Einstimmung und Einladung zum Gebet
Wir wollen still werden und beten. Herr, wir danken dir für diesen Sonntag.
Herr, wir danken dir, dass du uns hierhergeführt hast. Du hast uns die Kraft gegeben, die Gesundheit, solche Räume und solche Freiheit – als ob das selbstverständlich wäre. So loben wir zuerst deinen großen Namen. Wir beten dich an und bitten dich, dass du uns reinigst von allem, was uns hindert, dein Wort zu hören.
Nimm alles weg, was uns jetzt von deinem Wort abziehen will. Gib uns offene Ohren und vor allem ein offenes Herz.
Ich grüße Sie alle zu dieser mittagsschlafenden Stunde.
Ein Traum vom Himmel und die Bedeutung der Plätze
Ich hatte einen Traum, der so modern war – man muss ja heute Träume haben. Schlimm ist nur, wenn man sie wirklich ernst nimmt. Aber ich hatte so einen Traum. Vielleicht war es ein Wachtraum oder ein Tagtraum, das spielt auch überhaupt keine Rolle. Auf jeden Fall war ich im Himmel.
Dort befand ich mich in einem großen, herrlichen Saal. Er war viel schöner und viel größer als dieser hier, obwohl es hier in Eidlingen fast schon wie im Himmel ist – mit den verschiedenen Rängen und Polstern. Ich fragte voll Neugier: „Ist er besetzt?“ und wollte wissen, wer denn in den Himmel gekommen sei, wer in diesem Saal sitzt, wer ganz hinten oben auf der Empore noch Platz bekommen habe, auf den Notsitzenden, den billigsten Plätzen. Wer ist dort überhaupt hineingekommen?
Mein unbekannter Begleiter antwortete: „Ach, das sind ein paar landeskirchliche Pfarrer, die es gerade noch geschafft haben.“ Ich dachte: Nicht schlecht, ein paar Sitze sind noch frei. Dann fragte ich: „Wer sitzt denn hinten im dritten Rang, so auf ganz ordentlichen Plätzen?“ „Ach“, sagte der Begleiter, „das sind die Altbietisten, das sind die Brätkitzer und Haner, die sitzen dort im dritten Rang.“
„Ja, und im zweiten Rang, weiter vorne, so mittendrin?“ fragte ich weiter. „Ach, das sind die Süddeutschen, und die lieben Zeller sind auch dabei, einige Erzähler“, sagte er. Nicht schlecht, tolle Plätze im Himmel.
Dann fragte ich: „Aber sag mal, wer sitzt denn ganz vorne, dort auf den teuersten Plätzen, auf den roten Polstern? Wer ist das?“ Er antwortete: „Das sind die Eidlinger.“ Verstanden Sie? So dachte ich: So wird es einmal sein. Wenn Gott mir einen Notsitz schenkt, dann sehe ich die Eidlinger vorne sitzen und denke: Die haben es verdient, die haben es verdient.
Und so grüße ich Sie, dass Sie heute schon dazugehören und sich wieder aufgemacht haben an diesem Nachmittag.
Einführung in den Ernstentext und die Herausforderung des Verstehens
Ich habe einen Ernstentext für diese Passionszeit, den ich zu Beginn lesen möchte. Er steht im zweiten Korintherbrief, im ersten Kapitel. Nachdem Paulus seinen Lobpreis ausgesprochen hat – „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Gott allen Trostes, der uns tröstet in unserer Trübsal“ – beginnt er gleich mit einem Abschnitt, der oft ausgelegt wurde, aber nie ganz transparent geworden ist. Auch ich sehe mich nicht in der Lage, ihn letztlich vollständig zu durchschauen. Dennoch möchte ich darüber sprechen.
Ab Vers 8 heißt es: „Wir wollen euch, liebe Brüder, nicht verschweigen!“
Ich war vorgestern auf einer Sitzung der Deutschen Bibelgesellschaft, bei der es um neue Bibelausgaben ging. Dort soll in bestimmten Ausgaben „Brüder“ nicht ersetzt, sondern durch „liebe Schwestern“ ergänzt werden. Als ob es nicht selbstverständlich wäre, dass unter „Brüdern“ auch die Schwestern gemeint sind. Aber mögen sie es so tun.
So heißt es nun: „Wir wollen euch, liebe Brüder und Schwestern, nicht verschweigen die Bedrängnis, die uns in der Provinz Asien widerfahren ist, wo wir über die Maßen beschwert waren und über unsere Kraft, so dass wir auch am Leben verzagten und es bei uns selbst für beschlossen hielten, wir müssten sterben.“
Das geschah aber, damit wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt. Er hat uns aus solcher Todesnot errettet und wird uns weiterhin erretten. Auf ihn hoffen wir; er werde uns auch hinfort erretten.
Dazu helft auch ihr durch eure Fürbitte für uns, damit unsredwegen für die Gabe, die uns gegeben ist, durch viele Personen viel Dank dargebracht werde.
Beispiele von Glaubensbelastungen und die Frage nach dem Warum
Wenn im Leben, liebe Freunde, Belastungen kommen, denke ich an Marie Durand. Sie ist mir wieder eingefallen – eine für mich ganz große Frau und ein großes Vorbild. Diese Französin ließ sich damals um ihres Glaubens willen einsperren. Sie hätte nur sagen müssen, dass sie nicht öffentlich von ihrem Herrn spricht. Selbst hätte sie an ihn glauben und zu diesem Gott beten können.
Hätte sie das unterschrieben, wäre sie frei gewesen. Doch sie unterschrieb nicht. So wurde sie in den berühmten Turm von Égmort eingesperrt – fünf Jahre, zehn Jahre, fünfzehn Jahre, 25 Jahre, 30 Jahre, sogar 38 Jahre lang, um ihres Glaubens willen. Jeden Donnerstag erschien der Kommandant und hielt ihr die Hand hin. Sie hätte nur zuschlagen müssen, nämlich zu dem Bekenntnis, nichts zu Christus zu sagen. Aber sie schlug nicht ein.
Sie sah diese Hand, doch neben dieser Hand sah sie eine viel größere, gewaltigere und stärkere Hand – die Hand ihres Gottes. In diese Hand schlug sie ein und sagte immer: „Seigneur, à votre disposition“ – Herr, ganz zu deiner Verfügung. Wenn du willst, dass ich noch länger im Turm bleibe, „à votre disposition“. Wenn du willst, dass ich hier im Turm sterbe, „à votre disposition“. Herr, zu deiner Verfügung will ich bleiben, im Turm zu sein.
Wissen Sie, immer sagen zu können, so wie diese Frau: „À votre disposition, Seigneur“, ganz zu deiner Verfügung, Herr. Und wenn ich meinen Beruf nicht mehr weiter ausüben kann, „à votre disposition, Seigneur“. Und wenn ich meinen Lebensweg allein gehen muss, auch wenn es mir unheimlich schwerfällt, einsam diesen Weg zu gehen – ganz zu deiner Verfügung, Herr. Und wenn du mich durch eine Krankheit aus diesem Leben nimmst, Herr, ganz zu deiner Verfügung.
Nur die Frage bleibt: Warum eigentlich diese Belastung? Warum eigentlich dieser Druck im Leben?
In diesen Wochen ist mir auch wieder Anne Frank eingefallen. 50 Jahre nach Kriegsende wird gerade wieder viel von ihr berichtet. Sie war ein junges Mädchen, das mit ihren Eltern in Amsterdam lebte, eine jüdische Familie und deshalb verfolgt. Um der Gefangenschaft zu entkommen, wurde in einem Geschäftshaus das Dach ausgebaut, und dort wurden sie versteckt. Dort lebte sie mit ihren Eltern und anderen jüdischen Menschen.
Sie schrieb dort in ihr berühmt gewordenes Tagebuch: „Das Leben ist schön, aber ich bin eingesperrt wie ein Vogel im Käfig.“ Das Versteck wurde schließlich entdeckt, die Menschen wurden herausgezogen, und dieses Mädchen ist verstorben, wahrscheinlich ermordet. Und man fragt sich wieder: Warum diese Belastung? Warum eigentlich dieser Druck?
Ein drittes Beispiel: Vor dreieinhalb Wochen bin ich ihm begegnet, und zwar in Brasilien. Ich war dort zu Diensten eingeladen. Die Brasilianer haben uns ja einiges nachgemacht. Der Missionar Lodemar Schlemper hat in Liebenzell studiert, und die Kindermissionarin Waltraud Müller war hier auf dieser Schule. Sie spricht viel von Eidingen. Sie hat hier eigentlich alles gelernt, was sie dort drüben braucht, noch heute.
Sie wird von diesem Haus unterstützt und sagt, ich solle auch herzliche Grüße überbringen, was ich hiermit tue. Sie habe hier unendlich viel gelernt: Altes Testament, Neues Testament, Dogmatik, Pädagogik. Vor allem habe sie hier auch das Putzen gelernt. Die ganze Kinderarbeit dort ist nach Riesmuskel ausgerichtet, und eins haben sie abgeschaut, nämlich die Jugendtreffen, so wie das große Eidinger Jugendtreffen oder das Liebenzeller oder der Brüderbund.
Sie machen es nicht über Pfingsten, sondern über ganz schwierige Tage für sie, nämlich über den dort ganz verrückten und schlimmen Karneval von Rio. In dieser heißen Zeit des Jahres rufen sie in ein Heim nach Mato Preto, ungefähr eine Flugstunde von São Paulo entfernt. Dort, in einem herrlichen Gelände, ganz ähnlich wie hier, laden sie zu einem Jugendkongress ein.
Die jungen Leute kommen nicht wie hier aus einem Umkreis von fünfzig, hundert oder hundertfünfzig Kilometern, sondern sie müssen viel weiter reisen – siebenhundert, neunhundert, zwölfhundert Kilometer mit dem Bus. Sie fahren eine Nacht, einen ganzen Tag. Dann kommen sie an, fröhlich, so wie Brasilianer fröhlich sein können.
Das Programm beginnt morgens um acht Uhr mit Bibelarbeiten bis halb zehn. Ich durfte diese Bibelarbeiten halten, natürlich mit Übersetzung. Dann folgt Sport von zehn bis eins in der großen Hitze von 38 bis 40 Grad, Fußball und Volleyball. Am Nachmittag gibt es Seminare von drei bis sechs. Nach dem Abendessen findet von acht bis zehn eine Evangelisation statt, und von halb elf bis halb zwölf wird gesungen und Lobpreis gehalten. Um sechs Uhr am nächsten Tag geht es weiter.
Einer dieser jungen Leute, von vielen, von hunderten, wahrscheinlich von hunderttausend in Brasilien, heißt Elias. Er ist vierzehn Jahre alt und stammt von einem Kolono, einem einfachen Landbauern. Dort hat er keine Möglichkeit, weiterführende Schulen zu besuchen. Er hat auch nicht das Geld, denn die achten bis zwölften Klassen kosten Geld.
So hat er die Chance bekommen, in diesem Heim beim Gärtner zu arbeiten. Er arbeitet, wie Hunderttausende junge Leute im Alter von zwölf, dreizehn oder vierzehn Jahren, morgens von sieben bis zwölf mit der Hacke, der Sichel und der Faust in der Hitze. Von halb zwei bis fünf arbeitet er wieder. Danach duscht er sich, zieht sich um, fährt mit dem Bus zur Schule und geht jeden Abend von sieben bis elf Uhr zur Schule.
Er kommt um halb zwölf zurück und beginnt morgens wieder mit der Arbeit. Er ist überglücklich, dass er das machen kann. Ein Paar Sandalen, zwei T-Shirts – das ist alles, was er besitzt. Er ist einer der Glücklichen, die das so tun können. Viele Schüler gehen nur abends in die Schule.
Dennoch fragt man sich, wenn ich vor diesem jungen Mann stand: Warum eigentlich bei ihm diese Belastung? Warum eigentlich dieser Druck?
Die Frage nach dem Sinn von Belastungen und der unbegreifliche Weg Gottes
Liebe Freunde, eine Frage, die viele von uns bewegt: Warum eigentlich die Belastung in meinem Leben? Warum dieser Druck? Herr, warum so viele Fragen? Herr, warum das alles?
Auf diese Fragen gibt es keine eindeutige Antwort. Für dieses Warum gibt es kein klares Darum. Im Römerbrief heißt es: „Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege, denn wer hat des Herrn Sinn erkannt?“ (Römer 11,33)
Ein ganz wichtiger Aspekt zu diesem großen, schweren und oft undurchsichtigen Problem ist mir bei der Lektüre des vorhin verlesenen Briefabschnittes aufgegangen. Diesen Aspekt möchte ich Ihnen an diesem Nachmittag etwas näher erläutern.
Der Glaube im Test – eine notwendige Prüfung
Ein Lied miteinander singen – einmal, weil ich so gerne singe, und weil ich es schön finde, eine so große Gemeinde mit einem Klavier singen zu hören. Vielleicht hilft es einigen, besser noch einmal aufzuwachen. Einhundertdreiunddreißig – lassen Sie uns doch Einhundertdreiunddreißig singen. Vielleicht können auch junge Leute aufstehen, das macht es noch frischer.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie alle wissen ja, was ein Test ist. Ein Test prüft die Qualität, ein Test deckt den Bluff auf, ein Test unterscheidet zwischen Sein und Schein. Ohne Test läuft heute überhaupt nichts mehr. Deshalb wird auch alles getestet – vom Bügeleisen bis zum Jumbojet, übrigens auch der Mensch.
Das Leben ist eine Endloskette von Tests geworden. Kaum ist der Winzling geboren, kaum hat der Vater die Luftsprünge gemacht, da wird das Kind zum ersten Mal zum Abgartest gebracht. Reflexe, Atmung, Herzschlag – alles muss stimmen. Glückselig ist die Mutter, glückselig der Vater, wenn das Kind die Höchstpunktzahl zehn erreicht – kerngesund.
Aber dann ist es nicht erledigt, dann geht es weiter. Väter und Mütter unter uns kennen das. Dann kommt das Untersuchungsheft U2 bis U10 in den nächsten Jahren, ständige Untersuchungen. Wehe, wenn hier Negativmerkmale auftreten, dann muss das Kind sofort zu weiteren Tests gebracht werden.
Mit fünf oder sechs Jahren wird es zum Schultest gebracht. Mediziner und Pädagogen prüfen, ob das Kind schulreif ist. Wohl dem Kind, das diesen Test nicht besteht und ein stressfreies, schulfreies Jahr hinzugefügt bekommt. Aber dann geht es los bei der Aufnahme in die Schule: Mathe-Test, Deutsch-Test, Bio-Test und Englisch-Test – zehn Jahre, dreizehn Jahre lang.
Wer dann auf die Idee kommt oder den Traum träumt, mit der Reifeprüfung, diesem letzten großen, gewaltigen Test, sei die leidvolle Testserie zu Ende, der täuscht sich gewaltig. Da geht es ja erst richtig los. Da kommt der Sehtest für die Fahrprüfung, dann der Eignungstest für den Beruf, dann der Zusatztest für weitere Laufbahnen – und dann...
Dann ist allerhöchste Zeit für den Magentest, den Lebertest und den Bluttest. Ohne Test läuft überhaupt nichts mehr. Der Test prüft die Qualität und deckt den Bluff auf.
Aber haben Sie eigentlich gewusst, dass auch Ihr Glaube testbar ist? Haben Sie gewusst, dass es auch eine Möglichkeit gibt, bei Ihrem Glauben Schein von Sein zu unterscheiden? Haben Sie gewusst, dass auch hier der Bluff klargelegt werden kann?
Es könnte nämlich sein, dass Sie gar keinen richtigen Glauben haben, sondern nur ein frommes Gefühl, das beim ersten Sturm davonschwebt wie ein dürres Blatt draußen auf der Wiese. Es könnte sein, dass Sie gar keinen echten, stabilen Glauben haben, sondern nur einen frommen Gedanken, der sich bei der ersten ätzenden Erfahrung in nichts auflöst.
Es könnte ja sein, dass Sie gar keinen echten Glauben haben, sondern nur eine anerzogene fromme Tradition, die keine Tragfähigkeit besitzt, wenn die Belastungen des Lebens kommen.
Der Glaube als unzerstörbare Kraft in der Prüfung
Oh, dass ich einen Glauben hätte, sagte Katharina Booth, die Mutter der Heilsarmee. Sie musste plötzlich wegen Krebs operiert werden, kam danach nicht mehr zu Kräften und saß nur noch im Sessel am Kamin. Fast hätte sie gesagt: „Oh, dass ich einen Glauben hätte!“ – einen Glauben, der durch alle Tiefen hindurchgeht, der gegen das Warum des Teufels unbeirrt durch das dunkelste Golgatha marschiert. Denn sie und ich brauchten, und brauchen auch heute noch, genau so einen Glauben. Einen Glauben, der durch alle Tiefen gehen kann, der mich durch das dunkelste Golgatha trägt.
Denn wir alle brauchen diesen unzerstörbaren, unzerreißbaren Glauben. Deshalb kommt der Test – so wie bei Paulus, der gleich zu Beginn in nicht ganz durchsichtigen Worten davon spricht. Glaube im Test – so könnte man das Thema fast nennen. Ich frage dreimal nach: Wo wird denn getestet? Wo und wie wird getestet? Und die dritte Frage: Wozu wird getestet?
Aber lassen Sie uns zu diesem ersten Kreis zurückkehren, nämlich: Wo wird denn bei Paulus getestet? Wer Paulus und seine Vita kennt, der weiß: Sicher in Lystra. Dort lebte ein behinderter Mensch. Damals gab es keine Pflegeversicherung, keine Sozialversicherung, keine Sozialhilfe. Es blieb nichts anderes übrig, als die Leute an die Straße zu setzen, sie hinzukarren, ihnen eine umgestülpte Mütze vor die Füße zu legen, und dort mussten sie warten, bis jemand kam, der ihnen einen Almosen zusteckte.
So saß der Mann, der von Jugend an kein Geld verdienen konnte, an der Straße und wartete auf einen guten Menschen, der ihm eine Münze zusteckte. Dann kam Paulus vorbei. Er sah diesen Menschen, und es rührte ihn das Herz. Doch er zog nicht den Geldbeutel, denn er hatte auch keinen großen. Stattdessen sagte er: „Mann, steh auf und geh!“ Im selben Augenblick rappelte sich der Mann zusammen, stand auf und ging. Was für eine Heilungskraft! Was für eine Heilungsmacht! Was für ein Glaube! Testnote eins, sehr gut.
Aber Paulus wird nicht in Lystra getestet. Ganz sicher wird er in Philippi getestet. Dort lebte, wie wir wissen, die Modefachfrau Lydia in ihrer Modeboutique. Am Sabbat schloss sie ihren Laden ab, brachte ihn zu und ging hinaus zu den wenigen Frauen, die sich zum Frauenkreis, zur Bibelstunde oder zum Gottesdienst trafen, um am Flüsschen Gangitas Gottes Wort zu hören. Es war wahrscheinlich der erste Gottesdienst im Grünen überhaupt.
Eines Tages kam Besuch: der Reisemissionar Paulus. Er hatte sich bis zu diesem Häuflein durchgeschlagen und predigte dort. Während er das Wort verkündete, geschah das, was wir uns alle wünschen und wofür wir beten, bitten und ringen: Der Herr tat ihr das Herz auf.
Der Herr öffnete ihr Herz so, dass sie mitten unter dem Wort plötzlich den Gekreuzigten erkannte, der vor Jahren gestorben war und auch für ihre Sünden mitgestorben war. Lydia sah eine Hand, die sie ausstreckte, um sie durchs Leben zu führen und zu begleiten. Darum geht es: Wir sollen nicht nur mit den Ohren hören, nicht nur mit unseren Sinnen dabei sein, sondern dass uns das Herz aufgeht über diesem Evangelium.
Paulus geschah es. Deshalb – was für eine Predigtkraft! Was für eine Predigtmacht! Was für ein Glaube! Testnote vorzüglich. Aber Paulus wird nicht in Philippi getestet. Ganz sicher wird er in Athen getestet. Dort, auf dem Areopag, trafen sich die großen Geister. In Amerika nennt man sie „Eierköpfe“, die gescheitesten Typen. Dort lieferten sie ihre Wortgefechte, und Paulus mischte sich ein und focht mit.
Wir müssen fragen: Was für eine Geisteskraft, was für eine Geistesmacht, was für ein Glaube! Testnote hervorragend. Aber auch hier wird Paulus nicht getestet. Erst in Ephesus, als er dorthin kam. Plötzlich standen Menschen auf, hetzten die Leute gegen ihn auf, nahmen ihn fest, schleppten ihn vor den Kadhi. Der machte kurzen Prozess und verurteilte ihn zum Tode in der Arena. Ein schlimmeres Todesurteil gab es nicht.
Dann schleppten sie ihn durch die Stadt, brachten ihn in die Arena. Dort stand er, mutterseelenallein, inmitten eines blutrünstigen Mobs, inmitten hungriger Löwen, inmitten tödlicher Gefahr. Bedrückt, bedrängt, gequetscht, gequält – das ist der Tod, wusste er. Aber nein, das ist der Test.
Keiner wird auf den Höhen des Lebens getestet, sondern in den Tiefen. Keiner wird in den Freuden seines Lebens geprüft, sondern im Leiden. Keiner wird auf der Sternbühne seines Lebens geprüft, sondern in der Arena.
Liebe Freunde, auch wenn bei uns keine Arenen gebaut sind, auch wenn wir heute nicht zum Tode durch Löwen verurteilt werden, auch wenn wir ein solches schlimmes Schicksal nicht erleiden müssen – die Todesgefahr ist für viele dennoch vorhanden.
Bedrückt von unglaublichen Sorgen – ich möchte jetzt nicht durch die Reihen fragen –, bedrängt von unheimlichen Problemen – ich möchte diese Probleme hier nicht auf den Tisch legen –, gequält von Depressionen, gequetscht von Dingen, die einem den Atem nehmen.
Und wie viele sind es, auch bei jungen Leuten, die sagen: „Das ist der Tod, der auf mich zukommt.“ Und die Bibel sagt: „Das ist der Test.“ Freunde, das ist der Test.
Auch wenn uns heute manch Begeisterter weismachen will, der Glaube nehme alle Probleme. Auch wenn manch Begeisterter sagt, der Glaube heile jede Krankheit. Auch wenn manch Begeisterter behauptet, der Glaube vertreibe jede Dunkelheit – der Heilige Geist sagt uns durch Paulus: Der Glaube führt nicht aus der Arena hinaus, sondern in die Arena hinein.
Wer in der Arena sitzt, ist kein Beweis gegen den Glauben, sondern ein Beweis für den Glauben. Leicht fällt das keinem. Selbst Jesus ist es nicht leicht gefallen. Er wurde in die Arena geführt – auf Golgatha, mutterseelenallein stand er dort.
Dann hat er gebetet: „Herr, gib, dass dieser Kelch an mir vorübergehe.“ Doch dieser Kelch ist nicht an ihm vorübergegangen. Jesus, Gott, hat ihm das zugemutet – so wie später bei Paulus.
Paulus war krank, sehr krank, und er hat gebeten: „Herr, mach mich gesund!“ Doch Gott hat ihn nicht gesund gemacht. Er hat ein zweites Mal gebetet: „Herr, lass mich doch wieder meinen Dienst aufnehmen!“ Doch er konnte seinen Dienst nicht mehr richtig aufnehmen. Er sagte: „Herr, jetzt kann ich nicht mehr!“ Ein drittes Mal bat er: „Herr, jetzt musst du mich stark machen!“ Doch Gott hat ihn nicht stark gemacht.
Bis zu seinem Lebensende war er ein schwacher Mann, der die Arena erkannte. Gott hat das Jesus zugemutet, und er mutet das jedem Nachfolger zu.
Liebe Freunde, nehmen Sie es nicht so leicht. Überlegen Sie, wenn uns heute gesagt wird, dass das Leben des Christen vom Heiligen Geist so erfüllt sei, dass man nur Lob und Dank singen könne: Der Glaube führt hinein in die Arena. Dort wird der Glaube getestet.
Und wenn Sie sich an diesem Nachmittag in der Arena befinden, dann sind Sie nicht fern von Gott, sondern Sie befinden sich in seinem Test.
Der Blick in der Prüfung und die Hoffnung auf Rettung
Aber das Zweite, wie wird denn getestet, wie? So, lieber Horace, gehen Sie mit mir in solch eine Arena. Dort steht er, und nach menschlichem Ermessen weiß er, dass es nur noch Minuten dauern kann, bis er sein Leben aushaucht.
Schauen wir auf ihn: Wohin blickt er jetzt? Wohin schaut er? Wenn er zurückschaut, sieht er nur einen verschlossenen Ausgang. Eine Flucht nach hinten gibt es nicht. Wenn er nach vorne schaut, sieht er nur jenen furchtbar schreienden und krölenden Mob. Die wollen jetzt Blut sehen.
Und wenn er seitwärts schaut, dann sieht er nur diese Bestien, die jetzt ihren Hunger stillen wollen. Wenn er in sich hineinschaut, sieht er nur eigene Verzagtheit. „Ich hielt es für beschlossene Sache“, sagt er. Wohin Paulus auch schaut, er sieht nur das eine, nämlich das Ende.
Aber in diesem Augenblick, liebe Freunde, schaut er dorthin, nämlich dorthin, wo in jener Arena immer noch der Weg frei ist: nicht rückwärts, nicht vorwärts, nicht seitwärts, nicht in sich hinein, sondern in jener Arena bleibt der Weg nach oben offen.
Deshalb schaut er hinauf. In diesem Augenblick sieht er nicht irgendeinen Gott auf himmlischem Balkon, der sich freut an diesem Todesspiel seiner Leute und unbelastet zusieht. Sondern er sieht und hört doch hinein in jenes Gespräch, das damals zwischen Vater und Sohn abgelaufen ist.
Der Vater sagt zu seinem Sohn: „Du siehst, du jene Menschen in der Arena, siehst du diese Menschen in ihrem Kampf, siehst du diese Menschen in ihrer unendlichen Verzagtheit. Du, willst du zu ihm gehen, willst du hinuntergehen, willst du das tun?“ Und dann war Stille. Himmel und Erde halten den Atem an.
In diese Stille hinein sagt der Sohn zum Vater: „Vater, Vater, ja, von Herzensgrund. Ich will es machen.“ Und dann legt der Sohn die Königskrone ab, gibt das Zepter aus der Hand, legt den Königsmantel zur Seite. Dann geht er hinunter in die Arena.
Dort machen sie kurzen Prozess. Er wird zur Strecke gebracht, dieser Jesus stirbt. Das ist der Tod, aber nicht das Ende. Am dritten Tag wird dieser Jesus auferweckt, und dann steht er und sagt: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“
Dieser Paulus sieht das und weiß: Jesus lebt. Mit ihm auch ich. Tod, wo sind nun deine Schrecken? Er wird mich von den Toten aufwecken, er gibt Kraft zu dieser Pflicht. Dies ist meine Zuversicht.
In diesem Augenblick weiß er: Ob ich jetzt noch einmal zurückkehre in die Erdheimat oder ob ich schon heimkehren darf in die ewige Heimat – egal, wo ich auch stehe, ich stehe in diesem Augenblick auf alle Fälle auf der Seite des Siegers.
Der Weg nach oben als einzige Hoffnung in der Not
Liebe Freunde,
in der Arena werden die Augen geprüft. Ich frage Sie in Ihrer persönlichen Not: Warum schauen Sie immer wieder zurück, als ob es hinter Ihnen, vielleicht sogar in der Vergangenheit, einen Ausgang gäbe? Man spricht von früher und davon, wie schön damals alles gewesen sei – als man jung war, die Mutter noch lebte oder man noch einen starken Glauben hatte.
Der Blick zurück bringt nichts.
Warum schauen Sie immer wieder nach vorne? Sie sehen doch nur Menschen, die Ihnen nie helfen werden. Wer sich auf Menschen verlässt, ist verlassen.
Warum schauen Sie eigentlich seitwärts, als ob von dort irgendeine Hilfe kommen könnte? Warum schauen Sie in sich hinein, als ob vielleicht doch noch ein Stückchen Optimismus wäre, das einen durchtragen könnte? Warum schauen Sie in sich hinein, so wie viele heute sagen, in uns sei sogar ein Gott, der uns helfen könnte, wenn wir ihn nur recht verehren? In jedem schlummert diese göttliche Gestalt – was für eine Irrlehre, was für ein Unsinn!
Wohin wir auch schauen, wir sehen im Grunde nur das Nichts.
Aber in jeder Arena, in Ihrem persönlichen Schicksal, jetzt in dieser heutigen Lebenssituation, bleibt immer ein Weg offen. Und das ist der Weg nach oben. Dort müssen Sie hinaufschauen. Dort können Sie auch wieder den erkennen, der seinen Sohn, der seinen Apostel herausgerissen hat und der heute wieder herausreißen kann, weil er dieselbe Kraft und dieselbe Macht auch heute noch hat.
Keine Macht ist mächtiger als Gottes Allmacht. Wissen Sie, keine Macht ist mächtiger als Gottes Allmacht.
Auch wenn wir seine so wunderbare Bewahrung erfahren wie Paulus, der auf uns unbekannte Weise noch einmal freikam und seinen Dienst fortsetzen konnte; auch wenn wir keine so wunderbare Bewahrung erfahren wie Dostojewski, dieser russische Schriftsteller, der im Jahre 1849 in einem furchtbaren Spiel in der Festung Sankt Peter und Paul vor die Gewehre des Erschießungskommandos gestellt wurde, um erschossen zu werden – und nach langen, quälenden Minuten ihm verkündet wurde, dass er zu lebenslanger Haft begnadigt worden sei.
Auch wenn wir keine solche Bewahrung erfahren, wie viele, die von solchen wunderbaren Bewahrungen berichten können; auch wenn wir das alles nicht erfahren – Befreiung erfahren Sie allemal.
Jesus lässt sich seine Beute nicht entwinden. Jesus lässt sie nicht im Maul der Löwen. Jesus lässt sie nicht. Nein, Jesus lässt sie nicht los – ob in der Arena der Familienspannungen, ob in der Arena der Berufskonflikte, in der Arena der Prüfungen des Abiturs oder in der Arena der Altersbeschwerden, ja, sogar in der Arena der Todeskrankheit.
Es heißt: Auf ihn hoffen wir, er werde uns hinfort erretten. Und Sie werden einmal mit mir bekennen müssen: Er hat mich gerettet, er hat mich durchgerettet.
Gott hat es alles wohlgemacht und alles, alles, alles rechtgemacht.
Gebt unserem Gott die Ehre! Ohne diesen Test kein Glaube.
Die Bedeutung des Tests für den Glauben und die Reaktion darauf
Wozu wird getestet? Ich habe kein Medizinstudium absolviert und weiß auch nicht viel über Medizin. Ich bin froh, dass ich kein Mediziner geworden bin. Jede Spritze, die ich hätte geben müssen, wäre für mich einer Morddrohung gleichgekommen.
Ich habe Theologie studiert, aber eines weiß ich doch aus der Medizin, oder zumindest ein Weniges: die sogenannte Morowsche Probe. Bei dieser Probe wird Tuberkulin auf die Brust gerieben, und an der Reaktion kann man ablesen, ob die Lunge gesund und frei von Tuberkeln ist.
Verstehen Sie, dieser Text ist etwas Ähnliches. Dieser Text wird uns hingerieben, damit etwas herauskommt. An der Reaktion kann man ablesen, ob unser Glaube gesund, kräftig und durchsetzungsfähig ist.
Bei jenem jungen Mann, der durch einen Verkehrsunfall sein Bein verloren hat und so in die Arena kam, ist Hoffnung herausgekommen – Hoffnung auf den Gott, der nicht zustanden lässt. Und bei jener Frau, die eine Gehirntumoroperation über sich ergehen lassen musste und so in die Arena kam, ist Danksagung, ist Zuversicht herausgekommen. Zuversicht, dass dieser Gott ihr weiterhilft.
Und bei jenem alten Mann, der schließlich ins Pflegeheim gebracht werden musste und große Angst davor hatte, der so die Arena kennenlernte, ist schließlich doch Trost herausgekommen – Trost, Zuversicht und Hoffnung, dass Gott es recht machen wird.
Wohl dem, der auf diesen Test mit Zuversicht, Hoffnung und Trost reagiert.
Aber es soll noch etwas viel Größeres herauskommen, etwas viel Gewaltigeres, etwas Atemberaubendes – nämlich dass viel Dank dargebracht wird. Dank ist die beste Reaktion für jeden, der sich heute am Boden befindet und meint, ins Bodenlose stürzen zu müssen. Wer Gott dankt, hat einen festen Glauben.
Wer heute meint, die nächsten Schritte nicht mehr gehen zu können, weil sich so viele Probleme zusammengeballt haben, und Gott dankt, der hat einen festen Glauben. Und der, bei dem sich so viele Schmerzen angehäuft haben und der meint, sie nicht mehr tragen zu können, und trotzdem Gott dankt, der hat einen festen Glauben.
So wie Paul Gerhard, der Liederdichter im siebzehnten Jahrhundert, der erste Liedermacher der Kirche – eigentlich der richtige überhaupt. Er hatte Schwierigkeiten mit dem Kurfürsten in Berlin, wurde aus dem Amt gekickt und landete in Lübben, dort in der Arena.
Er wusste nicht, wie er seine Familie ernähren sollte, er wusste nicht, wie es weitergehen würde. Der Horizont war dunkel. Und wissen Sie, in dieser seiner Arena stand er nicht still, und er sang keine Klagelieder, keine Bittgesänge. Er rief nicht Kyrie eleison – Herr, erbarme dich!
Dieser Paul Gerhard stand und sang: Sollt ich meinem Gott nicht singen, sollt ich ihm nicht dankbar sein? Denn ich sehe in allen Dingen, wie gut er es mit mir meint.
Können Sie es nachsingen? Wollen Sie es nicht nachsingen? Und ich frage Sie: Müssen Sie es nicht nachsingen? In Ihrer Situation: Sollt ich meinem Gott nicht singen, sollt ich ihm nicht dankbar sein?
Wenn Sie es singen können, dann haben Sie Wissen, Glauben, Amen.
Schlussgebet um Stärkung und Dankbarkeit
Wir beten!
Lieber Vater, wir sehen oft nicht über diese Grenzen hinaus. Um uns herum ist es häufig dunkel, und dann ist unser Glaube so schwach, klein, ärmlich und erbärmlich, dass wir uns dafür fast schämen.
So richte an diesem Nachmittag unseren Blick auf dich, hinauf zu dir, der du gekommen bist, um uns zu retten.
Herr, ergreife auch uns und führe uns durch alles hindurch. Gib uns den Dank auf die Lippen. Amen.