Begrüßung und Einstimmung auf das Thema
Wir begrüßen Sie ganz herzlich zu unserer Bibelstunde. Schön, dass Sie alle gekommen sind, um gemeinsam mit uns auf Gottes Wort zu hören.
Besonders begrüßen wir Prelatsch Rolf Schäffbuch, der die Bibelstunde halten wird. Wir freuen uns, dass Sie wieder einmal bei uns sind.
Am vergangenen Mittwoch war Reformationstag. In Erinnerung daran, wie Martin Luther das Wort Gottes und Jesus als das Heil der Welt in den Mittelpunkt stellte, musste ich an den Isenheimer Altar denken. Sie kennen ihn sicher. Dort hat Matthias Grünewald den Johannes den Täufer mit dem Wort Gottes in der Hand und dem so markanten Fingerzeig auf den Gekreuzigten dargestellt.
Der am Kreuz ist der Erlöser, so wie die Schrift sagt: Er ist das Heil der Welt. Deshalb singen wir gleich zu Beginn zwei Lieder nacheinander, in denen wir Gott loben, dieses Heil preisen und ihn anbeten. Die Nummer zwölf und die Nummer 258.
Wir haben gerade gesungen: „Einst werd ich ihn sehen, Jesus sehen in der Herrlichkeit.“ Dieses Ziel haben wir vor Augen. Wer sich hier Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, anvertraut hat und ihm nachfolgt, dem gilt die Verheißung, einmal in der Ewigkeit bei ihm zu sein und ihn zu sehen.
Deshalb singen wir noch dieses dritte Lied: „Lass mir das Ziel vor Augen bleiben“, Nummer 204. Ich kann mir jetzt alle Worte sparen. Wir haben das Wesentliche schon gesungen. Doch größer, reiner und schöner wird es sein, wenn wir jubelnd und schauend drohend einziehen – oder einst werde ich ihn sehen in der Herrlichkeit. Meinem König werde ich dienen bis in alle Ewigkeit.
Die Wiederkehr alter Glaubensworte und die Sehnsucht nach dem Himmel
Es gibt Worte, die waren lange Zeit außer Kurs gesetzt. Von der Ewigkeit hörte man in der Christenheit kaum noch etwas. Für manche junge Leute bei uns ist dieses Wort fast ein Fremdwort. Doch schon vor Jahren hat Klaus Vollmer darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Wort im Kommen ist. Sogar weltliche Schriftsteller sprechen inzwischen von der Ewigkeit.
Ähnlich verhielt es sich mit dem Wort Erlösung. Es war beinahe verpönt, von Erlösung zu sprechen. Man wollte uns weismachen, dass nur die Sprache Kanans richtig sei. Doch plötzlich ist das Stichwort Erlösung auch bei heutigen Schriftstellern wieder präsent.
In den letzten Wochen ist mir aufgefallen, wie das Wort vom Himmel im Kommen ist. Man hat uns ja einreden wollen, dass man nicht mehr davon sprechen kann, einmal in den Himmel zu kommen. Das sei egoistisch und weltfremd. Heinrich Heine wurde oft zitiert: „Den Himmel überlassen wir den Pfaffen und den Spatzen.“ Doch plötzlich habe ich den Eindruck, dass eine verlorengegangene Sehnsucht neu aufbricht.
Am vergangenen Mittwoch durfte ich beim großen sächsischen Gemeindebibeltag die einleitende Bibelarbeit halten. Das Thema war gewünscht: „Der Himmel unserer Heimat“. Es war eine große Schar junger Menschen anwesend.
Wochen vorher wurde ich gebeten, in der CV- und MC-Zeitschrift „live“, also für junge Leute, einen Artikel zu schreiben: „Endstation: Himmel“. Wenige Tage später kam von Liebtenzell die Bitte, ich möge klärend etwas zum Thema Himmel verfassen.
Ich habe den Eindruck, die Sehnsucht nach dem Himmel, nach der Welt Gottes, bricht ganz neu bei uns auf. Wir sollten uns nicht genieren, vom Himmel zu reden. Es wäre auch merkwürdig, denn ein zentrales Anliegen des Herrn Jesus war, dass Menschen nicht am Vordergründigen hängenbleiben, sondern ins Himmelreich kommen. Es geht nicht nur darum, fromme Worte zu sprechen und bloß „Herr, Herr“ zu sagen, sondern wirklich ins Himmelreich einzutreten.
Die Bedeutung des Himmelreichs in der Bibel
Schon der Auftakt, die Ouvertüre zur Bergpredigt, ist voll von diesem Gedanken: Das Himmelreich gehört denen, die mit Gerechtigkeit erfüllt sind und Gott schauen werden.
Im Alten Testament gibt es die unvorstellbar große Sehnsucht: „Ich will dein Antlitz schauen in Gerechtigkeit, damit ich wirklich vor Gott treten kann, weil du mich mit Gerechtigkeit wie mit einem weißen Kleid überkleidest.“ Es heißt weiter: „Ich will dein Antlitz schauen in Gerechtigkeit, ich will satt werden, wenn ich erwache und dein Bild sehe.“ Diese große Sehnsucht will Jesus in uns wecken – die Sehnsucht nach der kommenden Heimat.
Bevor er in sein Leiden hineinging, am Kreuz, sagte er seinen Jüngern: „Wenn ich erhöht werde von der Erde“ – damit meinte er nicht nur die Erhöhung am Kreuz, sondern auch die Erhöhung zum Vater –, „dann will ich alle zu mir ziehen“, also die Gegenwart Gottes in uns hineinziehen.
Hoffentlich wird es uns geschenkt, dass wir jedes Mal, wenn wir die Bibel aufschlagen und in die Gegenwart des heiligen Jesus treten, etwas von diesem Zug spüren – das Ziehen näher zu ihm hin. „Ich will sie zu mir ziehen“ – ein Vorgeschmack des Himmels.
Johannes, dem Jünger Jesu, wurde als besonderes Vorrecht ein Blick in die Welt Gottes, in die kommende Welt Gottes, geschenkt. Wenn wir heute die Offenbarung lesen, dann kann es durchaus sein, dass wir sagen: Die Bilder und Worte, die dort gezeichnet werden, sind uns fremd. Die Welt Gottes ist so anders, dass das Arsenal unserer Sprache und Begriffe kaum ausreicht, um das wiederzugeben, was Johannes bei seinem Blick in die kommende Welt Gottes sehen durfte – die strahlende, vollkommene Herrlichkeit Gottes.
Im Mittelpunkt steht immer wieder das Lamm am Thron Gottes – das Lamm ist Jesus, der sich für uns hat erwürgen lassen. Das Lamm auf dem Thron wird sie weiden und sie zu den Brunnen des lebendigen Wassers führen. Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen – auch die Tränen, die wir weinen, wenn uns bewusst wird, wie viel Kleinglauben in unserem Leben war.
Immer wieder brechen Zweifel auf, ob denn das alles stimmt. Wie viele Enttäuschungen haben wir unserem Herrn Jesus bereitet? Wie oft haben wir seine Sache belastet? Diese Erkenntnis wird uns Tränen in die Augen treiben – mehr noch als beim Petrus einst, als er in des Hohenpriesters Palast weinte über seinen furchtbaren Fall.
Doch Gott wird alle Tränen von unseren Augen abwischen.
Das Ziel des Glaubens: Der Himmel als Heimat
Der Himmel ist das Ziel. Mir ist das gerade in den letzten Wochen über mancherlei Aufgaben wieder neu bewusst geworden. Und einiges davon, was mir wichtig wurde, darf ich Ihnen einfach weitergeben.
Sie sollen ermutigt werden. Wer hier ermüden will, der schaue auf das Ziel – auf dieses Ziel, von dem der Apostel Paulus gesagt hat: Unser Bürgerrecht, unser Heimatschein ist ausgestellt auf den Himmel.
Dabei spricht Paulus nicht von einem Schlaraffenland im Jenseits. Sondern er nennt sofort Jesus. Von dort, vom Himmel, erwarten wir unseren Herrn Jesus Christus. Der Himmel hat es in erster Linie mit Jesus zu tun. Die himmlische Heimat, voll von Jesusgegenwart, ist unser Ziel.
Der Apostel Paulus hat, als er sagte, unser Bürgerrecht sei im Himmel, seinen Herrn Jesus ernst genommen. Jesus hat klargemacht, festgeklopft bei seinem Vater im Himmel: „Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast.“ Es ist der heilige Wille des Herrn Jesus. Er, der berufen war zum Thron Gottes, zur Rechten des Vaters, spricht: „Vater, ich will, dass die bei mir sind, die du mir gegeben hast. Die sollen auch bei mir sein.“
Das ist das Ziel, auf das wir zugehen. Dabei sollen wir uns gegenseitig stärken. Wir sollen immer mehr hineinwachsen – mehr Jesus, vertrauter mit Jesus. Dass seine Allgegenwart meinen Geist erfüllt, mein Denken. Jesus’ Gegenwart, jetzt schon und einst ewig.
Das wird allein Herrlichkeit sein. „Wenn frei von Weh ich dein Angesicht sehe“, so hat Hedwig Redern dies in eine Liedstrophe gefasst.
Noch einmal: Wer hier ermüden will, der schaue auf dieses Ziel. Das sollen wir im Blick behalten. Neulich hat es ein Enkel von mir so gesagt: im Fokus behalten, immer vor Augen haben, scharf einstellen.
Jesus möchte uns zu sich ziehen. „Wenn ich erhöht werde von der Erde, will ich euch zu mir ziehen.“ „Ich will euch wiedersehen, ich will wiederkommen und euch zu mir nehmen.“ Das sind lauter Erklärungen des Herrn Jesus mit diesem großen „Ich will“.
Die Kraft des Glaubens in schweren Zeiten
Im Rheinland gab es während der schwierigen Zeit des Nationalsozialismus einen Mitchristen, der der geheime Bischof der Bekennenden Kirche war: Präses Paul Humburg. Er wurde stark von seiner frommen Mutter geprägt. Als diese im Sterben lag, kam der Herr Präses mitten aus den Kämpfen im Dritten Reich zu ihr. Er wollte ihr sagen, dass die Kirche Kirche Jesu Christi bleiben solle.
Er fragte seine Mutter: „Was bleibt denn jetzt noch im Sterben von deinem ganzen Glauben?“ Die Mutter antwortete, dass es eine Herrlichkeit gibt und dass es sich lohnt. Das sei das Ziel, dass es eine Herrlichkeit gibt, wenn man so ins Sterben hineingehen kann. Es ist nicht das Ende, sondern eine Herrlichkeit, und es lohnt sich.
Offenbar gab es schon bei den ersten Christen eine Gefahr, dass sie dieses Ziel aus den Augen verloren haben. Man hat ihnen dieses Ziel „verrückt“ – das heißt, es wurde ihnen weggenommen oder entstellt – und so sind sie an diesem Ziel vorbeigetrieben.
Ich habe versucht, ein paar Stichworte zu geben. Dieses Ziel hat uns Herr Jesus gesetzt, weit über das Sterben hinaus. Es ist zu wenig, wenn wir uns nur darauf freuen, nach dem Sterben einmal wieder unsere Angehörigen zu sehen. Meine Augen sollen den König sehen in seiner Schönheit, der gesagt hat: „Ich will euch wiedersehen.“ Das wird wichtig sein.
Es ist zu wenig, wie ich es oft bei Vorbereitungen von Beerdigungen erlebe, wenn Angehörige sagen: „Ach, irgendwie wird es nach dem Sterben weitergehen.“ Aber was heißt „irgendwie“? Das wäre mir zu wenig. Ich möchte das aufnehmen, was der Apostel Paulus in kurzen Worten gesagt hat: Wir werden daheim sein beim Herrn. Alles, was Heimat ist, wird daheim, endlich zuhause, überhöht und erfüllt sein, wenn das wahr wird – daheim sein beim Herrn.
Das große Ziel soll uns „verrückt“ machen, oder man kann an diesem Ziel vorbeigetrieben werden. Ich möchte gerade zwei Bibelworte aufnehmen. Einmal das Wort aus dem Kolosserbrief: „Lasst euch niemand das Ziel verrücken.“ So steht es noch in meiner alten Taufbibel. Offenbar haben die neuen Bearbeiter der revidierten Bibel das Wort „verrückt“ geändert, weil junge Leute es nicht verstehen. Sie denken immer nur an „Blem Blem“. Deshalb sagen sie in der neuen Übersetzung: „Lasst euch niemand den Siegespreis nehmen.“ Aber ich finde das toll: „Lasst euch doch nicht das Ziel verrücken.“
Wenn wir im Kolosserbrief lesen, merken wir, dass es damals Menschen gab, die sagten: „Schwätzt doch nicht immer von Jesus, Jesus, das verstehen die Leute nicht. Das ist doch ein bisschen fundamentalistisch.“ In der Apostelgeschichte wird berichtet, dass die Nachfolger des Herrn Jesus Christus in Antiochien zum ersten Mal „Christen“ genannt wurden. Ich nehme an, es war ein bisschen zynisch oder karikierend gemeint: „Ihr mit eurem Christus, Christus, Christus, es gibt doch noch andere wichtige Dinge.“
Mindestens heute ist es so: Wenn wir „verrückt“ werden sollen von dem Ziel, Jesus allein sei mein Losungswort, dann heißt es: „Man kann doch nicht immer mit Jesus kommen, da versteht kein Mensch heute. Man muss doch mehr die Alltagsprobleme anpacken.“ Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg begann diese Parole: Man kann doch im Kindergottesdienst in der Sonntagsschule nicht bloß biblische Geschichten erzählen. Man muss Alltagsprobleme verhandeln: Eheprobleme, Beziehungen, Eltern, Kinder, Schule, Fleiß, Moral.
Aber dazu braucht man keinen Jesus, um Moral zu schultern. Man kann sich ein bisschen am Riemen reißen, ein bisschen Anstand hat jeder noch im Leib. Der große katholische Philosoph Nikolaus von Lobkowitz hat gesagt, es sei eine Tragödie der Christenheit, dass Moral und Werte plötzlich wichtiger geworden sind als Jesus. Die Christenheit hat nur den Auftrag, in unsere Welt hinein zu rufen: Jesus ist wichtig. Wir sind doch nicht dazu berufen, Moralapostel der Welt zu sein. Das hat dieser katholische Philosoph und Theologe gesagt.
Man müsste sich auch einmal klar werden, was bei dem ganzen Unternehmen eigentlich herausgekommen ist. Nicht so viele Jesusgeschichten im Religionsunterricht, nicht so viele Bibelworte. Es erschreckt mich immer wieder, wenn ich den Eindruck habe, in der Christenheit sei eigentlich bloß noch ein Bibelwort bekannt: „Er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf all deinen Wegen, dass dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“ Es war wunderbar von Mendelssohn Bartholdy vertont, aber das war doch der Teufel zitiert, weil wir das als Sehnsucht haben: dass wir unseren Fuß nicht an den Stein stoßen und dass die Engel da sind.
Damals im Kolosserbrief waren es gerade diese, die Jesus „verrückt“ haben, das Ziel. Sie hatten eine Verehrung der Engel. Sie gaben sich unheimlich demütig, so demütig, dass andere sagten: „Da musst du unbedingt hingehen, das ist toll, was die sagen.“ Sie haben auch gesagt: „Das rühre nicht an, das ist nicht.“ Sie haben das für 364 Tage im Jahr gedacht. Bei uns heißt es „Sieben Wochen ohne“. In einer Zeit, in der Jesus wichtig werden soll, geht es darum, dass man keinen Alkohol trinkt und keine Schokolade isst.
Verstehen Sie, wie schnell das Ziel sich fromm gibt? Es ist doch toll, „Sieben Wochen ohne“, wie das von Tausenden eingehalten wird. Mehr noch als wenn sie sich in die Passionsgeschichte vertiefen. Lasst euch doch von niemandem das Ziel verrücken! Das Ziel ist leibhaftig Jesus, so sieht es im Kolosserbrief aus.
Die Notwendigkeit der Jesusverbundenheit im Alltag
Wir haben noch einen großen Nachholbedarf darin, in Jesus hineinzuwachsen. Gar nicht lange her war eine beachtliche Predigt eines jungen Mannes bei uns in Korntal. Er sprach darüber, wie der Glaube alltagstauglich wird. Dabei wurde mir klar, wie sehr sich junge Menschen danach sehnen. Wir können doch nicht immer nur über biblische oder dogmatische Begriffe und Lehrgebäude sprechen. Wir müssen unsere heutigen Probleme ansprechen und eine Sprache finden, die unsere Zeitgenossen verstehen.
Wissen Sie, wie den Christen in zweitausend Jahren der Glaube alltagstauglich wurde? So, dass Paulus sagen konnte: „Ich muss euch doch nicht viel erzählen, ihr seid selbst von Gott gelehrt. Das Gute, Edle, Wahrhaftige, dem strebt nach!“ Wenn ihr mit Jesus verbunden seid, dann seid ihr ganz normale Menschen. Und doch scheint ihr wie Lichter in einer dunklen Welt, makellos, mitten unter einem verkehrten Geschlecht.
Dann seid ihr wie einzelne Leuchtbojen, fest verankert. Sie sind klein und fallen kaum auf. Aber der Kapitän findet seinen Kurs durch diese Leuchtbojen. Die Hauptsache ist, dass wir fest verankert sind und mit Jesus leben. Er, der das Licht der Welt ist, will durch uns auch so eine kleine Leuchtboje sein.
Alltagstauglichkeit spielt in der Bibel keine große Rolle. Denn wer mit Jesus verbunden ist, der das Licht der Welt ist, der will dafür sorgen, dass dies wirklich auch wie ein Mahnruf durch uns an die Menschen weitergegeben wird. „Seid darauf bedacht, dass der Herr Jesus durch euch zur Geltung kommt.“
Lassen Sie mich ein einfaches Beispiel benutzen: Vor vielen Jahren wurde bei mir Alterszucker festgestellt. Der Arzt verschrieb mir Medikamente – die üblichen kleinen weißen Pillen. Wenn ich mich morgens piekse, um meinen Blutzucker zu messen, merke ich, dass die Werte viel zu hoch sind. Da könnte ich sagen: „Diese Pillen haben keinen Wert, also lasse ich sie weg.“ Nein, ich muss doppelt so viel nehmen.
Wenn ich merke, dass meine Jesusverbundenheit keine Ausstrahlung auf andere Menschen hat, keinen Mahnruf oder Hilferuf darstellt, dann brauche ich noch mehr Jesusverbundenheit – nicht weniger, nicht weniger Aufmerksamkeit. Jesus, richte mein Gesicht nur auf jedes Ziel.
Christen sind Menschen, die immer noch mehr Gegenwart Jesu brauchen, noch mehr sein Wort. Im Kolosserbrief heißt es: „Lasst das Wort des Christus reichlich bei euch wohnen“ (Kolosser 3,16). Das ist die einzige Hilfe, damit wir uns nicht vom Ziel abbringen lassen. Ich möchte doch einmal dorthin kommen.
Der Apostel Paulus sagt im Hebräerbrief, dass in kommenden Zeiten (Hebräer 3) erst recht deutlich wird, was die Gnade unseres Herrn Jesus Christus ist, mit dem wir verbunden sind. Schon jetzt sind wir mit ihm verbunden, aber ich möchte erst recht mit ihm verbunden sein – wie bei einer rechten Ehe. Man kann mit Freude und Verliebtheit anfangen, aber wenn man die goldene Hochzeit feiert und weiß, dass der Herr Jesus uns zusammengeführt hat, dann kann man sagen: Jetzt sind wir erst recht richtig verheiratet.
Nach allen Höhen und Tiefen, die wir miteinander erlebt haben, nach manchen Bewahrungen, sind wir jetzt erst recht verbunden. So soll es auch mit unserem Ziel sein: Wir, die wir mit Jesus verbunden sind, gehen auf das Ziel zu, wo wir wissen: Jetzt erst recht gehören wir zu ihm.
Lasst euch niemand das Ziel verrücken. Lasst nicht zu, dass euch jemand ein anderes Ziel setzt – nicht mehr Jesus, sondern Alltagstauglichkeit oder etwas anderes.
Die Warnung vor dem Vorbeitreiben am Ziel
Und noch einmal ein Wort zum Ziel. Darum heißt es in Hebräer 2,1: Wir sollen desto mehr auf das Wort des Herrn Jesus achten, damit wir nicht am Ziel vorbeigetrieben werden.
Da kommt mir in Erinnerung: Am letzten Gründonnerstag durfte ich in der langen Steinbacher Höhe die Predigt zum großen Abendmahl halten, zu dem wir versammelt waren. Anschließend erwartete uns noch Bruder Wolfsberger in Bethberg im Markgräfler Land, der uns über die Osterzeit diente.
Meine Frau und ich sind in die Nacht hineingefahren, bei strömendem Regen. Es war schon spät geworden in der langen Steinbacher Höhe. Ich hatte vorher gedacht: Na ja, Bethberg finde ich schon. Ich war dort schon ein paarmal, wusste, wo die Ausfahrt ist, und dachte, es geht zweimal links, dreimal rechts durch die Weinberge irgendwie da hinauf. Das finde ich schon.
Doch ich habe mich rettungslos verfahren. Ich war irgendwo in der Pampa in Südbaden. Am Gründonnerstagabend findet man kaum noch einen Menschen in unseren württembergischen und auch badischen Dörfern. Da läuft niemand mehr auf der Straße. Endlich haben wir einen getroffen, leicht angesäuselt. Der hat sicher sieben Wochen ohne Alkohol gelebt, ein lieber ausländischer Freund. Wir haben ihn gefragt: „Wo geht es nach Bethberg?“
„Oh“, hat er gesagt, „ganz falsch, ganz weit weg.“ Da habe ich gemerkt, wie man beim besten Willen am Ziel vorbeigetrieben werden kann. Es war die richtige Ausfahrt, aber im Kopf hatte ich die falsche Vorstellung: „Ich weiß, wo es hingeht.“ So war ich vorbeigetrieben.
Wahrscheinlich hat Hans-Peter Wolfsberger meine müden, enttäuschten und auch über mich selbst enttäuschten Augen gesehen und hat mir dann am Ostersamstag ein Navi geschenkt. Übrigens: Seitdem weiß ich gar nicht, warum Menschen zweifeln können, dass Gott sie sieht. Wenn ich aufs Knöpfchen drücke, weiß der Mann im Mond oder der Satellit, wo ich bin. Und wer zeigt mir den Weg, wo ich hinmuss, und wie ich wieder zurückkomme? Die erste Straße rechts, Klammer zu.
Um uns herum, um die Christenheit herum, ist eine fast unzählbare Schar von Menschen, die einmal dabei waren. Sie haben in unseren Chören Posaune gespielt, im Jugendkreis oder Mitarbeiterkreis mitgewirkt und sind dann am Ziel vorbeigetrieben. Sie wussten vom Ziel, haben mit uns gebetet und die größten Bekenntnislieder gesungen: „Herr, lass deine Fahnenwehen einmal noch in diesem Land!“ Und jetzt ist es weg.
Wenn dann große Not über sie kommt, bei sich selbst oder in der Familie, und sie anfangen wollen zu beten, heimzukommen zu dem Glauben, in dem sie geborgen waren, können sie nicht mehr. Sie sind vorbeigetrieben. Man kann nicht einfach bloß wieder anknüpfen.
Lasst das Wort des Herrn Christus desto mehr bei euch wohnen, damit wir nicht am Ziel vorbeigetrieben werden.
Die Bedeutung der Ehre Jesu und der inneren Verwandlung
In unserer Zeit werden viele Ziele genannt, auch der jungen Generation. Besonders emphatische Ziele in ihrem Singen und in der Musik werden betont. Dabei wird sehr stark die Stimmung angesprochen.
Jesus hat jedoch deutlich gemacht: Nur dort wird der Vater geehrt, wo ihm die Ehre gegeben wird. Es reicht nicht, ständig zu sagen: „Herr, wir wollen“, oder: „Wir werfen uns vor dir auf den Thron, wir sind entschlossen.“ Vielmehr wird ihm die Ehre gegeben durch das, was er für mich tut.
Die Worte des Herrn Jesus sind klar: Jesus hat einmal gesagt: „Vater, die Worte, die du mir gegeben hast, sind Geist und Leben.“ Diese Worte sind nicht bloß Information oder Begriffe, sondern sie sind voll göttlicher Kraft.
Wenn man sich in die Worte des Herrn Jesus vertieft, geht es nicht nur darum, die Bibel zu lesen. Vielmehr soll man sagen: „Herr, sag mir, was dir wichtig ist.“ Diese Worte sollen in mir zu einem Anstoß werden. Das Fremdwort dafür ist „internalisieren“ – sie müssen ein Teil von mir werden und in mich hineindringen. So bekomme ich ein Gespür dafür, was mit Jesus zusammenpasst, was Jesus wichtig ist und wozu Jesus Ja sagen kann.
Es geht nicht darum, womit ich in meinem Gefühl zustimme, sondern darum, wo Jesus sagen kann: „Du, das ehrt mich. Das hilft meiner Sache.“
Ein Gefahrenmelder ist so gebaut, dass er sofort ein Alarmsignal gibt, sobald falscher Geruch oder Rauch auftaucht. Es muss etwas passieren. Die Worte des Herrn Jesus müssen sich in uns so umsetzen, dass sie wie ein Gefahrenmelder funktionieren. So verhindern sie, dass wir am Ziel vorbeitreiben und sagen: „Das ist doch schön und gut.“
Nur durch diese innere Wachsamkeit wird echte Ehrung des Vaters möglich.
Die Geschichte von Korntal im Nationalsozialismus als Warnung
In den letzten Jahren wurde ich immer wieder gebeten, die Geschichte von Korntal während der Zeit des Nationalsozialismus zu erforschen und aufzuschreiben. Korntal ist der Ort, an dem wir zu Hause sein dürfen. Ich sagte zu Rolf: Du kommst von außen, du trittst niemandem auf die Füße, auch wenn du Namen nennst. Also schreibe die Geschichte des Nationalsozialismus im frommen Korntal.
Es war beeindruckend, wie Paul Bausch und Wilhelm Simpendorfer, zwei junge Reichstagsabgeordnete aus Korntal, im Jahr 1930 mutig im Reichstag gegen die Nationalsozialisten Stellung bezogen. Sie bekannten sich offen zu ihrem christlichen Glauben. „Was ihr vertretet, ihr Nationalsozialisten, ist reines Rassedenken, unmenschliches Rassedenken“, sagten sie offen, obwohl sie von Nationalsozialisten oft unterbrochen wurden. Sie erklärten klar: Euch geht es nicht um die Regierung, sondern um brutale Macht. Das ist heute noch nachzulesen.
Zwei Jahre später jedoch stimmten Wilhelm Simpendorfer und Paul Bausch dem Ermächtigungsgesetz zu, das Hitler alle Macht gab – das grüne Licht fürs Unrecht. Nach 1945 wurde Wilhelm Simpendorfer später Kultusminister in unserem Land, Paul Bausch blieb lange Bundestagsabgeordneter.
Wenn sie gefragt wurden, warum sie plötzlich anders gestimmt hätten, obwohl sie zuvor so klar gesehen hatten, antworteten sie: „Es war eben allgemeine Stimmung, alle waren dafür. Wir wollten nicht Bremsklötze sein. Wir haben gehofft, vielleicht hilft das auch.“
Verstehen Sie, warum Jesus vor Verführung gewarnt hat? Der Fürst dieser Welt beherrscht die Klaviatur der Verführung so, dass uns das gut vorkommt. Selbst denen, denen Gott ein Gespür für das Falsche gegeben hat, erscheint es als ein Fehlweg – auch für unser Volk. Da lässt man sich fallen und sagt: Ich will nachgeben, die anderen wollen es ja auch.
Noch schlimmer ist es, wenn gesagt wird: „Ach, lasst doch das mit eurem Jesus. Das überlasst den Stundeleitenden, den Pietisten, das ist sowieso von ewig Gestern. Wir wollen dranbleiben und uns vom Herrn Jesus und seinem Wort, vom Christus, sagen lassen, was die zentrale Aussage ist: ‚Her zu mir, folge mir nach. Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstossen, kommt her zu mir alle!‘“
Alles, was Jesus uns gesagt hat, ist durchdrungen von dieser Sehnsucht: Der Herr Jesus will doch alle zum Vater ziehen und alle in den Himmel bringen.
Das Herz wie ein Scheunentor: Die Einladung Jesu
Einer meiner Vorfahren war als Taufpate zu einer Taufgesellschaft eingeladen. Damals waren dort viele, die man Demokraten oder Liberale nannte. Diese lächelten über den „komischen Schulmeister“ von der Schwäbischen Alb, der ein Pietist war.
Nach dem Taufkaffee hielten sie frivole Reden, bei denen sie sich ein bisschen zurücknahmen. Das bemerkte der Schulmeister. Plötzlich sagte er: „Oh, ihr Herren, geniert euch doch nicht vor mir! Ich habe ein Herz wie ein Scheunentor. Ich möchte am liebsten euch alle in den Himmel mitnehmen!“
Er scheute sich nicht, vom Himmel zu reden, von diesem Ziel, wenn man es spüren würde. „Ich habe ein Herz wie ein Scheunentor! Ihr kommt nicht hinein? Ich möchte euch mitnehmen. Doch zugleich sollt ihr wissen: Ringt danach, dass ihr durch die enge Pforte eingeht!“
Das Ziel, die Heimat im Himmel, das, was wir gesungen haben, soll mit uns gehen. Wenn der Herr Gnade gibt, wird es größer, reiner und höher sein. Dann ziehen wir jubelnd und schauend ein.
Schon jetzt sind wir viel näher bei Jesus, als eine Vorübung, eine Etüde für das, was kommen wird. Jetzt sind wir schon ganz nah bei Jesus, verlangend nach seinem Wort. Die Berliner sagen dazu „dicht bei dicht“.
Jetzt sind wir schon dicht bei dicht bei Jesus, doch reiner, schöner und schauender wird es sein, wenn wir jubelnd und schauend droben einziehen. Dann wird es erst ganz dicht sein. Amen!
Schlussgebet und Ausblick auf kommende Veranstaltungen
Nun singen wir, da wir gebetet haben, Herr Jesus. Es ist ungeheuerlich, eigentlich unfassbar. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn Menschen das komisch finden. Es ist fast fremd für uns, dass die Tage, die wir hier erleben dürfen, nur eine kleine Vorstufe sind für die ewige, vollkommene Heimat, die du uns bereitet hast.
Es ist unfassbar, dass du, der heilige Jesus, festgelegt hast beim Vater, dass wir einmal zu dir kommen sollen. Und dass du alle unsere Tränen abwischen wirst, die wir über unser Versagen weinen müssen.
Jetzt lass uns auch diesen deine Einladung, deinen einladenden Ruf so wichtig werden, dass er unser Leben prägt. Führe uns näher zu dir, Herr Jesus, bis wir dich einst schauen in deiner himmlischen Herrlichkeit. Amen.
Das Lied ist schon an der Leinwand, wir singen das passende Lied „Ich will streben nach dem Leben“. Brillard Chefbuch für dieses Wort: Wir brauchen mehr Jesus, damit wir ans Ziel kommen und uns das Ziel nicht verrücken lassen. Wir brauchen mehr von seinem Wort. Vielen Dank!
Es gibt noch einiges zu sagen. Einmal, am kommenden Mittwoch, den siebten November, sind Sie wieder ganz herzlich eingeladen zum Mittwochskreis. Jetzt im Winter treffen wir uns um 19.30 Uhr zum Bibelstudium im Sonnenberg Mutterhaus in der Sonnenbergstraße 23 in Eidlingen.
Dann möchten wir Sie noch einmal darauf hinweisen: Am Donnerstag, den 15. November, kommt der Bundestagsabgeordnete der CDU, der Vorsitzende Volker Kauder. Sie haben vielleicht schon diesen Einladungsflyer gesehen. Er wird sprechen zum Thema „Einsatz für verfolgte Christen, damit die Hoffnung wächst“. Es ist um 19.30 Uhr am Donnerstag, den 15. November, hier im Saal.
Der Mittwochskreis in dieser Woche findet dann nicht statt. Auch das haben wir schon mehrfach gesagt, aber zur Erinnerung noch einmal: In drei Wochen, am 25. November, haben wir hier unseren Mutterhaustag. Da wird ausnahmsweise die Bibelstunde ausfallen. Wir sagen es immer rechtzeitig, damit Sie nicht umsonst kommen.
Am Ausgang finden Sie noch unseren neuesten Rundbrief mit Informationen zum Gebet. Außerdem sehen Sie dort auch schon die Einladungskarten für unser Jahrestreffen am 6. Januar in Stuttgart in der Lederhalle. Nehmen Sie diese mit und geben Sie sie auch weiter.
Und nun seien Sie Gott befohlen. Einen gesegneten Sonntag und auch eine gesegnete Woche noch. Auf Wiedersehen!