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Der gute Hirte leidet für die Schafe

10.04.1990Johannes 10,11

Herr Präsident, liebe Freunde,

wir beschäftigen uns mit einem ganz zentralen Thema, einem Wort Jesu, das uns sein Leiden erschließt. Es stammt aus Johannes 10, dem großen Hirtenevangelium, genauer gesagt aus Vers 11: „Ich bin der gute Hirte“, so sagt Jesus.

Der gute Hirte führt die Schafe, führt sie zum frischen Wasser und auf rechter Straße. Das würden wir erwarten, denn Psalm 23 beschreibt den guten Hirten genau so. Doch es kommt ganz anders.

Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Was soll das denn bedeuten?

Die Bedeutung des Hirtenbildes in der Bibel

Der gute Hirte – am Kriegsende, das mein Bruder und ich zusammen mit unseren anderen Geschwistern auf der Alb verbrachten – strömten viele Soldaten durch das Haus, in dem wir damals lebten. Die deutschen Soldaten auf der Flucht waren sackmüde. Sie wollten nur schnell schlafen und etwas essen. Einer von ihnen war ein Schäfer aus Thüringen.

Ich erinnere mich noch gut, ich war damals fast vierzehn Jahre alt. Meiningen in Thüringen war mir unbekannt. Man kannte es nur von der Landkarte. Es war für mich fremd, dass deutsche Soldaten fliehen. Man hatte mir immer beigebracht, dass deutsche Soldaten siegreich vorangehen. Aber das Allerseltenste war für mich, dass da ein Schäfer war – und ich hatte keine Schafe gesehen. Bis dahin gehörten auf den idyllischen Kalendern die Herde und der Schäfer zusammen. Ein Schäfer ohne Herde schien mir etwas Unnatürliches zu sein. So kam es mir jedenfalls damals vor.

Immer wenn die Bibel vom Hirten spricht, geht es nicht nur um dessen gute Eigenschaften. Es ist ein Beziehungsbegriff. Eigentlich gehört zum Hirten die Herde. Deshalb ist Gott der gute Hirte, und der Herr ist mein Hirte.

Umso schlimmer ist es, wenn es von Israel heißt: „Ich sah Israel verschmachtet und verstreut wie Schafe, die keinen Hirten mehr haben“ (1. Könige 22). Das ist, wenn Gott von seiner Herde weggeht.

In Psalm 23 ist es wichtig, dass ich zu der Herde gehören darf. Gott ist Hirte und hat eine Herde. Aber die entscheidende Frage ist, ob er auch mein Hirte ist, ob ich mich zu denen zählen darf, für die er sich einsetzt.

Die bedrohte Herde und die Gefahr durch Wölfe

Der gute Hirte – stellen Sie sich einfach ein Bild vor, zum Beispiel aus einem schönen schwäbischen Albkalender: Am Fuß der schwäbischen Alb eine Herde und der Hirte. Herde und Hirte, Herde und Schäfer gehören einfach zusammen.

Doch hier beschreibt Jesus eine bedrohte Herde. Wenn Sie den Zusammenhang lesen, heißt es, dass der Mietling – gleich nachdem der gute Hirte sein Leben für die Schafe gibt – der bezahlte Knecht ist, der kein richtiger Hirte ist, weil ihm die Schafe nicht gehören. Dieser Mietling sieht den Wolf kommen, verlässt die Schafe und flieht. Der Wolf fällt über die Schafe her und zerstreut die bedrohte Herde.

Der Herr Jesus hat auch sonst vom Wolf gesprochen. So sagt er beispielsweise: „Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“ (Matthäus 10). Oder er warnt, dass falsche Propheten wie Wölfe im Schafspelz sind (Bergpredigt). Er mahnt: Passt auf, traut nicht jedem und schaut nicht nur auf das äußere Fell, denn im Schafspelz kann ein reißender Wolf stecken.

Auch der Apostel Paulus greift dieses Bild auf. Als er sich von den Ältesten der Gemeinde von Ephesus verabschiedet, sagt er: „Habt Acht auf die ganze Herde, unter die der Heilige Geist euch als Hirten gesetzt hat. Denn ich weiß, dass nach meinem Weggang reißende Wölfe kommen werden, die die Herde nicht verschonen“ (Apostelgeschichte 20,28-29). Paulus übernimmt diese Warnung von Jesus.

Paulus wusste viel von Jesus, wenn man auf seine Worte und Begegnungen achtet. Besonders die Sanftmut Jesu wird deutlich. Wenn Jesus in 1. Korinther 13 von der Liebe ohnegleichen spricht, beschreibt er Jesus selbst: Er trägt alles, er duldet alles. Die gesamte Passionsgeschichte ist in diesem Satz zusammengefasst: Die Liebe duldet alles, sie trägt alles – Jesus ist die Liebe in Person.

Die Realität der Bedrohung durch den Teufel

Jesus hat uns gewarnt: Ihr seid eine bedrohte Herde. Denkt nicht immer nur, da ist ja ein Hirte, der mich zum frischen Wasser führt, und alles stimmt. Ihr seid bedroht – und zwar nicht nur vom finsteren Tal, sondern auch von Wölfen, die mit lechzender Zunge darauf aus sind, euch zu zerreißen.

Vielleicht ist das dem Apostel Petrus, als der Herr Jesus es sagte, ein wenig zu hart vorgekommen. So wie heute manchen Christen, die sagen: „Ah, das ist ein sehr düsteres Bild, man muss den Christen nicht immer Angst machen.“ Aber Petrus hat es erlebt. Er sagte dann seiner Gemeinde in 1. Petrus 5: „Ihr Lieben, der Teufel geht umher, jetzt hat er gar nicht mehr nur gesagt wie ein Wolf, sondern wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“

Leute, ihr seid bedroht. Jesus hat einst Petrus auf den Kopf zugesagt, dass der Satan begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Gerade weil ihr starke Menschen seid, will der Satan nicht die Spreu, sondern den Weizen haben. Der Wolf will die Schafe haben.

Wir dürfen niemals meinen, das sei ein veraltetes Weltbild, dass es den Satan gibt. Solange wir getrost das Vaterunser beten und nichts dabei finden, sollten wir uns klar machen, dass wir mit den Worten Jesu beten: „Erlöse uns vom Bösen.“ Und da ist nicht das Böse gemeint, wenn man einen schlechten Tag hat, sondern der Böse – der Teufel, der Arge.

Martin Luther hat das wohl begriffen: „Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde.“ Wenn die Wölfe hereinbrechen und die Schafe zerreißen wollen, dann ist der gute Hirte nicht ein Mietling, der wegläuft, ein bloß gedungener Knecht. Nein, er stellt sich dem Kampf.

Die Auseinandersetzung mit der satanischen Gegenmacht

Wir müssen bis heute damit rechnen, dass es diese satanische Gegenmacht gibt. Herr Jesus hat einmal gesagt: Wenn der böse Geist ausgefahren ist und ein Mensch sagen kann, er habe sein Leben dem Herrn Jesus übergeben, dann geht der böse Geist hin und sucht sieben andere Geister, die schlimmer sind als er. Er kommt zurück und findet das Haus gekehrt und geschmückt, um neu einzuziehen.

Wir sind umkämpft. Wenn wir uns einmal für Jesus entschieden haben, werden wir erst recht für den Satan interessant. Er gibt nicht so schnell auf.

Am letzten Sonntag, in der altpietistischen Stunde in Ulm in der Heimstraße, hat ein Bruder gesagt: Geschwister, denkt daran, der Teufel hat sechstausend Jahre Erfahrung darin, wie er mit Menschen fertig wird. Wenn jemand nicht Fundamentalist sein will und nicht glaubt, dass die Erde bloß sechstausend Jahre alt ist, sondern dass sie schon Millionen Jahre alt ist, dann kann er damit rechnen, dass der Teufel schon Millionen Jahre Erfahrung hat.

Seid ein Neandertaler, wenn ihr wollt! Und wir meinen, wir seien zu 99 Prozent sicher. Ja, der eine Prozent macht nichts aus. Aber doch findet der Teufel mit seiner Erfahrung genau die Stelle mit dem einen Prozent, unsere ungeschützte Stelle. Wo ich meine, das bisschen Geldgier sei beinahe überwunden, da kommt er, der Wolf, der die Herde nicht verschonen wird.

Die bedrohte Herde, der Fürst dieser Welt – Martin Luther hat es aus 2. Korinther 4 aufgegriffen –, dass der Gott dieser Welt der Satan ist. Doch nun wissen wir vom Herrn Jesus: Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, damit er die Werke des Teufels zerstört. Er lässt die Herde nicht schutzlos den Wölfen und dem reißenden Löwen überlassen.

Die menschliche Schwäche und das Wirken Gottes in der Geschichte

Es wäre schlimm, wenn es keine großen Zeugen Gottes gäbe, die nicht versucht wurden. Mose, der von Gott berufen war, das Volk Israel aus der Gefangenschaft zu führen, versagt. Dort in der Gluthitze der Wüste nimmt er seinen Stab und soll den Felsen berühren, doch stattdessen schlägt er mit dem Stab auf den Felsen. Was wird der Felsen geben? Wasser? Im Psalm heißt es, dass ihm unbedachte Worte entfuhren.

David, der Erwählte Gottes, von dem das Bild des Hirten in der Bibel so besonders wichtig gemacht wird – „Der Herr ist mein Hirte“ – stolpert in einer Geschichte von Ehebruch und Mord. Petrus, auf den Jesus seine Gemeinde bauen will und den er „Fels“ nennt, stolpert ebenfalls. Als die Frau und der Soldat sagen: „Du warst doch mit Jesus“ – das ist eigentlich das Schönste, was man über Petrus hätte sagen können – verleugnet er ihn.

Der Fürst dieser Welt hat viele Möglichkeiten, doch Jesus ist als der gute Hirte gekommen, um die Werke des Teufels zu zerstören.

In dem neuesten Heft unserer Zeitschrift „Lebendige Gemeinde“ hat ein junger Theologe aus Hübingen einen Artikel über das Wirken Gottes in der Geschichte geschrieben. Er schreibt, dass Gott die Geschichte bestimmt, aber das Volk Israel, Gottes Volk, durch Gehorsam selbst bestimmen kann, ob Gott segnend eingreift oder ob er im Gericht handeln muss. Israel kann das Gericht auch wieder aufheben, wenn es Buße tut.

Zuerst habe ich diesen Satz überlesen, doch dann kam mir in einer stillen Nachtstunde die Frage: Wann hat eigentlich das Volk Israel Buße getan? Lesen Sie einmal die Samuel- und die Königsbücher. Daniel hat Buße getan für das Volk, ebenso Jeremia, aber Israel selbst hat eigentlich nie Buße getan. Selbst König Hiskia sagt nicht: „Herr, wir haben gefehlt“, sondern: „Herr, um deines Namens willen, lass uns nicht untergehen, damit die Feinde nicht sagen ...“

Buße muss etwas ungeheuer Schwieriges sein. Es bedeutet, zu sagen: „Oh, liebe Zeit, lieber Gott, ich bin so schwach, wenn du mich nicht hältst, gehe ich unter.“ Die Erkenntnis unserer Schwäche muss uns sehr, sehr schwerfallen.

Das Opfer des guten Hirten für die Herde

Der gute Hirte tritt für seine bedrohte Herde ein. Er sagt: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.“

Lassen Sie mich an diesem Punkt ein wenig weitermachen: Er lässt sein Leben für die Schafe.

In einer unserer württembergischen kirchlichen Schulen ist ein Lehrer, der Pfarrer ist. Er ist in der SMD groß geworden. Wir waren sehr stolz auf ihn, weil wir einen so klugen jungen Mann hatten. Aus den kritischen Jahren der Studentenrebellion ist er gestanden wie ein Fels in der Brandung.

Neulich kommt ein Kollege aus dem Oberkirchenrat zu mir und sagt: „Du, ich bin neben ihm im Gottesdienst gesessen, und wir haben Passionslieder gesungen. Die Hälfte dieser Lieder war ganz dick mit Rotstift durchgestrichen.“

Wir sind der Sache nachgegangen. Überall, wo stand „Ach, meine Sünden haben dich geschlagen“, oder „Ich, Herr Jesus, habe dies verschuldet, was du erduldest“, wurde durchgestrichen.

Uns erscheint daraus, dass ein einst ganz frommer junger Mann plötzlich an der Vorstellung irre geworden ist, dass Jesus für meine Sünde gestorben ist. „Ich kann es nicht mehr hören“, hat er im Gespräch gesagt. „Das ist doch eine Sündenbock-Theorie. Als ob Gott nach Sühne giert, als ob Gott so empfindlich ist, dass sein Recht irgendwo wiederhergestellt werden muss. Ich kann es nicht mehr hören. Das ist nicht der Gott der Liebe, den ich schätze.“

Nun sind wir geneigt, aufbrausend zu sagen: „Also erschütternd, was ein junger Mann, der mal im Glauben stand, so abfällt und nicht mehr glauben kann.“

Der Apostel Paulus sagt, der normale Mensch versteht es nicht. Die geheimnisvolle Weisheit Gottes im gekreuzigten Jesus kann der normale Mensch gar nicht verstehen.

Das ist nicht böse oder dumm. Wie soll man verstehen, dass da einer stirbt und dass da etwas für die Menschheit getan werden soll? Wie soll das gehen?

Viele Fragen gibt es da zu Recht: Für Adolf Hitler gestorben? Für Ceausescu gestorben? Oder gilt es automatisch für alle, wenn man daran glaubt?

Das sind viele Fragen, über die unsere frommen Väter und Mütter nachgedacht haben.

Die theologische Auseinandersetzung mit dem Leiden Jesu

Ich bin bei Philipp Matthäus Hahn darauf gestoßen, als er einen Besuch gemacht hatte. Dieser geniale Erfinder von Uhren und Weltmaschinen – falls Sie nicht bei der Ausstellung waren, müssen Sie unbedingt hineingehen, es ist ganz toll – ringt auch mit sich selbst. Er fragt sich, ob die Zeit, die er mit Maschinen verbringt, nicht vertane Zeit ist. Doch durch seine Arbeit an seinen Uhrenmaschinen hat er Präzision gelernt, auch im Hören auf die Bibel.

Er besuchte seinen alten Schwiegervater in München, den Flattich, und fand ihn schwer krank vor. Der Schwiegervater hatte immer wieder gesagt: „Da habe ich...“ und erst nach langer Zeit fasste er endlich einen Gedanken.

Als Philipp Matthäus Hahn von München zurück nach Kornwestheim ging, bewegte ihn, so schreibt er es in seinen Tagebüchern, der Gedanke, ob wir nicht, wenn wir vom Tod Jesu sprechen, Gott ganz falsch darstellen. Kinder könnten einen falschen Eindruck bekommen, als ob Gott ein Tyrann sei, der nach Rache dürstet und nach Wiederherstellung seines Rechtes verlangt. Deshalb müsse Jesus sterben, damit die Rechnung wieder ausgeglichen ist.

Stattdessen sollten wir Jesus und Gott als den ewig liebenden Gott bezeugen. Sehen Sie, schon der fromme Philipp Matthäus Hahn war umgetrieben von der Frage, wie wir richtig davon reden können.

Mich hat das ebenfalls umgetrieben, und ich habe wieder Bücher von Karl Heim herausgeholt. Dieser große Tübinger Professor der Dogmatik, der 1952/53 im hohen Alter gestorben ist, sagte, wir verstehen das Leiden Jesu nur richtig, wenn wir sehen, dass Jesus sich in die große Entscheidungsschlacht mit dem Teufel hineinführen ließ.

Jesus ist in die Welt gekommen, um die Werke des Teufels zu zerstören. Und der Teufel sagte: „Lass nur kommen, mit dem werde ich auch noch fertig. Lieber Gott, bei dir bleibt nicht einer mehr übrig. Ich kriege sie alle rum, angefangen bei Adam und Eva. Schaut euch ihr Leben an! Wir sind jedem Leben lieber Gott die Kerben finden, dies deutlich machen, dass sie mir gehören, nicht dir.“

Das ist eigentlich der teuflische Anspruch, der widergöttliche Anspruch: „Ich bin der Gott dieser Welt, mir gehören sie, nicht dir.“ Und jetzt kommt Jesus in die Welt, um die Werke des Teufels zu zerstören und an einer Stelle klar zu machen: „An mir beißt du die Zähne aus.“

Die Versuchung Jesu und sein Sieg über den Teufel

Und Jesus geht, bevor er nur ein Wunder tut. In Matthäus 4 wird beschrieben, wie er in die Versuchung mit dem Teufel hineingeht – die Machtversuchung. Der Teufel sagt: „Ich will dir alles geben, Herr Jesus, die ganze Erde. Es gibt keine Kriege mehr, keinen Hunger, keine Ungerechtigkeit. Bitte, wenn du nur vor mir niederfällst, dann kannst du die ganze Welt haben. Dann kriegst du sie, dann bist du der Fürst der Welt.“

Jesus wird aufgefordert: „Sei doch der große Zampano und spring von des Tempels Zinne. Die Leute werden begeistert sein von dir, es wird keine Schwierigkeiten mehr geben, dass man an dich glaubt. Mach doch die Steine, die Felsblöcke in der Wüste, zu Brot.“

Doch Jesus überwindet den Teufel jeweils mit einem kurzen Satz aus der Bibel. Die beste Hilfe ist immer noch die Bibel und das Gebet, damit der böse Feind keine Macht an mir findet. Da wich der Teufel von ihm eine Zeit lang. Das war der erste Anlauf.

Dann kommt jene Stunde, in der Jesus sagt: „Wie ist mir so bange! Dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.“ Es kommt der Fürst dieser Welt, aber er wird keine Macht an mir haben. So geht Jesus in das Ringen hinein, in die schlimmste Entehrung – die Angst der Gottesferne. Er schwitzt Blut. Ob sie schon mal Blut geschwitzt haben? Ich habe schon manchmal in großer Angst geschwitzt, in Prüfungsängsten, am allerschlimmsten beim Führerschein damals. Aber Blut habe ich nie geschwitzt. Ja, Jesus hat Blut geschwitzt. Er sagt: „Mich dürstet.“

Jetzt kommt alles darauf an, dass das Gebet Jesu erhört wird: „Dein Wille geschehe, Dein Wille geschehe, dass nicht mit einem Wort ich dich schände, dass kein Fluch über meine Lippen kommt.“ Herr Gott, warum muss das sein? „In deine Hände befehle ich meinen Geist.“

Und das tut Jesus in diesem Kampf, dieser Entscheidungsschlacht mit dem Satan. Wenn es darauf ankommt, bleibt er der Fürst dieser Welt, dem alle gehören – und wir auch. Oder gibt es einen Stärkeren, an dem sich der Fürst dieser Welt die Zähne ausbeißt? Jesus bleibt der Starke und macht deutlich: „Ich bin es nicht bloß für mich allein.“ Noch im Sterben sagt er dem Übeltäter, dessen Leben verpfuscht ist: „Du wirst mit mir im Paradies sein.“

Herr Jesus leidet, wie er hier sagt, als der gute Hirte für die Herde – nicht für sich, nicht bloß in der Entscheidungsschlacht, in der es um die Ehre Gottes geht, ob Gott Recht hat. Wir sind immer mit dabei in diesem einen herrlichen Wort: „Ich bin der gute Hirte.“

Denken Sie an das, was ich zu Beginn sagte: Zum Hirten gehört immer die Herde. Wenn der Herr Jesus die Macht des Satans überwindet, denkt er an Sie, denkt er an mich, an seine Herde. Weil er stärker ist als der Satan, kann er auch sagen, wenn dieser auftaucht und uns bedroht: Der gute Hirte sagt: „Du haust ab!“ Und der Satan zieht seinen Schwanz ein und muss gehen, weil er weiß, dass Jesus stärker ist.

Die Auferstehung und die fortwährende Fürsorge des guten Hirten

Jetzt könnten wir hier beinahe schon einen Punkt machen, aber ich möchte noch weitermachen. Das Wort vom guten Hirten wird im Neuen Testament noch häufiger aufgegriffen.

Im Hebräerbrief, Kapitel 13, heißt es am Schluss: „Der Gott aber des Friedens, der von den Toten heraufgeführt hat den großen Hirten der Schafe, der mache euch fertig zu allem guten Werk, zu tun seinen Willen, und schaffe in euch, was vor ihm gefällig ist.“ Gott hat diesen guten Hirten von den Toten auferweckt – den, der stärker ist als der Satan, mit dem der Teufel nicht fertig werden konnte. Gott hat uns diesen Hirten zurückgegeben, damit wir es ganz genau wissen.

Mit diesem einen Wort aus dem Hebräerbrief – „er hat ihn heraufgeführt von den Toten“ – wird ein doppeltes Bild aus dem Alten Testament aufgenommen. Wenn wir die Bibel so kennen würden wie rechte Juden, Wort für Wort auswendig, würde es bei uns ständig klingen. Zum Beispiel Jesaja 63: „Wo ist der Hirte der Herde, den du aus dem Wasser gezogen hast?“ In einer Handschrift heißt es sogar: „aus der Erde herausgezogen hast“.

Lieber Gott, du hast doch einst Mose aus seinem Körbchen geholt. Du hast ihn doch herbeigeführt von der Wüste am Horeb und hast ihn eingesetzt zum Hirten, zum großen Hirten der Herde, damit Israel in die Freiheit kommen konnte.

Und bei David hat Gott ihn zum Hirten eingesetzt, damals, als Israel zerstreut war nach dem Tod Sauls. Ach, was war das für eine Totenklage, als die Philister über den ersten König Israels gesiegt hatten und Israel zerstreut war! Doch Gott setzte David, der von zu Hause aus ein Schäfer war, als Hirten ein, damit er das Volk Israel weiden sollte.

Das heißt später in Hesekiel 37: „Ich will ihn, einen einigen Hirten, erwecken, meinen Knecht David.“ Das ist das Wort von der Auferweckung, dasselbe Wort im Hebräischen, „Kum“. Wenn Jesus sagt zu dem Töchterlein des Jairus: „Talitha, Kummi“ – „Mädchen, steh auf!“ – ist das ein Machtwort. So sagt auch Gott in Hesekiel 37: „Ich will einen Hirten erwecken, wo keine Hoffnung mehr ist, damit ihr einen haben sollt gegen den bösen Feind.“

Deshalb bleibt es dabei: „Er weidet mich auf grüner Aue, er führt mich zum frischen Wasser“ – dieser gute Hirte, den Gott eingesetzt hat. Jesus lebt, ich bin gewiss: nichts soll mich von Jesus scheiden, keine Macht der Finsternis, keine Herrlichkeit, keine Freude. Der Hirte wacht über mir.

Die Schwäche der Herde und die Fürsorge des guten Hirten

Es steht fest, dass er stärker ist als alle Versuchungen des Satans – wir jedoch nicht. Wenn wir ehrlich sind, kennen wir viele Schwachstellen, an denen es uns immer wieder misslingt, die Versuchung zu überwinden. Eigentlich müssten wir dann verzagen und denken: „Dann bin ich verloren, dann schaffe ich es nicht, dann kann Gott mich nicht annehmen.“

Doch der gute Hirte sorgt für seine Herde. Er leidet für die Schafe und kennt ihre Schwächen genau. Es wird oft gesagt, ein rechter Hirte erkennt seine Schäflein an ihren Schwachstellen: Das eine hat ein zerbissenes Ohr, das andere lahmt, das dritte ist nicht richtig bei seiner Mutter. Der gute Hirte kennt seine Schafe an ihren Schwächen.

Er ist vom Satan nicht überwunden worden und will nicht zulassen, dass diejenigen, die zu seiner Herde gehören, vom Satan besiegt werden. Selbst wenn noch so viel Dunkles in unserem Leben ist, wird er über uns sagen wie bei dem Verbrecher am Kreuz: „Komm, du wirst mit mir im Paradies sein.“

Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Weil das geschehen ist, können wir darauf vertrauen, dass er sich für uns einsetzt. Seine Fürsorge für uns Schwache ist ihm todernst.

Schlussgebet

Lassen wir uns beten.

Du guter Hirte, vom Vater berufen, die Werke des Teufels zu zerstören: Wir danken dir, dass du uns schon so oft auf die rechte Straße geführt und erquickt hast.

Wir danken dir auch, dass wir dies jetzt mitnehmen können in dieser Passionswoche. Du willst der gute Hirte sein und bleiben. Du hast es bewährt, auch gegen alle Anfechtungen des Teufels. Du lässt dich nicht herumkriegen, bist stärker und sorgst auch dann für deine Herde, wenn Versuchungen kommen.

Herr, wir brauchen das und bitten dich von ganzem Herzen darum: Gib uns nicht auf, damit der böse Feind keine Macht über uns finde. Amen.