit ihm Erziehung zu üben.
Erziehung ist etwas Superspannendes. Ich habe gerade wieder angefangen, das Buch "Lob der Disziplin" zu hören. Dort heißt es ganz am Anfang: Für Erziehung gibt es keine Patentrezepte. Es ist immer irgendwie neu, immer ein Spannungsfeld und eine Herausforderung. Es geht immer darum, das einzelne Kind zu sehen und in der jeweiligen Situation mit Weisheit das Richtige zu tun. Da sage ich Amen, ja, das stimmt.
Trotzdem gibt uns die Bibel Hinweise darauf, was zur Erziehung dazugehört. Für mich ist der vielleicht wertvollste Satz in 5. Mose 6 zu finden. In 5. Mose 6, Vers 6 und Vers 7 heißt es:
„Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen in deinem Herzen sein.“ Erziehung beginnt damit, dass ich verstehe, was Gott mir zu sagen hat.
Dann heißt es weiter in Vers 7: „Und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt und wenn du auf dem Weg gehst, wenn du dich hinlegst und wenn du aufstehst.“
Die Verantwortung, die wir als Eltern für die moralische und religiöse Erziehung unserer Kinder haben, besteht darin, das, was wir von Gott empfangen haben, an sie weiterzugeben.
Und das will ich ganz deutlich sagen: Das ist nicht die Aufgabe der Gemeinde. Bitte zieht euch nicht zurück und überlasst eure Kinder der Kinderstunde oder dem Sola und sagt: Na ja, wenn die das machen, dann ist das ja gut. Das stimmt nicht. Es ist die Aufgabe der Eltern.
Und das ist so gut, denn in der Bibel gibt es ein ganzes Buch nur mit Erziehungstipps. Was soll ich meinem Kind weitergeben? Das Buch der Sprüche ist ein Erziehungsbuch. Wenn du es nicht glaubst, lies wenigstens das erste Kapitel heute Abend. Du wirst feststellen, dass der Autor erklärt, dass er dieses Buch geschrieben hat, um Kinder und auch Leute, die vielleicht später denken, sie könnten noch ein bisschen Weisheit gebrauchen, dazu zu bringen, zu wissen, was richtig und falsch ist.
Es ist ein super Buch. Also, wenn du frisch zum Glauben gekommen bist oder selbst, wenn du einfach mal wissen möchtest, wie man richtig lebt, studiere das Buch der Sprüche.
Die Verantwortung der Eltern und die Verheissung der Erziehung
Vater und Mutter sind für die geistliche Erziehung zuständig, und die Väter tragen die abschließende Verantwortung. Das Schöne daran ist, dass es im Buch der Sprüche eine Verheißung gibt. Diese Verheißung besagt, dass dort, wo wir diesen Erziehungsauftrag ernst nehmen, ein Weg entsteht, der unsere Kinder zum Glauben führt.
Ich möchte diese Verheißung nicht vorenthalten, denn für mich ist sie vielleicht die schönste Verheißung der Bibel. Als Vater, der täglich für seine Kinder betet, weiß ich, dass ich zwei Menschen im Himmel sehen möchte. Das klingt vielleicht brutal, denn ich kann fast auf jeden anderen verzichten. Ich wünsche mir zwar, dass alle dabei sind, aber wenn man mich fragt, wer mir am wichtigsten ist, dann sage ich ganz einfach: Meine zwei Mädels. Die möchte ich unbedingt dabei haben.
Ich möchte nicht im Himmel sein und dann denken: „Schade, hättest du das damals doch anders gemacht.“ Das würde mich innerlich sehr beschäftigen. Ich glaube, das ist es, was in Sprüche 22,17-19 steht. Dieser Vers lohnt sich wirklich, wenn man Kinder hat, genau zu studieren.
Wir kommen gleich zum Thema „Eltern ehren“, denn wir stehen kurz davor. Aber vorher noch dieser Gedanke: Dort heißt es: „Neige dein Ohr.“ Das kann entweder ein Lehrer zu einem Schüler sagen oder ein Vater oder eine Mutter zu ihrem Kind. „Neige dein Ohr und höre die Worte von Weisen, und richte dein Herz auf meine Erkenntnis.“
Denn lieblich ist es, wenn du sie in deinem Inneren bewahrst. Sie mögen sich alle miteinander auf deinen Lippen bereithalten. Damit dein Vertrauen auf dem Herrn steht, belehre ich dich heute gerade dich.
Ich weiß, das geht jetzt wahrscheinlich sehr schnell, aber „Neige dein Ohr“ ist die Aufforderung zuzuhören. „Höre die Worte von Weisen“ bedeutet, dass jemand zu dem Kind spricht. „Richte dein Herz auf meine Erkenntnis“ – das Herz hat im Alten Testament viel mit dem Denken zu tun. Versuche zu verstehen, was ich dir zu sagen habe.
Denn lieblich ist es, wenn du sie in deinem Inneren bewahrst. Erziehung hört nicht dort auf, wo ich dem Kind einen Bibelvers beibringe, sondern dort, wo ich dafür sorge, dass das, was es lernt, im Inneren bleibt – also wirklich verstanden wird.
Denn „sie mögen sich alle miteinander auf deinen Lippen bereithalten“ bedeutet: Das Ziel der Erziehung ist, dass unsere Kinder fähig werden, das, was wir ihnen beigebracht haben, weiterzugeben. Es bleibt nicht nur als abstraktes Kopfwissen oben im Kopf oder als Wahrheit, die man einmal verinnerlicht hat.
Geistliche Kindererziehung ist dann beendet, wenn Kinder die Wahrheiten, die sie gelernt haben, an die nächste Generation weitergeben können.
Die Verantwortung der Kinder gegenüber den Eltern
Und jetzt merkt ihr, was das bedeutet. Auf der einen Seite steht 5. Mose 6,6-7: Kümmere dich darum, dass das, was du von Gott empfangen hast, wirklich weitergegeben wird. Das Ziel dieser Weitergabe ist, dass wir unsere Kinder befähigen, das, was sie gehört haben, zu durchdenken, zu bewahren, anzuwenden und an die nächste Generation weiterzugeben.
Dann gibt es die Verheißung: „Damit dein Vertrauen auf dem Herrn steht, belehre ich dich heute, gerade dich.“ Belehrung hat das Ziel, Glauben zu wecken – eine fantastische Idee. Wenn du noch Kinder hast, die in diesem Alter sind, wünsche ich dir, dass dir das gelingt. Ich weiß, wie herausfordernd diese Momente sind, in denen man Kinder belehren will. Aber ich bitte euch einfach, diese Zeit nicht vorbeirauschen zu lassen.
Es ist ein kleines Zeitfenster, das wir haben, vielleicht von sechs bis zwölf Jahren. In dieser Zeit kann man mit den Kindern ganz intensiv über das Wort Gottes nachdenken. Das ist die Verantwortung der Eltern in der Familie.
Jetzt drehen wir das mal um und fragen: Was ist die Verantwortung der Kinder? Wir haben gelesen, dass Kinder ihre Eltern ehren sollen. Was heißt ehren?
Drei Dinge: Erstens ehren Kinder ihre Eltern dadurch, wie sie über sie denken und reden. Anders ausgedrückt: Was ich ehre, ziehe ich in Gedanken und Worten nicht in den Schmutz.
Der zweite Aspekt: Hier möchte ich euch erst einmal aus den Psalmen etwas vorlesen. Psalm 91,15 sagt über den Messias: „Er ruft mich an, und ich antworte ihm; ich bin bei ihm in der Not, ich befreie ihn und bringe ihn zu Ehren.“ Hier steht das gleiche Wort wie in 2. Mose 20.
Ich habe diese Stelle gewählt, um zu zeigen, dass zum Ehren dazugehört, dass ich mich um jemanden kümmere, seine Nöte erkenne und sie beseitige, auf seine Bedürfnisse eingehe. Ehren heißt, die Bedürfnisse erkennen und stillen, sich um jemanden kümmern.
Der dritte Punkt, den wir schon gesehen haben, kommt aus dem Begriff „fürchten“: Indem ich ehrfürchtig und gehorsam mit meinen Eltern umgehe. Quengelnde, ungehorsame Kinder ehren ihre Eltern nicht.
Grenzen des Gehorsams und die Rolle Gottes Wort
Allerdings muss man an dieser Stelle vorsichtig sein, wenn man das so pauschal sagt.
Im Epheserbrief 6,1 heißt es: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern im Herrn.“ Das ist ein Vers, den meine Kinder sehr früh auswendig gelernt haben. „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern im Herrn.“ Die Betonung liegt hier auf „im Herrn“ – nicht einfach „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern“, Punkt. Es steht ausdrücklich „im Herrn“.
Das bedeutet, dass es in letzter Konsequenz nicht darum geht, dass die Eltern zu Ersatzgöttern werden und fordern können, was sie wollen. Die oberste Kontrollinstanz bleibt Gott und sein Wort. Gehorsam ist immer im Herrn und nicht losgelöst von ihm.
Deshalb gilt auch in dem Verhältnis zwischen Kindern und Eltern, was in Apostelgeschichte 5,29 steht: Wir sollen Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Wenn ich sage, wir sollen unsere Eltern nicht in den Schmutz ziehen, so wie wir über sie reden, sondern uns um sie kümmern und ihnen gehorsam sein, dann stelle ich mir die Frage: Gibt es eigentlich Grenzen? Soll ich meine Eltern ehren? Ich denke, es gibt Grenzen.
Ich möchte drei Punkte dazu ansprechen und abgrenzen, was es bedeutet, gut zu reden und zu denken – beziehungsweise was es nicht bedeutet.
Es heißt nicht, dass wir die Fehler unserer Eltern einfach unter den Tisch kehren. Kinder haben das Recht und ich denke auch in einer christlichen Familie sogar die Pflicht, Eltern auf ihre Sünde hinzuweisen.
Es ist eines der großen Vorrechte, dass wir gemeinsam unter dem Wort Gottes stehen. Ich erinnere mich an diverse Familienbesprechungen, in denen meine Kinder gesagt haben: „Papa, du hast uns im Bibelfest beigebracht, dass das und das da drin steht, und das machst du nicht.“
In solchen Momenten ist es wichtig, dass wir das tun, was ein guter Christ tut: nämlich sagen, „Okay, wenn du recht hast und ich das wirklich so gemacht habe, dann muss ich mich bei dir entschuldigen und um Vergebung bitten. Das geht so nicht.“
Selbst wenn wir nicht in einer christlichen Familie aufwachsen, sondern ganz normale Eltern haben, die vielleicht nicht super gut in ihrer Erziehung waren, müssen wir aufpassen, wie wir über sie reden.
Ich hatte auch nicht den Traumvater. Trotzdem, wenn ich das Gebot höre, Vater und Mutter zu ehren, dann heißt das nicht, dass ich jedem von ihren Verfehlungen erzähle und völlig vergesse, was sie mir Gutes getan haben.
Ich denke, wir müssen vorsichtig sein, wie wir über unsere Eltern sprechen.
Die Versorgung der Eltern und die Gefahr von Missbrauch
Der zweite Punkt ist, für die Bedürfnisse der Eltern da zu sein. In Matthäus Kapitel 15 greift Jesus dieses Thema auf. Dort zeigt er, wie das Gebot im Neuen Testament missachtet wurde.
In Matthäus 15,4-6 heißt es: "Denn Gott hat gesagt: Ehre den Vater und die Mutter, und wer Vater oder Mutter flucht, soll des Todes sterben. Ihr aber sagt: Wer zum Vater oder zur Mutter spricht, eine Opfergabe sei das, was du von mir an Nutzen haben würdest, der braucht seinen Vater oder seine Mutter nicht zu ehren. Und ihr habt so das Wort Gottes ungültig gemacht um eurer Überlieferung willen."
Jesus greift hier zurück auf das Gebot, dass wir Vater und Mutter ehren sollen. Wer das nicht tut, begeht ein schwerwiegendes Vergehen. Doch was wurde zur Zeit Jesu gelehrt? Es gab Menschen, die sagten: Wenn jemand zu seinen Eltern spricht, dass eine Opfergabe das sei, was er von ihnen an Nutzen haben würde, dann müsse er seine Eltern nicht ehren. Damit machten sie das Wort Gottes ungültig, um ihre eigenen Überlieferungen durchzusetzen.
Hier steht jemand, der sagt: "Ich möchte meinen Eltern nichts geben." Die Eltern sind in einer Zeit ohne Sozialsystem oft auf die Versorgung durch ihre Kinder angewiesen. Doch manche weigern sich, diese Verantwortung zu übernehmen. Ein schlauer Mensch meinte, wenn man das, was eigentlich den Eltern zusteht, stattdessen dem Tempel spendet, dann sei man von der Pflicht entbunden. So bleibt das eigentliche Gebot Gottes auf der Strecke.
Das ist die eine Seite: Menschen versuchen, die Versorgung ihrer Eltern zu umgehen. Vielleicht, weil sie innerlich wütend sind oder schlechte Erfahrungen gemacht haben und sagen: "Ich will meine Eltern nicht unterstützen." Wir müssen darauf achten, die Bedürfnisse unserer Eltern nicht einfach zu ignorieren.
Auf der anderen Seite besteht eine andere Gefahr: Können Eltern mit ihren Ansprüchen für ihre Kinder eine enorme Last werden? Gibt es Familien, die unter der Pflege alter Eltern zerbrechen? Es ist gefährlich, wenn aus dem Gebot, die Eltern zu ehren, ein Herrschaftsinstrument wird, mit dem Eltern ihre Kinder ein Leben lang drangsalieren und manipulieren.
In solchen Situationen empfehle ich, wie bei vielen Fragen der Weisheit, die unterschiedlichen Schutzziele im Leben sorgfältig abzuwägen. Das Thema "Eltern ehren" ist ein wichtiger Punkt, den Gott betont, aber es ist nicht der einzige. Man muss diese verschiedenen Ziele gegeneinander abwägen. Das erfordert viel Weisheit.
Trotzdem bleibt dieses Gebot bestehen: Wir können unsere Eltern nicht einfach vergessen oder ignorieren. Wir sollen versuchen, soweit es uns möglich ist – wie es in Römer 12,18 heißt – mit allen Menschen in Frieden zu leben. Das gelingt nicht immer, aber wir sollten es nicht leichtfertig umgehen.
Es ist ein Gebot, das in der Bibel steht. Wir sollen unseren Eltern gehorsam sein, aber dieser Gehorsam endet natürlich, wenn wir erwachsen werden. Das Ziel ist, eine eigene Familie zu gründen und nicht ewig Kind zu bleiben.
Wie wir vorhin gelesen haben, muss der Mann seine Eltern verlassen und seiner Frau anhängen. Wenn man erwachsen ist, sind die Eltern zwar noch Ratgeber, aber nicht mehr die Hauptbezugspersonen. Eine Familie muss ihren eigenen Weg finden.
Praktische Aspekte des Eltern-Ehrens
Was heißt es, die Eltern zu ehren? Es bedeutet, in guter Weise über sie zu denken und zu reden. Es heißt auch, ihre Bedürfnisse zu erkennen, zu erfüllen und zu stillen, sich um sie zu kümmern und sie nicht einfach allein zu lassen. Außerdem bedeutet es, in angemessener Weise auf sie zu hören.
Als Kinder ist die Frage klar: Sollen wir tun, was die Eltern sagen? Ich denke, als Erwachsene sind sie gute Ratgeber an unserer Seite.
Lesen wir noch einmal Kapitel sechs im Epheserbrief, die ersten drei Verse, Kapitel 6,1-3:
"Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern im Herrn, denn das ist Recht! Ehre deinen Vater und deine Mutter, das ist das erste Gebot mit Verheißung, damit es dir wohl gehe und du lange lebst auf der Erde."
Dieses Gebot, die Eltern zu ehren, wird von Paulus besonders hervorgehoben. Er sagt, es ist das erste Gebot mit einer Verheißung: "Damit es dir wohl gehe und du lange lebst auf der Erde." Wenn Paulus das hier zitiert, weiß er natürlich, dass es ursprünglich in einem sehr engen Zusammenhang mit dem Volk Israel gesagt wurde. Aber er sieht darin ein Prinzip, das ganz allgemein gilt: Gottes besonderer Segen liegt auf dem, der seine Eltern ehrt – langes Leben!
Wir leben jetzt in einer gefallenen und sündigen Welt. Nicht jeder, der seine Eltern ehrt, hat auch die Chance, den Segen eines langen Lebens zu genießen. Das ändert jedoch nichts an dem Grundsatz: Wer wohlergehen und lang leben will, dessen Umgang mit den Eltern ist entscheidend.
Die Israeliten haben das Gegenteil erfahren. In Ezechiel heißt es einmal, dass die babylonische Gefangenschaft eine Folge davon ist, dass man die Eltern verachtet hat. Dort wird das Leben im Land begrenzt, weil der Umgang mit den Eltern falsch war.
Die Lektionen des verantwortlichen Handelns und der Barmherzigkeit in der Familie
Wenn das vierte Gebot mit der Schöpfungsordnung zu tun hat, dann verfolgt das fünfte Gebot das Ziel, dass wir brauchbare Mitglieder einer Gesellschaft werden. Die wesentlichen Lektionen dazu lerne ich im Umgang mit meinen Eltern.
Ich denke, es sind zwei Dinge, die man im Umgang mit seinen Eltern lernt. Das eine hat mit verantwortlichem Handeln zu tun, das andere mit Barmherzigkeit.
Dieses verantwortliche Handeln lerne ich im Elternhaus, indem ich zwei Dinge zusammenbringe. Zum einen muss ich Gehorsam lernen. Zum anderen muss ich Weisheit lernen.
Warum ist es nötig, im Elternhaus Gehorsam zu lernen? Es ist notwendig, weil ich als Kind lernen muss, dass nicht immer alles nach meiner Lust geht. Ich muss lernen, etwas zu tun, wenn ein anderer mir das sagt.
Ich erinnere mich an ein Gespräch, das meine Tochter mit einer Freundin führte. Diese Freundin war gerade dabei, in die Magersucht abzurutschen. Die beiden unterhielten sich, und meine Tochter fragte das junge Mädchen: „Warum sagen deine Eltern dir nicht, dass du einfach essen sollst?“ Die Freundin antwortete: „Wie, würdest du einfach essen, wenn dein Vater dir sagt, du sollst essen?“ Meine Tochter sagte: „Na klar, logisch würde ich das machen. Wenn mein Vater sieht, dass hier ein Problem entsteht und mir sagt, iss was, dann würde ich essen.“ Daraufhin sagte das Mädchen: „Mann, hast du es gut, dass du gelernt hast, auf deine Eltern zu hören. Das habe ich nicht gelernt. Wenn meine Eltern mir etwas sagen, dann tue ich das nicht.“
Wenn man glaubt, dass Gehorsam kein Thema in der Erziehung ist, empfehle ich das Buch „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“. Es ist ein fantastisches Buch. Wenn du wissen willst, wo ein Großteil unserer gesellschaftlichen Probleme herkommt, glaube ich, dass Michael Winterhoff eine gute Analyse liefert.
Wer keine ganzen Bücher lesen möchte, sondern nur ein Kapitel mit guten Informationen sucht, dem empfehle ich „Generation Doof“. Dort gibt es ein Kapitel mit dem Titel „Erziehung so leicht, dass sie sogar in Milch schwimmt“. Das ist eine klare Analyse dessen, was momentan passiert.
Wir sind eine Gesellschaft geworden, in der das Wort „Gehorsam“ fast zum Unwort geworden ist. Kinder wachsen auf, die Angst haben und den Schutzraum Familie verloren haben. Früher sagte ein verantwortlicher Vater: „Stopp! Hier ist ein Stoppschild. Bis hierher kannst du gehen, das ist sicher, bis hier passe ich auf dich auf, aber darüber hinaus gehst du bitte nicht.“ Das ist ein Schutz für Kinder. Deshalb müssen Kinder in der Familie Gehorsam lernen.
Das zweite, was sie lernen müssen, ist Weisheit. Sie müssen verstehen, was richtig und falsch ist. Sie haben das Recht darauf, dass Eltern ihnen Gottes Wort beibringen und ihnen das Wort Gottes einschärfen.
Wenn Eltern das tun, lernen Kinder sehr schnell drei Dinge. Erstens: Sie lernen, dass es einen Standard gibt, nach dem die Familie lebt. Dieser Standard muss Wahrheit sein. Wenn du selbst nicht nach der Bibel lebst, kannst du dir das sparen. Aber wenn du sagst, die Bibel ist mein Standard und ich richte mein Leben danach aus, dann kannst du deinem Kind sagen: „Hier sind die Gebote, die Regeln, die Ideen, denen wir folgen.“
Wenn du das tust, wird das Kind merken, dass die Bibel funktioniert. Es kommt vielleicht nach Hause und erzählt, was in der Schule passiert ist. Du kannst dann sagen: „Hey, wir haben uns doch schon mal über diesen Punkt unterhalten. Was sagt die Bibel dazu?“ So kannst du es dem Kind nahebringen. Das Kind wird verstehen: „Boah, die Bibel, dieses alte Buch, hat sogar mir etwas zu sagen.“ Es entsteht ein feines Gewissen.
Das Kind lernt noch einen dritten Punkt: Nicht nur, dass es einen Standard gibt, der sogar über Papa steht, und nicht nur, dass die Bibel ein sehr brauchbares Buch im einundzwanzigsten Jahrhundert ist, sondern auch, dass dieser kleine, süße Fratz ein ziemlich großer Sünder ist. Wenn es merkt, was richtig ist, merkt es auch, dass es das nicht immer schafft.
Dann kann vielleicht Folgendes passieren: Ich habe hier eine Folie aus einem Erziehungsvortrag mitgebracht, den wir einmal gehalten haben. Ich glaube, die Ziele der Kindererziehung sind gar nicht so viele.
Kinder müssen am Anfang lernen, dass es richtig und falsch gibt. Sie müssen tatsächlich Gehorsam lernen – nicht nur, damit sie nicht auf die Straße rennen, wenn wir „Stopp“ sagen, sondern als Prinzip. Das Mittel dafür ist Bestrafung. Wir müssen Grenzen setzen. Dabei bin ich definitiv gegen Kindesmisshandlung – das möchte ich an dieser Stelle klarstellen.
Ab etwa dem Alter der Einschulung bis zur beginnenden Pubertät geht es um das Thema, was richtig und falsch ist. Kinder fangen an zu denken, zu lesen und können Dinge gut auswendig lernen. Das Ziel der Erziehung in dieser Phase ist, dass sie Gottes Wort kennenlernen. Das Mittel ist nun nicht mehr Bestrafung, sondern Unterweisung und Vorbild.
Wie ich es vorhin in Sprüche 22 angedeutet habe: Ein Kind wird Stück für Stück weitergeführt. Ich hoffe für jeden von euch, dass dieser Punkt erreicht wird, an dem ein Kind von ganzem Herzen umkehrt, Buße tut und sagt: „Ich möchte mit Gott leben.“ Dann habe ich plötzlich nicht nur eine Tochter, sondern eine Schwester in Christus.
Dann kann ich auf den dritten Teil eingehen: Wie lebt man eigentlich mit Gott? Dort sind wir ein Team, beten miteinander, versuchen, Freunde zu erreichen – die Freunde der Kinder genauso wie die Kinder, die mir helfen, Gemeindebau zu machen. Ich kann in Urlaub fahren, und der Brüderkreis trifft sich bei uns zu Hause, weil die Kinder sich um die Bewirtung kümmern. Das ist doch logisch, man muss nicht immer dabei sein.
So klappt das einfach, man wird ein Team, hat gemeinsame Ziele und trifft sich morgens und sagt: „So, jetzt lasst uns mal überlegen, was heute ansteht.“ Das ist der letzte Schritt. Er setzt voraus, dass ich es mit kleinen Christen zu tun habe, die wirklich mit Gott leben.
Das heißt auch, dass wenn wir nach Spandau umziehen und nicht wissen, ob das der richtige Weg ist, ich nicht sage: „Na ja, mal überlegen, ob ich das für richtig halte.“ Sondern meine Frau und ich als Familie gemeinsam beten und ringen. Die Frage „Sollen wir umziehen? Ist das der richtige Weg für uns?“ wird zusammen entschieden.
Bevor ich diesen Schritt gehen kann, bevor ich Kinder in die Praxis einführen kann, heißt das Mittel Jüngerschaft. Diese zwei Schritte – Gehorsam und Weisheit – kann ich meines Erachtens nur in einer funktionierenden Familie wirklich gut lernen.
Wer seine Eltern ehrt, zuhört und von ihnen lernt, ist ein wirklich gesegneter Mensch – zumindest dann, wenn die Eltern ihren Job richtig machen.
Ich habe gesagt, verantwortliches Handeln ist eine Sache, die wir in der Familie lernen. Verantwortliches Handeln bedeutet, dass ich weiß, dass sich nicht alles um mich dreht und dass ich einen Maßstab habe, an dem ich mich orientieren kann. Letztlich werde ich in der Familie auf ein Leben mit Gott hingeführt.
Der zweite Punkt ist, dass wir Barmherzigkeit in der Familie lernen. Das sieht man vielleicht schon am Umgang unserer Eltern mit ihren Eltern. Spätestens aber, wenn unsere Eltern Hilfe brauchen, muss ein Kind einsehen, wie wichtig es ist, sensibel auf die Nöte anderer Menschen einzugehen.
Soziale Verantwortung als Ausdruck von Barmherzigkeit
Es gibt eine sehr schöne Stelle in der Bibel: „Erinnert euch an die Verheißung: Wer seine Eltern ehrt, wird lang leben.“ Diese Verheißung findet sich an einer anderen Stelle noch einmal, und zwar in 5. Mose 22,6-7.
Vielleicht seid ihr an dieser Stelle erstaunt: 5. Mose 22,6-7 sagt, dass, wenn du zufällig ein Vogelnest auf dem Weg findest – sei es auf einem Baum oder auf der Erde – mit Jungen oder Eiern, und die Mutter sitzt auf den Jungen oder Eiern, du die Mutter nicht nehmen darfst. Du sollst die Mutter unbedingt fliegen lassen. Die Jungen aber darfst du dir nehmen, damit es dir gut geht und du deine Tage verlängerst.
Das ist ein interessantes Gebot. Manchmal liest man solche Gebote und denkt: „Hä? Sie sagt, ich werde deine Tage verlängern, wenn du bei einem Vogelnest die Mutter fliegen lässt.“ Was ist der Gedanke dahinter?
Im Alten Testament haben wir es oft mit einer kasuistischen Gesetzgebung zu tun. Das bedeutet, es wird ein Fallbeispiel beschrieben, und man soll das Prinzip dahinter verstehen und auf andere Situationen übertragen. Ihr kennt das vielleicht von einem anderen Beispiel im Neuen Testament, das die Versorgung von Evangelisten betrifft (1. Korinther 9) und von Ältesten (1. Timotheus 5).
Paulus zitiert dort einen Vers, der nicht besonders schmeichelhaft für Älteste oder Evangelisten ist. Er sagt: „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden.“ Im Alten Testament gibt es das Prinzip, dass ein Ochse, der über das Getreide läuft und es drischt, das Recht hat, sich davon zu fressen. Es wäre nicht in Ordnung, ihm das Maul zu verbinden, wenn er den ganzen Tag arbeitet und vor sich das Futter sieht.
Dieses Prinzip, das für Ochsen gilt, formuliert Paulus im Neuen Testament etwas netter: „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert.“ Er überträgt dieses Prinzip auf Evangelisten und Älteste und sagt, dass, wenn jemand in der Gemeinde arbeitet, er auch von der Gemeinde leben soll – so wie der Ochse von dem, was er drischt.
Ich mache das jetzt hier mit 5. Mose 22,6-7 genauso: Es ist ein kleiner Fall, den ich auf ein größeres Prinzip übertragen möchte. Was ist das Prinzip dahinter? Warum darf ich nicht die Mutter nehmen? Weil sonst die Jungen schlichtweg verhungern. Es hat mit Sensibilität zu tun. Es zeigt, dass wir mit Leben nicht grausam umgehen dürfen.
Ich darf mir zwar die Jungen nehmen, das ist nicht der Punkt. Ich darf sie auch zubereiten und essen. Aber ich darf nicht grausam sein. Ich habe eine Verantwortung für das Schwache. Das ist das Prinzip, das hier zum Ausdruck kommt. Dieses Prinzip zieht sich tatsächlich durch die ganze Bibel: Ich habe eine Verantwortung für das Schwache.
Diese Lektion müssen wir in der Familie im Umgang mit den Eltern lernen, indem wir soziale Verantwortung übernehmen. Vielleicht fängt das nur damit an, dass wir für die kranke Mutter einkaufen gehen. Das ist vielleicht der erste kleine Schritt, aber es ist ein wichtiger Schritt.
In der Familie lerne ich, was es bedeutet, dass ich nicht allein auf der Welt bin. Mein Leben besteht nicht nur aus Individualismus, ich mache, was mir gefällt, sondern ich bin Teil einer Gemeinschaft. Das ist eine sehr wichtige Lektion.
Deshalb kann Gott – ich springe jetzt mal zu 5. Mose 15,7-8 und 11 – sagen:
„Wenn es einen Armen bei dir gibt, irgendeinen deiner Brüder in einem deiner Tore in deinem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt, dann sollst du dein Herz nicht verhärten und deine Hand vor deinem Bruder, dem Armen, nicht verschließen, sondern du sollst ihm deine Hand weit öffnen und ihm willig ausleihen, was für seinen Mangel ausreicht. Denn der Arme wird nicht aus dem Land verschwinden. Darum befehle ich dir: Deinem Bruder, deinem Elenden und deinem Armen in deinem Land sollst du deine Hand weit öffnen.“
Hier sind wir bei sozialer Verantwortung angekommen, und das zieht sich durch das Alte Testament. Hiob ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie soziale Verantwortung aussieht. Wenn ihr wissen wollt, wie soziale Verantwortung buchstabiert wird, lest Hiob 29,12-16.
Hiob fragt sich immer wieder, ob er einen Fehler gemacht hat. Seine Freunde sagen, er sei ein Sünder wie alle anderen. Doch Hiob kann sich hinstellen und sagen:
„Denn ich befreite den Elenden, der um Hilfe rief, und die Waise, die keinen Helfer hatte. Der Segenswunsch des Mutlosen kam auf mich, und das Herz der Witwe ließ ich jauchzen. Ich kleidete mich in Gerechtigkeit, mich bekleidete wie ein Oberkleid und Kopfbund mein Recht. Ich wurde dem Blinden zum Auge und dem Lahmen zum Fuß. Ich war ein Vater für die Armen, und den Rechtsstreit dessen, den ich nicht kannte, untersuchte ich.“
Das ist soziale Verantwortung. Ich könnte noch viele Sprüche zitieren, die immer wieder zeigen: Wer sich über den Elenden erbarmt, wird gesegnet. Wer den Elenden, Armen, die Witwe und die Waise einfach links liegen lässt, gegen den ist Gott.
Die Frage ist: Wenn der Tenor lautet, denen zu helfen, die sich nicht selbst helfen können, wenn es darum geht, soziale Verantwortung zu übernehmen – wo lernen wir das?
Die Antwort der Bibel lautet: Wir lernen das in der Familie. Wir lernen es dort, wo wir die Eltern ehren, ihre Bedürfnisse erkennen und stillen. Dort begreifen wir, weil wir an dieser Stelle charakterlich geformt werden, dass diese Verantwortung über die kleinste Zelle der Gesellschaft, das Elternhaus, hinausgeht und letztlich den Menschen gilt, die Gott uns wie den barmherzigen Samariter zum Nächsten macht.
Eine Gesellschaft, in der sich die Kinder nicht um die Eltern kümmern und diese Lektion nicht lernen – sowohl die Lektion des Gehorsams und der Weisheit, also der Verantwortung, als auch die Lektion der Barmherzigkeit – hat auch kein Interesse am Leid anderer Menschen.
Es erschreckt mich zu sehen, was momentan in unserer Gesellschaft passiert. Ich finde es doppelt furchtbar, wenn heute Kinder heranwachsen, ohne verantwortliches Handeln und Barmherzigkeit zu lernen, weil ihnen niemand sagt, dass das wichtigste Gebot im gesellschaftlichen Miteinander das Gebot ist, die Eltern zu ehren.
