Einleitung und persönliche Gedanken zum zehnten Gebot
So, ihr habt durchgehalten. Das ist der letzte Vortrag, der elfte, zum zehnten Gebot. Dieser Vortrag gefällt mir ganz besonders, weil er mir die Möglichkeit gibt, noch einmal ein Stück abzurunden. Ich kann einfach noch einmal ein paar Dinge sagen, die mir persönlich wichtig sind, wenn man über das Thema der zehn Gebote nachdenkt.
Ich hoffe wirklich, dass die Beschäftigung mit den Geboten aus dem Alten Testament bei euch nicht den Eindruck hinterlassen hat, Gott sei wie ein Virenscanner. Ihr kennt diese Virenscanner, die immer im Hintergrund laufen und sich melden, wenn man merkwürdige Mails herunterlädt. Bei mir blinkt dann immer „Piep, piep, piep – Achtung!“ Und dann muss ich auf etwas klicken, um die Datei gleich zu löschen, richtig zu löschen, ganz zu löschen. Ich möchte die Datei gar nicht erst öffnen.
So läuft im Hintergrund immer ein Programm mit. Wenn etwas schiefläuft, meldet es sich. Wenn alles in Ordnung ist, meldet es sich eigentlich nicht. Man kann aber den Eindruck bekommen, Gott sei ein Virenscanner, der immer im Hintergrund mitläuft und sich nur dann meldet, wenn in meinem Leben Sünde passiert. Und das fände ich ganz, ganz schade. Diesen Eindruck wollte ich nämlich gar nicht hinterlassen.
Die Gefahr besteht, dass man diesen Eindruck gewinnt. Das Interesse Gottes gilt nicht zuerst der Sünde in unserem Leben. Das ist mir wichtig. Ich komme gerade von einer Outdoor-Bibelschule, und dort muss ich den jungen Leuten auch ein paar Mal sagen: Christsein heißt nicht sündlos zu leben. Christsein heißt nicht einmal, möglichst sündenfrei zu leben. Habt ihr mich verstanden? Christsein heißt nicht einmal, möglichst sündenfrei zu leben.
Wir müssen gerade, wenn wir uns mit Geboten beschäftigen, darauf achten, dass wir Mittel und Ziel nicht verwechseln. Ein heiliges Leben ist nicht das Ziel, sondern das Mittel, das Gott uns gibt, um ihn zu erkennen, um ihm ähnlicher zu werden und um heute schon qualitativ ewiges Leben zu leben.
Deshalb ist die Beschäftigung mit den Geboten Gottes für uns Mittel zum Zweck und nicht selbst Zweck. Wir beschäftigen uns mit den Geboten Gottes, weil wir etwas über seinen Charakter wissen wollen.
Die Gebote als Ausdruck von Gottes Herrlichkeit und Liebe
Wenn man das etwas verallgemeinernd ausdrücken möchte, kann man sagen: Die Gebote sind – wie wir ganz am Anfang gesagt haben – ein Ausfluss der Herrlichkeit und Heiligkeit Gottes.
Das Ziel, das Gott mit uns hat, findet sich in 2. Korinther 3,18: „Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an und werden so verwandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es vom Herrn, dem Geist, geschieht.“
Gott möchte nicht nur unser Denken prägen. Er möchte nicht, dass wir mit einem großen Kopf durch die Welt laufen und alles wissen. Vielmehr möchte Gott unser Verhalten auf allen Ebenen prägen: unser Denken, unser Reden, unser Handeln, unser Verstehen und unser Mitfühlen.
Wenn ich das so sage, wird ganz automatisch klar, dass vor uns ein lebenslanger Prozess liegt. Dabei benutzen wir die Bibel, um den zu erkennen, der quasi hinter der Bibel steht. Die Bibel selbst ist nicht Gott. Sie ist Gottes Liebesbrief an uns, den wir nutzen, um Gott selbst kennenzulernen.
Indem wir uns unter anderem mit den Geboten beschäftigen, werfen wir einen tiefen Blick in das Wesen Gottes. Hoffentlich habt ihr schon ein bisschen mitbekommen, dass das kein einfacher Blick ist. Wir sehen, wie Gott mit Menschen umgeht, was er schätzt, was er hasst, worüber er sich freut, an welchen Stellen er – naja – grantig wird, was ihm ein Gräuel ist und wo Grund zum Segnen liegt.
So erkennen wir etwas von dem Gott, dem wir dienen.
Die richtige Haltung zur Bibel und den Geboten
Und ich möchte das noch einmal betonen: Wir lesen die Bibel nicht zuerst, um alles richtig zu machen. Wer mit diesem Ansatz an die Bibel herangeht, verwechselt Christsein oder Heiligung mit Bauernschläue oder mit christlichem Humanismus.
Du kannst von mir aus Konfuzius lesen oder, ich weiß nicht, ob ihr euch die kleine Mao-Bibel mal angesehen habt. Das ist so ein kleines rotes Büchlein mit Merksprüchen von unserem großen Genossen Mao. Das kannst du so lesen, nach dem Motto: „Ich möchte es richtig machen.“ Aber das klappt nicht mit der Bibel, denn die Bibel wurde uns gegeben, um Gott selbst zu erkennen. Wenn wir das aus dem Blick verlieren, haben wir eigentlich alles verloren.
Deshalb dürfen wir nie vergessen, dass über all den Geboten, die wir jetzt betrachtet haben – und das ist natürlich so eine Sache, wir sind ja Stück für Stück durchgegangen und teilweise relativ tief eingestiegen – über all diesen Geboten das Liebesgebot steht.
Ich möchte das noch einmal vorlesen, und zwar aus Römer 13, Verse 8 bis 10. Dort schreibt Paulus exemplarisch für die zweite Hälfte der Zehn Gebote:
Die Liebe als Erfüllung des Gesetzes
Römer 13,8-10
Seid niemandem etwas schuldig, außer einander zu lieben. Denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn die Gebote wie „Du sollst nicht ehebrechen“, „Du sollst nicht töten“, „Du sollst nicht stehlen“ und „Du sollst nicht begehren“ sind in dem Wort zusammengefasst: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.
Merkt ihr, wozu wir die Gebote bekommen haben? Wir haben all diese Gebote erhalten, um etwas zu lernen, nämlich zu lieben. Gebote sind ein Ausdruck von Liebe, und Liebe lernen ist das, was wir eigentlich brauchen.
Wer das Alte Testament etwas tiefer kennt, hat das wahrscheinlich schon vermutet. Denn die Zehn Gebote sind eingebettet in eine Atmosphäre von Beziehung und Gnade. Israel wird erlöst, berufen und erhält das Vorrecht, in einen Segensbund mit Gott hineinzukommen – mit dem Gott, der ihm ganz persönlich seinen Namen offenbart hat. Das ist eine unglaublich intime Angelegenheit geworden.
Gott wirkt persönlich, er spricht das Volk Israel an. Er will, dass sie heilig sind, weil er selbst heilig ist. Bei den Zehn Geboten geht es Gott niemals darum, ein abstraktes Traktat zu schreiben, etwas Monolithisches, das für alle Ewigkeit unveränderlich gilt. Und das sage ich, obwohl die Zehn Gebote natürlich ewige ethische Grundsätze enthalten.
Beim Sabbatgebot haben wir gesehen, dass es relativ abstrakt werden kann und man es ein wenig übertragen muss. Trotzdem sind die Zehn Gebote in dem Moment, in dem Gott sie gibt, ein Ausdruck von Liebe. Gott sagt: „Ich möchte mit euch eine Beziehung haben.“ Nicht: „Ich möchte euch sagen, wo die Grenzen sind, damit ich euch eins auf die Finger geben kann.“
Gott will Beziehung. Er tritt dem Volk entgegen. Es geht nicht um Knechtschaft, sondern um echtes, erfülltes Leben. Gott sagt: „Ich bin ein Gott, der glücklich ist, der lebendig ist, der im Leben ist. Deshalb möchte ich euch etwas von diesem Leben mitgeben. Ich möchte euch Tipps geben, die euer Leben reich machen.“
Die Gebote als Weg zu Leben und Segen
3. Mose 18,5 lautet: "Und meine Ordnungen und meine Rechtsbestimmungen sollt ihr halten, durch sie wird der Mensch, der sie tut, Leben haben."
Hier geht es nicht um ewiges Leben, sondern um natürliches, erfolgreiches Leben. Es geht darum, ein Leben zu führen, das Woche für Woche voranschreitet, gelingt und im Idealfall am Ende ins ewige Leben mündet.
Wir befinden uns noch im Alten Testament. Gott sagt, dass es Ordnung im Universum gibt. Seine Gebote helfen dabei, diese Ordnungen zu erkennen und einzuhalten. Wenn man sich an seine Gebote hält, wird das ganz praktisch ein großer Segen sein.
Das war mein Hintergrund und der Grund, warum ich mit euch die Zehn Gebote betrachten wollte. Sie sind ein Ausdruck der Liebe Gottes zu seinem Volk und ein Mittel, um ihn kennenzulernen und lieben zu lernen.
Weil es letztlich um die Beziehung zwischen Gott und Mensch geht, sind die ersten Gebote auch ungewöhnlich. Es geht nämlich nicht nur darum, einen Katalog von Menschenrechten aufzustellen.
Die ersten drei Gebote und ihre Bedeutung
Die ersten drei Gebote erinnern uns: Erstes Gebot – kein anderer Gott. Gemeinsam haben wir uns die Frage gestellt, ob es irgendwo in unserem Leben Götzendienst geben könnte. Gibt es falsche Prioritäten? Dreht sich unser Leben vielleicht um Dinge, Ideologien, Ziele oder Menschen, auf die Gott eifersüchtig sein könnte? Gibt es etwas, das uns mehr bedeutet als Gott?
Das war unsere allererste Frage zum ersten Gebot: Gibt es in unserem Leben etwas, das uns praktisch wichtiger ist als Gott?
Die zweite Frage betrifft das zweite Gebot: Wir sollen uns kein Götzenbild machen. Ihr erinnert euch, ich habe versucht klarzumachen, dass es nicht darum geht, in der alttestamentlichen Form in den Wald zu gehen, einen Baum zu fällen, ihn zu schnitzen und anzumalen und dann zu sagen: „Haha, das ist jetzt mein Gott.“ So etwas macht heute niemand mehr.
Aber vielleicht haben wir einen selbstgestrickten Gott im Kopf. Ich habe vorhin die Termine gesehen. Am 9. August war, glaube ich, bei der Outdoor-Bibelschule ein Gottesdienst. Ich weiß nicht genau, ob der Termin stimmt, aber solltet ihr auf dem Solagelände sein, werde ich dort eine Predigt halten. Diese Predigt habe ich bereits beim Abschluss in Hartenstein gehalten, am vergangenen Sonntag.
Der Titel dieser Predigt ist etwas unangenehm: „Vom Kuschelgott zum Awesome God“, also dem Ehrfurcht gebietenden Gott. Ich habe einige Punkte zusammengetragen, die man über Gott nicht unbedingt hören möchte. Denn Gott hat an manchen Stellen, ich möchte nicht sagen eine dunkle Seite, aber eine eher unangenehme Seite.
Gott ist so, wie er ist, und nicht so, wie wir ihn gerne hätten.
Gottes Charakter und Herausforderungen an unser Gottesbild
Und die Punkte, die ich den Geschwistern in Thierfeld am letzten Sonntag präsentiert habe, hießen: Hiob – ein Gott, der es nicht nötig hat, meine Fragen zu beantworten.
Passt das in mein Gottesbild hinein, dass ich meine Frau behalten darf, aber meine Kinder, meinen Besitz und meine Gesundheit verliere? Dann kommen meine Freunde und wollen mir einreden, dass ich das Problem bin, dass ich gesündigt habe und es nicht zugebe. Mir fällt nichts ein, eigentlich ist alles in Ordnung. Und ich hadere mit Gott, mir fällt nichts ein, und ich falle in eine tiefe Depression. Ich würde mir am liebsten wünschen, nicht geboren zu sein.
Dann begegne ich irgendwie Gott, und Gott sagt nicht zu mir: „Ach Jürgen, weißt du, oder ach Hiob, das war so eine Sache zwischen mir und dem Teufel. Das musst du schon verstehen, das kann mal so passieren. Ja, da bist du ein bisschen zwischen die Mühlen geraten, und da musste halt einer ein bisschen federn lassen – und das warst du.“
Wisst ihr, was Gott sagt? Ansonsten kommt zu der Predigt, da lese ich ein bisschen was vor: Gott gibt keine Antwort. Gott sagt zu Hiob: „Wer bist du? Du wagst es, den Mund aufzumachen gegen deinen Schöpfer? Du wagst es zu glauben, ich hätte einen Fehler gemacht? Wer bist du?“ Das muss in unser persönliches Gottesbild hineinpassen.
Diese Geschichte – oder die nächste Geschichte – war dann Psalm 88. Das ist der einzige Psalm, in dem es nicht eine einzige positive Zeile gibt, keine positive Zeile. Er fängt an mit „Bah, ist mir schlecht“ und endet mit „Bah, ist mir schlecht“. Dazwischen gibt es nur ein Thema: „Bah, ist mir schlecht.“ Das ist Psalm 88.
In der Predigt werde ich die Frage stellen: Lässt dein Gottesbild es zu, dass Gott ein Gott ist, der nicht antworten muss, wenn du schreist? Ein Gott, dem du nicht entgegentreten kannst, der nichts tun muss?
Dann habe ich noch Israel angeschaut – ein Gott, der meinen Glauben auf die Probe stellen darf, der einfach Dinge tun darf, um zu sehen, ob mein Glaube echt ist. Ein Gott, der das Recht dazu hat. Lässt dein Glaube das zu?
Außerdem habe ich noch Lazarus vorgestellt, was ich in der kommenden Predigt wieder tun werde. Ein Gott, dessen Zeitplan allein maßgeblich ist. Da schicken Maria und Martha die Leute zu Jesus: „Komm, Lazarus ist krank.“ Jesus sagt: „Ja, ich komme, kein Problem, er wird wieder gesund.“ Alle sind froh. Und dann bleibt Jesus noch zwei Tage an dem Ort, wo Lazarus richtig tot ist. Erst dann macht er sich auf den Weg und kommt viel zu spät.
Ist das dein Gott? Ist das deine Beziehung zu Gott, dass du sagst: Ja, du darfst entscheiden, du darfst der sein, der seinen Zeitplan verwirklicht?
Und Gott – das war der letzte Punkt in der Predigt über Harmageddon – ist ein Gott, den du fürchtest, weil er wirklich zu fürchten ist. Ein Gott, der, wenn Menschen sich ihm in den Weg stellen und wenn es hart auf hart geht, sich nicht anstrengen muss. Der nur eine Sache zurücknimmt: Menschen nur das Leben nimmt, das sowieso ihm gehört.
Wenn ich das so sage, möchte ich euch keine Angst machen. Ich möchte, dass euer Gottesbild ein biblisches Gottesbild ist. Dass es der Gott ist, der Gott, den es gibt, der einzige Gott, den es gibt und der sich in der Bibel offenbart hat.
Deswegen müssen wir tatsächlich, um diesem Gebot Folge zu leisten, Abschied nehmen von einem vielleicht süßlich verklärten, selbstgemachten Patchwork-Jesus-Bild. Ich häkle mir meinen eigenen Gott, und er hat nur die Seiten, die mir gefallen.
Vorsicht, denn es kann sein, dass wir dann mit einem Gott leben, für den es sich nicht zu leben lohnt und mit dem wir nicht sterben können. Weil weder unsere Erfahrungen zu diesem Gott passen, noch die innersten Bedürfnisse, die uns als Menschen ausmachen.
Die Bedeutung des dritten Gebots und die Liebe zu Gott
Das war der zweite Punkt, über den wir gesprochen hatten – ihr erinnert euch.
Der dritte Punkt lautet: Wir sollen den Namen Gottes nicht missbrauchen. Wir sollen ihn nicht für unsere eigenen Zwecke verwenden. Dort, wo ein klares Ja zu Gott steht, darf Gott uns sagen, was in unserem Leben gilt. Er darf uns Ziele vorgeben und die Taktrate sowie die Richtung unseres Lebens bestimmen. Das ist das dritte Gebot.
Die ersten drei Gebote sind euch sicherlich aufgefallen – sie sind nicht typisch ethischer Natur. Es geht hier nicht so sehr um Gut und Böse. Das folgt erst später, zum Beispiel: Du sollst nicht stehlen, du sollst nicht lügen, du sollst nicht Ehe brechen – das verstehen wir. Aber die ersten drei Gebote beziehen sich direkt auf Gott.
Deshalb heißt es in 5. Mose 6,4-5: „Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft.“
Die ersten drei Gebote dienen dazu, dass wir tatsächlich Gott lieben – nicht unsere eigene Vorstellung von Gott, nicht irgendetwas anderes als Gott. Nicht, weil wir ihn manipulieren wollen mit einer halbherzigen Liebe, sondern ganz und gar – mit unserem ganzen Herzen, unserer ganzen Seele und unserer ganzen Kraft. Natürlich gehören dazu auch die Menschen um uns herum.
Wir lieben sie, indem wir das nächste Gebot in einem Zyklus von Arbeit und Pausen leben. Wir lieben sie auch, indem wir in der Gesellschaft – der kleinsten Zelle der Gesellschaft, nämlich der Familie – Schutz bieten. Wir lieben Menschen, indem wir nicht morden, nicht Ehe brechen, nicht stehlen und nicht lügen.
So merken wir: Gebot für Gebot beginnt Heiligkeit mit der richtigen Einstellung zu Gott. Dann wird sie ganz praktisch im Umgang mit Menschen.
Das letzte Gebot und die Erkenntnis der eigenen Sündhaftigkeit
Und dann kommt das letzte Gebot, und dieses Gebot fällt irgendwie aus der Reihe. Es ist besonders und hebt sich von den anderen ab. Mir scheint, dass auch Paulus das bemerkt hat, denn er schreibt im Römerbrief, Kapitel 7, Vers 7, über seine eigenen Erfahrungen.
In diesem Kapitel geht es um die Erfahrungen, die Paulus vor und nach seiner Bekehrung gemacht hat. Dort heißt es in Vers 7, und das bezieht sich auf eine Zeit vor seiner Bekehrung:
„Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber die Sünde hätte ich nicht erkannt, wenn das Gesetz nicht gesagt hätte: Du sollst nicht begehren! Auch von der Lust hätte ich nichts gewusst.“
Jetzt kommt eine Kurzfassung vom zehnten Gebot: „Lass dich nicht begehren!“ Dieses „Lass dich nicht begehren“ hebt die Heiligkeit von der Ebene des praktischen Tuns auf eine tiefere Ebene. Während Gebote wie „Du sollst nicht klauen“, „Du sollst nicht lügen“ oder „Du sollst nicht Ehe brechen“ Heiligkeit auf das Verhalten beziehen, hebt dieses Gebot die Heiligkeit auf das Niveau meines Herzens, meiner Motive und meines eigenen Wollens.
Deshalb steht in 2. Mose 20, Vers 17 das Gebot:
„Du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren, du sollst nicht begehren die Frau deines Nächsten, noch seinen Knecht, noch seine Magd, weder sein Rind noch seinen Esel, noch irgendetwas, was deinem Nächsten gehört.“
Das Gebot lautet also: Du sollst nicht begehren. Man könnte es auch etwas flapsig ausdrücken mit: Du sollst nicht neidisch sein, du sollst nicht haben wollen, was einem anderen gehört.
Genau an dieser Stelle hat der Pharisäer Paulus erkannt, dass er ein Sünder ist. Ich finde das total spannend und habe mich gefragt: Warum gerade hier, lieber Paulus? Was macht dieses Gebot so besonders? Du hättest doch an jeder anderen Stelle erkennen können, dass du ein Sünder bist.
Dann dachte ich: Nein, dieses Gebot ist wirklich etwas Besonderes. Ich erkenne Sünde dadurch, dass ich mir Verbote anschaue oder Strafen für bestimmte Dinge. Indem ich eine einzelne Sünde verstehe – ich muss sie noch nicht begangen haben, ich muss erst einmal nur verstehen, was Sünde ist – wird mir klar, dass im Fall dieses Gebots Sünde das Begehren, das Habenwollen von Dingen ist, die einem anderen gehören.
In dem Moment, in dem ich begreife, dass das falsch ist, passiert etwas absolut Ungeheuerliches. In Römer 7, Vers 8 erinnert sich Paulus:
„Die Sünde aber, die ich erkannt hatte, die Sünde ergriff durch das Gebot die Gelegenheit und bewirkte jede Begierde in mir; denn ohne Gesetz ist die Sünde tot.“
Was verboten ist, macht erst recht Spaß. Was ich nicht haben kann, will ich erst recht haben. Darum geht es hier.
Du verstehst: Ich darf das nicht. Und das kennt ihr alle. Ich habe schon oft die Geschichte erzählt, die ich ganz lustig finde. Du gehst einfach nur spazieren, neben dir ist ein Stück Rasen, das Stück Rasen ist die ganze Zeit da. Dann kommt ein Schild: „Betreten verboten!“ Das ist das erste Mal, dass du darüber nachdenkst, auf das Gras zu treten.
Oder die Geschichte von dem kleinen Jungen, dessen Vater sagt: „Ich bin übers Wochenende verreist. Du darfst nicht auf den Dachboden gehen und mit der Eisenbahn spielen.“ Wann denkt der Junge daran? Natürlich ist das die spannendste Sache am ganzen Wochenende: die Eisenbahn. Wahrscheinlich hätte er sonst gar nicht darüber nachgedacht.
Du sollst nicht begehren.
Die Sünde als Macht und die Grenzen menschlicher Veränderung
Paulus sagt, wir sind fleischlich unter die Sünde verkauft. In uns lebt die Sünde und bewirkt jede Begierde in uns. An diesem Punkt stehen wir vor dem größten Drama der humanistischen Weltverbesserer. Je mehr der Mensch weiß, was er tun sollte, desto schwerer fällt es ihm, das Gute zu tun. Je mehr der Mensch weiß, was er tun sollte, desto schwerer fällt es ihm, das Richtige zu tun.
In Römer 7,11 wird das Problem deutlich: „Denn die Sünde ergriff durch das Gebot die Gelegenheit, täuschte mich und tötete mich durch dasselbe.“ Das ist ein hartes Wort. Die Sünde ist eine Macht in mir, und wenn das Gebot kommt, sagt die Sünde: Super, jetzt habe ich alles, was ich brauche. Mehr als das Gebot brauche ich nicht. Jetzt schnappe ich mir das Gebot, gehe voll hinein und ziehe dich über den Tisch.
Eine Gesellschaft kann durch entsprechende Strafen oder durch kluge Politik das Verhalten ihrer Bürger bis zu einem bestimmten Punkt verbessern. Sie sorgt dafür, dass man halbwegs vernünftig lebt. Ich hoffe, dass alle jeden Tag dankbar dafür sind, in einem solchen Staat zu leben, in dem das halbwegs läuft, wo wir Frieden haben und nicht überall über den Tisch gezogen wird. Wo es einfach funktioniert. Wir haben ein unglaubliches Vorrecht, in dieser Welt in einem guten Staat zu leben, wo unsere Kinder zur Schule gehen dürfen, wo nicht jeder mit einem Ballermann durch die Gegend fahren darf und so weiter.
Wir haben gute Gesetze. Man kann sich streiten, ob sie überall gut sind, aber im Großen und Ganzen leben wir in einem tollen Staat mit kluger Politik. Aber das geht immer nur bis zu einem bestimmten Punkt. Was Politik nicht kann, ist, hier innen drin ein neues Wollen zu schaffen.
Es ist doch paradox: Hinter uns liegt das Jahrhundert der Menschenrechte und das Jahrhundert der größten Gräuel. Wir haben nie exakter formuliert, wie der Mensch leben sollte, und wir haben nie mehr Millionen und Abermillionen von Menschen für aberwitzige Ideologien auf grausam bestialische Weise umgebracht.
Der Mensch ist ein Sünder – und zwar nicht, weil er ab und zu etwas Böses tut, sondern weil in ihm die Sünde als ein Tyrann lebt, der ihn beherrscht. Ich glaube, dass das zehnte Gebot genau dieses Problem besser als jedes andere Gebot zum Vorschein bringt: Du sollst nicht begehren.
Der natürliche Reflex lautet: Hä, du sollst nicht begehren? Wie soll das gehen? Das kommt doch ganz natürlich aus mir heraus. Ich sehe da irgendwas Nettes, und das will ich haben. Nicht gleich mit „Ich bring den anderen um dafür“, aber das kann doch nicht so schlecht sein, auch mal was ein bisschen mehr. Das kommt einfach so aus mir heraus, da muss ich mich nicht anstrengen.
Stimmt, und genau an der Stelle liegt das Problem. Du musst dich nicht anstrengen zu sündigen. Und warum? Weil du ein Sünder bist. Du bist kein kleines Sünderlein, du bist ein ganz ausgewachsener Sünder mit einem richtig großen Problem. Egal, wie viele Bücher du zum Thema Ethik, richtiges Verhalten oder Philosophie liest – es wird dich nicht verändern.
Alle Erziehungsideale scheitern an der Tatsache, dass der Mensch das Böse tun will. Ich sage das oft und sage es noch einmal: Man muss kleinen Kindern das Lügen nicht beibringen, das Schlagen nicht beibringen, man muss ihnen nicht den Egoismus beibringen. Das können sie alle von alleine. Du musst ihnen beibringen, die Wahrheit zu sagen, du musst ihnen beibringen, zu teilen, du musst ihnen beibringen, lieb mit dem anderen umzugehen.
Der Mensch ist nicht gut. Paulus sagt: Er ist fleischlich verkauft der Sünde. Ich lebe vor und nach meiner Bekehrung – das ist wichtig, dass wir das verstehen – in einem Körper, der nicht erlöst ist und als Einfallstor für alle Arten von Sünden taugt.
Die Funktion des zehnten Gebots und die Entscheidung zur Buße
Wozu das zehnte Gebot, wenn es mich eigentlich nur frustrieren kann? Ich denke, es ist, weil Gott uns etwas schenken möchte. Und das Erste, was Gott uns schenken möchte, ist ein klarer Blick auf das Problem.
Du bist ein Sünder, und genau das schafft dieses Gebot. Du kannst die Gebote bejahen, du kannst sagen, es ist irgendwie richtig, dass es die Gebote gibt, aber du kannst sie nicht halten. Irgendwann, wenn du den Geboten Gottes begegnest – vor allem dem zehnten Gebot – musst du eine Entscheidung treffen.
Du hast verschiedene Optionen. Du merkst, du kannst es nicht halten. Was kannst du tun?
Erstens: Du könntest im Selbstmitleid versinken. „Ich armer schwarzer Kater, ach, bin ich nur so ein schlechter Mensch.“ Das wäre eine Möglichkeit.
Die zweite Möglichkeit machen auch viele Leute: Du kannst andere verantwortlich machen für deine Misere. „Ich bin schlecht, na ja, aber eigentlich ist der andere schuld daran, dass ich so bin, wie ich bin.“
Dann gibt es die Möglichkeit des selbstgerechten Pharisäers: „Ich bin schlecht, aber der andere ist schlechter. Also bin ich eigentlich gar nicht so schlecht, weil ich jemanden kenne, der noch ein bisschen naja, der halt noch unter mir steht. Und solange der unten ist und nicht oben, ist alles in Ordnung.“ Das ist der selbstgerechte Pharisäer.
Es gibt auch die Möglichkeit, wenn du sagst: „Nee, Selbstmitleid, Verantwortung wegschieben und so auf andere runterschicken ist nichts für mich.“ Du könntest auch sagen: „Sünde ist mir einfach egal, interessiert mich nicht. Ich lebe, wie ich will. Und alle leben so.“ Das ist zwar eine schlechte Ausrede, aber für einen Moment mag sie reichen.
Oder du hast eine fünfte Variante. Das ist, denke ich, die Variante, die wir hier in der Gemeinde bevorzugen. Ich glaube, dass das die Variante ist, die im eigentlichen Sinn Ziel des zehnten Gebots ist.
Wenn du dich fragst, warum dieses Gebot, das man so offensichtlich nicht halten kann, in der Bibel steht, glaube ich, dass es uns an einen Punkt führen will, an dem wir Buße tun.
Das schönste Beispiel für Buße, mein Lieblingsbeispiel, findet sich in Lukas 18, die Verse 9 bis 14. Das ist das, was viele, wenn nicht die allermeisten von euch getan haben. Ihr habt, als euch klar wurde, dass ihr Sünder seid, Buße getan.
Hier heißt es in Lukas 18, Verse 9 bis 14, das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner:
Er sprach aber auch zu einigen, die auf sich selbst vertrauten, dass sie gerecht seien, und die übrigen für nichts achteten, dieses Gleichnis. Also wir reden zu Leuten, die denken, sie haben es geschafft.
Vers 10: Zwei Menschen gingen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer und der andere ein Zöllner. Die Pharisäer gehörten zur Elite und dachten, „wir haben es geschafft“, und Zöllner waren so das Allerletzte, das waren die Übelsünder.
Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst so: „Oh Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die übrigen Menschen, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche, ich verzehnte alles, was ich erwerbe.“ Super, was bin ich für ein Kerl, oder?
Der Zöllner stand von fern und wollte sogar die Augen nicht zum Himmel erheben, sondern schlug an seine Brust und sprach: „O Gott, sei mir dem Sünder gnädig!“
Ich sage euch, dieser Zöllner ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, im Gegensatz zu jenem, dem Pharisäer. Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer aber sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
Für mich ist das die schönste Beispielgeschichte für Buße. Mehr kann ein Mensch nicht tun, und mehr braucht ein Mensch nicht tun, um mit Gott ins Reine zu kommen.
Die Verheißung eines neuen Herzens im neuen Bund
Jetzt stellt sich die Frage: Was bringt es mir, wenn ich Buße tue? Was verändert sich ganz praktisch in meinem Leben, wenn ich Buße tue?
Das ist eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Ich möchte sie beantworten, indem ich ins Alte Testament zurückgehe und einen Text betrachte, der eine Verheißung auf den neuen Bund darstellt. Was ist uns im neuen Bund, den wir durch den Glauben an Jesus gerechtfertigt sind, im Alten Testament verheißen worden?
Das ist keine einfache Theologie, und trotzdem möchte ich diesen Weg mit euch gehen. Ich möchte zurückspringen ins Buch Hesekiel, Kapitel 36, die Verse 26 und 27, und diese mit euch anschauen.
Was ist uns im Alten Testament für den neuen Bund verheißen? Hesekiel 36, Verse 26 und 27:
Da sagt Gott: „Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben. Ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Ich werde meinen Geist in euer Inneres geben und machen, dass ihr in meinen Ordnungen lebt und meine Rechtsbestimmungen bewahrt und tut.“
Das ist ein absolut ungeheuerlicher Vers für das Alte Testament. Gott verspricht uns zwei Dinge: Erstens ein neues Herz und zweitens einen neuen Geist.
Ein neues Herz bedeutet ein neues Denken und Wollen. Wenn du mich fragst: „Jürgen, ist meine Bekehrung echt? Ich würde gerne wissen, ob meine Bekehrung echt ist“, dann gebe ich dir diesen Vers.
Ich stelle dir die Frage: Wie sieht es in deinem Inneren aus? Willst du Gott folgen? Willst du ihm gefallen und seinen Willen tun? Willst du ihm dienen, weil er Gott ist – auch wenn es dich etwas kostet, vielleicht deine Gesundheit, deine Familie, dein Geld oder dein Leben? Vertraust du ihm mit ganzer Seele, dass er dich liebt und es gut mit dir meint? Willst du ihm nah sein und ihn verstehen?
Wenn du darauf antwortest: Ja, das will ich, soweit ich das mit meinem begrenzten Horizont überblicke, dann gehört dieses Leben Gott. Du willst ihm dienen mit ganzer Seele, mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Kraft. Du liebst ihn.
Wenn du das sagen kannst, dann hast du ein neues Herz. Denn das kann ein Mensch nicht aus sich heraus sagen. Dieses neue Herz gibt es nur von Gott. Es ist ein Geschenk Gottes. Dort, wo ein Mensch umkehrt zu Gott, schenkt Gott ihm, wie es hier im Text heißt: „Ich werde euch ein neues Herz geben.“ Er schenkt dir dieses neue Denken und Wollen, das du nicht aus dir selbst hervorbringen kannst.
Deshalb heißt es auch in Johannes 3: Ihr müsst von neuem geboren werden. Gott will uns nämlich nicht nur veredeln, sondern er will uns neu machen.
Dann heißt es hier im Text weiter, dass er uns nicht nur das alte steinerne Herz, dieses wenig empfindsame, harte Herz, wegnimmt und ein weiches Herz gibt, sondern dass er auch seinen Geist in unser Inneres gibt.
Wenn man sich die Frage stellt: Was ist das Geheimnis hinter dem Erfolg eines christlichen Lebens? Wie kann Christsein gelingen? Dann liegt die Antwort beim Heiligen Geist.
Als Christen werdet ihr immer Zerrissenheit erleben. Das liegt daran, dass wir erlöst sind, aber diese Erlösung noch nicht vollständig ist. Wir sind erlöst und wir erwarten Erlösung.
Der innere Kampf mit der Sünde und die Rolle des Heiligen Geistes
Römer 7,14 beschreibt unser geistliches Erleben. Dort heißt es: „Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist, ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft.“
Im nächsten Vers, Vers 15, steht: „Denn was ich vollbringe, erkenne ich nicht.“ Diese Übersetzung ist etwas missverständlich. Es bedeutet vielmehr so viel wie: „Ich billige es nicht, ich will das eigentlich nicht. Was ich vollbringe, billige ich nicht. Denn nicht das, was ich will, das tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus.“
Ein sehr interessanter Vers, in dem Paulus analysiert, was in seinem Leben passiert. Er merkt, dass wenn er als erlöster Mensch sündigt – und Sünde eine Realität in seinem Leben ist – eine Zerrissenheit besteht. Er kann eigentlich nicht sagen: Wenn ich sündige, dann ist das ein Ausdruck von mir, so bin ich eigentlich nicht, denn ich hasse die Sünde. Vielmehr ist das, wenn er sündigt, eine Verzerrung dessen, was er eigentlich sein will.
Christen hassen die Sünde in ihrem Leben. Es kann sein, dass man für einen kurzen Moment, wenn man sündigt, ein bisschen Lust empfindet. Es gibt den zeitlichen Genuss der Sünde. Aber eigentlich will ein Kind Gottes nicht sündigen. Das heißt nicht, dass es das immer schafft, aber es will nicht sündigen. Es empfindet Sünde als etwas Fremdes, als etwas, wodurch es beschmutzt wird und was es abstößt.
Wir spüren, dass durch Sünde das Böse in unser Leben hineintritt. Das heißt zum Beispiel in Psalm 97,10: „Die ihr den Herrn liebt, hasst das Böse.“ Dieser Hass ist da. Ich merke: Da ist etwas in meinem Leben, das sich zwischen diese Liebesbeziehung zum Herrn Jesus und mich stellt. Das tritt da hinein und will etwas kaputt machen.
Das ist das Neue. Als Christ erlebst du Sünde anders. Wenn du nichts mit Gott zu tun hast, dann ist dir Sünde wahrscheinlich eher gleichgültig. Du hast keine Probleme, sie gutzureden. Du kannst sie vielleicht sogar genießen. Und wenn du den Konflikt spürst, dann ist er nicht so scharf. Aber in dem Moment, in dem du Christ wirst, merkst du: Hier ist etwas richtig falsch. Ich will das nicht tun.
Das Interessante ist, dass dies ein Spannungsfeld ist. In meinem Leben ist Sünde eine Realität, aber ich passe nicht dazu. Wenn mir das passiert, dann hasse ich die Sünde. Das bin nicht mehr ich, der das tut.
Gott nimmt seine Kinder aus diesem Spannungsfeld nicht heraus – jedenfalls solange wir in diesem Körper leben. Nach der Auferstehung ist das anders. Aber er tut etwas anderes. Wir werden uns im September, wenn wir uns in der Bibelwoche über den Römerbrief ausführlicher mit diesen Kapiteln beschäftigen, noch intensiver damit auseinandersetzen.
Heute so viel: Gott beantwortet das Problem der Sünde, die als eine Macht in unserem Körper wohnt, indem er uns seinen Geist gibt. So wie wir es in Hesekiel 36 gelesen haben, schenkt er uns einen Geist der Leitung, der Beziehung und der Kraft.
Das heißt: Statt dass Gott uns aus diesem Konflikt herausnimmt und sagt: „So, du hast jetzt nie wieder Probleme mit Sünde“, lässt er uns darin und unterstützt uns. Er nimmt uns nicht die Verantwortung ab. Wir müssen weiterhin nachdenken und die emotionale Spannung aushalten, die entsteht, wenn in mir eine Lust hochkommt, die etwas tun will. Und ich mich dann bewusst, weil es eine falsche Lust ist, dagegen entscheiden muss.
Diese Spannung kann so extrem sein, dass sie mich manchmal zerreißt. Gott sagt: „Ich möchte, dass du das durchlebst. Ich gebe dir Richtung und, wenn du möchtest, Kraft. Aber du musst die Entscheidung treffen.“ Er nimmt dich und deine persönliche Entwicklung ganz, ganz ernst.
Das heißt: Egal wie viele Kurse du im Ethikkurs gemacht hast, egal ob ich dich irgendwann dazu bringe, Bibelverse auswendig zu lernen – was ich gerne tun würde, aber das ist dann immer so meine Ansage bei den Jugendlichen – diese Auseinandersetzung zwischen dir und der Sünde wird dadurch nicht leichter.
Was passiert? Du siehst den Weg klarer, wenn du mehr weißt. Du spürst das Wirken des Heiligen Geistes deutlicher, weil er dich besser warnen kann. Er kann einfach auf mehr zurückgreifen, was in deinem Leben da ist. Aber Gott nimmt dir keine einzige Entscheidung in deinem geistlichen Leben ab.
Wenn du geistlich wächst, dann kannst du jede einzelne Entscheidung treffen oder es sein lassen.
Versuchung und die innere Lust als Herausforderung
Gott macht geistliche Reife nicht für dich. In Jakobus 1,14 heißt es: „Ein jeder aber wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust fortgezogen und gelockt wird.“ Das ist eine Realität. Versuchung beginnt in uns.
Vielleicht hat sie einen Anstoß von außen, das kann schon sein: einen Gedanken, der kommt, oder ein Bild, das man sieht, vielleicht eine falsche Überzeugung, die man hat, oder einen Geruch, den man riecht. Keine Ahnung, was dich dazu bringt, in die falsche Richtung zu denken, aber du merkst, jetzt ist hier eine Versuchung da.
Doch seht ihr, es kommt von seiner eigenen Begierde oder von seiner eigenen Lust? Ich bin das Problem. Die Lust lebt in mir. Und die Lust in mir macht sich jetzt die Dinge zunutze, die ich an Erfahrungen habe, an Ängsten, das, was in meiner Gedankenwelt ist, oder irgendeine Schwachstelle, die es in meinem Leben gibt.
Und jetzt kommt Gott und sagt in 5. Mose 5,21: „Du sollst die Frau deines Nächsten nicht begehren, und du sollst dich nicht gelüsten lassen nach dem Haus deines Nächsten, nach seinem Feld, noch nach seinem Knecht, noch nach seiner Magd, noch nach seinem Rind, noch nach seinem Esel, noch nach allem, was dein Nächster hat.“
Auf der einen Seite die Lust, die in mir hervorkommt, auf der anderen Seite klar dieses Gebot, das mich, den Sünder, in die Knie zwingt. Denn an dieser Stelle muss der gesetzlichste Pharisäer, der es vielleicht schafft, alle anderen Gebote irgendwie kleinzureden, zugeben: Ich kann das nicht.
Abschlussfrage: Wem gehört dein Herz?
Und deswegen möchte ich diese ganze Reihe mit einer letzten Frage abschließen. Das ist die allerletzte Frage in der Reihe, und sie lautet: Wem gehört dein Herz?
Wem gehört dein Herz?
In der Bibel ist das Herz der Sitz von Weisheit, Verstehen und Wollen. Es ist der innerste Kern deiner Persönlichkeit – das, was wir wirklich sind. Es offenbart sich bestenfalls in unseren Gedanken, die wir nur wenigen Leuten zur Kenntnis geben.
Wem gehört dein Herz? Wem gehört dein Leben, wenn die Lust an die Tür klopft?
„Wenn du aber nicht recht tust, lagert die Sünde vor der Tür, und nach dir wird ihr Verlangen sein; du aber sollst über sie herrschen.“ Das sagt Gott zu Kain (1. Mose 4,7).
Schlusswort und Dank
Ich möchte mich an dieser Stelle mit diesem Schlusssatz oder Vers bei euch bedanken – für die Geduld, die ihr gezeigt habt. Ihr habt euch all diese Vorträge angehört, was fantastisch ist, auch wenn es hier drin warm war oder ich vielleicht manchmal zu lange gesprochen habe oder unverständlich war.
Von ganzem Herzen wünsche ich euch ein Leben, das sich an Gottes Geboten erfreuen kann. Möge es ein Ausdruck seiner Liebe zu uns sein. Amen.
