Wenn man sich mit den spektakulärsten Gerichtsprozessen der Geschichte beschäftigt, kommt man an den Nürnberger Prozessen nicht vorbei.
Im November 1945 standen die Überlebenden der Hauptkriegsverbrecher des Naziregimes vor dem Internationalen Militärgericht der Siegermächte. Die Kriegsverbrechen der Deutschen wurden in diesem Gericht in Nürnberg, einem der größten Gerichtssäle Deutschlands, aufgearbeitet. Die Anklage gegen die Nazis wurde erhoben, und die Angeklagten wurden in den meisten Fällen schuldig gesprochen und bestraft.
Bis heute gelten die Nürnberger Prozesse als Meilenstein der Justizgeschichte. Erstmals wurden Kriegsverbrechen vor einem internationalen Gericht juristisch aufgearbeitet. Dementsprechend besitzen die Nürnberger Prozesse eine besondere Tragweite.
In unserem Bibeltext heute Morgen machen wir weiter im Römerbrief. Es geht auch hier um einen Gerichtsprozess. Ich möchte behaupten, dass dieser Gerichtsprozess, mit dem wir uns heute befassen, von noch größerer Tragweite ist. Denn nicht nur eine bestimmte Personengruppe sitzt auf der Anklagebank, sondern die gesamte Menschheit.
In Römer 3 sitzt die Menschheit auf der Anklagebank. Die Anklage wird erhoben, und das Urteil lautet: schuldig im Sinne der Anklage. Der Predigttext stammt aus Römer Kapitel 3, Verse 1 bis 20. Bevor Paulus hier die Anklage auf den Punkt bringt, müssen zunächst noch einige Klarstellungen erfolgen. Diese sollen den Boden ebnen für die Anklage und für das Urteil.
Zunächst stellt Paulus im ersten Teil der Predigt klar: Gott ist treu und gerecht. In den ersten acht Versen, die nahtlos an Kapitel 2 anschließen, macht Paulus einige Dinge deutlich, die aus Kapitel 2 missverstanden werden könnten. In Kapitel 2 hat Paulus über die Sünde der Juden gesprochen. Er zeigt auf, dass die bloße Zugehörigkeit zum Volk Gottes, also allein die Zugehörigkeit zum Volk Gottes oder auch die Beschneidung, die Juden nicht vor dem Zorn Gottes bewahren.
Der entscheidende Punkt ist, dass es Gott nicht um bloße äußerliche Rituale geht. Gott geht es nicht einfach um Religion, sondern um eine innere Herzensveränderung. Das ist der Kern der Aussage. Deshalb bewahrt eine bloße Einhaltung religiöser Rituale niemals vor dem Zorn Gottes. Diesen Punkt macht Paulus hier klar.
Damit möchte er den Weg zum Evangelium bahnen. Auch religiöse Menschen brauchen dringend einen Retter.
Und dennoch könnten jetzt einige Einwände kommen. Diese Einwände antizipiert Paulus und geht auf sie ein. Schaut man in Vers 1, heißt es: Was ist nun der Vorzug des Juden oder was ist der Nutzen der Beschneidung?
Das ist schon fast eine logische Rückfrage. Denn wenn Paulus in den Versen davor, in Kapitel 2, gesagt hat, dass es gar nichts nützt, einfach nur zum Volk Gottes zu gehören, und dass allein die Beschneidung dich nicht vor dem Zorn Gottes rettet, dann ist die Frage: Hat es denn überhaupt keinen Vorteil, Jude zu sein? Hat die Beschneidung überhaupt keinen Vorteil?
Bei dieser Frage steht sehr viel auf dem Spiel, das ist uns vielleicht nicht im ersten Moment bewusst. Aber wenn Paulus hier behaupten würde, der Jude habe gar keinen Vorteil, dann würde er deutlich machen, dass entweder das Alte Testament komplett hinfällig geworden ist oder Gott sein Wort nicht gehalten hat. Das steht hier auf dem Spiel bei dieser Rückfrage.
Deshalb beantwortet Paulus die Frage: Was ist nun der Vorzug des Juden oder was ist der Nutzen der Beschneidung? In Vers 2 sagt er: Viel in jeder Hinsicht, denn zuerst sind ihnen die Aussprüche Gottes anvertraut worden.
Paulus sagt also: Versteht mich nicht falsch, es hat schon Vorteile. Die Juden haben einen Vorteil, Israel hat einen heilsgeschichtlichen Vorteil. Dieses Thema wird Paulus in Römer 9 bis 11 ganz ausführlich behandeln. Hier macht er es nur kurz und beschränkt sich auf die Verheißungen, die Israel bekommen hat.
Schaut mal: Gott hat doch einen Bund mit Abraham geschlossen, Gott hat einen Bund mit dem Volk Israel am Sinai geschlossen. Israel hat zuerst das Wort Gottes bekommen, und deswegen hat es durchaus einen heilsgeschichtlichen Vorteil.
Das ist nicht ganz dasselbe, aber vielleicht kann man es ein wenig damit vergleichen, dass es durchaus einen Nutzen hat, in einem christlichen Elternhaus aufzuwachsen oder in der Gemeinde groß zu werden. Das alleine bewahrt dich nicht vor dem Zorn Gottes, das alleine rettet dich nicht. Nur weil deine Eltern Christen sind, bist du noch nicht gerettet. Nur weil du in der Gemeinde aufwächst, bist du noch nicht automatisch gerettet.
Aber es hat definitiv einen Vorteil, von Kind auf die Bibel mit der Muttermilch mitzubekommen. Natürlich hat es einen Vorteil. So sagt Paulus also: Natürlich hat es einen Vorteil, zum Volk Israel zu gehören. Israel hat einen heilsgeschichtlichen Vorteil. Sie haben zuerst die Verheißung bekommen, sie haben das Wort Gottes bekommen, und deswegen hat Israel einen Vorsprung.
Jetzt kann die weitere Rückfrage kommen: Okay, aber was ist denn mit der Untreue Israels? In den Versen 3 und 4 wirft Paulus diese Fragen auf und beantwortet sie:
Was denn, wenn einige untreu waren? Wird etwa ihre Untreue die Treue Gottes aufheben? Das sei ferne! Vielmehr sei es so: Gott ist wahrhaftig, jeder Mensch aber ein Lügner, wie geschrieben steht, damit du gerechtfertigt werdest in deinen Worten und den Sieg davonträgst, wenn man mit dir rechtet.
Die Frage, die hier auf dem Spiel steht, lautet: Steht Gott definitiv zu seinen Verheißungen, auch wenn einige aus dem Volk Israel untreu geworden sind? Das Volk hat doch den Bund gebrochen. Steht Gott trotzdem zu seinen Verheißungen? Wird der Bundesbruch Israels Gottes Bundestreue aufheben oder hinfällig machen?
Paulus weist diese Frage in Vers 4 entschieden zurück. Israels Untreue hebt nie Gottes Treue auf.
Und, ihr Lieben, das sehen wir in der Geschichte Israels, das sehen wir im Alten Testament. Für diejenigen von uns, die schon einmal das Alte Testament gelesen haben, vor allem die Propheten, da wird ganz häufig die Untreue des Volkes angeprangert: Ihr seid untreu, deswegen müsst ihr in die Gefangenschaft gehen, deswegen geht es für euch nach Babylon, weil ihr den Bund gebrochen habt.
Aber dann sagt Gott: Ich werde euch trotzdem wieder sammeln, irgendwann hole ich euch zurück in das Land, weil ich treu bin, weil ich zu meinem Wort stehe. Ich habe es Abraham gesagt und ich ziehe es durch. Ich stehe zu meinem Wort.
Dann sagt Gott in Amos 9 beispielsweise: Ihr seid so ein sündiges Volk, ihr werdet sterben, aber ich werde mir einen Rest übrig behalten. Und mit dem Rest erfülle ich meine Verheißung. Auch wenn ihr untreu seid, ich bin treu, ich stehe zu meinem Wort.
Ihr Lieben, Gott ist ganz anders als wir. Wie oft brechen wir unser Wort? Wie oft stehen wir nicht zu dem, was wir gesagt haben? Gott steht immer zu seinem Wort.
Deshalb beantwortet Paulus die Frage ganz klar: Gott wird zu seinem Wort stehen. Er wird zu seinem Wort stehen.
Aber daraus entsteht, wenn man die Untreue des Volkes und die Treue Gottes betrachtet, ein großer Kontrast zwischen Gott und Mensch. Und das sagt Paulus hier: Gott ist wahrhaftig, der Mensch ist ein Lügner, der Mensch ist untreu.
Am Ende zitiert Paulus Psalm 51, den Bußpsalm, den David betet, als er mit Bathseba Ehebruch begangen hat. Er sagt: Dir, Gott, ist dein Urteil über mich absolut zutreffend. Du behältst immer Recht.
Weißt du, was wir daraus lernen können? Wenn du mit Gott einen Rechtsstreit wegen deiner Verurteilung führen möchtest, kann ich dir eines sagen: Gott gewinnt immer. Es gibt Menschen, die sagen, wenn sie irgendwann vor Gott stehen, werden sie ihm mal so richtig ihre Meinung sagen. Doch du wirst ihm gar nichts sagen können. Es wird ganz klar sein: Er ist im Recht. Er ist im Recht mit seinem Urteil. Gott ist treu und gerecht.
Dann heißt es weiter: Wenn Gottes Urteil immer zutreffend ist und Gott treu bleibt, auch wenn der Mensch untreu ist, dann ergeben sich weitere Fragen. In Vers 5 heißt es: „Wenn aber unsere Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit erweist, was wollen wir sagen? Ist Gott etwa ungerecht, wenn er Zorn auferlegt? Ich rede nach Menschenweise, das sei ferne, wie könnte sonst Gott die Welt richten?“
Es gibt einige Leute, die sagen: „Okay, Fakt ist, Gott ist treu, auch wenn der Mensch untreu ist. Dadurch wird die Treue Gottes umso sichtbarer, wenn man die Untreue des Menschen danebenstellt.“ Ich habe euch mal ein Bild mitgebracht: einen Diamanten auf schwarzem Hintergrund. Ich möchte Gottes Gerechtigkeit mit diesem Diamanten vergleichen. Ein Diamant ist immer schön und funkelt immer. Aber wenn der Hintergrund schwarz ist, wird die Schönheit noch deutlicher. Deshalb liegen beim Juwelier Diamanten immer auf einem Stoff, der einen großen Kontrast bildet, damit der Diamant noch mehr funkelt.
Gottes Gerechtigkeit und Gottes Wahrhaftigkeit sind immer bewundernswerte Eigenschaften. Doch wenn man die Untreue des Menschen danebenstellt, wird diese Größe noch deutlicher. Dann wird Gottes Gerechtigkeit noch schöner, weil Gott ganz anders ist als der Mensch.
Aber deshalb darf man nicht den Gegenschluss ziehen: „Okay, wenn Gottes Gerechtigkeit durch unsere Sündhaftigkeit stärker betont wird, dann kann Gott ja nicht böse sein, wenn er dadurch besser dasteht.“ Verstehst du die Argumentation, die Rückfrage? Paulus sagt, das ist völlig absurd. Er spricht nach Menschenweise. Allein dieser Gedanke ist pervers. Das sei ferne. Wie könnte sonst Gott die Welt richten?
Wenn Gott nicht zornig auf den Menschen wäre, nur weil durch die Untreue des Menschen seine Gerechtigkeit größer wird, könnte Gott überhaupt nicht mehr richten. Wenn er nach diesem Prinzip handeln würde, entspräche das überhaupt nicht der gesamtbiblischen Botschaft. Diese sagt, dass Gott gerecht ist und den Sünder zur Rechenschaft zieht.
Die letzten Einwände gehen in eine ähnliche Richtung. In Vers 7 und 8 heißt es: „Wenn aber die Wahrheit Gottes durch meine Lüge überreich geworden ist zu seiner Herrlichkeit, warum werde ich noch als Sünder gerichtet? Und sollen wir es etwa so machen, wie wir verlästert werden, und wie einige sagen, dass wir sprechen: Lasst uns Böses tun, damit das Gute komme?“ Deren Gericht ist gerecht.
Offensichtlich gibt es hier Menschen, die Paulus genau das vorwerfen: „Paulus, wenn du predigst, dass die Verdorbenheit des Menschen die Wahrhaftigkeit Gottes umso klarer macht, dann motivierst du Menschen doch nur, mutwillig zu sündigen, damit Gottes Gerechtigkeit herrlicher wird.“
Paulus stellt hier in diesen Versen klar: Menschen, die die Treue und Wahrhaftigkeit Gottes ausnutzen und missbrauchen, um ihren sündigen Lebensstil zu rechtfertigen, werden zu Recht von Gott gerichtet. Gottes Treue und Wahrhaftigkeit, die gerade dann besonders aufleuchten, wenn man den Menschen in seiner Sündhaftigkeit danebenstellt, dürfen niemals ausgenutzt werden.
Das war jetzt ein bisschen theologisch, aber ich möchte dir folgende Frage stellen: Hast du in deinem Leben schon mal gedacht, „Ach komm, es ist nicht so schlimm, diese eine Sünde. Gott ist treu und gerecht, und er wird mir sowieso vergeben“? Ich habe mich schon mal dabei ertappt. Hast du dich auch schon mal so dabei ertappt?
Paulus macht hier deutlich: Menschen, die das dauerhaft durchziehen und sagen: „Gut, Gott ist treu und gerecht. Er ist so nach dem Motto – der liebe Opa im Himmel, der immer ein Auge zudrückt“, und Menschen, die das missbrauchen, denen macht die Bibel ganz klar: Sie werden von Gott gerichtet werden. Gott lässt sich nicht zum Hampelmann machen. Gott drückt nicht immer ein Auge zu.
Natürlich wird seine Wahrhaftigkeit dadurch immer betont, der Kontrast wird immer deutlicher. Aber das rechtfertigt niemals die Sünde des Menschen.
Mit diesen Klarstellungen geht Paulus nun zur Anklage über, und diese wollen wir in dieser Predigt etwas ausführlicher betrachten. Die Anklage lautet: Alle Menschen sind schuldig vor Gott.
Ich lese Vers 9: "Was nun? Haben wir einen Vorzug? Durchaus nicht. Denn wir haben sowohl Juden als auch Griechen vorher beschuldigt, dass alle unter der Sünde seien." Ihr Lieben, ich möchte die Tragweite dieses Verses einmal vor Augen führen.
Römer 3,9 ist ein Fazit, und ich möchte euch den Gesamtzusammenhang aufzeigen, damit wir das Evangelium besser verstehen. Paulus sagt in Kapitel 1, Vers 16 und 17, wie schön das Evangelium ist. Es ist eine kraftvolle Botschaft zur Rettung. Dann beginnt er ab Vers 18 mit der Argumentation der schlechten Nachricht: Warum brauchen wir das Evangelium? Warum müssen wir gerettet werden? Weil wir ein großes Problem haben.
In Kapitel 1, Vers 18, zeigt Paulus die Sündhaftigkeit der Heiden bis zum Ende von Kapitel 1 auf. Er macht deutlich: Gott hat sich offenbart, aber der Mensch hat gesagt: "Gott, ich pfeife auf dich." Gott hat sich in der Schöpfung offenbart, doch der Mensch hat die Wahrheit Gottes niedergehalten. Er hat der Lüge geglaubt und nicht der Wahrheit.
Paulus zeigt, ihr könnt euch vielleicht noch an die Predigten in Kapitel 1 erinnern, dass das zu einem moralischen Niedergang führt. Die Heiden, die gottlosen Menschen, lieben die Sünde, und es wird immer schlimmer.
In Kapitel 2 spricht Paulus ab Vers 1 über die Sündhaftigkeit der Juden. Die Juden richten die Heiden wegen ihrer Sünde, aber Paulus sagt: Ihr macht doch dasselbe! Somit zeigt Paulus in Kapitel 2 auf, dass auch die Juden ein Problem haben. Die Religiösen haben ein Problem mit der Sünde.
Kapitel 1: Die gottlosen Heiden stehen unter der Sünde. Kapitel 2: Die religiösen Juden haben ein Problem mit der Sünde. Und jetzt kommt in Römer 3 das Fazit. Hier schließt sich der Kreis. Wir haben vorher alle beschuldigt, unter der Sünde zu stehen. Das ist das Fazit: Jeder Mensch ist ein Sünder.
Paulus wählt hier eine juristische Sprache; wir befinden uns im Gerichtssaal. Das Urteil lautet: schuldig im Sinne der Anklage. Jeder Mensch ist vor Gott schuldig.
Soll ich dir mal was sagen? Eigentlich wissen wir es doch, oder? Eigentlich wissen wir, dass wir schuldig sind vor Gott. In Römer 2 sagt Paulus: Jeder Mensch hat ein inneres Wissen von richtig und falsch. Jeder Mensch hat ein Gewissen, und dieses Gewissen klagt uns an, wenn wir etwas Falsches tun.
Wir wissen also eigentlich, dass wir schuldig sind vor Gott, aber wir neigen immer wieder dazu, unser Problem zu leugnen oder zumindest kleinzureden.
Da kommt ein Mann nach Hause gelaufen, völlig außer Atem. Seine Frau schaut ihn an und fragt: "Schatz, ist alles okay?" Und er sagt: "Nein, wir haben ein Problem." Die Frau fragt: "Okay, was ist das Problem?" Er antwortet: "Unser Auto, Schatz, unser Auto." Sie fragt weiter: "Ja, was ist denn mit unserem Auto?" Er sagt: "Da ist Wasser im Vergaser, Schatz, das Auto fährt nicht mehr."
In dem Moment wird die Frau skeptisch, weil ihr Mann sich überhaupt nicht mit Autos auskennt. Sie sagt: "Okay, Schatz, ich glaube dir, dass das Auto nicht mehr fährt, wenn es nicht anspringt, aber woher weißt du, dass Wasser im Vergaser ist? Wir beide wissen doch, dass du dich nicht gut mit Autos auskennst."
Der Mann lässt den Kopf hängen und sagt: "Das Auto ist in den See gerollt, da muss jetzt Wasser im Vergaser sein."
Das Problem des Mannes war eigentlich viel größer. Es war nicht nur Wasser im Vergaser – er hatte ein ganz anderes Problem.
Und genau so denken wir häufig über unsere Sünde. Ja, da ist irgendwo vielleicht ein bisschen Wasser im Vergaser. Paulus sagt jedoch: Das Auto ist im See. Ihr seid durchweg sündig, ihr seid völlig verdorben!
Ihr Lieben, ich möchte das auch mal persönlich auf unsere Ebene herunterbrechen. Die Bibel stellt uns kein gutes Zeugnis aus. Der Mensch ist nicht von Geburt an einfach gut.
Ich möchte euch heute einladen, in die Denkweise hineinzukommen, dass ihr vielleicht ein viel größeres Problem habt, als ihr manchmal denkt. Dass ihr ein viel größeres Problem habt, als ihr manchmal wahrhaben wollt.
Hört auf mit euren Ausreden und Ausflüchten. Paulus sagt: Jeder Mensch ist vor Gott schuldig geworden. Jeder Mensch ist unter der Sünde.
Eigentlich hätte Paulus hier aufhören können. Aber er betont den Punkt noch weiter, um die tiefen Abgründe des menschlichen Herzens so richtig aufzuzeigen.
Ihr Lieben, wir müssen das sehen, bevor wir zur guten Botschaft kommen können. Wir müssen das sehen.
Und ich lade euch ein, euch jetzt voll darauf einzulassen: Was ist alles im Herzen des Menschen drin?
Paulus untermauert nun die Aussage, dass der Mensch schuldig ist, mit zahlreichen Schriftzitaten. Er verwendet fünf Zitate aus den Psalmen und ein Zitat aus dem Propheten Jesaja.
Wenn man diese Zitate im Kontext der einzelnen Psalmen betrachtet, stellt man fest, dass es dort häufig um Davids Feinde oder um die Gottlosen geht. Paulus nimmt diese Verse, die in den Psalmen nur auf bestimmte Personengruppen bezogen sind, und wendet sie auf die gesamte Menschheit an. Er sagt, dass wir alle dieses Problem haben.
Es geht um fünf Anklagen, liebe Zuhörer, fünf Anklagen an diesem Morgen.
Die erste Anklage lautet: Jeder Mensch ist schuldig vor Gott, weil er abgewichen ist, nicht nach Gott fragt und nicht das Gute tut.
Ich lese die Verse 10 bis 12 aus Römer 3, wie geschrieben steht. Paulus zitiert das Alte Testament: „Da ist keiner, da ist kein Gerechter, auch nicht einer, da ist keiner, der verständig ist, da ist keiner, der nach Gott fragt. Alle sind abgewichen, sie sind allesamt untauglich geworden, da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer.“
Das sagt nicht einfach nur Paulus. Jedes Wort, das Paulus sagt, ist Gottes Wort. Aber Paulus zitiert hier auch noch einmal seine Bibel, die er zu der Zeit hatte. Er hatte nur das Alte Testament. Damit macht er deutlich: Gott sagt, kein Mensch ist von sich aus gerecht.
Und, ihr Lieben, das trifft auch auf dich zu. Das trifft auf uns alle zu. Kein Mensch wird irgendwann vor Gott stehen können, sich selbst auf die Schulter klopfen und sagen: „Ich bin gerecht, Gott, ich habe es geschafft, ich habe deinen Maßstab erfüllt.“ Da ist keiner. Auch nicht einer. Als wollte Paulus das besonders betonen.
Ich muss da ein bisschen an Gottes Verhandlungen mit Abraham denken. Im Alten Testament gibt es eine Geschichte, in der Gott eine sündige Stadt, Sodom, zerstören will. Abraham verhandelt mit Gott: „Was ist, wenn es fünfzig Gerechte gibt?“ Gott antwortet: „Dann würde ich sie nicht zerstören.“ Abraham fragt weiter: „Was ist, wenn es fünfundvierzig sind?“ „Dann würde ich sie nicht zerstören.“ „Was ist, wenn es dreißig sind?“ „Dann würde ich sie nicht zerstören.“
Das Ergebnis ist jedoch, dass es keinen gibt, der gerecht ist. Und dieses Urteil, das die Bibel über Sodom fällt, trifft uns alle: Da ist keiner, der vor Gott gerecht ist.
Weiter heißt es: Keiner ist verständig. Der aufgeklärte Mensch denkt, er hat alles begriffen, er ist verständig, er kann die Dinge analysieren. Die Bibel sagt in Römer 1: „Weil sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden.“ Es ist dumm, Gott aus seinem Leben auszuklammern, sagt die Bibel. Das zeugt nicht von Weisheit.
Da ist keiner, der verständig ist. Auch die Juden nicht, weil sie ihr Fehlverhalten nicht in Römer 2 erkennen. Da ist keiner, der verständig ist.
Weiter sagt Paulus: Da ist keiner, der Gott sucht.
Jetzt könntest du vielleicht denken: „Das ist ein bisschen pauschal. Ich kenne da einen Moslem, einen Arbeitskollegen, der wirklich aufrichtig Moslem ist. Der fragt doch nach Gott.“
Wisst ihr, Paulus sagt hier nicht, dass es keinen Menschen gibt, der sich für Religion interessiert. Paulus sagt auch nicht, dass es keinen Menschen gibt, der sich für Spiritualität interessiert. Paulus sagt auch nicht, dass es keinen Menschen gibt, der Verbindungen mit etwas Übernatürlichem haben will.
Das sagt Paulus nicht. Hier geht es um den Gott der Bibel, der sich in seinem Sohn Jesus Christus geoffenbart hat. Paulus sagt: Keiner sucht diesen Gott von sich aus.
Wie ist das zu verstehen? Ich denke, das Alte Testament gibt uns hier die Antwort. Immer wenn im Alten Testament davon die Rede ist, Gott zu suchen, dann bedeutet das, mit ungeteiltem Herzen ganz für Gott zu leben. Und zwar nicht, weil man sich etwas von Gott erhofft, sondern einfach, man sucht Gott um Gottes Willen.
Es gibt viele Menschen, die etwas von Gott suchen, oder? Auch in der Corona-Zeit suchen wir als Deutsche plötzlich wieder mehr Hilfe fürs Leben und fangen vielleicht an zu beten, weil wir etwas von Gott erhoffen: Sicherheit in unsicheren Zeiten. Wir suchen etwas von Gott, den Segen auf der Arbeit.
Aber kein Mensch sucht von sich aus Gott selbst um Gottes Willen. Und wenn die Bibel das so sagt, dann ist das so. Dann ist das das Urteil über den Menschen: Kein Mensch fragt von sich aus nach Gott.
Und wenn es doch einen Menschen gibt – hört gut zu – wenn es einen Menschen gibt, der ungeteilt für Gott leben möchte, dann will er das nur, weil Gottes Geist das Wollen in ihm bewirkt hat. Kein Mensch tut es von sich aus, keiner. Das ist die Botschaft der Bibel.
Alle sind abgewichen, sagt Paulus. Jeder Mensch ignoriert Gott und Gottes Maßstab von Natur aus. Jeder ist unbrauchbar, seine Worte und Taten taugen nichts. Er ist abgewichen. Das heißt aktiv: Der Mensch hat sich aktiv für einen anderen Weg entschieden.
Weißt du was? Das trifft auch auf dich zu. Das trifft auch auf dich zu.
Deswegen rufen wir hier immer wieder zur Bekehrung auf. Bekehrung bedeutet Umkehr. Das setzt aber voraus, dass du auf dem falschen Weg bist. Bis du nicht umgekehrt bist, bis du dich bekehrt hast, bist du auf dem falschen Weg.
Denn alle Menschen sind abgewichen, sie haben sich aktiv für einen anderen Weg entschieden. Kein Mensch ist von sich aus auf dem richtigen Weg. Das ist die Anklage Nummer eins.
Wir kommen zur Anklage Nummer zwei: Der Mensch schadet und zerstört andere Menschen mit seinen Worten.
In den Versen 13 und 14 zitiert Paulus hier drei Psalmen: "Ihr Schlund ist ein offenes Grab, mit ihren Zungen handeln sie trügerisch, Otterngift ist unter ihren Lippen, ihr Mund ist voll Fluchens und Bitterkeit."
Wisst ihr, was Paulus hier deutlich macht? Das trifft auch auf uns zu. Am Reden eines Menschen erkennst du, dass die Sünde ihn voll im Griff hat. Am Reden eines Menschen kannst du erkennen, wie verdorben das menschliche Herz ist.
Das Reden des Menschen wird hier nicht unbedingt sehr positiv dargestellt. Menschen sind in ihrem Reden oft erbarmungslos, oder? Vielleicht hast du das auch schon erlebt.
Paulus sagt: "Menschenworte haben etwas mit Schlangengift gemeinsam." Sie zerstören anderes Leben. Worte können so zerstörerisch sein.
Das Reden des Menschen ist voll Fluchens, und es offenbart die Bitterkeit in seinem Herzen. Sicherlich hast du schon einmal erlebt, dass Menschen dir mit ihren Worten wehgetan haben, oder? Vielleicht wurdest du auf der Arbeit gemobbt, vielleicht in der Schule. Worte können so sehr wehtun.
Aber denk jetzt nicht nur an die Menschen, die dir mit ihren Worten etwas angetan haben. Denk doch jetzt auch mal daran, was du mit deinen Worten anderen schon angetan hast.
Wir sind verdorben in unserem Herzen, und deswegen – wovon das Herz voll ist, geht der Mund über. Deshalb werden wir früher oder später, ohne Christus, ohne ein Leben mit Christus, immer wieder andere Menschen auch mit unseren Worten verletzen.
Wir sind verdorbene Sünder. Wisst ihr was? Merkt euch diesen Satz: Wir sind nicht Sünder, weil wir sündigen, sondern wir sündigen, weil wir Sünder sind.
Wir sind nicht Sünder, weil wir sündigen, sondern wir sündigen, weil wir Sünder sind. Es ist unser Wesen ohne Christus. Wir sind durch und durch verdorben, sagt Paulus: Der Mensch ist böse.
Aber es bleibt nicht nur bei Worten – die dritte Anklage betrifft auch Taten. Ich weiß, ich zumute euch heute Morgen eine harte Botschaft, aber wir müssen da durch.
In der dritten Anklage heißt es: Der Mensch schadet und zerstört andere Menschen mit seinen Taten, um seinen eigenen Vorteil zu suchen. Ich lese die Verse 15 bis 17, ein Zitat aus Jesaja: „Ihre Füße sind schnell, Blut zu vergießen, Verwüstung und Elend ist auf ihren Wegen, und den Weg des Friedens haben sie nicht erkannt.“
Gerade ging es um Wortsünden, jetzt geht es um Tatsünden. Es geht darum, dass der Mensch gewaltbereit ist, um seinen eigenen Vorteil zu suchen. Hauptsache, mir geht es gut. Deshalb bin ich bereit, den Nachteil und den Schaden des Anderen bewusst in Kauf zu nehmen oder sogar aktiv herbeizuführen.
Ich musste schmunzeln, als ich vor einiger Zeit auf einen Artikel gestoßen bin. Das war im ersten Lockdown, im März. Ich glaube, der Artikel kam aus der psychologischen Ecke. Darin wurde die Behauptung aufgestellt, Corona offenbare das Gute im Menschen. Man denkt dabei sofort an die Hamsterkäufe: Hauptsache, mir geht es gut.
Ist das wirklich so, dass Corona das Gute im Menschen in der Gesellschaft offenbart hat? Ich musste an die Worte des Jugendamtes denken. Das Jugendamt sagte uns, gerade im Lockdown und in der Quarantäne nehme die häusliche Gewalt zu. Deshalb würden mehr Kinder aus den Familien wegen Gewalt herausgenommen.
Corona offenbart nicht das Gute im Menschen. Der Mensch hat keinen guten Kern.
Vor einiger Zeit habe ich mich mit einem Polizisten aus unserer Gemeinde unterhalten. Er sagte: „Andre, mit welchen Menschen ich in meinem Beruf zu tun habe – das ist der Wahnsinn, wie böse der Mensch ist.“ Genau das sagt der Vers: „Verwüstung und Elend ist auf ihren Wegen.“
Wenn wir an uns denken, stellen wir fest: Ja, vielleicht haben wir unsere Fäuste im Griff. Aber was geht manchmal in unserem Herzen vor? Wie viel Wut steckt in unserem Herzen?
Stellt euch ein kleines Kind in der sogenannten Trotzphase vor. Eltern unter uns wissen, dass das eine harte Zeit ist. Ein Kind im Trotzalter – stellt euch vor, es hätte die Kraft eines erwachsenen Mannes – es würde die Eltern umbringen.
Der Mensch hat keinen guten Kern. Das zeigt sich im Leben, an ganz vielen Stellen.
Wir kommen zur vierten Anklage, die ebenfalls zutreffend ist: Der Mensch ist nicht fähig, den Frieden in seinen Beziehungen herzustellen beziehungsweise zu erhalten.
In Vers 17 heißt es: „Und den Weg des Friedens haben sie nicht erkannt.“ Ich glaube, Paulus denkt hier nicht nur an politischen Frieden. Er meint auch den Frieden in familiären und persönlichen Beziehungen. Dem Menschen wird hier das Zeugnis ausgestellt, dass er den Weg des Friedens nicht erkannt hat.
Ihr Lieben, für viele Menschen ist Weihnachten eine sehr emotionale Zeit. Ich kann mir vorstellen, dass das auch auf einige hier im Raum zutrifft beziehungsweise auch bei denen, die den Livestream verfolgen. Gerade in der Weihnachtszeit sehnt man sich sehr nach harmonischen Beziehungen.
Dann sieht man heile Familien in der Gemeinde, und das macht einen fertig, weil man sich genau das so sehr wünscht. Gerade in der Weihnachtszeit, dem Fest der Harmonie, wird deutlich, wie viele Beziehungen in unserem Leben kaputt sind.
Warum zerbrechen so viele Ehen auch in unserem Land? Warum gibt es so viel Leid in Beziehungen? Warum sind so viele Beziehungen in deinem Leben beschädigt, mit vielen Verletzungen und Bitterkeit? Das ist doch nicht einfach ein äußeres Problem.
Das Problem sitzt tief in unserem Herzen. Hier kommt genau der Vers, die Anklage: „Den Weg des Friedens haben sie nicht erkannt.“ Das ist ein niederschmetterndes Urteil.
Und wir kommen jetzt zur letzten Anklage: Der Mensch hat keine Gottesfurcht.
Ich denke, das ist das Fazit, das es noch einmal richtig auf den Punkt bringt. In Römer 3,18 heißt es: „Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen.“ Der Mensch hat keine Gottesfurcht.
Jetzt stellst du dir vielleicht die Frage: Gottesfurcht – diesen Begriff habe ich schon häufiger gehört. Aber was genau ist Gottesfurcht? Lass uns das mal greifbar machen. Was hat der Mensch genau nicht?
Ich habe euch meine Definition von Gottesfurcht mitgebracht. Wie beschreiben wir Gottesfurcht? Gottesfurcht ist die durch die Betrachtung der Überlegenheit Gottes in uns herrschende Haltung der Ehrfurcht. Sie ist verbunden mit dem Bestreben, nicht zu denken oder zu tun, was Gott missfällig wäre, wenn man eine vertraute Beziehung zu ihm aufrechterhalten möchte. Das ist Gottesfurcht.
Das heißt: Wenn der Text hier sagt, es ist keine Furcht Gottes in ihren Augen, dann bedeutet das im Klartext Folgendes:
Erstens erkennt der Mensch Gottes Überlegenheit nicht an. Er will selbst Gott sein.
Zweitens hat der Mensch nicht das Bestreben, nicht zu denken oder zu tun, was Gott missfällig wäre. Er will tun, was er will.
Drittens geht es ihm auch nicht um eine vertraute Beziehung zu Gott. Er will unabhängig sein.
Wisst ihr, das erinnert mich an die moderne Spinne. Kennt ihr die moderne Spinne? Die moderne Spinne möchte ihr Leben optimieren, weil es ihr selbst wert ist. Ein ganz entscheidender Faktor für eine erhöhte Lebensqualität ist nun mal ihr Spinnennetz, darin lebt sie.
Diese moderne Spinne prüft irgendwann alle Fäden auf Nützlichkeit. Dabei entdeckt sie einen Faden, den sie nicht ganz einordnen kann. Es ist der Faden nach oben. Dieser Faden ist außerhalb ihres Netzes, und sie stellt fest: „Mann, dieser Faden hat auch noch nie etwas gefangen. Ich brauche diesen Faden nicht.“
Die Spinne kappt den Faden, und in dem Moment fällt das ganze Spinnennetz zusammen. Denn dieser Faden war derjenige, der dem ganzen Spinnennetz den Halt gegeben hat.
Genau das machen so viele Menschen. Genau das macht streng genommen jeder Mensch laut Römer 3. Jeder Mensch will von sich aus unabhängig sein. Jeder Mensch fragt sich irgendwann: Religion? Na, Religion sowieso nicht. Aber Glaube an Gott? Wofür das Ganze? Ich will hier mein eigenes Leben leben.
Unser Problem ist, wir haben den Faden nach oben gekappt.
Und weißt du was? Wenn das auf dein Leben zutrifft, dann brauchst du dich nicht zu wundern, wenn dein Leben zusammenfällt. Du hast den Faden nach oben gekappt, du hast die Verbindung zu Gott gekappt. Genau das ist es, was Römer 3 deutlich macht: Da ist keine Furcht. Der Mensch will selbst Gott sein, und wenn er den Faden nach oben kappt, fällt alles zusammen.
Und genau darin besteht die Schuld. Die Bibel nennt das Rebellion.
Stell dir mal die Frage: Kann es sein, dass du diesen Faden gekappt hast? Kann es sein, dass du dich von Gott wegbewegt hast, weil du dein eigenes Leben leben willst?
Ich glaube, du weißt genau, wenn das auf dich zutrifft, dass das genau dein Problem ist.
Ich möchte gleich darauf eingehen, wie du davon wegkommen kannst. Ich möchte diese Predigt heute positiv schließen.
Aber zuletzt müssen wir noch einmal auf die letzten Verse eingehen. Paulus kommt im Rahmen seiner Anklage jetzt auf seine Rechtsgrundlage zu sprechen. Auf welcher Basis geschieht die Anklage? Was ist das Gesetz? Welche Rolle spielt es, und was ist seine Funktion?
Wir kommen damit zum dritten und letzten Punkt meiner Predigt: Das Gesetz als Rechtsgrundlage überführt den Sünder. Ich lese die Verse 19 und 20:
„Wir wissen aber, dass alles, was das Gesetz sagt, es den sagt, die unter dem Gesetz sind, damit jeder Mund gestopft werde und die ganze Welt dem Gericht Gottes verfallen sei. Darum: Aus Gesetzeswerken wird kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt werden, denn durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.“
Paulus sagt, das Gesetz ist seine Rechtsgrundlage, auf die er sich hier bezieht. Das Gesetz ist gegen dich gerichtet. Durch das Gesetz stopft es jedem Menschen den Mund, weil es aufzeigt, dass jeder Mensch Sünder ist.
Schaut mal, die Funktion des Gesetzes – und das verstehen auch einige Christen falsch – ist nicht, eine Checkliste zu liefern, damit du ein paar Haken machen kannst und deswegen glaubst, du kannst vor Gott bestehen. Das hat Michael Thiessen heute in der Andacht auf den Punkt gebracht. Genau darum geht es nicht: Glaube plus auch noch das Gesetz mit dabei, damit ich irgendwie doch etwas leisten kann und mir auf die Schulter klopfe: „Gott, ich bin ja auch ganz gut.“
Das ist nicht die Funktion des Gesetzes. Das Gesetz ist im Prinzip ein Spiegel. Ein Spiegel, der uns aufzeigt, wer wir wirklich sind: verdorbene Sünder. Das ist die Funktion des Gesetzes. Das Gesetz zeigt uns, dass wir den Maßstab Gottes nicht erfüllen können. Wir können nicht gut genug sein, das schaffen wir nicht. Niemand hat Gottes Maßstab von sich aus erfüllt, kein Mensch.
Charles Hodge bringt es gut auf den Punkt, wenn er über den Menschen Folgendes schreibt. Kommt, lasst uns dieses Zitat mal ausführlich mitlesen:
„Unsere Schuld ist so groß, weil unsere Sünden außerordentlich zahlreich sind. Es sind nicht nur unsere äußeren Handlungen der Unfreundlichkeit und Unehrlichkeit, mit denen wir belastet werden. Unsere gewohnheitsmäßige Gesinnung ist vor Gott böse. Unser Stolz, unsere Eitelkeit und unsere Gleichgültigkeit gegenüber seinem Willen und dem Wohlergehen anderer, unsere Selbstsucht, unsere Liebe zur Kreatur mehr als zum Schöpfer sind ständige Verstöße gegen sein heiliges Gesetz. Wir haben noch nie dem entsprochen oder das getan, was dieses Gesetz von uns verlangt. Wir sind immer Sünder! Wir stehen zu jeder Zeit und unter allen Umständen in Opposition zu Gott, weil wir niemals das sind, was sein Gesetz von uns verlangt.“
Ihr Lieben, das Gesetz spricht uns schuldig, und das kann uns ziemlich runterziehen, oder? So ziemlich. Also am Ende von Römer 3 bin ich fertig, in Kapitel 3, Vers 20, da bin ich fertig, weil ich die Schuld sehe. Aber genau daran liegt die Chance. Genau darin liegt die Chance. Wenn durch das Gesetz die Erkenntnis der Sünde kommt, dann lebe ich nämlich nicht mehr in der Illusion, ich kann es selber schaffen. Dann stelle ich plötzlich fest, ich brauche Hilfe.
Die Frage ist: Wie gehst du damit um? Wie gehst du mit der Schuld in deinem Leben um? Das ist eine Frage, die sehr persönlich ist, und ich möchte dich einladen, dir diese Frage zu stellen. Wir wissen, dass wir schuldig sind. Die Frage ist, wie gehst du damit um?
Es gibt Menschen, die wollen ihre Schuld wegtrinken. Sie fliehen in den Alkohol, weil der Rausch sie für einige Momente temporär von den Schuldgedanken wegbringt. Das machen ganz viele Menschen, dass sie in die Alkoholsucht fliehen.
Da gibt es Menschen, die fliehen in die Drogen, weil sie mit Schuld in ihrem Leben nicht zurechtkommen. Ihr Lieben, das ist Realität, das ist nicht einfach jetzt frommes Gerede. Es gibt Menschen, die an der Schuld verzweifeln und den einzigen Ausweg darin sehen, in die Drogen zu fliehen. Davon gibt es ganz viele.
Es gibt aber auch Menschen, die fliehen in die Unterhaltung. Das ist so ein bisschen gesitteter Medienkonsum pur: Hauptsache, ich mache mir nicht mehr Gedanken, was ich mit der Schuld aus meiner Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft mache. Deswegen will ich mich damit gar nicht befassen, ich fliehe in den Medienkonsum.
Einige Menschen verzweifeln und landen in der Psychiatrie, sie bekommen Medikamente, die sie vielleicht vorübergehend ein bisschen auf andere Gedanken bringen können, wo Hormone ein bisschen mehr Glück wieder erzeugen, aber das echte Schuldproblem nicht lösen können.
Was machst du mit deiner Schuld? Das ist die Frage. Die Anklage wurde erhoben. Das Urteil lautet: schuldig im Sinne der Anklage. Die Frage ist, was machst du mit deiner Schuld im Leben?
Anne Landers, eine Psychologin, die von Millionen Menschen gelesen wird, schreibt Folgendes in Bezug auf die Schuld:
„Die Schuld ist eine der schmerzhaftesten menschlichen Erfahrungen, also eine der schmerzhaftesten menschlichen Erfahrungen ist Schuld. Sie kann deinen Tag, deine Woche oder sogar dein Leben ruinieren, wenn du es zulässt. Sie taucht wie ein Feind auf, wenn du etwas Unehrliches, Verletzendes oder Egoistisches tust, unabhängig davon, ob deine Tat das Ergebnis von Unwissenheit, Dummheit, Faulheit, Gedankenlosigkeit oder Schwäche war. Du hast etwas falsch gemacht, und die Schuld bringt dich um. Schade. Aber sei dir bewusst, dass die Qual, die du fühlst, normal ist. Denk daran, Schuld ist ein Schadstoff, und wir brauchen ihn auf der Welt nicht mehr.“
Damit endet der Artikel einer Psychologin, die von Millionen Menschen gelesen wird. Dieser Artikel beschreibt ganz gut das Aufkommen der Schuld, den Schmerz der Schuld, aber sie bietet am Ende keine Lösung an. Und wisst ihr warum? Weil die Psychologie keine Lösung hat für das Schuldproblem des Menschen.
Und vielleicht hast du dich heute Morgen gefragt, sagt Andre, warum predigst du am vierten Advent über Schuld? Könntest du nicht etwas Weihnachtliches predigen?
Die, die öfter in der Gemeinde sind, wissen: Andre predigt gerade durch den Römerbrief, und das ist einfach der Vers, der dran war. Aber Andre, hättest du nicht mal eine Pause machen können und zum vierten Advent etwas anderes predigen, etwas, das mehr mit Weihnachten zu tun hat?
Soll ich dir mal was sagen? Genau dieser Text bereitet uns mehr als jeder andere Text auf die Botschaft von Weihnachten vor.
Wir alle sind schuldig im Sinne der Anklage. Wir alle brauchen eine Lösung für unser Schuldproblem. Wir alle brauchen einen Retter – und dieser Retter ist gekommen. Das ist der Punkt.
In Matthäus 1,21 heißt es: „Und sie wird einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus nennen, denn er wird sein Volk retten von seinen Sünden.“
Ihr Lieben, wir brauchen dringend einen Retter, und dieser Retter ist Jesus Christus. Das ist die Botschaft, die wir feiern: Jesus ist Mensch geworden.
Schaut mal, Jesus ist als Kind geboren, und er hat den Maßstab erfüllt – den Maßstab des Gesetzes. Er hat ihn erfüllt.
Weißt du, Jesus hat das Leben gelebt, das wir leben sollten. Er hat es geschafft. Dann geht er ans Kreuz und stirbt stellvertretend für unsere Schuld. Er bezahlt ein für alle Mal für all das, was wir getan haben, tun und jemals tun werden.
Das ist das Evangelium – das hat Jesus bezahlt.
Wenn wir das im Glauben annehmen, so wie Michael es in der Andacht gesagt hat, geht es um den Glauben. Um das Vertrauen: Jesus, du bist für mich gestorben, du bist mein Retter, und ich vertraue dir heute mein Leben an. Ich bekenne meine Sünden und bitte um Vergebung.
Dann hast du die Lösung für dein Schuldproblem. Ihr Lieben, das ist Weihnachten.
Deswegen bereitet uns Römer 3 sehr gut auf Weihnachten vor.
Ich bin vor einiger Zeit auf einen Brief gestoßen. Diesen Brief hat eine erwachsene Frau an den Weihnachtsmann geschrieben.
Das überrascht euch jetzt vielleicht, aber ich habe mich entschieden, diesen Brief einmal vorzulesen. Er verbindet die Anklage des heutigen Textes wunderbar mit der Weihnachtsbotschaft. Mit diesem Brief möchte ich dann auch schließen.
Da schreibt die Frau:
Lieber Weihnachtsmann, ich schreibe diesen Brief nicht, um dir eine Wunschliste zu schicken oder zu versuchen, uns beide davon zu überzeugen, dass ich das ganze Jahr über gut gewesen bin. Ich schreibe diesen Brief aus meinem Herzen.
Solange ich mich zurückerinnern kann, habe ich die Worte gehört: Sei gut, und der Weihnachtsmann bringt dir Geschenke zu Weihnachten. Ich habe es versucht, um Himmels Willen. Ich habe mein Bestes in der Schule gegeben, ich habe versucht, meine Hausaufgaben zu erledigen, ich habe versucht, ein guter Mensch zu sein, eine gute Freundin, ein guter Christ. Aber das neue Jahr hat kaum begonnen, bevor mir klar wurde, dass ich nicht immer gut sein kann.
Ich bin kein kleines Kind mehr. Ich weiß, dass es dich nicht gibt. Meine Phantasieblase platzte, als mir klar wurde, dass tatsächlich meine Eltern hinter dem Trick steckten, der meinen Gehorsam gegen Geschenke erforderte.
Lange Zeit hat „Du bekommst, was du verdienst“ meine ganze Sichtweise des Lebens definiert. Noch viel schlimmer: Sie definierte meine Vorstellung von Gott. Bis meine Augen eines Tages geöffnet wurden und ich das unverdiente Geschenk der Gnade entdeckte.
An Weihnachten geht es nicht darum, gut genug zu sein. An Weihnachten feiern wir den Retter, der für unsere Sünden starb – für uns Sünder, die niemals gut genug sein könnten. Jesus war der Einzige, der ein perfektes Leben führte und paradoxerweise freiwillig bereit war, das zu ertragen, was er nicht verdient hat: die Strafe. Er hing unschuldig am Kreuz und starb an meiner Stelle.
Deshalb heißt das Evangelium „gute Nachricht“. Es ist die gute Nachricht, über die der Engelchor gesungen hat.
Lieber Weihnachtsmann, ich habe keine Wunschliste mehr. Die Freude, nach der ich suchte, habe ich in den Händen des Einen gefunden, der mir das unverdiente Geschenk gab.
Heute bin ich frei von Schuldgefühlen, die auf meinen Schultern lasten. Ich bin frei von den Gedanken, dass mein gutes Benehmen meine Beziehung zu Gott bestimmt. Ich bin frei zu wissen, dass, wenn Gott mich sieht, er das vollkommene Werk Christi an meiner Stelle betrachtet. Ich bin frei von Ketten, die mich an meine Leistung gebunden haben und keine Vollkommenheit erzeugen konnten.
Weihnachtsmann, mit dir habe ich die Unzufriedenheit darüber kennengelernt, den Standard nicht zu erfüllen. Mir wurde klar, dass ich weit davon entfernt bin, gut zu sein. Aber Jesus machte mir klar, dass genau diese Erkenntnis der Unfähigkeit die Voraussetzung ist, um das Geschenk zu erhalten, das niemals verloren geht – das unverdiente Geschenk der Erlösung. Was für eine Freude!
Diese Frau hat verstanden, was wir an Weihnachten feiern. Und ich möchte heute die Frage stellen: Hast du es verstanden? Hast du wirklich verstanden, worum es an Weihnachten geht? Dass Jesus kam als Retter für deine Sünden?