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Zuverlässiger Trost

Gottes Wort, Teil 1/5
08.01.1984Jesaja 40,1-11
SERIE - Teil 1 / 5Gottes Wort

Liebe Gemeinde, Gottes Wort bleibt in Ewigkeit!

In diesem Jahr 1984 gedenken wir des 450. Wiederkommens des Reformationsjahres in unserem Land, genauer gesagt der 450 Jahre evangelischer Kirche in Württemberg. "Verbum Dei manet in aeternum" – Gottes Wort bleibt.

Viele unserer Zeitgenossen lächeln darüber nur noch. Für sie ist Gottes Wort „out of discussion“, also überhaupt nicht mehr diskutierbar, vorbei. Und doch wird behauptet, Gottes Wort bleibe bestehen.

Allein in meiner Generation haben wir erlebt, wie viele Bildungspläne beiseitegeschoben wurden. Wie viele Schönheitsideale sich verändert haben! Als ich ein junger Kerl war, war ich ganz neidisch auf die Blonden, denn nur die Blonden galten etwas. In der Nachkriegszeit waren es eher die Schwarzhaarigen mit Pomadefrisuren, die angesagt waren.

Wie viele Schönheitsideale sind gekommen und gegangen! Mal sollte die Frau stattlich sein, dann wieder eine Twigifigur – alles hat sich verändert. Ebenso viele Bildungsziele und politische Vorstellungen sind vergangen.

Und Gottes Wort soll bleiben? Es bleibt oft nicht einmal der Konfirmationsspruch. Wenn wir manche Konfirmanten nach drei Jahren fragen: „Was war dein Konfirmationsspruch?“ – dann kommt meist nur etwas wie „Irgendetwas mit Gott“.

Was bleibt denn wirklich? Was bleibt bestehen?

Die bleibende Kraft des Wortes Gottes trotz wechselnder Ideale

Wir verstehen den Spott, von dem Oberregierungsrat Dr. Dagobert Dürr vor genau 45 Jahren im Berliner Reichspropagandaministerium sprach. Damals war eine Delegation von württembergischen Handwerksmeistern und Landwirten nach Berlin gereist.

Als ein führender Prediger der Bekennenden Kirche widerrechtlich ins Konzentrationslager gebracht wurde, fuhren diese einfachen württembergischen Kirchengemeinderäte mit dem Nachtschnellzug nach Berlin, um zu protestieren. Sie gingen in die Ministerien. Der Landwirtsstoss von Radlstetten und der Schneidermeister Moll von Kirchheim gingen sogar hinein in die Höhle des Löwen, ins Reichspropagandaministerium von Joseph Goebbels, und wurden dort von Herrn Doktor Dagobert Dürr abgefertigt.

„Was wollen Sie hier überhaupt? In unserem deutschen Staat gilt nur noch ein Reich, ein Volk, ein Führer, und der befiehlt“, sagte Dürr.

Die Delegation erwiderte: „Nein, unser Gott hat befohlen: Ihr sollt meine Zeugen sein. Und der, den Sie eingesperrt haben, hat nichts Böses getan. Er hat nur Gottes Befehl befolgt.“

Daraufhin lachte Doktor Dürr auf: „Ha, jetzt kommt ihr wieder mit eurer Judenbibel! In zehn Jahren fragt nach eurer Bibel kein Mensch mehr!“

Doch nach zehn Jahren waren die Kirchen auch hier in Kaisersbach so voll wie seit 1914 nicht mehr.

Das Wort Gottes bleibt. Es wird nicht weggefegt werden – weder durch unsere Bildungsziele, noch durch Schönheitsideale, Rechtsformen oder Vorstellungen. Das Wort Gottes bleibt.

Mit Gottes Wort leben: Eine biblische Verheißung aus Jesaja

Unser Landesbischof hat diese Bibeltextreihe, die ihm wichtig ist, unter das Wort gestellt: „Mit Gottes Wort leben.“

Wir wollen heute den ersten Abschnitt hören und an den folgenden Tagen jeweils abends die anderen Textworte für uns wichtig werden lassen.

 Jesaja 40,1-11:

Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott! Redet freundlich mit Jerusalem und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat und ihre Schuld vergeben ist. Denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des Herrn für alle ihre Sünden.

Es ruft eine Stimme in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserem Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden. Was uneben ist, soll gerade, was hügelig ist, soll eben werden. Denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen, denn des Herrn Mund hat es geredet.

Es spricht eine Stimme, die Stimme Gottes an den Propheten: Predige! Und ich, der Prophet, sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Feld. Das Gras wird, die Blume verwelkt. Denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, das Volk ist wie vergängliches Gras, das Gras wird, die Blume verwelkt.

Jetzt kommt dies Wort: Aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.

Zion, du Freudenbotin, steige auf einen hohen Berg! Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht, erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott! Siehe, da ist Gott der Herr! Er kommt gewaltig, sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her.

Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.

Die schöpferische Kraft und bleibende Wirkung des Wortes Gottes

Es sind vier Dinge, die uns wichtig gemacht werden, einmal die Kraft des Wortes Gottes.

Wenn alle Ideale, alle Pläne und alle Reformen um uns vergehen, wie Gras, das verwelkt und vergeht, dann bleibt das Wort unseres Gottes ewig.

Es ist eine unheimliche Kraft in diesem Wort Gottes, das der Herr Jesus ausgesprochen hat. Mitten in den tobenden Gewalten des Sees Genezareth sprach er: „Schweig und verstumme!“ Und da wurde es ganz ruhig. Das Wort Gottes hat schöpferische Kraft.

Verstehen Sie, was unserem Herrn Landesbischof wichtig war: dass wir uns nicht bloß evangelisch nennen, also Leute des Evangeliums und Leute vom Wort Gottes, sondern dass das Wort Gottes in unser Leben wieder hineinwirkt. Dass unser Gott rufen darf: „Es werde!“

Dass in unserem Leben nicht bloß Bruch ist, nicht bloß Fleisch, Vergängliches, meine Phantasie, das, was ich will, oder das, was ich bei anderen Menschen gesehen habe, nicht bloß mein Scheitern. Sondern dass das wie dämonische Gewalten sind, über die Jesus, unser Gott, ruft: „Es werde Neues!“

Das Wort Gottes hat schöpferische Kraft.

Hoffnung und Erneuerung in schweren Zeiten durch Gottes Wort

Im Jahr 1639, nachdem unser württembergisches Land so furchtbar verheert war, hundert Jahre nach der Reformation, fand 1634 die Schlacht von Nördlingen statt. Das kaiserliche und bayerische Heer zog siegreich über unser Herzogtum hinweg. Alle Dörfer wurden niedergebrannt, alle Städte verwüstet. Es gab kein Haus, kein Bürgerhaus und kein Bauernhaus, das nicht leer geplündert war. Nach dem Durchzug der Soldateska kam die Pest hinzu.

Im Jahr 1633 lebten in Württemberg etwa 500 Menschen. Vier Jahre später, 1638, waren es nur noch 90. Wir haben in Württemberg unser Hiroshima schon einmal erlebt: Drei Viertel der Bevölkerung waren tot. Das Volk war auf einem Tiefpunkt angelangt. Arbeiten lohnte sich nicht mehr. Wer ein bisschen Geld hatte, versoff es. Es herrschten Diebstahl, Plünderung und Ehebruch im Land.

In dieser Lage rief Herzog Eberhard III. einen Mann als Konsistorialrat und Hofprediger nach Stuttgart, den Johann Valentin Andree aus Calw. Er hatte gehört, dass dieser in Calw dafür gesorgt hatte, dass Hungernde gespeist und Obdachlose versorgt wurden. Der Herzog sagte: „Du kannst das, schaff das.“ Er empfing ihn im alten Schloss in Stuttgart. „Ich habe ihn zu meinem Rat gemacht, zu meinem Hofprediger, weil er etwas kann. Und ich habe gehört, dass sein Vater und sein Großvater auch tüchtige Leute waren, die sich um das Land verdient gemacht haben. Wir beide, wenn er zulangt und ich, dann können wir unser Land wieder aufbauen.“

Johann Valentin Andree entgegnete: „Euer Durchlaucht, in unserem Land kann nur etwas geschehen, wenn unser Gott noch einmal sein Fiat spricht.“ Fiat ist ein lateinisches Wort, nicht nur eine Automarke, sondern es bedeutet „Es werde“. „Wenn Gott noch einmal wie bei der Schöpfung sagt: ‚Es werde Licht!‘ und es ward Licht, dann, euer Durchlaucht, kann in unserem Land nur noch etwas geschehen, wenn Gott sein Fiat, sein ‚Es werde‘ spricht.“

Er schloss mit dem Bibelwort: „Von Gott und durch Gott und zu Gott sind alle Dinge.“ Liebe Gemeinde, in unserem Leben kann nur noch einmal etwas neu werden, wenn Gott sein „Es werde“ hineinspricht. Wir sollten uns nichts von dem erwarten, was wir uns vornehmen. Wir sollten uns nicht von neuen Regierungen etwas erhoffen, nicht von neuen Synoden, nicht von neuen Plänen. Sondern vom lebendigen Gott, der noch einmal in mein Leben hineinspricht, damit beim „Chefbuch“ etwas wird.

Dann setzen Sie Ihren Namen ein: Lieber Gott, lass in meinem Leben noch einmal etwas werden durch Dein schöpferisches Wort. Das Wort unseres Gottes bleibt in Ewigkeit.

Die Einladung zur Vorbereitung auf Gottes Kommen

In diesem herrlichen Wort aus Jesaja steht etwas vom Verlangen nach Gottes Gegenwart. Alle Täler sollen eben werden, alle Hügel erniedrigt, damit Gott kommen kann. Wir wissen, dass Johannes der Täufer dieses Wort aufgenommen hat: Er macht eine Bahn für unseren Gott.

Wir sollen Gott deutlich machen, dass wir einen Hunger nach seiner Gegenwart haben. Unser Leben können wir nicht aus eigener Kraft ändern, aber wir können ein Zeichen geben. So wie damals die Zöllner, Soldaten und reichen Leute zu Johannes dem Täufer hinausgingen und fragten: „Was sollen wir denn tun?“ Wir wollen Gott zeigen: Komm doch zu uns!

Wie können wir Gott deutlich machen, dass wir ihn gern einladen möchten? Johannes sagte ihnen: Fordert nicht mehr, als recht ist! Und an die Soldaten: Unterdrückt niemanden! Gebt Gott ein Zeichen, dass es euch ernst ist mit eurem Verlangen: Gott, komm du selbst!

Früher war es oft Sitte, wenn man in ein Haus kam, dass die Mutter des Hauses sagte: „Herr Pfarrer, kommen Sie, setzen Sie sich!“ Sie wischte noch einmal über einen Stuhl, als wäre dort Staub. Es war eine einladende Gebärde: „Kommen Sie, ich möchte den Staub abwischen. Hier, setzen Sie sich!“

Solche einladenden Gebärden dürfen wir in unserem Leben haben. Die Bibel nennt das Buße, Zubereitung, Einladung Gottes. Martin Luther hat gesagt, unser ganzes Leben soll solch eine Buße sein, ein Hinweis an Gott: Mein Gott, ich brauche dich.

Johann Valentin Andree, als er sein Amt als Konsistorialrat in Stuttgart und Hofprediger übernahm, richtete in Württemberg die Kirchenkonvente ein. Dort arbeiteten Pfarrer und Vögte zusammen, damit das Trinken, Fluchen, Ehebrechen und Stehlen aufhörten. Oft dachte man, das sei das Wichtigste an Andrees Werk. Doch er sagte immer: Wir können Gott nicht herbeizwingen, aber wir können ihm Signale und Zeichen geben, dass wir nach ihm hungern.

Es kann bei uns so aussehen, dass wir in einem Gebet nur einen Stoßseufzer haben: „Lieber Gott, so geht es nicht weiter.“ Es kann sein, wie mir gestern eine Frau sagte: „Bei uns bleibt jetzt mal der Fernseher eine Woche lang aus.“ Ein Zeichen, weil sie gemerkt hat, dass wir unseren Kopf, unsere Fantasien und unser Herz mit Dingen vollstopfen, die uns nicht guttun.

Ein anderes Zeichen kann sein, wenn jemand sagt: „Ich gebe jetzt von meinem dreizehnten Gehalt, das ich zu Weihnachten bekam, die Hälfte weg – für Hunger in der Welt und für Mission.“ Nicht, weil ich ein besonders guter Mensch bin, sondern weil ich Gott zeigen möchte: Ich möchte deine Gegenwart haben! Ich will nicht nur für mich selbst leben, sondern damit die Herrlichkeit Gottes offenbart wird.

Bereitet für den Herrn den Weg! Lassen Sie sich von Gott selbst zeigen, wo in Ihrem Leben eine Stelle ist, an der ein Höcker weg muss, wo etwas Unebenes oder ein Schlagloch aufgefüllt werden kann, damit die Herrlichkeit Gottes kommen kann.

Die befreiende Botschaft der Vergebung

Dein drittes in diesem großen Wort, dein Wort der Vergebung, tröstet mein Volk und sagt meinem Volk, dass ihre Schuld vergeben ist. Liebe Gemeinde, das ist der Grundton im Reden Gottes: Er will uns deutlich machen, dass Schuld vergeben ist.

Sie haben doch auch in Ihrem Leben Kontakt mit Menschen, zwischen denen und Ihnen irgendetwas steht. Ein dummes Wort, eine dumme Geschichte, die noch nicht ganz erledigt ist. Gut, man hat sich bisher so darüber weggemogelt und die Sache nicht mehr erwähnt. Aber es kommt keine Herzlichkeit auf, solange diese Geschichte nicht bereinigt ist. Es kommt keine letzte Unbefangenheit auf, solange diese Geschichte nicht geklärt ist. Es ist wie ein letztes Warten, und wenn jetzt noch einmal diese alte Geschichte erwähnt wird, dann bekommt er einen roten Kopf und ich auch einen roten Kopf. Und wie reden wir dann weiter?

Vieles von unserer Befangenheit gegenüber Gott hindert uns daran, richtig zu beten. Jedes Telefongespräch führen wir konzentrierter als unsere Gebete mit Gott. Vieles von unserer Befangenheit mit Gott ist vielleicht unbewusst, weil da noch Schuld ist, von der wir noch gar nicht wissen, ob sie bereinigt ist. Wie denkt Gott darüber, wenn er das einmal hervorzieht?

Und Gott sagt: Ich ziehe doch nichts hervor. Ich halte euch meinen gekreuzigten Sohn, Jesus Christus, hin. Wenn es je Opfertiere gegeben hat, die für Schuld gestorben sind, für Sünde geschlachtet wurden, dann ist das herrlichste Opfertier mein Sohn. Ich habe ihn für eure Sünde gegeben. Ich möchte euch doch nichts mehr vorhalten, sondern nur noch diesen Jesus vorhalten, damit ihr wisst, wie gut ich euch bin.

Und jetzt habe ich nur noch eine Bitte: Kommt doch her zu mir und habt engen Kontakt mit mir! Die Sehnsucht Gottes geht darauf, dass wir unmittelbaren, engen Kontakt mit ihm haben. Tröstet mein Volk, redet mit meinem Volk freundlich, sagt ihnen, sie sollen zu mir kommen, ihre Schuld ist vergeben.

Als vor vier Jahren meine Mutter starb, kamen wir zu spät bei ihrem Herzanfall. Sie konnte noch schnell die Krankenschwester benachrichtigen: „Ich sterbe.“ Und sie hat noch einen Zettel auf dem Schreibtisch geschrieben, für uns Kinder alle: „Alle meine Sünden hat sein Blut hinweggetan, eure.“ Das war eine Mischung zwischen Mutter und Maria, wie ihr Name war. Dazu hatte sie noch Kraft, uns das weiterzugeben, dass das der Leitton in unserem Leben bleiben soll: Gott hat unsere Sünde alle weggenommen.

Der Rest unseres Lebens ist nicht dazu da, dass wir Sünde erbüßen, sondern dass wir engsten Kontakt mit Gott suchen. Nicht bloß ein bisschen nippen.

Die Bedeutung der Gemeinschaft mit Gott im Alltag

Wenn manche Menschen fragen, warum man eigentlich jeden Sonntag in den Gottesdienst gehen muss, lautet die Antwort: Man muss nicht unbedingt.

Ich habe einmal von einer jungen Frau gehört, die noch gar nicht richtig Braut war. Sie hatte den Werbebrief ihres zukünftigen Bräutigams bekommen, der um sie geworben hat. An diesem Tag musste sie eine Kieferoperation über sich ergehen lassen, weil ein Weisheitszahn entfernt werden musste. Während der Behandlung hielt sie den Brief in der Hand, obwohl der Zahnarzt ihr die härtesten Schmerzen zufügte. Sie sagte: „Das ist mein einziger Trost, mich hat noch jemand gern auf der Welt.“

Genau das erleben wir doch in der Kirche: Einmal in sieben Tagen hören wir, dass Gott uns liebt – mich, einen Sünder und Versager, der es gar nicht schafft, alles Schlechte in seinem Leben wegzunehmen. Trotzdem hat er mir alle Schuld vergeben. Nun gehe ich wieder hinaus in der Gewissheit, dass er mich kennt – mich Schwächling – und mich liebt. Er möchte Gemeinschaft mit mir haben.

„Tröstet mein Volk und sagt ihnen, dass ihre Sünde vergeben ist!“ heißt es.

In den letzten vier Tagen habe ich in München bei winterlichem Wetter vor allem die Museen genossen. Immer wieder sah ich alte mittelalterliche Bilder, auf denen Gottvater dargestellt wird. Er hält der Welt das Kreuz Jesu in blutüberströmten Händen entgegen, mit dem gekreuzigten Jesus darauf. Es heißt: „Das ist meine Gabe an euch.“ So steht Gott zu uns, indem er alle unsere Sünden auf sich lädt.

„Tröstet mein Volk und sagt ihnen, dass ihre Sünde vergeben ist!“ Alle, alle meine Sünden hat sein Blut hinweggetan.

Die fürsorgliche Führung Gottes als Hirte

Und ein letztes: Das Wort von der Herrlichkeit Gottes. Zion, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme und verkünde der ganzen Welt: „Zieh, so ist Gott!“

Wenn wir sehen, was für ein Gott das ist – ein prächtiger, strahlender Gott –, dann heißt es: „Siehe, er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.“ Das ist euer strahlender Gott!

Er ist einer, der sich mit schmutziger Arbeit beschäftigt. Kleinviehhirten sind bis heute in Israel angesehen, ähnlich wie bei uns die Müllmänner, die im Dreck arbeiten, im Mief. Siehe, das ist euer Gott. Gott sieht es als die herrlichste Aufgabe an, uns schwache Schäflein zu tragen, zu leiten und zu führen.

Unter den Bildern, die ich in München in der Neuen Pinakothek gesehen habe, sind besonders die Werke des schwäbischen Malers Zügel hervorstechend. Er hat herrliche Landschaftsbilder geschaffen und immer wieder Tierbilder. Dabei fällt bei einem Gemälde besonders auf, wie lebensecht das kotige Fell der Schafe gemalt ist.

Das erwartet man von einem Bild normalerweise nicht. Meist sieht man nur strahlend weiße Schäflein, als kämen sie gerade aus der Waschmaschine. Nein, hier sieht man richtige Schafe, mit dem ganzen Kot, dem ganzen Mist, der ganzen Erde und dem Lehm.

Und Gott wird sie auf seinen Armen sammeln, die nicht mehr gehen können, und im Bausch seines Gewandes die zitternden, bibbernden kleinen Schäflein wärmen. Die Mutterschafe wird er führen.

Wir verstehen, warum Händel in seinem Messias diese herrlichste aller Arien geschaffen hat: „Er weidet seine Schafe.“ Siehe, das ist euer Gott, euer Gott – ein Gott, der nicht nur zu einem kurzen Empfang kommt und „Guten Tag“ sagt.

Er ist ein Gott, der uns führen, leiten, wärmen und tragen will.

Leben mit Gottes Wort als tägliche Führung und Schutz

Mit Gottes Wort leben heißt, dass man sagt: „Führe mich, o Herr, und leite meinen Gang nach deinem Wort. Sei und bleibe auch heute mein Beschützer und mein Herr. Herr, ich brauche dich doch.“

Die Ehre Gottes besteht darin, dass er uns tragen darf.

Mit Gottes Wort leben bedeutet nicht, einen fernen Gott in majestätischen Gesängen anzubeten. Vielmehr heißt es, ihm unsere Not, unsere Schwachheit und den Bruch unseres Lebens hinauszuschreien und zu sagen: „Herr, hilf mir, führe du mich auf rechter Straße! Um deines Namens willen.“

Der Weg der Gemeinde unter Gottes Führung

Lassen Sie mich schließen mit einem Wort von Johann Valentin Andreä. Wir wollen danach sein Lied singen, das in unserem Gesangbuch steht.

Er hat gesagt, wie es in einer Gemeinde anders werden kann, wenn Pfarrer und Pfarrkinder außer ihrem Gott nichts wollen und nichts begehren, als ihm zu folgen. Sie folgen als Betende, als Zeugen, als Lobende, als Liebende, als Dürftige, die so durch den ganzen Menschenstrom gehen, der sie verlacht, verstoßt und verflucht.

Doch sie schreiten immer vorwärts, die Augen auf ihren Hirten gerichtet, und überwinden so alle Hindernisse, bis sie ans Ziel kommen.

So wird Gemeinde, wenn sie die Augen auf den Hirten richtet, der uns führt. Auch Sie und mich lässt er sich führen. Unser Leben hier und in Ewigkeit wird davon abhängen, ob wir Gott unseren Hirten sein lassen.

Amen.