Ich weiß nicht, ob ihr das schon mal erlebt habt: Junge Leute kommen und sagen, sie hätten ihre stille Zeit schon. Also, sie machen sie regelmäßig, etwa alle zwei Tage. Bisher haben sie ein Andachtsbuch verwendet, möchten aber in ihrer stillen Zeit mal ein biblisches Buch einfach so nach und nach durchlesen. Dann fragen sie, was man ihnen für den Anfang empfehlen würde.
Dann überlegt man: Es sollte nicht zu kompliziert sein. Ich würde jetzt vielleicht nicht gleich den 1. Korintherbrief von Anfang an empfehlen. Das Evangelium bietet sich immer an, ist aber auch lang und man muss durchhalten. Der Philipperbrief ist eigentlich gut, oder? Er ist relativ leicht zu verstehen und enthält schöne Gedanken.
Ist der Philipperbrief einfach? Viele Passagen sind wahrscheinlich wirklich relativ leicht zu verstehen. Die Sprache ist an vielen Stellen nicht so kompliziert, und die Gedanken sind auch nicht so schwer. Vielleicht ist das ein guter Tipp.
Ihr habt sicher schon gemerkt, dass ich nach Jahren irgendwann mal zum Philipperbrief zurückgekommen bin. Als ich mich intensiv damit beschäftigt habe, muss ich inzwischen zugeben, dass es für mich tatsächlich der schwerste Brief im Neuen Testament ist. Nach wie vor ist er nicht der schwerste Brief, um ihn zu verstehen.
Ihr habt es schon angedeutet: Ich glaube, Paulus legt nirgends sonst die Latte so hoch für die Geschwister wie hier. Mit den Vorbildern, die er beschreibt, und dem, was er sagt, was eigentlich das ideale Leben als Christen wäre.
Wir meinen, vielleicht gab es auch keine Gemeinde, an die er geschrieben hat, von der er so eine hohe Meinung hatte wie von den Philippi. Vielleicht hatte er deswegen den Mut, gerade hier die Latte so hoch zu legen.
Herausforderungen beim Predigen und Thema der Predigt
Es gibt verschiedene Abschnitte im Neuen Testament, die ich nicht besonders gerne predige. Manche Themen sind heute so heikel, dass man am besten einen Helm mit Visier aufsetzt, wenn man vor einer größeren Menge darüber spricht. Man weiß einfach nicht, was einem da entgegenfliegt.
Ich habe angedeutet, dass der Abschnitt, der jetzt folgt, wahrscheinlich einer ist, über den ich nicht freiwillig predigen würde. Warum? Weil ich vermutlich den Ansprüchen dieses Abschnitts nicht wirklich gerecht werde. Das ist eigentlich keine gute Voraussetzung für einen Prediger.
Aber was soll ich machen? Wir haben vereinbart, den Philipperbrief gemeinsam durchzugehen. Also predige ich eben für euch und für mich. Das geht auch mal.
Das Thema der Predigt lautet: Nur noch ein Ziel im Leben – die letzten fünf Prozent aktivieren. Klingt doch vielversprechend, oder?
Warnung vor falschen Einflüssen und Feinden des Kreuzes
Okay, Philippe 3. Wir haben gesehen, dass Paulus dieses Kapitel, dieses Thema damit beginnt, dass er die Geschwister vor Menschen warnt, die im Umfeld dieser jungen, inzwischen zum Teil nicht mehr ganz jungen, aber doch noch jungen Gemeinden unterwegs waren.
Diese Leute wollten andere aus der Gemeinde herausziehen, vor allem diejenigen, die nicht ganz so feststanden. Sie wollten Menschen für ihre Bewegung und ihre Ideen gewinnen. Dabei setzten sie vor allem auf Werbung und die Rückkehr zu alttestamentlichen Ritualen. Ihr Ziel war es, durch das Versprechen einer Ökumene zwischen Judentum und Christentum Menschen zu gewinnen.
Sie sagten so etwas wie: Ja, alle zusammen, die eh an den gleichen Gott glauben. Sie wollten die Menschen für ein Leben gewinnen, auf das man stolz sein kann, weil man etwas geleistet hat. Selbst wenn es nur die Überwindung war, sich beschneiden zu lassen – eine Leistung, die ich als Erwachsener nicht freiwillig erbringen würde. Das haben wir heute Morgen gesehen.
Am Ende des Kapitels kommt Paulus auf Einflüsse einer ganz anderen Gruppe zu sprechen, vor der er sich mindestens genauso gefürchtet hat. Ich lese mit euch aus Philippe 3, Vers 18:
"Denn viele wandeln, wie ich euch oft gesagt habe, aber jetzt mit Weinen sage, mit Tränen sage, dass sie Feinde des Kreuzes Christi sind, deren Ende Verderben ist, deren Gott der Bauch, deren Ehre in ihrer Schande liegt und die ihre Ziele im Irdischen haben."
Paulus sagt also, dass viele Christen, viele Menschen in christlichen Gemeinden so sind. Er warnt die Gemeinde unter Tränen vor diesen Menschen und vor diesen Tendenzen innerhalb der Gemeinden.
Er hat sie immer wieder gewarnt. Ich habe den Eindruck, dass diese Tendenzen in den letzten Jahren zugenommen haben. Immer mehr Christen, die eigentlich gut unterwegs waren, wurden davon beeinflusst und geprägt.
Wenn ich heute über dieses Thema nachdenke, kommen mir die Tränen. Das ist es, was Paulus sagt. Und das ist auch emotional. Es ist so schlimm, wie viele Gläubige in ihrer Nachfolge und in ihrer Ernsthaftigkeit dadurch geschädigt wurden. Es treibt mir die Tränen in die Augen – ganz wörtlich.
Charakterisierung der Feinde des Kreuzes
Von welchen Menschen spricht er, von welchen Einflüssen und von welchen Tränen an dieser Stelle? Er spricht davon, dass es Menschen gibt, die bekennen, zu Christus zu gehören. Dieses Bekenntnis stellt er nicht wirklich infrage. Doch praktisch gesehen haben diese Menschen ihre Interessen vor allem auf dieser Erde. Ihre Lebensziele liegen hauptsächlich hier. Paulus sagt, sie „sinnen über das Irdische nach“ und setzen ihre eigentlichen Lebensziele auf diese Welt.
Das ist für ihn krass. Was bedeutet das? Paulus fasst es in Vers 19 hauptsächlich mit zwei Punkten zusammen, die er relativ deutlich formuliert – ähnlich wie am Anfang des Kapitels. Er sagt: Deren Gott ist ihr Bauch. Ihnen geht es vor allem darum, sich das Leben auf dieser Erde möglichst schön zu machen. Ihre Gedanken kreisen darum, wie sie vielleicht den nächsten Karriereschritt schaffen oder im nächsten Jahr mehr verdienen können als im aktuellen. So können sie sich noch mehr leisten.
In Amerika wurde vor einigen Jahren eine Umfrage gemacht, wie viel man verdienen müsste, um zufrieden zu sein. Die Antwort war interessant. Die überwältigende Mehrheit sagte, sie wäre zufrieden, wenn sie nur ein bisschen mehr verdienen würde als jetzt. Das galt sowohl für Menschen mit geringem als auch für solche mit hohem Einkommen. So ist es eben.
Paulus sagt: Wenn wir als Christen mit diesen Dingen beschäftigt sind und es uns vor allem darum geht, das Leben auf dieser Erde schön zu machen – wenn bildlich gesprochen unser Bauch unser Gott ist, unser Wohlbefinden das, wofür wir leben – dann ist das zum Heulen. Wenn unsere Gedanken darum kreisen, wie wir wohnen möchten, welche Länder wir noch sehen wollen oder mit wem wir gerne Zeit verbringen – nicht, wer unsere Zeit braucht, sondern mit wem wir gerne Zeit verbringen –, dann ist das zum Heulen, sagt er.
Ihr habt gemerkt: Das sind keine Verbrechen, nichts Moralisch Verwerfliches. Aber das Leben dreht sich letztlich um mich und um ein erweitertes Ich, von dem wir schon gesprochen haben – um meine Familie, um meine Freunde. Paulus sagt: Deren Gott ist ihr Bauch.
Der zweite Punkt, den er nennt, ist: Deren Ehre ist ihre Schande. Sie legen großen Wert auf Ehre und Anerkennung. Eine Beförderung bedeutet nicht nur mehr Geld, sondern auch Wertschätzung. Sie legen viel Wert darauf, anerkannt zu sein. Dieses Thema hatten wir ja auch schon in Kapitel zwei: beruflich aufzusteigen, einen möglichst guten Eindruck zu machen und bei allen beliebt zu sein.
Paulus sagt, ihre Gedanken drehen sich darum, es sich schön zu machen und Anerkennung und Liebe auf dieser Erde zu bekommen. Sie erhalten viel Anerkennung und arbeiten hart dafür. Doch im Rückblick werden sie sich dafür schämen. Deren Ehre ist ihre Schande. Sie werden sich schämen, dass sie ihre Lebensprioritäten so gesetzt haben.
So beschreibt Paulus diese Menschen und diesen Trend in der Gemeinde, über den er manchmal nur noch weinen kann. Er fasst es am Anfang von Vers 18 zusammen: Die Feinde des Kreuzes Christi sind es. Sie haben nichts gegen das Symbol Kreuz, egal ob es in Amtsstuben hängt. Das ist ihnen egal. Es gibt keinen Aufstand, dass es abgehängt werden muss. In diesem Sinne sind sie nicht Feinde des Kreuzes Christi.
Ja, sie glauben sogar, dass das Kreuz Christi das Mittel zur Rettung ist. In diesem Sinne lieben sie das Kreuz Christi. Sie freuen sich, dass Christus sich hat kreuzigen lassen. In diesem Sinne sind sie nicht Feinde des Kreuzes.
Aber sie lehnen ab, ihre eigenen Interessen, ihr irdisches Leben und ihre irdischen Ziele zu opfern. Jesus hat gesagt: Wer nicht täglich sein Kreuz aufnimmt, kann nicht mein Jünger sein. Und sie hassen diese Aussage und diesen Anspruch, wenn sie ehrlich darüber nachdenken.
In diesem Sinn sind sie Feinde des Kreuzes Christi, weil der Anspruch Jesu ihre Lebensziele untergräbt. Ihr Lebensziel ist es, das Leben auf dieser Erde möglichst schön zu halten, für ihren Bauch zu leben und für ihr Ansehen. Sie sind Feinde des Kreuzes Christi.
Wörtlich steht hier am Anfang von Vers 19: Ihre Ziele sind Verderben. Sie bauen viel auf dieser Erde auf, doch nichts bleibt. Vielleicht erreichen sie all diese Ziele: die schöne Wohnung, die wunderbare Familie, die traumhaften Urlaube. Aber es nützt nichts. Nichts davon wird Bestand haben. Nichts davon zählt in der Ewigkeit.
Paulus sagt: Ich kann euch nur mit Tränen vor diesem Trend warnen. Ich kann euch nur mit Tränen vor diesen Vorbildern warnen, denen in der Gemeinde nachzueifern. Ich habe euch oft gewarnt, aber jetzt kann ich euch nur noch mit Tränen warnen. So viele in eurer Umgebung leben inzwischen so, so viele in euren Gemeinden leben inzwischen so.
„Armt euch nicht nach“, sagt Paulus. Das ist nichts, wofür es sich zu leben lohnt. Das ist Feindschaft gegen das Kreuz Jesu.
Paulus’ eigenes Beispiel und die Bedeutung von Christus
Zurück zu Vers acht noch einmal eine ganz kurze Wiederholung: Ja, wahrlich, ich halte alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seines Willens habe ich alles eingebüßt. Das war es mir wert, es könnte mich alles kosten. So ist es für uns.
Paulus erwartet nicht von uns, dass wir jetzt alles verkaufen und zu Wanderpredigern werden, dass wir keine Wohnung und keine Familie mehr haben. Aber es geht um die Prinzipien: Wir sollen bereit sein, wenn wir merken, dass es notwendig ist, all das loszulassen. Es ist wichtig, dass wir nicht an diesen Dingen kleben.
Paulus sagt: „Aber bei mir ist es anders, ich habe das alles verloren.“ Das ist Realität in seinem Leben. Aber letzten Endes, was hat er verloren? Dinge, die er ohnehin als Verlust betrachtet hat. Wenn ich für Christus lebe, ist alles andere nur Verlust. Denn es gibt nichts Besseres, als Christus mehr zu erkennen, mit ihm enger verbunden zu sein, seinen Weg zu gehen und seine Ziele zu teilen.
Christus ist sein Leben geworden, sein Lebensinhalt. Für ihn, für seine Ziele, möchte er mit ihm zusammenleben, als Team mit ihm. Alles andere ist im Vergleich dazu wertlos. Paulus hat die Erfahrung gemacht: Er hat alles verloren und ist dadurch Christus näher gekommen. Im Rückblick kann er sagen: Im Vergleich zu dem, was ich gewonnen habe, hat das, was ich verloren habe, den Wert von Abfall.
Natürlich ist es schön, diese Dinge zu haben, und es ist nicht verboten, sie zu besitzen. Aber im Vergleich dazu, wie viel näher er Christus gekommen ist, weil er nicht mehr für diese Ziele gelebt hat, hat alles andere den Wert von Abfall.
Christus ist sein Leben, seine gesicherte Existenz, sein Zuhause, seine wahre Unversehrtheit. Paulus hat etwas Besseres entdeckt, für das er leben kann: Er will Christus gewinnen. Das ist Gewinn. Er ist sein Herr.
Konkrete Schritte zum Gewinn an Christus
Was heißt das konkret? Wir haben vorhin bis Vers neun gelesen, ich beginne jetzt mit Vers zehn. Paulus nennt hier fünf Punkte, die für ihn konkret bedeuten, Christus zu gewinnen. Ich möchte diese fünf Punkte kurz mit euch durchgehen.
Zunächst sagt Paulus, dass er Christus erkannt hat und in ihm gefunden wurde, um ihn zu erkennen (Philipper 3,10). Das ist der erste Punkt. Für mich bedeutet das, Energie zu investieren, um Christus zu erkennen. Das ist nicht einfach. Eine Beziehung zu haben, jemanden als höchste Priorität im Leben zu sehen, den man noch nie mit eigenen Augen gesehen hat und dessen Stimme man noch nie wirklich gehört hat – das kostet Energie. Paulus sagt, es kostet Energie, die Gemeinschaft mit jemandem Unsichtbarem aufrechtzuerhalten.
Ich habe mir zur Priorität gesetzt, diese Energie zu investieren, Zeit zu investieren – Zeit im Gebet und Zeit, über Jesus nachzudenken. Es kostet Energie, jemandem zu vertrauen, den man nicht sieht. In vielen Situationen ist das nicht einfach. Unser Gehirn protestiert oft: „Ich sehe nichts, meine Sinnesorgane geben mir nichts zurück. Ich sehe nichts, ich höre nichts, ich kann nichts anfassen. Ist das real?“ Paulus sagt, trotz des Protests meines Gehirns möchte ich die Gemeinschaft mit dem Unsichtbaren aufrechterhalten und sie sogar vertiefen. Christus zu erkennen, diese Beziehung zu knüpfen und auszubauen, hat eine hohe Priorität in meinem Leben.
Der zweite Punkt, den Paulus in Vers 10 nennt, ist „die Kraft seiner Auferstehung“. Das ist ein Thema, das Paulus auch im Epheserbrief anspricht. Dort betet er, dass die Gläubigen die Stärke erkennen, mit der Jesus von den Toten auferweckt wurde (Epheser 1,19-20). Wenn Gott stark genug war, einen Toten aufzuerwecken, kann er dann nicht auch stark genug sein, dich zu verändern?
Paulus sagt: Ich bin nicht einfach plötzlich ein anderer geworden. Es wurde kein Schalter umgelegt, der meine alten Ziele und Wünsche verschwinden ließ. Diese Dinge, die meine Persönlichkeit ausmachen, sind nicht einfach weg. Manchmal kommen sie sogar zurück. Aber mein Ziel ist es, die Kraft der Auferstehung Jesu zu erleben. Ich möchte erfahren, dass er stark genug ist, mich zu verändern – meine Ziele, mein Empfinden und meine Wünsche.
Er ist auferstanden und lebt. Als der Lebendige kann er mich verändern. Er kann mir eine andere Perspektive geben. Das möchte ich erleben. Das heißt für mich, Christus zu gewinnen: Energie zu investieren, den Unsichtbaren vor Augen zu haben und zu erleben, dass in mir jemand wirkt, der mich verändert. Mit der Kraft der Auferstehung, die Tote lebendig machen kann, kann auch ich verändert werden.
Das möchte ich erleben. Das sind Lebensziele.
Gemeinschaft mit Christus in Leiden und Tod
Punkt: Und die Gemeinschaft seiner Leiden
Jetzt kommt das Thema Leiden, Sterben, Auferstehen – eine ganz typische Folge in den nächsten drei Punkten: die Gemeinschaft seiner Leiden.
Er sagt: Wisst ihr, was mich mit Christus zusammenschweißt? Dass ich für die gleichen Dinge leide, für die auch er leidet. Gelitten, hart und leidend – das schweißt zusammen und bringt mich näher zu ihm.
Im Kolosserbrief schreibt Paulus, dass er die Leiden Christi vollendet. Wenn jemand diesen Vers aus dem Zusammenhang reißen und predigen würde, könnte man meinen, er wolle etwas ergänzen. Ich würde so jemanden wahrscheinlich aus der Gemeinde ausschließen. Christus hat für unsere Sünden gelitten – wer soll da noch etwas ergänzen? Das reicht doch vollkommen. Wenn jemand sagt, da müsse noch etwas ergänzt werden, ist das eine Irrlehre.
Und das stimmt auch, wenn es um die Errettung geht. Aber Paulus spricht hier nicht von der Errettung. Er sagt: Christus ist für unsere Rettung gestorben, er hat dafür gelitten. Aber jetzt sind seine Leute unterwegs – Leute wie ich –, die dafür leiden. Ganz real leiden, damit Menschen gläubig werden, überall auf der Welt. Sie leiden dafür, dass Menschen wachsen und vor Irrlehren bewahrt werden.
Für mich ist es ein Riesenvorrecht, in die Fußstapfen Jesu zu treten und letzten Endes für das zu leiden, wofür er gelitten hat. Für uns bedeutet das oft nicht mehr so viel, für Paulus bedeutete es, dass er gesteinigt wurde, ins Gefängnis kam und all diese realen körperlichen Leiden erdulden musste.
Ich meine, hier in Österreich, gerade hier, wo die Alpen sind, seid ihr ja ziemlich sicher vor körperlichen Leiden. Was soll schon passieren? Geschützt von Bergen – das ist fast so etwas wie eine Festung, ähnlich wie die Schweiz. Körperliches Leiden steht bei uns nicht direkt am Horizont.
Wenn wir aber das Leben von Paulus anschauen, dann waren seine eigentlichen Leiden oft nicht die körperlichen. In 2. Korinther 12 zählt er all die Leiden auf, die er erduldet hat. Als letzten Satz sagt er dort: „Außerdem, was täglich auf mich einstürmt: die Sorge um alle Gemeinden.“
Oft leiden wir nicht körperlich. Paulus sagt: „Ich ermahne euch mit Tränen.“ Das waren Leiden, die dahintersteckten. Er hat unter den Tränen in seinen Gemeinden gelitten, die er gegründet hat. Und er sagt: Trotzdem möchte ich das erleben. Ich möchte mir Sorgen machen, Ängste haben – an den gleichen Punkten, an denen ich weiß, dass Jesus Ängste hat, sich Sorgen macht und unter Dingen und Entwicklungen leidet.
Für die gleichen Sorgen zu haben, die gleichen Ängste zu spüren, die gleichen Leiden zu tragen wie mein Herr – wenn ich Menschen beobachte, wenn ich Gemeinden beobachte, schweißt mich das mit meinem Herrn zusammen. Das macht uns zu einem Team, vielleicht mehr, als wenn wir nur schöne Dinge zusammen erleben würden.
Er sagt: Ich möchte das erleben, ich möchte es nicht verdrängen. Ich möchte sehen, unter was Jesus heute leidet, wenn er seine Leute anschaut. Und ich möchte mitleiden. Ich möchte so ticken wie er.
Das heißt für mich: Christus gewinnen, die Gemeinschaft mit Christus gewinnen und intensivieren.
Nachahmung des Todes Christi und Hoffnung auf Auferstehung
Punkt vier: Seinem Tod gleichgestaltet werden.
„Ich möchte wirklich“, sagt Paulus, „aus manchen Dingen sterben, ich möchte wirklich, dass manches mir nichts mehr bedeutet.“ Er sagt das im Galaterbrief zweimal, Jahre bevor er den Philipperbrief geschrieben hat.
Er erklärt: Wenn ich das Kreuz anschaue, das Kreuz meines Herrn, beeindruckt es mich so sehr. Wenn ich es wirklich vor Augen habe, dann bin ich der Welt gekreuzigt. Es gibt nichts mehr in mir, was diese Welt noch erreichen kann, wenn ich sehe, wie mein Herr für mich stirbt. Und die Welt ist mir gekreuzigt, sagt er im nächsten Satz. Es gibt nichts mehr auf dieser Welt, was mich noch locken könnte. Das hat alles den Wert von Müll.
Und das möchte ich. Ich möchte so tot sein, wie mein Herr an diesem Kreuz gestorben ist. Die Welt soll mir gekreuzigt sein, weil ich dieses Kreuz vor Augen habe. Ich will für diese Welt gekreuzigt sein, unerreichbar für diese Welt mit all ihren Angeboten. Das ist mein Ziel.
So wie Jesus bereit war, an dieses Kreuz zu gehen, und keine Verlockung dieser Welt ihn enthalten konnte. Nichts, was er auf dieser Welt hätte erreichen oder haben können.
Und dann der letzte Punkt: Ob ich auf irgendeine Weise hingelangen möchte zur Herausauferstehung aus den Toten.
In vielen Auslegungen werdet ihr lesen, dass das irgendwie die Auferstehung ist, dass er hofft, egal wie schrecklich sein Leben auf dieser Erde endet, selbst wenn er dem Tod Jesu gleichgestaltet wird und als Märtyrer stirbt, dass er hofft auf eine Auferstehung.
Ja, vielleicht steckt das darin. Aber warum sagt er dann „auf irgendeine Weise“? Ist er sich nicht sicher, dass er auferstehen wird?
Ich glaube, dass er das nicht in erster Linie meint. Ich glaube, dass er meint: Es sind nicht nur die Dinge in uns, diese Wünsche, die uns an dieser Erde fesseln, die so von der Erde gefesselt sind, die von den Angeboten dieser Welt gefesselt sind – diese Gesellschaft, all das, was man erreichen könnte, all das, was man haben könnte.
Es ist nicht nur unser Problem. Das Problem ist, dass unsere ganze Umgebung so tickt und dass es so selbstverständlich ist, für diese Dinge zu leben. Es ist so schwer, irgendwie zu sagen: Ich bin in meinen Zielen, in meinen Lebenseinstellungen anders als meine ganze Umgebung.
Und er sagt, das ist ein großer Kampf. Das ist wie ein Herausauferstehen, als würde jemand aus einem Massengrab auferstehen, um anders zu leben als die Menschen um ihn herum.
Und da sagt er: „In irgendeiner Weise“. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich das schon immer schaffe, aber das ist mein Ziel. Ich möchte herausgerufen werden aus dem Denken, aus den Gewohnheiten, in denen ich Jahrzehnte gelebt habe, mitgeschwommen bin in vielem, zumindest mit der Gruppe, zu der ich mich zugehörig gefühlt habe.
Ich möchte herausauferstehen und anders leben mit Christus. Und das ist das, was er versteht: Diese Gemeinschaft mit Christus intensiviert, eins werden mit Christus, ein Team sein mit Christus.
Ich möchte ihn – ich möchte Energie reinstecken, ihn als Sinn, obwohl er unsichtbar ist, vor Augen zu haben. Ich möchte die Kraft seiner Auferstehung in mir erleben, in Lebensveränderung, in Veränderung meines Denkens.
Nochmal so ähnlich: Ich möchte seinem Tod gleichgestaltet werden, nicht mehr erreichbar sein für diese Welt. Ich möchte Gemeinschaft seiner Leiden erleben, ich möchte für die gleichen Dinge leiden wie er. Und ich möchte die Kraft haben, anders zu leben als meine Umgebung.
Der Kampf um das Ziel und die Motivation durch Christus
Und jetzt, nachdem er gesagt hat, was es für ihn bedeutet, erklärt er uns, wie schwer das selbst für ihn ist (Vers 12): „Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon perfekt sei. Ich jage dem aber nach, ob ich es ergreifen möge, indem ich auch von Christus Jesus ergriffen werde.“
Brüder, ich denke, von mir selbst nichts ergriffen zu haben. Eins aber tue ich: Vergessend, was hinten liegt, und mich ausstreckend nach dem, was vorne ist, jage ich das Ziel anstrebend hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.
Er sagt, es ist in seinem Leben ein Kampf. Er ist noch nicht angekommen. Und wie so oft in seinen Briefen vergleicht er das Ganze mit einem Wettlauf, mit einem sportlichen Wettkampf. Er sagt, es ist ein harter Kampf. Es ist wirklich schwierig, auch für ihn, sein Leben nach diesen Prinzipien auszurichten.
Aber er weiß, dass dieses Ziel erstrebenswerter ist als alles, was es in diesem Leben gibt. Und er ist nicht bereit zu resignieren. Er ist nicht bereit, für dieses Ziel weniger einzusetzen als alles, was er mobilisieren kann.
Es ist nicht leicht. Wir haben das gelesen: Es ist nicht leicht, nicht mehr seine eigenen Interessen zu verfolgen, sondern die Interessen anderer wichtiger zu nehmen (Kapitel 1, Kapitel 2 vor allem). Das ist nicht leicht, es ist gegen unsere Natur, das ist ein Kampf.
Es ist nicht leicht, diese normalen menschlichen Wünsche und Ziele zurückzustellen und nicht mehr das Irdische im Fokus zu haben. Das ist gegen unsere menschliche Natur und gegen die Natur, wie unsere Umgebung tickt. Es ist nicht leicht, sich aus dem Strom der Umgebung herauszulösen, anders zu leben und andere Prioritäten zu setzen.
Das ist nicht leicht, auch konkrete Benachteiligungen in Kauf zu nehmen. Es ist nicht leicht, Sorgen und Leiden hinzunehmen, die man erlebt, wenn man sich für Menschen und Gemeinden engagiert. Das ist ein frustrierender Job. Das sind lauter Dinge, denen wir natürlicherweise eher aus dem Weg gehen würden, die wir eher verdrängen würden.
Er beschreibt eine Phase in seinem Leben, in seinem Dienst, in der er gemerkt hat, dass er eigentlich nicht mehr Ältester sein kann, weil er begonnen hat, bestimmten Gesprächen aus dem Weg zu gehen. Er hat den Eindruck, dass er noch mehr Probleme, von denen er merkt, dass er sie nicht lösen kann, nicht ertragen kann.
Die Leiden Christi zu teilen, ist schwer. Denn er sagt, dass man natürlicherweise dann aus dem Weg gehen würde. Aber er will dahin, weil er so viel wie möglich mit Christus teilen möchte. Gefühlt ist er noch lange nicht dort, wo er sein möchte.
Er beschreibt es mit dem Bild dieses Wettlaufs. In meiner Übersetzung ist das Wort mit „jagen“ übersetzt. Ich jage auf das Ziel zu. In meiner Übersetzung steht „das Ziel anschauen“, aber „anschauen“ steht nicht im griechischen Text. Es heißt: Ich jage zu dem Ziel hin.
Und „jagen“ in diesem Zusammenhang – ihr könnt euch das vorstellen, vielleicht habt ihr das schon gesehen, vor allem jetzt bei Übertragungen von Olympischen Spielen oder so, wenn ihr einmal in vier Jahren Leichtathletik schaut – ist wie bei einem Hundert-Meter-Läufer, der gegen die Gesetze der Physik ankämpft. Diese erlauben es einfach nicht, bei diesem Luftwiderstand noch schneller zu laufen. Aber man sieht, dass er die Gesetze der Physik durchbrechen will, um noch ein bisschen schneller zu sein.
Oder wie bei einem Zehntausend-Meter-Läufer, der gegen seine eigenen Grenzen seiner Leistungsfähigkeit ankämpft, um auf der Zielgeraden nach zehn Kilometern noch einen Schlussspurt hinzulegen. Das ist das Bild, das hier gebraucht wird.
Paulus sagt: Ich habe ein Ziel vor Augen, ich jage auf dieses Ziel hin mit aller Energie, die ich habe. Weil ich dieses Ziel – so zu sein, so zu ticken, so mit Christus verbunden zu sein – für so erstrebenswert halte, setze ich alles dafür ein. Das ist das Bild, das hier verwendet wird.
Warum? Zwei Dinge: Am Ende von Vers 12 sagt er: „Weil ich von Christus ergriffen bin.“ Natürlich hat Christus ihn ergriffen. Christus hat ihn aus seinem alten Leben herausgezogen, hat ihm die Augen geöffnet vor allen Toren von Damaskus. Er hat eine übernatürliche Erscheinung gehabt, Christus hat ihn ergriffen, zu sich gezogen – ganz real. Dadurch ist er gerettet worden.
Aber ich glaube nicht, dass er nur das meint. Er sagt: „Ich möchte dieses Leben, diese völlige Einheit mit Christus ergreifen. Ich jage dem nach, weil Christus mich nicht nur so real ergriffen und gerettet hat, sondern – wie es im Deutschen auch ist – weil ich ergriffen bin von Jesus, weil er mir so viel bedeutet.“
Darum investiert er alles, um möglichst eng mit ihm zu leben, um möglichst für seine Ziele zu leben, um sich für seine Ziele, für seine Gemeinde, für seine Menschen einzusetzen – weil er von Christus ergriffen ist.
Und das Zweite: Vers 14, „hin zu dem Kampfpreis, der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.“ Und irgendwie nimmt er uns mit ans Ende des Wettkampfs. Bei diesen großen Spielen, die es damals gab – die Olympischen Spiele, die ismischen Spiele, diese großen Wettkämpfe – wurde vielleicht am Schluss das Staatsoberhaupt auf der Tribüne den Sieger zu sich bitten, um ihm die ganz besondere Auszeichnung zu geben: den Kampfpreis.
Wow, sagt Paulus, dafür lohnt es sich. Meine erste Erinnerung an einen großen sportlichen Wettkampf war, als ich sieben Jahre alt war: das Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft 1966. Die meisten von euch kennen es nur aus Geschichtsbüchern: Wembley-Stadion, England gegen Deutschland.
Am Ende des Spiels, als die Engländer berechtigt oder unberechtigt mit zwei zu eins gewonnen hatten, waren sie alle – Sieger und Verlierer – auf der Tribüne. Auch damals schon überreichte Queen Elizabeth, die englische Königin, den Spielern ihre Medaillen.
Man weiß nicht, wie viel das für die deutschen Spieler bedeutete, aber für die englischen Spieler war es etwas ganz Besonderes. Und das, sagt Paulus, das möchte er erleben: Am Ende seines Lebens auf die Tribüne gerufen zu werden und seine Belohnung direkt aus den Händen des Herrschers zu bekommen.
Deswegen investiert er alles. Er möchte von ihm persönlich ausgezeichnet werden, nicht nur eine Urkunde bekommen, die von ihm unterschrieben ist, vielleicht nur kopiert, mit eingescanntem Unterschrift und irgendwo auf einem Brief gedruckt.
Er möchte auf der Tribüne sein, den Kampfpreis oben.
Aufruf zur Nachahmung und Ausblick auf die himmlische Heimat
Die letzten Verse beginnen mit der Aufforderung: So viele nun reif und erwachsen sind, lasst uns so eingestellt sein. Wenn ihr noch anders eingestellt seid, wird Gott euch das offenbaren. Ich glaube, das ist kein Vorwurf, sondern einfach seine Hoffnung, die er bereits in Kapitel eins geäußert hat. Gott ist an euch dran wie an seinem Werkstück und wird seine Arbeit an euch vollenden.
Ich bin überzeugt, dass er euch dahin bringen wird, ähnlich zu denken wie ich, sagt Paulus zu den Philippinern. Doch wozu wir gelangt sind, lasst uns in denselben Fußstapfen wandeln. Brüder, seht hin auf die, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt. Ihr habt Beispiele und Vorbilder in eurer Umgebung. Wir haben über Vorbilder gesprochen. Es gibt gute Vorbilder im Team.
Wenn ich das lese, denke ich: Paulus spielt in einer völlig anderen Liga als ich. Was mich schockiert, ist, dass er genau an dieser Stelle schreibt – den Satz hätte ich mir gerne erspart – „Seid gemeinsam meine Nachahmer“. Gerade an dieser Extremstelle fordert er uns auf, ihn nachzuahmen. Boah, Leute!
Aber wisst ihr, was ich schön finde? Er schreibt: „Seid zusammen meine Nachahmer.“ Das kleine griechische Wort syn bedeutet „miteinander“. Ihr müsst es nicht alleine schaffen, ihr seid keine Einzelkämpfer. Ihr könnt als Team meine Nachahmer sein und euch gegenseitig in dieser Ausrichtung und diesen Prioritäten unterstützen.
Ihr könnt euch als kleine Gruppe, vielleicht manchmal nicht als ganze Gemeinde, sondern als Freunde, ermutigen, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Miteinander das nachzuahmen und diesen Wettlauf als Team zu laufen – das finde ich tröstlich.
Vers 20 lautet: Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von wo wir auch den Herrn Jesus Christus als Retter erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge zu unterwerfen.
Hier geht es wirklich um Auferstehung. Der Sitz unserer Regierung ist nicht in Wien oder Innsbruck, sondern an einem anderen Ort. Dort werden wir einmal sein, und dann wird dieser ganze Kampf hinter uns liegen. Denn dann wird der Herr uns mit seiner Kraft einfach verändern.
Bis dahin ist es jedoch ein Kampf. Und wenn wir dort ankommen, wird nicht jeder den gleichen Lohn bekommen. Aber wir werden belohnt werden und endgültig wissen, dass sich jeder Einsatz und jeder Verzicht gelohnt hat.
Paulus sagt: Seid meine Nachahmer. Wenn wir diesen Brief ernst nehmen wollen, müssen wir uns dieser Herausforderung stellen.