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Jesus – seine Flucht und Rückkehr

Die ersten Jahre im Leben von Jesus, Teil 4/4
01.07.2017Matthäus 2,13-23

Jesus – seine Flucht und Rückkehr

Reihe: Die ersten Jahre im Leben von Jesus (4/4)

Matthäus-Evangelium 2,13-23

Einleitende Gedanken

Über 65 Millionen Menschen – ca. acht Mal die Bevölkerung der Schweiz – sind auf der Flucht. Diese gigantische Masse von heimatlos gewordenen Menschen kann man sich gar nicht vorstellen. Welches Elend diese Menschen ertragen müssen, können wir nur erahnen. Täglich sehen wir schreckliche Bilder, die uns dieses Elend nur einseitig vor Augen führen können, denn wir spüren weder die Kälte, noch riechen wir die Gerüche von einschlagenden Bomben und verstorbenen Menschen. Wir können das alles in unseren warmen Wohnzimmern anschauen. Diese Menschen wissen Monate und manchmal über Jahre nicht, ob sie je einen Ort finden werden, an dem sie angstfrei und menschenwürdig leben können. Für diese unbeschreiblichen Tragödien gibt es leider keine einfachen Lösungen. Wären wir Menschen im Kern unseres Wesens so gut, wie das allgemein behauptet und geglaubt wird, dann hätten diese Probleme schon längst gelöst werden können. Nein – diese Probleme müssten gar nicht gelöst werden, denn wenn der Mensch gut wäre, hätten diese Menschen gar nie flüchten müssen. In den ganzen Diskussionen um und über die Flüchtlinge könnte bei uns Christen in Vergessenheit geraten, dass Jesus damals auch ein Flüchtling war. Eigentlich war er während seinem ganzen Leben auf dieser Erde ein Heimatloser. Als ein Mann Jesus nachfolgen wollte und ihm sagte, er würde ihn an jeden Ort begleiten, antwortete Jesus: „Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel ihre Nester; aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sich ausruhen kann.“ Mt.8,20. Und die Heimatlosigkeit von Jesus war noch viel tiefgründiger, als keinen eigenen, festen Platz zu haben. Seine tiefe und schmerzliche Heimatlosigkeit bestand darin, dass er von seinem eigenen Volk verstossen wurde. Johannes beschrieb das so: „Jesus kam zu seinem Volk, aber sein Volk wollte nichts von ihm wissen.“ Joh.1,11. Oft musste Jesus fliehen und sich verstecken, weil man ihn töten wollte. Das begann schon mit seiner Geburt. Geboren in einem Stall, weil seine Eltern keinen anderen Platz bekommen hatten, musste er mit seiner Familie in ein fremdes Land fliehen. So wie das heute Millionen von Menschen tun müssen, wollen sie überleben. Mit dieser Flucht von Jesus nach Ägypten und seiner Rückkehr werden wir uns heute beschäftigen.

Asyl in Ägypten

Herodes forderte die Weisen auf, sie sollten ihm berichten, wo sie den König der Juden gefunden hätten, damit er ihn auch besuchen und ihm Ehre erweisen könnte. Doch Gott befahl den Weisen nicht zu Herodes zurückzukehren. So reisten sie auf direktem Weg nach Hause. Kaum hatten die Weisen das Land verlassen, erschien Josef im Traum der Engel Gottes. Dieser sagte ihm unmissverständlich: „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten! Bleib dort, bis ich dir neue Anweisungen gebe. Denn Herodes wird das Kind suchen lassen, weil er es umbringen will.“ Mt.2,13. Dieses Vorhaben, Jesus zu töten, entbehrt jeder Vernunft. Wie sollte dieses Kind das Königreich des Herodes in Gefahr bringen? Herodes wurde vom römischen Kaiser zum König der Juden ernannt und eingesetzt. Diese Stellung konnte man ihm nicht einfach wegnehmen, ohne mit der Schutzmacht Rom in Schwierigkeit zu kommen. Rom hätte damals keinen selbsternannten König akzeptiert. Theoretisch musste das Herodes klar gewesen sein. Aber im Leben regiert nicht immer die Vernunft. Uns wird hier ein Sprichwort vor Augen geführt, das wir heute noch verwenden, wenn Menschen entgegen jeder Vernunft zerstörerisch handeln. Wir sagen dann: «Der wird vom Teufel geritten.» Und das dürfte bei Herodes im wahrsten Sinne des Wortes 100%ig zugetroffen haben. Der Widersacher Gottes setzte alles daran, Jesus zu beseitigen, bevor er sein Rettungswerk vollenden konnte. Herodes in seiner blindwütigen Herrschsucht und seinem Verfolgungswahn war für den Teufel ein hervorragendes Instrument, um seinem Ziel näher zu kommen. Aber Gott war fest entschlossen diese Rettungsaktion zu Ende zu bringen. Deshalb musste Jesus in Sicherheit gebracht werden, denn nur sein Sohn, der sündlos war, konnte das Problem unserer Schuld lösen. Wäre Jesus getötet worden, hätte Gott nicht einfach einen anderen Menschen für die Rettung nehmen können. Nur der Sohn Gottes kann uns retten. Nur der Sündlose konnte für unsere Sünden sterben. Nun - Josef reagierte sofort auf die Anweisung des Engels. „Josef stand mitten in der Nacht auf und machte sich mit dem Kind und dessen Mutter auf den Weg nach Ägypten.“ Mt.2,14. Übrigens wurde damals Ägypten, wie Israel, vom römischen Reich kontrolliert und beherrscht. Wir sehen hier auf dieser Karte, wie gross und einflussreich das mächtige Rom zu jener Zeit war. So floh Josef mit seiner Familie nach Ägypten, in das Land, in dem das Volk Israel über 400 Jahre unterdrückt wurde. Diesmal wurde Ägypten jedoch zum Schutzraum für den Messias. Dort blieben sie, bis Herodes starb. Matthäus sah in diesem Ereignis die Erfüllung einer prophetischen Aussage: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.“ Mt.2,15. Das hatte der Prophet Hosea geschrieben: „Als Israel jung war, hatte ich ihn lieb und rief ihn, meinen Sohn, aus Ägypten.“ Hos.11,1. Hosea bezeichnete hier das Volk Israel als Gottes Sohn. Mit dem Hinweis auf diese Aussage will Matthäus sagen, dass Jesus auf eine einzigartige Art und Weise Gottes Sohn ist und sich in ihm das Volk Gottes vollständig verkörpert. Oder anders gesagt: Alles, was Gott seinem Volk Israel versprochen hatte, findet jetzt in Jesus seine 100%ige Erfüllung.

Lautes Weinen in Betlehem

Während Jesus mit seinen Eltern nach Ägypten floh, ereignete sich Schreckliches in Betlehem und den umliegenden Orten. Herodes merkte, dass er von den Weisen getäuscht worden war und sie ohne ihn zu besuchen abgereist waren. Er glühte vor Wut! Erstaunlich ist, dass er die Weisen allein nach Betlehem reisen liess. Er hätte seine Soldaten mit einem geheimen Auftrag mitschicken können. Aber da hielt Gott mit Sicherheit seine schützende Hand über seinem Sohn. Aber in seiner Wut wollte Herodes alles tun, damit ihm dieser neugeborene König nicht gefährlich werden konnte. „Er schickte seine Leute nach Betlehem und liess in den Familien der Stadt und der ganzen Umgebung alle Söhne im Alter von zwei Jahren und darunter töten. Das entsprach dem Zeitpunkt, den er von den Sterndeutern in Erfahrung gebracht hatte.“ Mt.2,16. Übrigens ein Vorgehen, das im römischen Reich bereits ein Vorbild hatte. Bevor Octavian, der spätere Kaiser Augustus, geboren wurde, also ca. 60 v.Chr., machte in Rom das Gerücht die Runde, dass die Natur im Begriff sei, dem römischen Volk einen König zu gebären. Der Senat in Rom erschrak über dieses Gerücht und beschloss, dass in diesem Jahr kein geborenes Kind lebend aufgezogen werden dürfe. Dieser Senatsbeschluss wurde jedoch nicht ausgeführt, weil die Männer, deren Frauen schwanger waren, diese in der Hoffnung beschützten, dass ihre Frau den zukünftigen König in sich tragen könnte. Der Befehl des Herodes wurde leider ausgeführt. Eine weitere seiner unzähligen Gräueltaten. Da Betlehem und die Umgegend nicht so viele Einwohner hatte, geht man davon aus, dass ungefähr 10 bis 20 Kinder getötet wurden. Für die betroffenen Familien ein unbeschreiblicher Schmerz, dem Matthäus mit Bezug auf ein prophetisches Wort Ausdruck gibt: „Ein Geschrei ist in Rama zu hören, lautes Weinen und Klagen: Rahel weint um ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen, denn sie sind nicht mehr da.“ Mt.2,18. Rahel, die Lieblingsfrau von Jakob, galt als Muttergestalt des Volkes Israels. Als Jeremia das aufgeschrieben hatte, war Rahel bereits gestorben. So erzählte Jakob: „Als ich aus Mesopotamien kam, starb mir Rahel im Land Kanaan auf der Reise, als noch eine Strecke Weges war nach Efrata, und ich begrub sie dort an dem Wege nach Efrata, das nun Betlehem heisst.“ Gen.48,7. Diese Grabstätte lag ca. 8 km nördlich von Jerusalem. Jeremia verwendet hier eine bildliche Sprache, denn Rahel beweint ihre Kinder, das Volk Israel, als diese an ihrem Grab vorbei in die Gefangenschaft geführt wurden. Es ist so, wie wenn wir heute sagen, dass sich noch jemand im Grab umdrehen würde. Jeremia sagt, dass Rahel weinen würde, würde sie sehen, wie ihr Volk in die Gefangenschaft geführt wird. Doch ihre Tränen werden sich in Freude verwandeln, denn Jeremia schreibt weiter: „So spricht der Herr: Lass dein Schreien und Weinen und die Tränen deiner Augen; denn deine Mühe wird noch belohnt werden, spricht der Herr. Sie sollen wiederkommen aus dem Lande des Feindes. und deine Nachkommen haben viel Gutes zu erwarten, spricht der Herr, denn deine Söhne sollen wieder in ihre Heimat kommen.“ Jer.31,16-17. Matthäus wollte also nicht sagen, dass Gott diese Kindermorde geplant und veranlasst hatte. Er hatte das nicht vorherbestimmt. Die Tötung der Kinder ist das Werk des Widersachers Gottes. Mit dem Hinweis auf das prophetische Wort aus Jeremia will Matthäus auf die höhere Dimension dieses Geschehen hinweisen. Er will die betroffenen Familien trösten und uns sagen, dass alles gut kommen wird. Ein Kommentator schreibt das so: «Dieses Wort will den Müttern in Betlehem sagen, dass auch ihre Kinder, die um des Messias willen ihr Leben lassen mussten, wiederkommen werden und zwar in der himmlischen Welt.» Das Weinen und Klagen wird sich in Freude verwandeln. Nicht, dass wir nicht weinen sollen, aber es wird der Tag kommen, an dem wir sehen werden, dass diese Schmerzen ein unumgängliches Übel dieser Zeit waren. Es wird der Tag kommen, an dem sich alles zum Guten wenden wird, wie wir das in der Offenbarung lesen: „Seht, die Wohnung Gottes ist jetzt bei den Menschen! Gott wird in ihrer Mitte wohnen. Er wird alle ihre Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid und keine Schmerzen, und es werden keine Angstschreie mehr zu hören sein. Denn was früher war, ist vergangen.“ Offb.21,3-4. Die betroffenen Familien können in ihrem fürchterlichen Schmerz über dem brutalen Verlust ihrer Kinder, den Schimmer der Hoffnung erblicken. Sie wissen aus der Geschichte Israels, dass der Weg in die Herrlichkeit durch Leid und Schmerz hindurchgeht.

Neue Heimat in Galiläa

Herodes wurde schwer krank und musste grauenhafte Qualen ertragen. Die ausführliche Beschreibung des Josephus möchte ich euch ersparen. Offensichtlich wollte Josephus damit zeigen, dass dieser rücksichtslose und mordende Herrscher für seine Taten am Ende bezahlen musste. Wie auch immer - Herodes starb 4 v.Chr., indem er sich schlussendlich selber tötete, um sich von seinen unerträglichen Schmerzen und seinem fürchterlichen Verwesungsgestank zu befreien. Herodes hinterliess ein grosses Reich, das der römische Kaiser unterteilte und jedem seiner drei verbliebenen Söhne ein Gebiet zur Verwaltung übergab. Philippus bekam Ituräa und Trachonitis. Antipas erhielt Galiläa und Peräa. Archelaus bekam Judäa, Samaria und Idumäa. Jetzt konnte Josef mit seiner Familie wieder nach Israel zurückkommen. Das Startzeichen bekam er wie früher in einem Traum. Josef hatte in Ägypten einen Traum; darin erschien ihm ein Engel des Herrn und sagte: „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und geh wieder nach Israel! Denn die, die dem Kind nach dem Leben trachteten, sind tot.“ Mt.2,20. Und Josef reagierte wie er das immer tat und wie es für einen gottesfürchtigen Menschen selbstverständlich ist. „Josef stand auf und kehrte mit dem Kind und dessen Mutter nach Israel zurück.“ Mt.2,21. Josef wollte sich in Betlehem niederlassen. Das zeigt uns, dass Maria und Josef nach der Geburt von Jesus in Betlehem bleiben wollten. Doch es gab ein grosses Hindernis. „Josef fürchtete sich davor, nach Judäa zu ziehen, weil er hörte, dass dort als Nachfolger von Herodes dessen Sohn Archelaus regierte.“ Mt.2,22. Archelaus war noch tyrannischer, launischer und brutaler als sein Vater Herodes der Grosse. Als die Juden und Samaritaner von seiner Herrschaft genug hatten, sandten sie eine Delegation nach Rom, um ihn beim Kaiser zu verklagen. Daraufhin entmachtete Rom Archelaus 6 n.Chr. und schickte ihn ins Exil. Das Gebiet wurde in eine römische Provinz umgewandelt, die dann von einem römischen Statthalter verwaltet wurde. Zurzeit als Jesus gekreuzigt wurde, war das Pontius Pilatus. Weil nun Josef von der tyrannischen und launischen Herrschaft Archelaus wusste, hatte er Angst nach Betlehem zu gehen. „Auf eine Weisung hin, die er im Traum erhielt, ging er in das Gebiet von Galiläa.“ Mt.2,22. Dort liess er sich in der Stadt Nazareth nieder, dort wo er und Maria aufgewachsen waren. Und zum Schluss sagte Matthäus noch: „Auf diese Weise erfüllte sich, was durch die Propheten vorausgesagt worden war: Er sollte Nazarener genannt werden.“ Mt.2,23. Schlussgedanke Kaum war Jesus geboren, wurde er verfolgt. Im Grund war er während seiner ganzen Zeit, die er auf dieser Erde verbrachte, ein Heimatloser. So ist er uns zum Vorbild für unser Leben geworden. Denn auch wir sind Reisende auf dieser Erde, auch wenn wir einen festen Wohnsitz haben. Doch früher oder später werden wir diese Erde verlassen müssen. Wenn wir Jesus nachfolgen, dann wird unsere Heimatlosigkeit noch konkreter. Wer durch den Glauben an Jesus Christus ewiges Leben bekommen hat, der entfremdet sich in gewisser Weise dieser Welt. So sagte Jesus seinen Jüngern: „Die Menschen würden euch lieben, wenn ihr zu dieser Welt gehören würdet, denn die Welt liebt ihresgleichen. Doch ihr gehört nicht zur Welt; ich habe euch aus der Welt heraus erwählt. Das ist der Grund, warum sie euch hasst.“ Joh.15,19. Uns trifft dasselbe Los wie Jesus, denn er sagte noch: „Ein Diener ist nicht grösser als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen. Wenn sie sich nach meinem Wort gerichtet haben, werden sie sich auch nach eurem Wort richten.“ Joh.15,20. Wir sind eine gewisse Zeit in dieser Welt unterwegs. Vermutlich werden uns in diesem Jahr Geschwister verlassen. Das ist der Welten Lauf. Doch wer mit Jesus unterwegs ist, der hat ein klares Ziel vor Augen. Ein Ziel, das sich lohnt. Im Hebräer steht: „Hier auf der Erde gibt es keinen Ort, der wirklich unsere Heimat wäre und wo wir für immer bleiben könnten. Unsere ganze Sehnsucht gilt jener zukünftigen Stadt, zu der wir unterwegs sind.“ Hebr.13,14. Jesus war unterwegs zu dieser Stadt und wir sollten nie vergessen, dass auch wir zu dieser Stadt unterwegs sind. Das hilft uns, uns nicht zu stark an Vergänglichem festzuklammern, sondern uns nach vorne auszurichten. Machen wir es wie Paulus, der den Philippern geschrieben hat: „Ich lasse das, was hinter mir liegt, bewusst zurück, konzentriere mich völlig auf das, was vor mir liegt, und laufe mit ganzer Kraft dem Ziel entgegen, um den Siegespreis zu bekommen – den Preis, der in der Teilhabe an der himmlischen Welt besteht, zu der uns Gott durch Jesus Christus berufen hat.“ Phil 3,13-14