Herr Präsident! Ganz herzlichen Dank, dass ich in den kommenden Tagen hier abends die Botschaft halten darf.
Das ist eine große Ehre für mich, und der Einladung bin ich natürlich gerne nachgekommen.
Ich möchte ganz vorne anfangen: 1983. Das war für mich ein ganz besonderes Jahr, denn ich war schwer verliebt. In diesem Jahr habe ich meine Frau kennengelernt, und 1984 haben wir geheiratet.
Als ich meine Frau, damals noch nicht verheiratet, eingeladen habe, ob sie mich mal besuchen wolle – sie wohnte im Westerwald, ich im Oberbergischen Kreis, das waren etwa hundert Kilometer – sagte sie, sie würde gerne kommen. Ich lebte seit fünf Jahren in einer kleinen Wohnung, einer richtigen Junggesellenbude.
Dann kam meine Frau zu Besuch. Ich hatte vorher ein bisschen geputzt, so wie man das als Mann eben macht – nicht in den Ecken, aber über die Fenster und so weiter. Als ich mit meiner Frau durch die Wohnung ging, merkte ich, dass sie immer wieder schaute. Mein Schlafzimmer war klein und sehr eng. An der Wand hingen Ketten herunter, ich hatte Holz aus dem Wald mitgeschleppt und Dieselkanister gestapelt.
Da fragte ich meine Frau: „Mensch, was ist denn mit den Blumen hier?“ Sie antwortete, dass ich die vor fünf Jahren geschenkt bekommen hatte. Es waren Topfpflanzen, die ich aber nie gegossen hatte. Sie waren alle eingegangen und voller Spinnweben. Das erklärte ich meiner Frau.
Dann fragte sie: „Hast du eigentlich eine Waschmaschine?“ Ich verneinte. „Wie wäschst du denn?“ fragte sie weiter. Ich sagte: „Wenn ich das Gefühl habe, meine Wäsche muss gewaschen werden, werfe ich sie unten in die Dusche. Dann dusche ich 14 Tage später, wasche die Seife heraus und hänge die Kleidung zum Trocknen auf. So kann man leben.“
Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, mir eine Waschmaschine anzuschaffen. Meine Kleidung bestand nur aus zwei Jeanshosen, ein paar Cowboystiefeln, einem Sweatshirt und vielleicht zwei oder drei Hemden, damit ich immer Wechselkleidung hatte. Ich war sehr bescheiden. Alles, was ich besaß, passte in mein Auto – vor allem Kartons. Mein einziger Luxus waren meine Bücher, die ich immer gerne gelesen habe und die nicht verstaubten.
Trotz allem hat meine Frau mich geheiratet. Ich erinnere mich noch gut, wie wir Monate später darüber gesprochen haben: „Wolfgang, wie machen wir das jetzt mit der Waschmaschine? Du willst ja nicht weiterhin deine Wäsche in der Dusche waschen. Wenn wir Kinder haben, brauchen wir auf jeden Fall eine Waschmaschine.“ Ich sagte: „Na gut, dann kauft man halt eine Waschmaschine.“
Trotz allem liebte mich meine Frau, und das tut sie bis zum heutigen Tag noch. Ich habe mich verändert, weil meine Frau einen positiven, guten Einfluss auf mich ausgeübt hat. Selbst meine Eltern – ich war mit 18 Jahren von zu Hause weggegangen, weil ich Stress mit meinem Vater hatte und irgendwann gesagt habe: ‚Ich gehe‘ – sagten mir später: „Mensch, die Gaby hat einen richtig guten Einfluss auf dein Leben. Heirate sie.“
Das habe ich dann auch gemacht. Vielleicht war das das erste Mal, dass ich auf meine Eltern gehört habe. Ich erinnere mich noch gut daran. Ich war sehr verliebt und bin es bis heute noch.
Eben, als ich hier hinten reinkam und alles gesehen habe, da habe ich mit der Angst zu tun bekommen. Dann dachte ich: Na ja, deine Frau kommt ja gleich, dann kann ja alles nur halb so schlimm sein. Da habe ich mich wieder richtig darauf gefreut.
Ja, ich habe ein Buch, das war mein Lieblingsbuch, und das habe ich auch heute Abend dabei. Wer sich dafür interessiert: Es ist die Lebensbiografie von John Gibson Patton.
John Gibson Patton wurde 1824 in Schottland geboren. Er hatte elf Geschwister und war sehr stark beeindruckt von der Frömmigkeit seines Vaters. Mit 34 Jahren wurde er zum Pastor ordiniert, aber eigentlich wollte er kein Pastor sein, sondern als Missionar auf die Neuen Hebriden gehen. Das ist eine Inselgruppe in der Südsee, auf der überwiegend Menschenfresser lebten – also nur Menschenfresser.
14 Tage nach seiner Ordination heiratete er, und wiederum 14 Tage später ging er mit seiner Frau aufs Schiff. Neun Monate später kamen sie auf der Südseeinsel Tanna an. Auf dieser Insel waren sie 24 Stunden am Tag von Wilden umgeben, von Menschenfressern, also Kannibalen.
Drei Monate später kam ihr Sohn Peter zur Welt, ein kleines Kerlchen. Doch 19 Tage nach der Geburt starb seine Frau – beeindruckend. Er trug sie auf seinen Händen auf ein Riff hoch, schlug dort mit Hammer und Meißel ein Grab in das harte Korallgestein, legte seine Frau hinein und bedeckte sie. Ganz allein, ohne jemanden dabei.
Vierzehn Tage später starb auch der Sohn Peter. Auch den kleinen Kerl trug er auf seinen Händen hoch, hieb ihm ein Grab und beerdigte ihn ganz allein.
Warum erzähle ich das? Weil ich mir immer wieder Gedanken gemacht habe, wie der Mann das aushalten konnte. Wie hält er das aus? Ununterbrochen lebte er unter Wilden, die untereinander im Krieg waren. Gefangene wurden nicht gemacht; die Menschen wurden gefangen genommen, sofort umgebracht und gegessen.
Als er irgendwann wieder in Schottland war, heiratete er erneut. Der erste Vorsitzende seiner Missionsgesellschaft verbot ihm jedoch, wieder auf die Neuen Hebriden zu gehen. Er sagte: „Warum? Das ist meine Aufgabe, da will ich hin.“
Doch der Vorsitzende antwortete: „Nein, das geht nicht. Ich habe Angst um Sie und um Ihre Frau. Ich habe Angst, dass Sie gegessen werden.“
Und da soll er gesagt haben – so steht es in der Biografie: „Gefressen werden wir doch alle irgendwann. Entweder von Würmern, wenn wir hier auf dem Friedhof liegen, oder von den Fischen, wenn wir auf dem Meer untergehen, oder von den Kannibalen. Irgendwann werden wir alle gefressen.“
So zog er dann wieder mit seiner neuen Frau, mit der er mehrere Kinder hatte, auf die Neuen Hebriden. Nach vielen Jahren gab es dort eine Erweckung unter diesen Wilden.
Er beschreibt in seinem Buch anschaulich, wie er das allererste Mal das Abendmahl mit diesen Kannibalen feierte. Die Kannibalen streckten ihre schwarzen, dunklen Hände aus, und er legte ihnen das Brot hinein. Danach tranken sie Kokosmilch, die er als Weinersatz dabei hatte.
Das war eine unvorstellbare Situation: Kannibalen, die Menschenfleisch gegessen hatten, wandten sich dem lebendigen Gott zu.
Er war ein Zeugnis dafür, dass es höhere Dinge gibt als das persönliche Wohlergehen. Für Hunderte von Missionaren war er der Ansporn, das Evangelium bis an die letzten Enden der Erde zu bringen.
Jetzt habe ich mich natürlich immer gefragt: Was für ein Mensch war dieser John Patton? Warum hat er durchgehalten, obwohl er seine Frau und seinen ersten Sohn beerdigen musste – und das ganz allein? Er hat Dinge erlebt, die man kaum fassen kann. Manchmal meint man, das sei vielleicht übertrieben in dem Buch. Ich habe nachgeforscht und mir auch Material aus der Schweiz schicken lassen. Es scheint alles zu stimmen. Aber es ist unvorstellbar, was dieser Mann durchgemacht hat.
Dann habe ich so an mich gedacht: Wie weit bist du bereit zu gehen? Welche Spur willst du in deinem Leben hinterlassen?
Da muss ich ehrlich sein: Ich habe zu mir selbst gesagt, Wolfgang, du bist eigentlich ein alter Klammerer. Ich will es heute Abend so nennen. Wir kratzen doch am liebsten – also ich – alles zusammen und halten sorgenvoll an allem fest, wie ein Hund, der an seinem Knochen festhält und nichts hergeben will. Und wenn überhaupt, dann steigen wir auf der sozialen Leiter nach oben. Wenn uns unsere Anstrengungen einen kleinen Status, Macht oder Anerkennung gebracht haben, halten wir doch daran fest wie ein Löwe an seiner Beute.
Jesus ruft uns auf: Seid keine Klammerer! Klammert nicht! Verändert euch aus Liebe zu mir! Verändert euch, weil ich euch lieb habe, weil ich alles getan habe, damit ihr ein Leben führen könnt und am Ende eures Lebens bei mir sein könnt.
Lasst los! So verstehe ich zumindest unseren Predigttext, den ich uns jetzt vorlesen möchte.
Er steht im Philippabrief, es ist der Philippa-Hymnus. Aber dafür muss ich meine Brille aufsetzen. Das ist das Problem, wenn man mit großen Schritten auf die Achtzig zugeht: Dann wird alles irgendwie schlimmer. In achtzehn Jahren ist es zu weit.
Jetzt lese ich uns den Predigttext aus dem Philippabrief vor, aus dem zweiten Kapitel, die Verse fünf bis elf:
„Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Jesus Christus entspricht“, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Philippi. Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein. Stattdessen entäußerte er sich selbst, nahm Knechtsgestalt an, wurde den Menschen gleich und erschien als Mensch.
Er erniedrigte sich selbst und war gehorsam bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist. So sollen sich in diesem Namen Jesus alle Knie beugen, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind. Und alle Zungen sollen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist – zur Ehre Gottes, des Vaters.
Bis hierhin sehen Sie zum besseren Verständnis: Der Apostel Paulus hatte vielleicht das eine oder andere über diese Gemeinde in Philippi gehört. Einige Verse vorher schreibt er:
„Seid doch nicht selbstsüchtig, tröstet euch mit Liebe, seid bescheiden, habt Gemeinschaft untereinander, achtet einander höher als euch selbst und interessiert euch für das Wohl des anderen. Seid nicht rechthaberisch, seid nicht überheblich.“
Wenn wir weiter lesen, nicht in Vers 11, sondern in Vers 15, sagt Paulus:
„Wenn ihr so lebt, dann seid ihr wie Sterne in der Nacht. Dann leuchtet ihr wie Sterne in der Dunkelheit.“
Das ist ja so der Auftrag eines Christen: Wir sollen leuchten, in der Dunkelheit leuchten, damit sich andere Menschen an uns orientieren.
Ich habe mir das immer so vorgestellt – das steht jetzt nicht in der Heiligen Schrift –, dass der Apostel Paulus in einem kleinen Gefängnis war. Oben war vielleicht so ein kleines Guckloch, ein Fensterchen. Und dann hat er hinausgeschaut, oben einen Stern gesehen und sich gedacht: Ja, so sollten die Christen leuchten, wie ein Stern in der Nacht, wie ein Stern in der Nacht.
Anschließend zählt der Apostel Paulus, wie ich gerade vorgelesen habe, sieben Schritte auf, die Jesus freiwillig losgelassen hat – freiwillig. Ich sage es mal so: Den Männern, die bei uns wohnen, sage ich immer, es war wegen euch. Losgelassen wegen euch, damit wir hier auf der Erde eine Zukunft haben und in den Himmel kommen können, obwohl er Gott war.
Das ist der erste Schritt. Obwohl er Gott war, zeigt das, dass Jesus ganz oben auf der Leiter, die im Himmel war, nach unten angefangen hat. Er war Gott, nicht nur der erste Vorsitzende, der Leiter, der Chef oder der Prokurist. Nein, er war in jeder Hinsicht und Art und Weise Gott. Das ist der erste Schritt runter auf diese Erde. Das ist die erste totale Erniedrigung.
Ich habe mich manchmal gefragt, wie das für Jesus, den Sohn Gottes, den Sohn des Allerhöchsten, wohl gewesen ist, wenn er so durch Jerusalem über die Märkte lief und dann irgendeiner kam und sagte: „Hey, hau mal ab da, du kleiner Jude!“ Das war Gott, das war Jesus Christus. Was denken wir, wenn wir das hören? Ich hätte doch mit jeder Faser meines Lebens an meinem Status festgehalten. Mir fällt es schon schwer, Ruhm und Bewunderung aufzugeben, wenn ich mal ganz ehrlich bin. Es sind ja jetzt nicht so viele Leute hier. Wie schnell schwillt mir doch die Brust, wenn einer zu mir sagt: „Das war ein guter Gottesdienst, Herr Isenburg, wir haben gewaltig viel mitgenommen.“ Da fühle ich mich wie der König.
Dann sage ich zu meiner Frau, wenn ich zuhause bin: „Es wird höchste Zeit, dass das Ideaspektro nochmal einen Artikel über mich bringt.“ Da sagt meine Frau: „Bei dir geht es ja wohl nicht gut. Wie kannst du sowas überhaupt sagen?“ Meine Frau hat ja eine ganz andere Vergangenheit als ich.
Jesus war da ganz anders. Er sagte mehr oder weniger: „Ich nehme die Erniedrigung an, ich lasse los, ich gehe runter, ich werde alles aufgeben, um Gott, deinen Auftrag, Vater im Himmel, zu erfüllen.“ Und dann stieg er die Leiter runter.
Nun geht es weiter um die Konsequenzen dieser Entscheidung. Die zweite Sprosse: Es heißt nicht, dass Jesus nicht mehr Gott war, sondern er legte alle göttlichen Eigenschaften freiwillig ab, die ihn daran hinderten. Das heißt, er entäußerte sich selbst. Er legte seine Eigenschaften ab – er hat sie nicht abgenommen, nicht weggerissen, nicht richtig –, er legte sie ab, damit er hier auf der Erde als Mensch uns kennenlernen konnte.
Er nahm Knechtsgestalt an, er wurde den Menschen gleich, und er erniedrigte sich selbst. Die Reihenfolge ist ja atemberaubend: Knechtsgestalt an, er diente mit seinem Leben. Freunden von ihm, den Jüngern, denen er die Füße gewaschen hat, war er immer zu den Armen gehalten.
Er diente mit seinem Leben, er wurde den Menschen gleich, er wurde wie wir. Die Reihenfolge ist atemberaubend: Der Schöpfer des Universums, der über allem stand, kam in unsere Welt zu seinen Geschöpfen, die er erschaffen hatte, und wollte hier dienen. Nicht als König, damit die Untertanen vor ihm auf die Knie fallen, im Gegenteil.
Als ganz gewöhnlicher Mensch hielt er Ausschau nach anderen Menschen, denen er demütig dienen konnte. Mann, ich habe so für mich gesagt: Das würde mir schwerfallen, das würde ich vielleicht sogar nie tun.
Wir können uns gar nicht vorstellen, was das für Gott, für Jesus Christus bedeutet hat. Der Schöpfer unterstellt sich seiner Schöpfung. Das ist unglaublich.
Ich möchte Ihnen jetzt eine Geschichte erzählen. Ich habe lange überlegt, ob ich sie erzählen soll, aber sie macht deutlich, dass Gott auf diese Erde gekommen ist.
Es ist schon dreißig Jahre her. Damals war ich mit meiner Frau auf dem Martinimarkt in Mühlacker. Wir hatten damals zwei Kinder. Ich war ungefähr zwei Jahre in der Arbeit, die ich jetzt mache. Anfangs hatten wir vielleicht vier Leute bei uns wohnen. Das war noch nicht so viel. Mittlerweile sind es neun oder zehn, die immer bei uns wohnen.
An diesem Tag habe ich einen Mann begleitet, der Helmut hieß. Er lebt schon lange nicht mehr. Helmut wohnte draußen, mal hier, mal da. Im Sommer schlief er auf der Parkbank, im Winter irgendwo bei Bekannten und Freunden. Ich hatte ihm damals geholfen. Es war alles noch anders als heute. Man konnte die Sozialhilfe, diese 15 oder 16 D-Mark, direkt beim Sozialamt abholen. Man musste um halb zwölf kommen, dann bekam man das Geld. Wer schnell war, konnte sich das Geld in Mühlacker auszahlen lassen und später in Pforzheim noch einmal. Aber das änderte sich, als die Computer auf den Markt kamen.
Ich bin dann mit Helmut dorthin gegangen. Er hatte überall viele Schwierigkeiten. Meine Frau war auch auf dem Martinimarkt, kurz vor Weihnachten, irgendwann im November. Plötzlich hörte ich hinten einen Tumult. Ich schaute nach und sah, dass Helmut am Rumproleten war. Er war ziemlich angetrunken und wollte wieder Glühwein oder so etwas haben.
Ich blieb stehen, wusste nicht, was ich tun sollte. Ich besprach mich kurz mit meiner Frau, ob ich hingehen und ihn wegholen sollte. Aber dann tat ich nichts, ich schaute nur zu. Die Standbetreiber begannen schon zu schimpfen: „Was willst du hier? Mach, dass du wegkommst! Du hast hier nichts verloren! Ab mit dir!“ Helmut ging dann laut schimpfend an den Ständen vorbei und zeigte den Leuten den Vogel.
Er ging auf die Mitte des Marktplatzes und schimpfte dort weiter mit den Besuchern. Er sah fürchterlich aus, war von oben bis unten dreckig und hatte einen knallroten Kopf. Plötzlich begann er, sich die Hose runterzuziehen. Ich stand wie zu Eis erstarrt, vielleicht fünf Meter von ihm entfernt, vielleicht auch nur vier. Er stand mit dem Rücken zu mir, stützte sich an einer Parkbank ab und verrichtete sein großes Geschäft auf dem Boden.
Ich stand fassungslos da und dachte: „Mann, was machst du jetzt? Du kennst ihn doch, was machst du jetzt?“ Ich konnte nichts tun, war wie gelähmt. Dann passierte noch etwas: Weil er betrunken war, rutschte seine Hand ab und er fiel mit dem Po in seine Hinterlassenschaft. Können Sie sich das vorstellen?
Da sagte ich mir, ich muss etwas tun. Aber ich antwortete nicht mehr darauf. Die Leute begannen zu schimpfen und holten sofort die Polizei. Ich weiß nicht genau, ob auch ein Krankenwagen kam, ich glaube schon. Die Helfer zogen sich Handschuhe bis hier oben an und putzten alles sauber. Helmut wurde mitgenommen.
Ich fuhr mit meiner Frau nach Hause. Ich hatte ja ein Zuhause. Wir aßen, meine Frau hatte gekocht. Ich duschte, hatte eine Decke, und trotzdem musste ich immer wieder an Helmut denken. Dann legte ich mich ins Bett, in ein weiß bezogenes Bett – oder was auch immer weiß war. Helmut hatte nichts. Ich hätte mich nur bei meiner Frau ankuscheln können, Helmut hatte nichts, gar nichts.
Wissen Sie, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: In der Nacht kamen mir zwei Fragen, die ich bis heute behalten habe. Die erste Frage war: Warum hast du nicht eingegriffen? Warum hast du nichts gemacht? Die Antwort ist einfach: Es waren nur zwei kleine Wörter – zu feige. Ich war zu feige, ich habe nichts gemacht, obwohl ich ihn kannte. Ich hatte ihn ja monatelang begleitet. Ich war zu feige.
Die zweite Frage treibt mich bis heute um. Vielleicht verstehen Sie das nicht. Aber der Gedanke war: Was würde mich dazu bringen, mit diesem Mann, mit Helmut, ein Jahr lang zu leben? Ein ganzes Jahr lang ihm zu helfen, dort auszusteigen, wo er drin wohnt, wo er lebt. Seine Freunde wären meine Freunde. Ich würde dort schlafen, wo Helmut schläft. Ich würde das essen, was Helmut isst. Ich wäre immer mit ihm zusammen. Ich würde ein zweiter Helmut werden – nur für ein Jahr. Ich würde nicht rauchen, nicht trinken, aber sonst vielleicht alles machen. Ich würde mit ihm im Dreck sitzen, dort auf die Toilette gehen, wo er hingeht, und mein Leben würde eins zu eins neben seinem stattfinden.
Auch da war meine Antwort ernüchternd: Um nichts in der Welt hätte ich das geschafft. Um nichts in der Welt.
Liebe Gemeinde, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, genau das hat Jesus Christus für uns, für Sie, für dich getan. Er kam in unseren Dreck, in unseren Schmutz. Er hat das gegessen, was wir essen. Er hat sich für das interessiert, was uns interessiert. Er hat versucht, die einzelnen Menschen zu erreichen.
Er besudelte sich mit unserem Dreck, um uns hier herauszuholen. Er hat sich freiwillig in einen menschlichen Körper stecken lassen. Er war nicht so wie wir, aber er hat mit uns zusammengelebt. Er wurde verspottet, missverstanden, zurechtgewiesen, wenn man die Bibel liest, und ihm wurde ständig Unrecht getan. Er wurde für alles Mögliche verantwortlich gemacht. Trotzdem hat er sich für uns entschieden.
Er gab die Anbetung der Engel im Himmel auf, um den Auftrag seines Vaters zu erfüllen.
Und dann kommt die sechste Erniedrigung: Er war gehorsam bis zum Tod. Jesus Christus, der König des Lebens, war gehorsam bis zum Tod. Er sah dem Tod ins Auge. Der, der das Leben erschaffen hat und es aufrechterhält, gab sein Leben hin – freiwillig, um seinen Auftrag zu erfüllen. Und auf welche Weise er es hingegeben hat: Zum Tode am Kreuz, wie wir eben gehört haben. Das ist der letzte Satz: Zum Tode am Kreuz.
Er erniedrigte sich bis zum Tod am Kreuz. Er wurde dann auf Golgatha zwischen zwei Verbrechern ans Kreuz geschlagen. Das Kreuz war nicht nur eine einfache Hinrichtungsmethode, das wissen wir alle. Um Menschen zu töten, hat man sie vorher gefoltert, mit Steinen beworfen, beschimpft, beleidigt und so weiter und so fort. Das war sein Auftrag. Er hätte das alles innerhalb kürzester Zeit ändern können.
Wenn ich mir dann vorstelle, dass Jesus das für mich getan hat – für mich, der oft ein schlechter Kerl ist, schlechte Gedanken hat und schnell jähzornig wird – dann ist das mein allergrößtes Problem. Manchmal habe ich mich einfach nicht in der Hand. Viele sagen: „Ja, das ist gut, wenn du die Arbeit machst, da muss es aber...“ Das ist ja eigentlich Quatsch. Manchmal muss man eben auch schimpfen, manchmal muss man sich durchsetzen, aber eine einfache Lösung gibt es da nicht.
Ich bin halt jemand, der sich schnell aufbrausend entlädt, wenn irgendetwas nicht so klappt, wie ich es mir vorstelle. Ja, der Höchste kam, um den Niedrigen zu dienen. Der Schöpfer kam und verzichtete auf alle Privilegien. Der, dem alles gehörte, wurde ein Nichts. Und dann sage ich mir immer: Wegen dir.
Deswegen ist das Kreuz für Menschen, die mit Gott nichts anfangen können, ein Symbol des Unsinns. Aber in Gottes Augen wurde Jesus Christus zum Größten der Großen. Seinen Namen haben wir eben gehört, hier, über alle Namen, wie es in dem Lied heißt: Namen über alle Namen – Jesus. Es gibt keinen schöneren auf Erden.
Warum Veränderung? Jesus konnte loslassen. Ich kann mich für ihn verändern. Wenn ich mir vorstelle, was Jesus für mich getan hat, bin ich zu einhundert Prozent von ihm überzeugt. Deshalb stehe ich hier und bin immer unterwegs. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Sache mit Jesus stimmt. Deshalb will ich mich für ihn verändern. Er ist auf diese Erde gekommen und hat sein Leben unter dramatischsten Umständen ausgehaucht.
Sehen Sie, John Gibson Patton ging es wahrscheinlich genauso. Er sagte: „Ich gehe wieder hin, ich gehe wieder auf die Neuen Hebriden.“ Dort kannte er ein paar Eingeborene, zu denen er eine Beziehung hatte. Er konnte sie nicht alleine lassen. Jesus ist auf diese Erde gekommen, also geht er zu den Eingeborenen.
Wenn ich mich verändere oder verändern kann, wird Jesus mir das deutlich machen. Heute Abend ging es eher um die persönliche Veränderung, bei der ich nicht viel tun kann. Vielleicht denke ich darüber nach, mein Haus für Menschen in Not zu öffnen. Vielleicht setze ich meine Gaben irgendwo für Menschen ein. Ich möchte liebevoll zu meiner Familie sein und vielleicht ehrlich zu meinem Ehepartner – wirklich grundehrlich.
Manchmal fragen wir uns abends im Bett Dinge, auf die es schwerfällt zu antworten. Aber ich will meine Frau nicht belügen. Es gibt Männer und sicherlich auch Frauen, die schon lügen, wenn sie sich beim anderen entschuldigen. Aber das will ich nicht. Ich will ehrlich sein. Ich möchte die Mauer des Schweigens brechen. Ich möchte meinem Sohn und meiner Tochter ein gutes Vorbild sein.
Dann gibt es auch plötzliche Veränderungen. Am nächsten Abend und vor allem am Sonntag geht es um den Tod, der einen verändert. Wir haben eben gehört von einem Arbeitsplatz, der wegrationalisiert wird, von einem neuen Chef, mit dem man vielleicht nicht auskommt, von Partnerwechseln, plötzlichen Krankheiten und so weiter.
Ich möchte so leben, dass ich am Ende, wenn ich vor Gottes Thron stehe – so stelle ich es mir immer vor – Menschen treffe, die dankbar sind, dass ich genau so gelebt habe, wie ich gelebt habe. Menschen, die dankbar sind, dass sie mich kennengelernt haben.
Das war auch ein Grund, als wir geheiratet haben, was wir uns damals aufgeschrieben haben: Wir möchten eine gute Spur im Leben ziehen. Wir möchten nicht an Titeln oder Zahlen klammern. Ich möchte loslassen und mich für Jesus Christus verändern. Er soll mich verändern. Aus Liebe zu ihm möchte ich Dinge tun, die ich sonst vielleicht nie tun würde.
Die Wohngemeinschaft werde ich morgen Abend ein bisschen erläutern. Die Männer sind jetzt alle hier. Im Moment wohnen neun Männer bei uns. Manchmal ist es schwer. Im Moment haben wir eine richtig gute Truppe, aber manchmal könnte man natürlich auch ein paar Leute mit einem lauten Knall und ohne Rückfahrkarte auf den Mond schießen, weil ich denke, dass sie dort besser aufgehoben wären als in ihrer Familie.
Aber eigentlich möchte ich das nicht. Ich möchte ihnen helfen, aus dem Elend herauszukommen – aus dem Drogen-Mist und Müll, in dem sie stecken – und ein neues Leben anfangen.
Sehen Sie, als unser ältester Sohn – da werde ich am Sonntag noch mehr erzählen – starb er 2005. Da sagte er zu seiner Mama: „Gleich bin ich bei Jesus.“ Das war eigentlich sein letzter Satz, sein letzter kompletter Satz, den er gesagt hat.
Und da habe ich immer so gedacht: Angesichts des heranschreitenden Todes macht niemand mehr Witze. Man beruhigt auch nicht mehr seine Eltern, seine Mama und seinen Papa. Man sagt nur noch das, was Sache ist. Zehn Minuten später ist er gestorben.
Vergessen Sie nie, liebe Gemeinde, die Sache mit Jesus stimmt. Wenn sie nicht stimmen würde, dann würde ich mich doch nicht in einen Kreis mit zehn drogenabhängigen Männern setzen, die manchmal über zwanzig Jahre im Knast gesessen haben, die in den Vereinigten Motorradgruppen, die Angst und Schrecken verbreiten, mitgefahren sind. Und denen würde ich sagen: „Leute, jetzt wollen wir heute Abend mal in der Bibel lesen, in der Heiligen Schrift.“
Da würde ich mich schämen, das würde ich ja gar nicht schaffen, weil die Männer gehen würden. Die würden irgendwann sagen: „Weißt du was, den Hokuspokus hier mache ich nicht mit.“ Da könnte ich genauso gut Geschichten vom Goldesel erzählen oder sagen: „Wenn ein Bäumchen rüttelt dich und schüttelt dich, wirft Gold und Silber über mich.“
Da kann ich mich hier unter die Bäume im Nordschwarzwald stellen. Da wird sich kein Baum schütteln, wenn kein Wind weht. Und Gold und Silber wird gerade nicht von oben herunterkommen. Macht mir höchstens noch irgendwann ein Vogel hier oben auf die Platte. Alles andere wird sich erledigt haben. Aber die Sache mit Jesus stimmt.
Schließen möchte ich mit dem Gedanken: Wenn der Mensch denkt, dass sich irgendwann alles hier auf der Erde erledigt hat und wenn er denkt, jetzt hat er Gott für alle Zeit und für immer und ewig abgeschafft, den gibt es nicht, jetzt ist der Beweis erbracht, da sind ja ganz viele Wissenschaftler dran, dass es keinen Gott gibt, dass der Mensch eigentlich so die Krone der Schöpfung des Universums ist – wer hat die Schöpfung jetzt? Wer ist der Schöpfer? Da wird gar nicht mehr nachgefragt. Wir haben Gott abgeschafft.
Dann wird sich Jesus als Letztes aus dem Staub der Erde erheben. So wie er sich im Boot erhoben hat, als die Freunde von Jesus unterwegs waren auf dem See in der Zeit und plötzlich ein Sturm losbrach und tobte. Die Jünger schrien vor Angst. Dann trat Jesus an die Reling, so heißt es, es sei ein Bild der Kraft, und streckte seine rechte Hand aus.
Dann heißt es: „Da schwieg der Wind und das Meer.“ Er hat sich immer so versucht, den Herrn Jesus irgendwo in verstaubte Muffe Sakristeien zu verbannen. Aber da gehört er nicht hin. Wenn er überhaupt irgendwo hingehört, sage ich den Männern sehr oft, dann gehört er in dein Leben.
Dort, wo alles drunter und drüber geht, wo Gedanken in der Platte kreisen, die da überhaupt nicht hingehören, da gehört er hin. Und da will er Ordnung schaffen. Auf dem See hat er Ordnung geschaffen, danach war alles still. Da haben selbst seine Freunde Angst gekriegt und haben sich gefragt: „Wer ist der Mensch, der solche gewaltigen Taten tun kann?“
Da gehört er hin, in dein Lebensboot. An den sollst du dich klammern, wenn es drunter und drüber geht. Und als Letztes wird er sie aus dem Grab erheben, so wie er sie schon mal erhoben hat, aus dem Grab. Die Menschen haben damals auch gedacht: „Ja, es ist endlich, der Hokuspokus vorbei.“
Und ja, da hat Gott, wie es in dem Lied von Ahn und Andreas damals in den siebziger Jahren hieß, dem Sensemann die große Show geklaut. Er hat den Tod besiegt. Und als Letztes wird er wiederkommen, und vor seinem Angesicht wird selbst das Universum fliehen. Das kann man nachlesen in der Offenbarung 20.
Ich danke Ihnen fürs Zuhören und wünsche Ihnen so sehr, dass Sie mit Jesus Erfahrung machen. Denn das kann man: Mit Jesus kann man Erfahrung machen. Jesus möchte eigentlich gar nicht irgendwo auf dieser Erde wohnen, sondern er möchte hier im Herzen wohnen.
Darum geht es im ganzen Neuen Testament: Jesus möchte hier im Herzen einziehen. Er ist der geheime Motor unseres Lebens. Und das wünsche ich Ihnen, dass Sie das einmal erleben. Dann kann man sich aus Liebe zu ihm verändern. Auf einmal schafft man Dinge, die man vorher nie geschafft hat. Dann kann man immer wieder aufeinander zugehen, selbst wenn es noch so kurios ist.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
ist eine Gemeinschaft von bekennenden Christen aus verschiedenen Kirchen und Freikirchen. Gaby und Wolfgang Isenburg haben ihre Familie geöffnet und nehmen gefährdete Menschen auf, die am Rande unserer Gesellschaft stehen.
Unser Ziel ist es, orientierungslosen Menschen einen Weg aus ihrer Abhängigkeit und Hoffnungslosigkeit zu einem sinnerfüllten Leben zu zeigen.