Dank und Eröffnung des Gottesdienstes
Wir wollen miteinander beten. Herr Jesus Christus, wir danken dir für diesen Sonntag, der für uns ein großes Geschenk ist. Wir sind dankbar, dass wir Zeit haben, zusammenzukommen und dir zu begegnen, dem lebendigen und wahren Gott.
Wir danken dir für das, was du uns heute Morgen im Gottesdienst geschenkt hast, und für die Möglichkeit, an diesem Nachmittag noch einmal gemeinsam zusammen zu sein. Wir freuen uns auf die Auslegung von Hans Peter Royer und bitten dich, dass du ihn für uns gebrauchen mögest. Lass seine Worte durch deinen Heiligen Geist bestärkt und bevollmächtigt in unseren Köpfen und Herzen ankommen.
Herzlichen Dank, dass du unsere Mitte bist. Du bist nicht nur hier bei uns, sondern auch bei den Seminaren und Workshops, die im Haus stattfinden. Du bist im Kinderprogramm dabei. Du hast deine Augen über diesem Haus offen, und dafür danken wir dir von ganzem Herzen.
Dein Segen ist da. Wir ehren dich und beten dich an. Gelobt seist du, unser Gott. Amen.
Anbetung und der Ort der Begegnung mit Gott
Gut, dann gehen wir in den Enster, zumindest was mich betrifft. Ich werde danach gleich nach Hause fahren. Es ist ein recht langer Weg vor mir.
Es geht um das Thema, Gott mit Herz und Verstand anzubeten. Wenn man heute über Anbetung spricht, dann meint man meistens auch einen Ort, eine Anbetungsstätte. Für viele Christen ist das natürlich das Kirchengebäude oder eine Kapelle. Für manche ist es die Blahö, der Dauernhof oder ein ruhiger Ort im Wald.
Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, denn ich stelle immer wieder fest: Orte, an denen wir besondere Erfahrungen mit Gott machen, werden ein Stück Heimat. Es wird sich bei einigen so anfühlen: Wenn ich hierher nach Lahö komme, habe ich ein bisschen das Gefühl, ich komme nach Hause. Dasselbe gilt für den Dauernhof.
Ich war nur drei Monate auf der Bibelschule, das war meine ganze Ausbildung, in England. Aber das war für mich eine besondere Zeit. Jedes Mal, wenn ich dorthin fahre, ist ein Stück Heimat da, weil ich dort eine besondere Erfahrung mit meinem Herrn gemacht habe.
Die Idee, irgendwo hinzugehen, um Gott anzubeten, kommt natürlich aus dem Alten Testament. Dort gingen die Juden in den Tempel zu Jerusalem, um dort anzubeten. In unseren Breitengraden sind es halt Kirchengebäude oder Gotteshäuser.
Aber ich glaube, dass diese Idee nie Gottes Idee war.
Gottes Gegenwart und die Bedeutung von Zelt und Altar
In Genesis 1 und 2 schuf Gott den Menschen in seinem Ebenbild. Sie spazierten im Garten Eden und hatten Gemeinschaft miteinander.
In Genesis 10 lesen wir, dass Gott im Zelt von Shem wohnte. Zelten steht dabei immer für ganz enge Gemeinschaft. Wer schon einmal gezeltet hat, weiß, dass es manchmal enger ist, als man es sich wünscht. Besonders bei Bergtouren wird es nach dem dritten Tag mit dem Geruch schon etwas kritisch.
Übrigens lesen wir auch über Jesus im Griechischen, dass er unter uns gezeltet hat. Er hat unter uns gezeltet. Ein Zelt ist nie ein permanentes Haus, du ziehst immer weiter mit deinem Zelt. Das ist der Unterschied zwischen Zelt und Haus.
Abraham war ein Mann des Zeltes und ein Mann des Altars. Wo immer Abraham hinging, schlug er seine Zelte auf und baute einen Altar. Das heißt, Abraham ging nicht zum Altar, sondern der Altar ging immer mit ihm.
Jahre später befahl Gott Mose, eine Hütte zu bauen, die sogenannte Stiftshütte. Wiederum war der Altar im Zentrum des Volkes Israel. Wenn der Altar weiterzog, zog das Volk mit dem Altar. Das war ursprünglich die Idee Gottes.
Die Idee des Tempels und Gottes Reaktion darauf
Jahre später wollte David, ein Mann nach Gottes eigenem Herzen, einen Tempel für Gott bauen. Er wollte einen permanenten, festen Ort schaffen, an dem man hingehen kann, um Gott anzubeten.
Interessanterweise war Gott von dieser Idee nicht besonders beeindruckt. Im 2. Samuel 7 lesen wir dazu:
„Geh hin und sage zu meinem Knecht David: So spricht der Herr: Willst du mir wirklich ein Haus bauen als Wohnung für mich? Wahrhaftig, nie habe ich in einem Haus gewohnt, seit ich die Söhne Israels aus Ägypten herausgeführt habe bis zum heutigen Tag. Stattdessen bin ich in Zelten und Wohnungen umhergezogen. In der ganzen Zeit, in der ich unter den Söhnen Israels umhergezogen bin, habe ich jemals zu einem der Stämme Israels, dem ich geboten habe, mein Volk Israel zu weiden, ein Wort geredet und gesagt: Warum habt ihr mir nicht ein Haus aus Zedern gebaut?“
Mit anderen Worten sagt Gott, dass er nie ein festes Haus haben wollte.
Die Trennung von Alltag und Anbetung als Problem
Wisst ihr, was geschehen ist, als Gott an einem Ort festgenagelt wurde? Moritz Uhr.
Bislang war Gott im Alltag präsent. Der Altar stand immer mitten im Alltag. Doch jetzt wurde der Alltag vom Altar getrennt. Man ging zum Altar, um anzubeten, doch im Alltag war Gott nicht mehr dabei. Er gehörte nicht mehr dorthin.
Ich glaube, dass diese Trennung zwischen Alltagsleben und geistlichem Leben eine der größten Fallen ist, in die wir Christen heute geraten sind. Es ist das größte Dilemma. Anbetung wird separiert vom normalen Leben. Sie ist nicht mehr integriert.
Oftmals wird Anbetung auf Rituale reduziert. Ob die Anbetung gut ist, hängt dann davon ab, wie die Laune ist. Oder von der schauspielerischen Leistung der Musikgruppe, der Theatergruppe, von Zeugnissen oder vom Prediger.
Im Tempel Salomos begann die Entstellung der Anbetung. Wenn man das Alte Testament liest, sieht man, dass das Gesetzbuch verloren ging, das Opfersystem korrupt wurde und die Priester im Laufe der Jahre ihre Redlichkeit verloren. Im Buch Ezechiel hat Gott den Tempel verlassen.
Die persönliche Gottesbeziehung wurde ersetzt durch ein Priestertum, durch den Klerus, über den man jetzt zu Gott eine Verbindung hatte.
Gottes Gegenwart im Leib der Gläubigen
Bei Abraham ging Gott immer mit, ebenso bei den anderen Vorvätern. Stephanus hat dies in seiner letzten Predigt angesprochen, bevor er getötet wurde. In Apostelgeschichte 7,48 sagte Stephanus zu den Juden: „Der Höchste wohnt nicht in Wohnungen, die mit Händen gebaut sind.“ Danach haben sie ihn gesteinigt.
Darum lesen wir sieben Mal im Neuen Testament diese Aussage. Sie soll wie eine Glocke in uns läuten, wenn wir sie etwa sieben Mal hören: Unser Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes, nicht ein Gebäude, sondern unser Leib.
Der Kirchenvater Origenes schrieb im dritten Jahrhundert, dass wir uns weigern, leblose Tempel für Gott, den Spender allen Lebens, zu bauen. Unser Leib ist der Tempel des lebendigen Gottes.
Nur zur Klarstellung: Natürlich brauchen wir Gebäude, speziell in unseren Breitengraden. Wenn wir jetzt alle draußen säßen, wäre das unangenehm. Darum geht es nicht.
Es geht vielmehr darum zu verstehen, dass wir uns nicht in einem speziellen Gebäude befinden müssen, um Gott näher zu sein oder um Gott anbeten zu können. Und genau das ist das Missverständnis, das ich immer wieder entdecke.
Die wahre Bedeutung von Kirche
Die Frage ist übrigens: Was ist Kirche überhaupt?
Für die Juden war der Tempel das zentrale Heiligtum, für die Christen ist es ein Kirchengebäude. Für manche Christen bedeutet Kirche ein Gebäude. Wenn man bei uns fragt: „Wo ist die Kirche?“, würden sie oft auf ein Gebäude zeigen.
Andere wiederum sagen, Kirche ist die Gemeinschaft der Gläubigen. An einer Tafel stand einmal: „In diesem Gebäude trifft sich die anglikanische Kirche.“ Das finde ich gut, denn nicht das Gebäude ist die Kirche, sondern die Gemeinschaft der Gläubigen, die Ekklesia.
Allerdings ist auch Ekklesia nicht das optimale Wort. Es wird manchmal für eine zornige oder eifersüchtige Gemeinschaft verwendet und bedeutet einfach nur Gemeinschaft.
Das Wort Kirche, wie wir es im Deutschen haben, leitet sich vom griechischen Wort Kyriakos ab. Das gefällt mir besonders, denn es bedeutet „dem Herrn zugehörig“. Ich gehöre dem Herrn, Kyriakos.
Kirche als tägliche Zugehörigkeit zum Herrn
Als die Kirche zu Pfingsten geboren wurde und Petrus die erste Predigt hielt, lesen wir in Apostelgeschichte 2,42: An jenem Tag wurden etwa dreitausend Seelen hinzugetan. In Vers 47 heißt es weiter: Der Herr aber tat täglich hinzu, die gerettet werden sollten.
Die Frage ist nun: Wohin wurden sie da zugetan? Wo wurden sie hinzugetan? Die Antwort lautet: Sie wurden dem Herrn hinzugetan, wie es in Apostelgeschichte 5,14 steht. Jeder, der zum Herrn gehört, gehört zur weltweiten Kirche Jesu Christi.
Darum bezieht sich das Wort Kyriakos nicht nur auf den Sonntag, was wichtig ist. Gottesdienste sind wichtig, aber Kirche bedeutet mehr: Ich gehöre dem Herrn – jeden Tag in der Woche.
Ich habe einen Vorschlag für uns alle: Wenn du heute nach diesem Gottesdienst nach Hause gehst und vielleicht mit einem Freund ein Bier trinkst, dann sage zu Gott: Kyriakos, Herr, ich gehöre dir. Ich bin jetzt in deiner Gegenwart und möchte hier in diesem Gasthaus deinen Namen ehren, damit dein Wille geschieht, wie es dir gefällt.
Wenn du Montag zu Hause bei deinen Kindern bist, sage: Kyriakos, ich gehöre dem Herrn. So wie ich mit meinen Kindern rede, möchte ich, dass der Herr geehrt wird.
Wenn du Dienstag vor dem Computer im Büro sitzt, sage: Kyriakos, ich gehöre dem Herrn. Das ist Kirche – ich gehöre dir.
Wenn du Mittwoch in der Schule die Kinder unterrichtest, sage: Ich gehöre dir, Herr, ich möchte, dass du geehrt wirst.
Wenn du im Stall das Vieh fütterst oder im Wald Holz fällst, sage: Kyriakos, ich gehöre dir. Das ist Gottesdienst.
Der Fehler, den wir gemacht haben, ist, dass wir diese Bereiche getrennt haben.
Gottes Gegenwart in allen Lebensbereichen
Ein Rabbi überraschte einmal seine gelehrten Gäste mit der Frage, wo Gott wohnt. Sie lachten über ihn und sagten: „Wie kannst du das fragen? Die Welt ist doch voller seiner Herrlichkeit.“
Doch er antwortete: Gott wohnt dort, wo man ihn einlässt. Gott wohnt überall dort, wo du ihn einlässt – ob zu Hause bei den Kindern, in der Schule, im Büro oder am Sonntag im Gottesdienst.
Das ist eines meiner größten Anliegen: wieder zu lernen, dass Gottesdienst ein Leben ist und nicht nur ein Akt, den ich manchmal vollziehe. Deshalb ist es mir am Dauernhof so wichtig. Ich habe jetzt zwölf Skilehrer, die jeden Tag mit den Leuten Ski fahren. Sie kennen alle Jesus. Mein größtes Anliegen ist, dass meine Skilehrer auf der Piste ganz normal über Jesus sprechen.
Manchmal sind die Reaktionen der Gäste witzig. Sie sagen: „Komisch hier, ihr redet von Jesus nicht nur auf der Kanzel, sondern auch beim Skifahren. Das ist so amerikanisch.“ Ist das amerikanisch? Wir haben gedacht, das sei normal. Wir leben doch immer mit Jesus, oder? Oder ist er beim Skifahren tot? Oder braucht man ihn da nicht?
Egal, ob du einkaufen gehst, mit den Kindern spielst, eine Predigt vorbereitest oder im Stillen betest – im Prinzip ist es dasselbe. Kyriakos heißt: Ich gehöre dem Herrn. Und das bedeutet eigentlich Anbetung.
Die Herzenshaltung in der Anbetung – Ein Blick auf Malachi
Das Zweite ist der Ort, aber auch eine Herzenshaltung, über die ich noch sprechen möchte. Dazu möchte ich den Propheten Maleachi kurz zu Wort kommen lassen. Er war der letzte Prophet des Alten Testaments, bevor eine Stille von etwa 400 Jahren einsetzte. Diese Zeit war zwar nicht wirklich still, doch wir nennen sie so.
Das Buch Maleachi findest du im Alten Testament, direkt links von Matthäus. Es umfasst nur 55 Verse, doch sein Inhalt ist äußerst provokativ und passt sehr gut in den Zeitgeist unseres 21. Jahrhunderts.
Zur Zeit Maleachis lebte Israel in relativem Frieden. Die Menschen waren aus dem Exil zurückgekehrt und hatten keine große Bedrohung. Später kamen dann die Griechen. In dieser Phase brauchten sie Gott nicht unbedingt. Wenn wir ehrlich sind, frage ich manchmal auch andere: Brauchst du Gott wirklich? Wenn man ehrlich antwortet, lautet die Antwort oft: Eigentlich nicht. Im Moment haben wir unser Leben ziemlich gut im Griff. Ehrlich gesagt, kann ich momentan gut ohne Gott leben.
Ich glaube, wenn wir ehrlich sind, dann sprechen wir nicht aus, was wir träumen, sondern es entspricht oft der Realität, wie wir leben. So ging es auch den Menschen damals. Zwar gebrauchten sie den Namen Gottes – der Name Gottes kommt in den 55 Versen 53 Mal vor –, doch seine Gegenwart war nicht da, nur der Name.
Im Vergleich dazu kommt im Buch Esther das Wort „Gott“ kein einziges Mal vor, aber seine Gegenwart ist unübersehbar. Es zählt nicht die Semantik, sondern die Realität.
Lesen wir Maleachi Kapitel 1, so steht in Vers 2: „Ich habe euch geliebt, spricht der Herr.“ Doch die Menschen antworten: „Worin hast du uns geliebt?“
In Vers 6 heißt es: „Ein Sohn ehrt den Vater und ein Knecht seinen Herrn. Wenn ich nun Vater bin, wo ist meine Ehre? Und wenn ich Herr bin, wo ist meine Furcht?, spricht der Herr der Heerscharen zu euch. Ihr priest, ihr verachtet meinen Namen.“ Doch sie fragen: „Womit haben wir deinen Namen verachtet?“
Weiter heißt es: „Ihr, die ihr unreine Speisen auf meinen Altar bringt.“ Doch sie fragen: „Womit haben wir dich unrein gemacht?“
Dieser Dialog charakterisiert das Buch Maleachi: Gott macht eine Aussage, und die Menschen verleugnen sie. „Ich habe euch geliebt“, spricht der Herr. Das Volk antwortet: „Zeig es uns doch, beweise es uns halb, wir sehen nichts davon.“
Die Liebe Gottes im Spiegel von Hosea
Um zu verstehen, wie unpassend diese Antwort ist, möchte ich einen anderen Propheten betrachten, und zwar den Propheten Hosea. Es geht um unsere Haltung. Ich weiß nicht, wie viele von euch den Propheten Hosea kennen. Ich nehme an, viele unter euch lesen die Bibel und sind halbwegs vertraut damit.
Hosea lebte etwa acht Jahrhunderte vor Christus. Er hat gelebt, was er gepredigt hat. Im Gehorsam gegenüber Gott und trotz seiner schwierigen Geschichte heiratete er eine Hure namens Goma. Sie bekamen drei Kinder: Jezreel, Loruhama und Loami. Alle drei Kinder tragen prophetische Namen. Manchmal frage ich mich, ob die Namen vorher oder nachher gegeben wurden – oder wie auch immer. Auf jeden Fall haben sie eine Bedeutung.
Jezreel steht für Gericht, Loruhama bedeutet „ohne Barmherzigkeit“ und Loami heißt „nicht mein Volk“. Die Botschaft Gottes an Israel war: Ihr werdet bezahlen müssen, das Gericht kommt. Meine Barmherzigkeit hat ein Ende, und ihr seid nicht mehr mein Volk. Das war die Botschaft.
Das ergibt eine interessante Tischunterhaltung in der Familie: „Gericht, komm zu Tisch“, „Barmherzigkeit, benimm dich“, oder „ohne Barmherzigkeit“ usw. Doch wenn wir bedenken, wer am meisten darunter gelitten hat und wahrscheinlich jeden Tag geweint hat, dann war es der Ehemann Hosea. Sein Herz war gebrochen, denn er hat die Botschaft Gottes nicht nur gepredigt, sondern am eigenen Leid erfahren.
Nachdem Goma die drei Kinder geboren hatte, ging sie zurück in die Stadt und verkaufte sich wieder an ihre Liebhaber. Ich kann mir vorstellen, dass Hosea sich fragte: Wie lange soll sie noch meine Frau bleiben? Und wie lange soll ich sie noch lieben?
Hosea ging auf die Straßen und predigte über die Heiligkeit Gottes, während er mit einer Hure verheiratet war. Die Menschen fragten sich sicher: Wie kann ein heiliger Mann mit so einer Frau verheiratet sein? Ich kann mir vorstellen, dass einige beim Vorbeigehen sagten: „Hosea hat wieder gepredigt. Hey Hosea, gestern warst du bei deiner Frau recht nett. Meine Freunde stehen Schlange, sie ist gut.“
Manche Gläubige fragten Hosea: „Sag uns, wie kannst du mit einer Hure verheiratet sein und gleichzeitig Gott predigen?“ Ich kann mir vorstellen, dass Hosea vielleicht eine Zeit lang schweigte und dann antwortete: „Auf diese Frage habe ich gewartet. Es fällt mir leicht, dir zu erklären, wie ich mit einer Hure verheiratet sein kann – wenn du mir zuerst sagst, wie ein heiliger Gott mit einem ehebrecherischen Volk, wie ihr es seid, immer noch zusammenbleibt. Wenn du mir das erklärst, erkläre ich dir meine Situation.“
Hosea liebte seine Frau, auch als sie zurück zu ihren Liebhabern in der Stadt ging. Wisst ihr, was Hosea getan hat? Ihr könnt es in den ersten zwei Kapiteln nachlesen. Er ging in die Stadt und brachte Geld und Essen an die Liebhaber, damit seine Frau nicht hungern musste.
Stellt euch vor: Ihr heiratet eine Prostituierte in der Hoffnung, sie wird ihre Vergangenheit hinter sich lassen. Ihr verbringt ein paar Jahre mit ihr, sie bekommt drei Kinder. Dann geht sie zurück zu ihren Liebhabern und verkauft ihren Körper – nicht nur an einen oder zwei, sondern an Dutzende. Und dann geht ihr in die Stadt und bringt den Liebhabern Essen, damit sie eure Frau ernähren und sie nicht hungern muss.
Jahre später ist sie nicht mehr attraktiv, alt und ausgemergelt. Keiner will sie mehr, und dann wird sie am Sklavenmarkt von Zuhältern verkauft. Ihr geht auf den Sklavenmarkt, bezahlt einen Preis für diese Prostituierte, eure Frau, nehmt sie zurück und liebt sie.
Das war die Botschaft, die Gott seinem Volk durch Hosea gab. Und wisst ihr, was sie fragten? „Gott, wie hast du uns geliebt? Zeige es uns doch!“ Seht ihr, wie unpassend diese Frage ist?
Gottes Liebe und Gericht im Buch Hesekiel
Zweihundert Jahre nach Hosea sprach Gott noch einmal auf ganz ähnliche Weise zum Propheten Hesekiel. Im Hesekiel Kapitel 16 sagt Gott Folgendes über das Volk Israel:
Hesekiel 16,6: „Da ging ich an dir vorüber.“ Gott ging an Israel vorüber und sah es in seinem Blut zappeln. Und zu dir in deinem Blut sprach ich: „Bleibe leben!“ Ja, zu dir in deinem Blut sprach ich: Bleibe leben!
Vers 9: „Und ich wusch dich mit Wasser und spülte dein Blut von dir ab und salbte dich mit Öl. Ich bekleidete dich mit Buntwirkerei und beschuhte dich mit Delfinenhäuten. Ich umwandte dich mit Büssum und bedeckte dich mit Seide. Ich schmückte dich mit Schmuck, legte Spangen an deine Handgelenke und Ketten an deinen Hals. Ich legte Reife an deine Nase, Ringe an deine Ohren und setzte eine prachtvolle Krone auf deinen Kopf. So legtest du goldenen und silbernen Schmuck an deine Kleidung, die aus Büsse, Seide und Buntwirkerei bestand. Du aßest Weizen, Grieß, Honig und Öl und warst sehr, sehr schön. Du warst des Königstums würdig.“
Vers 15: „Aber du vertrautest auf deine Schönheit und hurtest auf deinen Ruf hin. Du gossest deine Hurereien aus über jeden, der vorüberkam; ihm wurde sie zuteil.“
Vers 33: „Allen Huren gibt man Geschenke, du aber gabst deine Liebesgeschenke an deinen Liebhaber.“
Wisst ihr, was hier geschehen ist? Israel hat sich derartig verkauft, dass es nicht einmal Geld wollte. Es wollte sich nur verkaufen. Die Frage ist: Wie tief kann ein Volk sinken? Man glaubt, tiefer geht es nicht, aber es geht noch tiefer.
Von Hosea zu Hesekiel bis zu Maleachi – zweihundert Jahre später sagt Gott: „Ich habe euch geliebt!“ Und das Volk antwortet: „Wie? Beweise es uns doch!“
Die dramatische Liebe Gottes am Kreuz
Jede von allen Mächten der Welt ist die Liebe die machtvollste und zugleich die verletzlichste. Wenn Liebe ausgeschüttet wird und nicht erkannt wird, bleibt oft nur Schmerz übrig.
Ich habe mich oft gefragt, warum Gott gerade im Alten Testament so dramatische, fast schockierende Bilder verwendet. Man denkt sich: Gott, warum bist du nicht ein bisschen gemäßigter? So ist es doch ein bisschen brutal. Doch Gott zeigt auf die dramatischste Art und Weise, wie sehr er uns liebt und wie emotional involviert er in all das ist, was geschieht.
Das lernen wir aus diesen Geschichten. Gottes dramatischster Liebesbeweis ist ganz klar das Kreuz auf Golgatha, das wir in wenigen Tagen feiern. Für Ungläubige ist es die größte Dummheit, für Gläubige die größte Gotteskraft.
Im Römerbrief Kapitel 8 lesen wir: Wenn Gott für uns ist, wer kann gegen uns sein? Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben (Römer 8,31-32).
Wisst ihr, was das bedeutet? Es scheint, als ob Gott mich mehr liebt als seinen eigenen Sohn, weil er diesen nicht verschont hat, sondern ihn für uns hingegeben hat. Und wisst ihr, was wir oft fragen? Gott, liebst du mich überhaupt?
Die Geschichte vom alten Mann und dem Meer als Bild für Gottes Liebe
Eine Geschichte, die ich öfter vorlese – falls du sie schon kennst, verzeih mir –, lese ich oft vor, weil sie zeigt, wie schön das Geschehen am Kreuz ist. Sie heißt „Der alte Mann und das Meer“.
Nachdem im Sonntagabendgottesdienst Lieder gesungen worden waren, stand der Pfarrer auf, ging zur Kanzel und stellte kurz seinen Freund aus der Jugendzeit vor. Ein älterer Mann stand ebenfalls auf und ging zur Kanzel, um zu sprechen.
Er erzählte, dass der Vater, sein Sohn und der Freund seines Sohnes vor der pazifischen Küste segelten, als ein schnell aufkommender Sturm es ihnen unmöglich machte, zurück ans Land zu segeln. Die Wellen waren so hoch, dass selbst der Vater, ein erfahrener Segler, das Schiff nicht halten konnte. Alle drei wurden ins Meer geschleudert.
Der alte Mann zögerte einen Moment, bevor er weitersprach. Er schaute zu den zwei Teenagern hinüber, die zum ersten Mal seit Beginn des Gottesdienstes Interesse an seiner Geschichte zeigten. Er fuhr fort: Während der Vater das Rettungsseil vorbereitete, musste er die qualvollste Entscheidung seines Lebens treffen. Welchem der beiden Jungen sollte er das andere Ende des Seils zuwerfen? Er hatte nur wenige Sekunden Zeit, um sich zu entscheiden.
Der Vater wusste, dass sein Sohn Christ war, und er wusste auch, dass der Freund seines Sohnes Christus nicht kannte. Die Qual seiner Wahl war nicht zu vergleichen mit der zerstörerischen Kraft der Wellen. Und während der Vater seinem Sohn zurief: „Ich liebe dich, mein Sohn“, warf er das Seil dem Freund seines Sohnes zu.
Bis der Freund zum gekenterten Schiff zurückgezogen war, war sein Sohn in der tobenden Kraft des Meeres verschwunden. Sein Leichnam wurde nie gefunden.
Inzwischen saßen die Teenager gerade in den Kirchenbänken und warteten auf die nächsten Worte des alten Mannes. Der fuhr fort: Der Vater wusste, dass sein Sohn in die Ewigkeit mit Jesus treten würde. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass der Freund in einer Ewigkeit ohne Jesus gehen würde. Darum hatte er seinen Sohn geopfert.
Wie groß ist die Liebe Gottes, dass er dasselbe für uns getan hat!
Der alte Mann drehte sich um und nahm wieder Platz. Stille erfüllte den Raum.
Kurz nachdem der Gottesdienst zu Ende war, standen die zwei Teenager beim alten Mann und sagten: „Das war eine nette Geschichte“, fing einer der Jungs an, „aber ich denke nicht, dass es realistisch ist, dass ein Vater das Leben seines Sohnes aufgeben würde in der Hoffnung, dass der andere Junge zu Christus finden würde.“
„Nun, vielleicht hast du recht“, antwortete der alte Mann, während er auf seine zerfledderte Bibel starrte. Ein breites Lächeln war auf seinem Gesicht zu erkennen. Noch einmal schaute er die beiden Jungs an und sagte: „Es ist wirklich nicht sehr realistisch, nicht wahr? Aber heute stehe ich hier, um euch zu erzählen, dass mir diese Geschichte einen flüchtigen Eindruck davon gibt, was es für Gott gewesen sein muss, seinen Sohn für mich zu geben. Denn wisst ihr, ich war der Freund des Sohnes.“
Die Bedeutung von Ehrfurcht und Respekt vor Gott
Wisst ihr, was interessant ist? Wenn uns der Akt des Kreuzes zu wenig ist, dann habe ich eine schlechte Nachricht: Gott ist bankrott. Er hat nichts mehr zu geben. Er kann nicht mehr geben als seinen Sohn. Es ist mehr, als ob du dich selbst gibst.
Wisst ihr, was ich früher manchmal als Teenager dachte? Ich dachte mir: Ja, Gott hat halt seinen Sohn ans Kreuz genagelt. Wirklich beeindruckend wäre es, wenn er selbst gegangen wäre. So habe ich gedacht – bis ich einen Sohn hatte.
Wenn du mir heute die Frage stellst, ich müsste einen töten, mich oder meinen Sohn, beides würde mir schwerfallen. Aber die Wahl fällt mir nicht schwer: Es ist zehnmal leichter, mich selbst zu töten als meinen Sohn. Erst dann verstehen wir, was am Kreuz geschehen ist.
Und dieser Freund ehrte den Vater, denn er rettete ihm das Leben. Wisst ihr, was Gott sagt? Wo ist eure Ehre mir gegenüber? In Maleachi sagt er in Kapitel 1, Vers 6 – ich lese den Vers noch einmal, dann bin ich gleich fertig: Maleachi 1,6: „Ein Sohn ehrt den Vater, und ein Knecht seinen Herrn. Wenn ich nun der Vater bin, wo ist meine Ehre? Und wenn ich der Herr bin, wo ist meine Furcht?“
Wenn wir Gottes Liebe missachten, dann verlieren wir auch die Ehrfurcht und den Respekt vor Gott.
Interessant: Ich bin öfter mal in den USA, um auf Konferenzen zu sprechen. In den Südstaaten der USA nennen auch heute noch die Kinder ihren Vater „Sir“ und ihre Mutter „Ma'am“, wenn sie in der Öffentlichkeit sind. Zu Hause ist es „Daddy“ und „Mami“. „Sir“ und „Ma'am“ stehen für Respekt, „Daddy“ und „Mami“ für Intimität. Denn das, was man am tiefsten liebt, respektiert und verehrt man auch am höchsten.
Siehe, alle Tabus zu brechen und alle Distanzen zu entfernen bringt nicht Nähe, sondern Entfremdung. Manche Distanz ist gut, andere schadet uns. Aber es ist ein Unterschied zwischen alt und jung: Jung soll alt respektieren. Es ist auch ein Unterschied zwischen Lehrer und Schüler, zwischen Eltern und Kindern. Wenn wir diese Distanz entfernen, verlieren wir unsere Menschlichkeit.
Kinder sind nicht meine Freunde. Meine Kinder waren nie meine Freunde, das waren immer meine Kinder. Jetzt, langsam, werden sie auch Freunde, wenn sie erwachsen werden. Der Lehrer ist nicht der Kumpel, er ist der Lehrer. Und Gott ist nicht der Freund von nebenan, er ist der heilige Gott.
Ich wähle nie einen Politiker, der respektlos über andere redet. Ich nehme nie einen Mitarbeiter, der sich respektlos verhält. Und ich lehre meine Kinder, Respekt zu zeigen.
Und wisst ihr, was Gott hier sagt? Ihr nennt mich „Daddy“, aber wo bleibt das „Sir“? Seht ihr, wenn ich jemanden liebe und die geliebte Person verweigert sich, mich zu lieben, dann tut das weh, weil ich etwas verloren habe.
Und wenn Gott sagt, dass er uns liebt, und wir verweigern uns, ihn zu lieben, dann tut es Gott weh. Aber nicht nur, weil er etwas verloren hat. Wenn wir Gott nicht lieben, dann haben wir etwas verloren, nämlich die Kapazität, Gott als den zu erkennen, der er ist. Und das ist unser Verlust. Darum tut es doppelt weh.
Augustinus hat einmal gesagt: Gott wird nicht größer, wenn wir ihn ehren, aber wir werden größer, wenn wir ihm dienen. Gott wird nicht größer, indem du ihn ehrst. Aber du wirst größer, weil du lebst, wozu du geschaffen wurdest: nämlich Gott zu dienen und zu lieben.
Und darum ist die Botschaft von Hesekiel, Hosea und von Golgatha: Gott liebt uns und hat alles gegeben, um uns für sich zu gewinnen. Die Frage ist, ob wir es glauben. Denn wir können Gott nicht anbeten, wenn wir ihn nicht lieben. Das ist der Schlüssel.
Schlussgebet und Dank
Ich bete noch, lieber Vater. Ich danke dir für dein Wort und für die eindrücklichen Beispiele, die du uns in der Geschichte von Hosea und Ezechiel gegeben hast. Ebenso danke ich dir für die traurige Antwort des Volkes im Buch Maleachi.
Wir erkennen darin manchmal auch unseren eigenen Unwillen, dich zu lieben und zu erkennen, was du für uns getan hast. Manchmal, Herr, wird uns sogar das Kreuz so selbstverständlich, dass wir kaum noch Achtung davor haben.
Wir fragen dann, wie damals die Menschen zur Zeit Maleachis: „Wie hast du uns geliebt? Zeige es uns doch, beweise es mir.“ Dabei bist du, Herr, so weit gegangen, dass du bankrott bist und nichts mehr hast, was du aus Liebe geben könntest.
So bete ich, Herr, dass uns bewusst wird, mit welcher Liebe du uns geliebt hast. Dass wir lernen, richtig darauf zu antworten, uns von dieser Liebe ergreifen und bestimmen lassen. Und dass wir uns immer wieder daran erinnern, weil wir es sonst vergessen.
Danke für das Osterfest, das vor der Tür steht. Danke, dass wir durch dieses Fest wieder daran erinnert werden, was du für uns getan und gegeben hast in deinem Sohn. Dafür danke ich dir aus ganzem Herzen. Amen.
Dank und Gebet für den Dienst von Hans Peter Royer
Ja, wir wollen hier ganz herzlich danken, auch gerade für diesen Nachmittag. Zum einen für die Anbetung und den Ort der Anbetung. Besonders die Betonung, dass der Heilige Geist mit unserer Leiblichkeit, die seinen Tempel ist, verbunden ist. Dass es keine Trennung gibt zwischen heiligem und unheiligem Alltag und Gottesdienst – dafür ganz herzlichen Dank.
Dann natürlich auch für die Herzenshaltung, die mit Hosea, Hesekiel, Maleachi und Golgatha beschrieben wurde. Auch dafür sagen wir ganz herzlichen Dank.
Wir wollen uns auch ganz herzlich bedanken für dieses intensive Wochenende, das du dir vorgenommen hast, um auf die Landsteinbarer Höhe zu kommen. Du hast mir diktiert, ich dir vorgeschlagen, dass du dieses Paket auf dich nimmst. Das trauen wir nicht jedem zu. Ganz, ganz herzlichen Dank, dass das so möglich war.
Zum einen in den Basislagertagen am gesamten Samstag und jetzt hier bei uns im Osterbibelkurs: Freitagabend, Samstagabend, heute Nachmittag und heute Morgen der Gottesdienst. Dafür haben wir ganz, ganz herzlichen Dank. Das war ein echtes Geschenk für uns. Wir wissen es sehr zu schätzen, dass du dir neben all den anderen Diensten und Terminen in der ganzen evangelikalen Szene auch noch ein bisschen Zeit genommen hast. Wilhelm, herzlichen Dank.
Und die, die hier mit mir sind, danken wir sowieso von ganzem Herzen. Wir haben gesagt, dass wir den Mann jetzt ziehen lassen, damit er noch gute Chancen hat, heute nach Hause zu kommen. Es gibt eine realistische Restchance, und das wollen wir ihm von Herzen gönnen.
Aber ich denke, es ist uns wichtig, dass wir, bevor wir noch miteinander ein Lied singen – das Aufruh, das wir am Nachmittag gehört haben, das unser Herz und unseren Kopf berührt hat –, für dich beten.
Lieber Vater, wir haben ein gutes, intensives Wochenende erlebt. Sei es bei den Basislagertagen, sei es jetzt hier im Osterbibelkurs. Dieses Wort von dir, lieber Gott, mit ganzem Herzen, Verstand, Willen und Gemüt ist uns wieder oder erstmals neu wichtig geworden.
Wir danken dir für den Dienst von Hans Peter Reuer auch an diesem Wochenende unter uns. Das war für uns ein Geschenk. Du hast uns dadurch Gutes für unser geistliches Leben gegeben, und wir ehren dich dafür.
Wir dürfen aber auch eins werden vor dir und für ihn beten. Wir bitten dich, dass du ihn bewahrst – Leib, Seele und Geist. Beschütze ihn heute auf dem Weg nach Hause. Schicke irgendeinen Engel, der ihn behütet und sicher in das Seine bringt.
Wir bitten dich auch, dass du ihm die Kräfte gibst, die notwendig sind für die Vorträge, Bibelarbeiten und Gottesdienste – für all das, was zu tun ist, sei es im Tauernhof, in den kommenden Tagen oder gerade an Ostern bei den besonderen Ostertagungen in Munzenhausen.
Lege deinen Segen auf sein Leben, damit weiterhin auch seine Gemeinde von seinem Dienst profitiert. Ganz bewusst schließen wir auch seine Familie und seine Frau in unser Gebet für ihn mit ein.
Hab herzlichen Dank für den Segen, den du gegeben hast. Wir ehren dich, unser Gott. Amen. Amen.
