Einführung in die Predigtserie und heutiges Thema
Ich danke euch. Ein wunderschönes Lied, aber eine Aussage, die leichter gesungen als gelebt ist, oder? Für wen oder was hast du wahre Wertschätzung? Wie zeigt sich das? Was darf dich deine Wertschätzung kosten?
Es war meine Hoffnung, dass die Predigt heute uns dazu anregt, über diese Fragen wirklich intensiv nachzudenken und dann zu klaren Antworten zu kommen.
Mit der heutigen Predigt möchte ich eine Predigtserie fortsetzen, die ich schon in drei Abschnitten seit 2009 immer mal wieder gepredigt habe. Seit 2009 sind wir durchs Markusevangelium gegangen, zuletzt bis zum Ende von Kapitel 13. Heute setzen wir fort mit Kapitel 14, Vers 1 bis 11. So Gott will, wollen wir diese Predigtserie dann an Ostern mit den letzten Versen des Markusevangeliums abschließen.
Der Predigttext heute ist ziemlich eindeutig in drei Abschnitte strukturiert. Das haben wir eben bei der Lesung schon an den Überschriften gemerkt: In den Versen 1 und 2 sehen wir den Plan der Hohenpriester und Schriftgelehrten zur Tötung Jesu.
Dann folgt ein langer Mittelteil in den Versen 3 bis 9, der offensichtlich die Hauptaussage unseres heutigen Bibelabschnitts ist, nämlich der Akt der Salbung Jesu in Betanien.
Am Ende, in den Versen 10 und 11, sehen wir den Verrat des Judas.
Diese Struktur ist ein bisschen typisch für Markus. Ich möchte uns helfen zu verstehen, warum ich diese drei Abschnitte zusammennehme und warum ich sie auch etwas ungewöhnlich predigen werde. Ich hoffe, Sie haben schon gefrühstückt, und das regt Sie nicht zu sehr an.
Das ist die sogenannte Sandwich-Struktur, im Fachjargon ein Schiasmus. Das heißt, wir haben oben und unten das Brot, das zusammengehört. In der Mitte, dazwischen, ist dann der gehaltvolle Teil, der Belag.
Das ist typisch für Markus. Wir werden das in den nächsten Wochen immer wieder sehen: Er schafft so einen Rahmen und fügt in diesen Rahmen etwas ein.
So wollen wir heute anfangen mit dem Brot, also den Versen 1 und 2 sowie 10 und 11, und dann am Ende der Predigt. Der Hauptteil der Predigt ist dann der Belag, das sind die Verse 3 bis 9. Wir werden sehen, warum Markus das so strukturiert.
Die Planung der Gegner Jesu (Markus 14,1-2)
Zuerst betrachten wir die Verse eins und zwei, die den Plan der Schriftgelehrten und Hohenpriester beschreiben, Jesus zu töten. Ich lese die Verse vor:
„Es waren noch zwei Tage bis zum Passafest und dem Tag der ungesäuerten Brote, und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List ergreifen und töten könnten. Denn sie sprachen: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht zu einem Aufruhr im Volk komme.“
Hier wird also der Zeitpunkt verortet: Wann findet das statt? Es ist zwei Tage vor dem Passafest beziehungsweise dem unmittelbar danach beginnenden Fest der ungesäuerten Brote, also wahrscheinlich am Mittwoch, kurz vor der Kreuzigung Jesu am Freitag.
Im Markus-Evangelium beginnt die letzte Woche im Leben Jesu schon in Kapitel 11. Dort zieht Jesus in Jerusalem ein. In dieser letzten Woche, besonders in den Kapiteln 11 und 12, sieht man, wie Jesus in den Tagen vor den beschriebenen Ereignissen immer wieder Konfrontationen hat. Diese Konfrontationen finden vor allem mit den jüdischen Eliten statt, darunter Pharisäer, Schriftgelehrte, Hohepriester und Sadduzäer. Sie alle versuchen auf verschiedene Weise, Jesus zu diskreditieren.
Jesus lehrt, und die Menschen hören ihm zu. Sie sind angetan von seiner Weisheit und dem, was er lehrt. Das ist den jüdischen Eliten jedoch ein Dorn im Auge. Deshalb kommen sie und versuchen, Jesus schlecht zu machen und ihm Fangfragen zu stellen, damit sich die Leute gegen ihn wenden. Doch das misslingt. Jesus antwortet jedes Mal mit einer klugen und weisen Antwort.
Das Ergebnis ist, dass die Menschen sich nicht von Jesus abwenden und den Schriftgelehrten nicht folgen. Stattdessen schauen sie spöttisch auf die Schriftgelehrten und schätzen Jesus immer mehr. Man kann sich vorstellen, dass dies den Schriftgelehrten nicht gefiel. Sie hatten genug und wollten, dass Jesus verschwindet. Er war ihnen ein Dorn im Auge.
So wird deutlich, was den Schriftgelehrten wirklich wichtig war: Sie wollten ihre eigene Anerkennung, ihren Ruhm und ihre Ehre. Jesus stand ihnen im Weg, und deshalb musste er weg.
Das ist nicht untypisch und gilt auch heute noch. Dort, wo Jesus im Zentrum steht – mit all seinen Anforderungen, seinem Leben und seinem Sterben – scheiden sich die Geister. Wo Jesus sichtbar vor Augen gestellt wird und seinen Anspruch an jeden Menschen deutlich macht, gibt es keinen Raum für Neutralität. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: sich entweder von ihm abzuwenden oder sich ihm freudig zuzuwenden.
Genau damit sollten wir rechnen. Wenn wir das Evangelium klar weitergeben, passiert etwas. Manche Menschen werden voller Freude Jesus erkennen, zu ihm kommen und seine Nachfolger werden. Andere hingegen werden verärgert sein. Das, was wir sagen, ist für sie ein Affront, und sie stellen sich gegen Jesus und auch gegen uns.
Gerade deshalb ist es so wichtig, das Evangelium klar zu verkündigen. Ein ehemaliger Gemeindepraktikant hat das einmal mit dem schönen Satz ausgedrückt: „Hat sich keiner bekehrt? Hat sich keiner beschwert? Dann war alles verkehrt.“ Das war Simon Graf, nicht wahr? Genau, er war es.
Die Hohenpriester und Schriftgelehrten haben sich beschwert. Für sie war Jesus ein Dorn im Auge, und so suchten sie nach einer List, um ihn zu ergreifen und zu töten. Einen Grund gab es, warum sie das nicht sofort taten: Zu diesem Zeitpunkt war die Stadt voller Menschen. Überall strömten Menschen herbei, und die Atmosphäre war emotional aufgeladen.
In einer solchen Situation wollten sie nicht riskieren, dass die Stimmung kippt und es zu einem Aufruhr kommt. Man kann das ein wenig vergleichen mit der heutigen Situation in Sotschi, wenn der russische Präsident Probleme mit Oppositionellen hat. Im Moment wäre vielleicht nicht der ideale Zeitpunkt, um massiv gegen sie vorzugehen – lieber, wenn keiner mehr da ist und es keiner mitbekommt.
Das war der Plan der Hohenpriester und Schriftgelehrten. Doch was der Mensch plant, ist noch lange nicht das, was geschieht, denn Gott steht über diesen Dingen. Im weiteren Verlauf sehen wir, dass Gott eingreift und Dinge beschleunigt. Er tut das durch Judas, der den Hohenpriestern und Schriftgelehrten unerwartete Hilfe anbietet.
Der Verrat des Judas (Markus 14,10-11)
Und das ist dann der zweite Teil, auf den wir schauen wollen: die Verse 10 und 11, der Verrat des Judas.
Wir lesen in Vers 10: „Und Judas Iskariot, einer von den Zwölfen, ging hin zu den Hohepriestern, dass er ihn, also Jesus, an sie verriete.“ Als die das hörten, wurden sie froh und versprachen ihm Geld zu geben. Er suchte, wie er ihn bei guter Gelegenheit verraten könnte.
Markus erklärt uns hier nicht, warum Judas das tut, obwohl kein Wort darüber berichtet wird. Im Lukasevangelium hören wir davon, dass Satan in Judas gefahren war. Matthäus berichtet, dass Judas sich bereichern wollte und es ihm ums Geld ging. In der Apostelgeschichte wird dann deutlich, dass Judas letztendlich ein Werkzeug Gottes ist. Gott tut durch ihn, was er nach seinem Ratschluss und seiner Vorsehung zuvor bestimmt hatte.
Aber wie dem auch sei: Judas war drei Jahre lang bei Jesus gewesen, er war ein Nachfolger Jesu gewesen, und jetzt plötzlich wird aus diesem Nachfolger Jesu ein Komplize seiner Feinde. Wahrscheinlich war er von Jesus enttäuscht. Wahrscheinlich hatte er sich von Jesus mehr versprochen. Jesus erfüllte nicht das, was er von ihm erwartet hatte.
So kommt es bei Judas nun zu einer Neubewertung. Was Jesus ihm jetzt noch zu bieten hat, schlussfolgert er wohl, ist das Kopfgeld, das er für seinen Verrat bekommen kann. So viel ist Jesus ihm noch wert: dreißig Silberlinge, wie wir aus anderen Stellen wissen.
Was Judas hier tut – nach Jahren scheinbar mit Jesus – sich von ihm abzuwenden, ist leider etwas, das wir heute immer mal wieder erleben. Ich bete, dass kein Judas unter uns ist, dass niemand hier ist, der vielleicht zur Gemeinde kommt, vielleicht schon lange zur Gemeinde kommt, aber nur weil er sich etwas ganz Besonderes davon verspricht. Weil er seinen persönlichen Vorteil sucht: vielleicht Freunde, die man anderswo so leicht nicht findet, vielleicht Unterstützung, die man hoffentlich anderswo so leicht nicht findet. Irgendwelche Vorteile für das Leben hier und jetzt.
Ich denke, es ist eine echte Gefahr in unserer Zeit, in der das Wohlstandsevangelium immer mehr Raum gewinnt, dass Menschen zu Jesus kommen, weil sie denken, dass das dann all ihre Probleme löst und ein leichtes und bequemes Leben mit sich bringt. Wenn das deine Hoffnung ist, wenn das der Grund ist, warum du heute hier bist, dann muss ich dich enttäuschen.
Die Nachfolge, das Zu-Jesus-Gehen, kann nicht alles kosten. Jesus hatte angefangen, seinen Jüngern das deutlich zu sagen. Er hatte erklärt, dass die Nachfolge durchaus mit einem hohen Preis einhergehen kann. Aber du musst deshalb nicht den Weg des Judas gehen.
Ich wünsche dir und bin davon überzeugt, dass Jesus selbst so viel besser, so viel wertvoller, wunderbarer ist und so viel mehr zu bieten hat als ein leichtes, leidfreies Leben. Eines Tages wird Jesus alle, die ihn als Retter und Herrn anerkennen, zu sich holen und sie komplett befreien von allem Leid dieser Welt. Dann wird er in der Tat das großartige Leben geben.
Der Weg des Judas hingegen und der Weg der Schriftgelehrten und Hohepriester, also der Weg der Ablehnung des Herrn Jesus, führt – und da lässt die Bibel keinen Zweifel – ins ewige Verderben, selbst wenn er kurzfristig sehr attraktiv erscheinen mag.
Deswegen gibt es nur eins: Wenn du nur auf dem Weg des Judas bist, kehr um. Kehre um und wende dich Jesus zu. Lass ihn den Herrn über dein ganzes Leben sein, egal was es dich im Moment kosten mag. Es lohnt sich.
Und ich möchte uns allen eine etwas provokante, aber ich denke auch wichtige Frage stellen, die auch dich betrifft, selbst wenn du ganz klar sagen kannst, dass du nicht in die Judas-Kategorie gehörst.
Gibt es etwas, gibt es irgendetwas, wofür du bereit wärst, dich von Jesus abzuwenden? Irgendetwas: Geld, Wohlstand oder das Vermeiden von absoluter Armut, von Hunger, Bequemlichkeit oder den Verlust davon? Deine Anerkennung oder die Gefahr, dass du verspottet wirst? Irgendwelche Verlangen: das Verlangen nach einem Ehepartner für die Singles unter uns, das Verlangen nach Sex, das Verlangen nach Lust in irgendeiner anderen Form? Oder die Bereitschaft, auf all das zu verzichten, wenn Jesus es nicht für dich bereithält?
Das, was am ehesten das Potenzial hat, uns dazu zu bringen, uns von Jesus abzuwenden, sind die Bereiche, in denen wir am wachsamsten sein müssen. Keiner von uns ist frei von Versuchungen. Stell dir selbst die Frage: Wo ist deine Loyalität zu Jesus am gefährdetsten? Und dann sei ganz besonders wachsam in diesen Punkten, damit wir Jesus treu bleiben, wenn die Versuchungen kommen.
Judas wendet sich ab. Er wendet sich ab von Jesus und wird zum Komplizen seiner Verräter. So schließt sich die Klammer der Verse 1 und 2 sowie 10 und 11. Mittendrin kommt dann ein Bericht von denen, die sich ihm nicht gegen Jesus stellen, sondern die zu ihm kommen, die bei ihm sind, die ihn wirklich wertschätzen.
Die Salbung Jesu als Zeichen der Hingabe (Markus 14,3-9)
Ich lese uns die Verse drei bis neun vor:
Als Jesus in Bethanien im Hause Simons des Aussätzigen war und zu Tisch saß, kam eine Frau mit einem Glas kostbaren, unverfälschten Nardenöls. Sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Einige wurden unwillig und sprachen untereinander: „Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte es für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen und das Geld den Armen geben können.“ Sie fuhren sie an.
Jesus aber sprach: „Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun. Mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. Ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, wird man auch zu ihrem Gedächtnis sagen, was sie getan hat.“
Hier sehen wir einen Einschub dieses Festmahls, das im Hause von Simon dem Aussätzigen stattfand. Wahrscheinlich fand dieses Mahl einige Zeit vor dem statt, was in den Versen 1, 10 und 11 berichtet wird. Der Parallelbericht zu Beginn von Johannes 12 sagt, dass dieses Mahl am Tag vor dem triumphalen Einzug in Jerusalem, am Palmsonntag, stattfand. Wahrscheinlich also etwa vier Tage vor den anderen Ereignissen.
Die Reihenfolge ist hier nicht chronologisch, sondern thematisch von Markus bewusst gewählt. Das ist legitim. Wenn ich zum Beispiel vom Verrat des Judas berichten will, gibt es vielleicht zwei Dinge, die ich zuerst erklären möchte: Zum einen, warum Judas überhaupt Leute fand, die bereit waren, und zum anderen, um den Kontrast zu zeigen – aus welcher Versammlung Judas hinausging. Wahrscheinlich war er bei diesem Mahl dabei.
Es geht hier also um den Kontrast zwischen den Menschen, die sich gegen Jesus stellen und ihn töten wollen, und denen, die ihn lieben. Das steht im Zentrum.
Wir sehen bei diesem Mahl einige Menschen. Wenn man die Parallelberichte genauer betrachtet, weiß man noch mehr. Eine von Markus nicht näher identifizierte Frau ist dabei, ebenso die zwölf Jünger. Das Mahl findet im Haus eines Gastgebers namens Simon, dem Aussätzigen, statt. Über ihn wissen wir wenig, außer dass er einst Aussätziger war und in Bethanien wohnte. Er ist sicher nicht mehr aussätzig, sonst hätten die Juden sein Haus nicht betreten. Vielleicht hatte Jesus ihn geheilt, das wissen wir nicht genau.
Was aber sicher niemand erwartet hatte, war die Salbung mit kostbarem Öl. Es war nicht ungewöhnlich, dass bei einem solchen Mahl der Ehrengast eine Salbung erhielt – ein wenig Öl. Aber was hier geschieht, ist ungewöhnlich und sprengt den Rahmen dessen, was normal ist.
Die Frau nimmt nicht nur ein bisschen Öl, sondern ein extrem kostbares Öl, das Beste vom Besten, und gießt es im Überfluss über Jesus. Sie geht weit über das hinaus, was man von ihr hätte erwarten können. Sie gibt Jesus nicht nur ein wenig, sie gibt ihm alles. Ihre Wertschätzung für Jesus ist grenzenlos; sie hält nichts zurück. Sie liebt Jesus so sehr, dass sie ihm das Kostbarste gibt, was sie besitzt.
Markus berichtet, wie viel dieses Öl wert ist: Es hat einen Wert von dreihundert Silbergroschen. Aus anderen Berichten in der Bibel wissen wir, dass das ungefähr ein Jahreslohn war. Die Reaktion der Jünger ist daher durchaus nachvollziehbar.
Die Jünger schauen die Frau an und sagen sinngemäß: „Bist du noch bei Verstand? Es ist nett, dass du Jesus salben willst, aber was du hier machst, ist verrückt und Verschwendung.“ So hören wir es in Vers 4 und 5: „Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte es für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen und das Geld den Armen geben können.“
Mal ehrlich: Denkst du nicht auch, dass die Jünger Recht haben? Um das praktischer zu machen: Stell dir vor, wir feiern Abendmahl. Und dann kommt Markus Michnik, ein Weinliebhaber, und bringt die wertvollsten Weine, die er auftreiben konnte, im Wert von sagen wir einem Jahreslohn – vielleicht 25.000 Euro – und kippt das einfach in die Kelche. „Ich will, dass ihr es gut habt. Matthias, vor allem du sollst guten Wein trinken.“ Was würdest du sagen? Wahrscheinlich: „Markus, hast du sie noch alle? Traubensaft tut es auch. Reiß dich zusammen! Wenn du so viel Geld hast, verkauf den Wein und gib das Geld den Armen!“
Ihr merkt, ich will hier Sympathie für die Jünger wecken. Die Bibel fordert uns klar auf, uns um die Armen zu kümmern. Das Anliegen der Jünger war also nicht verkehrt. Sie waren sicher überzeugt, dass Jesus ihnen Recht geben würde und die Frau zurechtweisen würde.
Umso überraschender ist es, dass Jesus sich einmischt. Wir lesen in Vers 6: „Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun. Mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte.“
Jesus lobt hier nicht die kühle, berechnende Haltung der Jünger, sondern die überschwängliche Hingabe der Frau. Sicher will Jesus nicht sagen, dass es nicht gut ist, abzuwägen und zu überlegen, was sinnvoll ist – die Bibel ruft uns dazu auf. Das Problem war, dass die Jünger in ihrer Wertschätzung fehlgeleitet waren. Ihre Prioritäten waren falsch.
Es ist gut, den Armen zu helfen, aber viel besser ist das, was die Frau getan hat. Wir sollten uns vor Augen führen, was Jesus hier letztlich sagt: Wenn Markus den Wein reingekippt hätte und gesagt hätte: „Ich mache das, weil ich dich wertschätze, Matthias,“ und ich würde sagen und ihr regt euch alle auf, dann sagt Jesus: „Entspannt euch, ich bin es wert.“
Das ist es, was Jesus hier tut: Er sagt, ich bin es wert. Die Frau hat das Gute getan. Ja, ihr Jünger, ihr habt Recht, dass ihr euch um die Armen kümmern sollt. Aber es ist noch viel besser, wenn sich jemand mir ganz hingibt.
Wir können uns heute dem Herrn hingeben, indem wir in seinem Namen den Armen Gutes tun. Aber das Ziel in allem sollte sein, dass der Herr dadurch die Ehre erhält. Jedes gute Werk sollte zum Lobpreis des Herrn führen. Wie Jesus schon in der Bergpredigt erklärt hat: Wir sollen unser Licht vor den Leuten leuchten lassen, damit sie unsere guten Werke sehen und unseren Vater im Himmel preisen. Das heißt, der Lobpreis gilt Gott – das ist das Ziel unserer guten Werke.
Für uns heute sind das also keine zwei Alternativen: Entweder helfen wir den Armen oder wir loben Gott. Die Jünger dachten, die Ehrerbietung Jesu brauche nicht so viel. Das hätte man mit weniger tun können. Ob sie wirklich so darauf bedacht waren, zu Gottes Ehre den Armen zu helfen, sei zumindest fraglich. Interessanterweise sprechen sie nicht von ihrem eigenen Geld, sondern vom Geld der Frau.
Wir wären schnell dabei, Markus zu kritisieren, wenn er den teuren Wein wegkippt. Man könnte das Geld den Armen geben. Aber natürlich könnten die Jünger auch ihr eigenes Geld nehmen und es den Armen geben. Auf diese Idee scheinen sie hier nicht zu kommen; sie kritisieren nur die Frau dafür, dass sie es falsch gemacht hat.
Und zumindest einer der Jünger hatte gar nicht das Anliegen, den Armen zu helfen. Er wollte das Geld für sich selbst abzweigen – Judas, der Verräter. Bei den anderen stellt sich die Frage, was ihre wirkliche Motivation war. Vielleicht waren sie ein bisschen eifersüchtig oder fühlten sich im Schatten dieser völligen Hingabe der Frau. Der Kontrast zwischen ihrem Tun und ihrem vielleicht halbherzigen Einsatz ist deutlich.
Das sehen wir heute noch. Vor einiger Zeit hatte ich ein Aufnahmegespräch mit einer jungen Frau in der Gemeinde. Sie erzählte, dass sie mit christlichem Hintergrund aufgewachsen war, aber als sie eine echte Bekehrung erlebte und ihr Leben sich veränderte, kam Verwunderung und fast Kritik von ihrer Familie. Ein bisschen Christsein sei okay, Religion könne nicht schaden. Aber müsse das Leben gleich komplett verändert werden? Sonntags zum Gottesdienst gehen sei in Ordnung, aber sich komplett in Gemeinde, Freizeit und Geld zu investieren oder gar eine vielversprechende Karriere aufzugeben, um dem Herrn vollzeitlich zu dienen? „Mäßige dich, nicht so viel!“
Wie ist das bei dir? Wundern sich andere über deine Hingabe an den Herrn? Kritisieren sie dich vielleicht? Oder bist du mit weniger zufrieden? Ermutigst du Menschen, die dem Herrn große Opfer bringen wollen?
Eine konkrete Frage an die Eltern unter uns: Was würdet ihr sagen, wenn euer Sohn oder eure Tochter euch eröffnet, dass er oder sie dem Herrn vollzeitlich dienen möchte, in die Mission gehen will, in ein Land, in dem Menschen für ihren Glauben eingesperrt oder getötet werden? Würdet ihr versuchen, euer Kind davon abzuhalten? Wie hoch ist unsere Wertschätzung für den Herrn?
Die Frau tat, was sie konnte, und erntete Kritik von den Jüngern. Jesus aber lobte ihren Akt der Hingabe und betonte, dass ihre Tat eine weitreichendere Bedeutung hat, als sie selbst vielleicht ahnte. Sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis.
Während einige voller Hass gegen Jesus sind und ihn töten wollen, salbt sie ihn im Voraus für sein Begräbnis. Mit dieser Aussage weist der Text über das hinaus, was wir direkt sehen: Die Hingabe der Frau verblasst im Vergleich zu dem, was Jesus tun wird.
Sie gibt ihm eine Salbung im Wert eines Jahreslohns. Jesus aber gibt sein Leben als Lösegeld für viele. Der Apostel Paulus beschreibt es später im 2. Korinther 8,9: „Obwohl er reich war, wurde er arm um unseres Willens, damit wir durch seine Armut reich würden.“
Herr Jesus Christus, durch den und für den die ganze Welt gemacht ist, dem alles gehört, der der Erbe aller Dinge ist, gab das alles auf. Er verließ die Herrlichkeit, den Reichtum und die Fülle, die er beim Vater hatte, und wurde uns Menschen gleich. Er hat sich uns komplett hingegeben und erniedrigt.
Er tat das, weil wir Menschen diese Hingabe brauchen. Weil wir uns von Gott abgewandt haben – alle miteinander. Deshalb kam Gott in Jesus Christus zu uns. Deshalb gibt sich der Sohn für uns hin. So kommt er in diese Welt voller Liebe, lebt ein perfektes Leben.
Angemessen wäre, dass wir uns alle ihm sofort hingeben, auf ihn hören, ihn anbeten und für ihn leben. Aber das haben wir Menschen nicht getan. Die Menschen damals handelten so, wie wir es heute tun würden: Sie lehnten sich gegen ihn auf und lehnten ihn ab.
Es dauert nicht mehr lange, da erscheint der Chor der Menschen, die rufen: „Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!“ Das fängt hier gerade an. Noch sind viele bei Jesus, aber bald werden sie sich entscheiden, sich gegen ihn zu stellen. Nachdem er verhaftet ist und ihre Erwartungen enttäuscht wurden, wenden sich die Menschen von ihm ab.
Das, was böse Menschen planen, ist letztlich etwas, das Gott schon lange zuvor geplant hatte. Die bösen Menschen werden zu Gottes Werkzeug, weil Jesus in diese Welt kam, um sich noch mehr hinzugeben und sich für uns vollständig aufzuopfern. Er nimmt alles auf sich, was du und ich verdient hätten.
So stirbt er am Kreuz, gesalbt für den Tod. Dann kommt der Tod – er stirbt am Kreuz. Das ist wahre Hingabe. Er gibt sich für dich und mich aus Liebe.
Und anders als die Frau, die Jesus ihre Hingabe schenkt, gibt Jesus sich nicht für Menschen hin, die ihm Gutes getan haben. Er stirbt für seine Feinde, damit wir seine Freunde werden können, damit wir Gottes Kinder werden.
Jesus war so voller Liebe zu uns Sündern, dass er sich voll und ganz hingab. So bleibt die Frage: Wie viel kann er von dir erwarten? Was bist du bereit, Jesus zu geben?
Es fängt damit an, dass du dich ihm hingibst und ihn als Herrn deines Lebens anerkennst. Das ist der erste Schritt für manche. Für die, die das schon lange getan haben, folgt der nächste Schritt: ein tägliches Umkehren. Immer wieder umzukehren in den Bereichen, in denen wir uns von dem entfernen, was Jesus von uns will.
Wo wir angefangen haben, ihm den kleinen Dingen zuliebe ein bisschen ungehorsam zu werden, weil wir denken, ein anderes Leben sei besser. Doch letztlich stellt sich die Frage: Sind wir bereit, ihm alles zu geben?
Bist du bereit, etwas Verrücktes zu tun? Verrückt in den Augen der Welt? Vielleicht dein Leben zu investieren, um den Armen zu helfen, diakonisch tätig zu werden, in die Mission zu gehen oder evangelistisch tätig zu sein – mit deinem ganzen Leben, um denen, die geistlich arm sind und das Evangelium noch nicht kennen, das Evangelium zu bringen?
Bist du bereit, dich dem Herrn mit allem hinzugeben, was du hast und bist?
Nehmen wir uns ein Beispiel an der Frau aus unserem Bibeltext. Die komplette Hingabe an den Herrn Jesus ist nie Verschwendung, denn sie findet Gottes Anerkennung bis in alle Ewigkeit.
So endet unser Predigttext: „Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird auch zu ihrem Gedächtnis von dem gesprochen, was sie getan hat.“ Möge im Himmel auch von dem gesprochen werden, was du getan hast.
Schlussgebet zur Hingabe und Nachfolge
Ich möchte beten: Lieber Herr Jesus, was für ein Freund bist du! Danke für deine völlige Hingabe, dass du in diese Welt gekommen bist – in eine Welt, die dir feindlich gesinnt ist. Danke, dass du bereit warst, den Weg bis zum Kreuz zu gehen.
Danke, dass du uns so sehr liebst, dass du bereit warst, alles für uns zu geben. Danke, dass du der Sieger bist über Tod und Sünde. Dadurch dürfen wir wissen, dass wir in dir und mit dir alles haben: das ewige Leben in Ewigkeit und hier auf Erden deinen Segen, wo immer wir dir nachfolgen.
Herr, hilf uns, immer wieder auf das Kreuz zu schauen. Lass uns von deiner Hingabe berührt werden und uns ganz dir hingeben. Möge das unser vernünftiger Gottesdienst sein. Amen.