Die Bedeutung der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem
So viele Menschen sehen in diesen Tagen nur die Armut im Stall von Bethlehem. Dabei ist es gut, dass die Propheten uns das Wort Gottes sagen: Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben. Die Herrschaft ruht auf seiner Schulter, und er heißt wunderbarer Rat, Kraftheld.
Dieses kleine Kind ist Kraftheld, Ewigvater, Friedefürst!
Nun wollen wir miteinander singen. Heute haben wir zwar eine kleine Herausforderung: Gestern Abend ist noch die Organistin krank geworden. Aber jetzt ist alles prima. Wir haben Klavier und Posaunen, und das wird schön werden.
Dreiunddreißig: Jauchzet, ihr Himmel, frohlocket, ihr Engel in Chören! Dreiunddreißig, die Verse eins bis vier.
Wir wollen beten:
Du, unser Herr, unser König, unser Heiland, Jesus Christus, wir wollen Dich in diesen Tagen anbeten und Dir danken, dass Du so nahe zu uns kommst. Du kennst all die Not dieser Welt, alle Schwäche, alles Versagen, auch alle Sünde und alles Böse. Wir freuen uns, dass Du alles verwandeln kannst.
Wir dürfen in Deinem Kommen die unendliche Liebe Gottes erfahren und entdecken. Jetzt gib uns doch, dass wir ganz neu dafür Augen bekommen und beschenkt werden. Möge diese Freude uns tragen und erfüllen.
So wollen wir Dir jetzt auch in der Stille alles bringen, was uns bewegt.
Wir danken Dir, dass wir von Deinem Fülle nehmen dürfen – Gnade um Gnade. Amen.
Die Demut und Erhöhung Christi
Nun lesen wir aus dem Philippabrief, Kapitel 2, Verse 5 bis 11, eine ganz ungeheuer eindrückliche Beschreibung des Wunders, das Thierstegen vorhin in seinem Lied so beschrieben hat: wie tief sich der Höchste hier beuget.
Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht. Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, gottgleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst, nahm Knechtsgestalt an, wurde den Menschen gleich und wurde der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
Er erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, damit in dem Namen Jesus – das heißt der Name Heilender, Herr hilft, Jeschua – sich alle Knie beugen sollen, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes des Vaters.
Unser Gesangbuch hat ein Weihnachtslied, das für manche vielleicht zu den neuen gehört. Für mich ist eines der schönsten Weihnachtslieder von Jochen Klepper: „Sieh nicht an, was du selber bist“. Dort heißt es bis zum Schluss: Wir sind doch die, die in Windeln gepackt werden.
Es ist oft in den Altenpflegeheimen die letzte Demütigung, dass man uns wieder in Windeln packt. Und da hat er dich erlöst aus der Tiefe deines Gefallenseins als Mensch. Da will er dich herausholen.
Dieses Lied wollen wir singen – alle fünf Verse von Lied 407.
Die Gnade Jesu und die bewusste Armut
Zweiter Korinther 8, Vers 9 ist heute der Predigttext nach unserer württembergischen Predigtordnung. Er steht im Zusammenhang mit einem Kapitel, das die Geldsammlung für die notleidende Gemeinde von Jerusalem behandelt.
In diesem Kapitel erwähnt Paulus praktisch in einem Nebensatz die Bedeutung der Geburt Jesu. Dieser Nebensatz ist so groß und so wunderbar, dass es sich lohnt, ihn jetzt allein in den Mittelpunkt zu stellen.
Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus – kennen Sie die Gnade unseres Herrn Jesus Christus? Ist das Wort nicht schwierig? Gnade meint Gunst, Güte. Obwohl er reich war, wurde er doch arm um eurer Willen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
Dass Jesus im Stall von Bethlehem geboren wurde, ist keine Panne. Pannen gibt es im menschlichen Leben ja durchaus. Manche Menschen werden im Flugzeug geboren, andere in einem Taxi, weil irgendwo etwas versäumt wurde oder nicht ganz richtig lief.
Aber die Armseligkeit des Stalles war ganz bewusst so gewollt und herbeigeführt. Für Jesus war kein Raum in der Herberge, deshalb wurde er in der Futterkrippe geboren. Das hat Gott gewollt. Gott hat es sogar getimt. Es musste so sein.
Bei uns im Schwabenland gibt es eine Spielzeugfirma, deren Markenzeichen ein Knopf im Ohr ist. Und es gibt eine Autofirma, die einen Stern auf die Karosserie, auf die Motorhaube setzt – das ist ihr Markenzeichen.
Das Markenzeichen Gottes in unserer Welt ist, dass sein Sohn in Armut geboren wird – in Armut, im Elend, ohne irgendetwas. Das ist für Gott ein Ort, ein Ehrenzeichen und ein Schmuckstück.
Darüber muss ich jetzt zuerst sprechen. Das ist die Art der Selbstverwirklichung Jesu.
Selbstverwirklichung versus Gottes Weg der Demut
Das ist die Art der Selbstverwirklichung Jesu. Selbstverwirklichung spielt in unseren Tagen eine große Rolle. Viele sagen: „Ich muss mich doch selbst verwirklichen, ich habe doch ein Recht darauf, dass mein Leben zur Entfaltung kommt.“ Dieses Wort ist typisch für unsere Zeit und bewegt jeden. Die Frage lautet: Wie komme ich zur Entfaltung meines Wesens und meines Lebens?
Das kann zu erheblichen Problemen führen. Nehmen wir zum Beispiel eine Mutter, die begabt ist, studiert hat, ein gutes Examen abgelegt und vielleicht sogar einen Doktorgrad erworben hat. Plötzlich verbringt sie ihre Zeit nur noch damit, bei den Kindern die Windeln zu wechseln. Nach einigen Jahren stellt sich die Frage: Wie kann ich mich selbst verwirklichen? Soll ich meine Kinder ins Heim geben, um Oberstudiendirektorin zu werden? Muss ich mich doch selbst verwirklichen?
Wer von uns hat sich nicht schon gefragt, ob er den richtigen Beruf gewählt hat? Meine Gaben kommen doch nicht zur Entfaltung, wenn ich blöde Kollegen habe. Ich muss doch ganz anders zur Entfaltung kommen! Es ist ganz natürlich, dass eine Frau nach 15 oder 20 Jahren Ehe sagt: „Was bin ich eigentlich blöd? Soll ich das noch länger mitmachen? Ich will mich mal als Single verwirklichen.“
Es ist auch nicht verwunderlich, dass Menschen, die 15 oder 20 Jahre Single waren, sagen: „Ach, ich könnte doch auch eine geschätzte und geehrte Ehefrau sein.“ Sie wollen sich verwirklichen. Das ist ein Traum. In uns lebt eine Sehnsucht, eine ganz große Sehnsucht: Ich muss doch meine Gaben und meinen Wert auf den Leuchter stellen! Die Leute müssen doch sehen, wer ich bin und was ich kann.
Hat nicht jeder Mensch so einen unbändigen Willen? Unsere Kinder – wir freuen uns, dass sie heute dabei sind – haben diesen Willen schon. Wenn ich mal groß bin, haben sie Pläne. „Wenn ich mal groß bin, dann mache ich etwas ganz Tolles. Wenn keine Mama und kein Papa mir mehr wehren kann, dann kann ich mich entfalten.“ So empfinden es Menschen natürlich immer. Das ist keine Erscheinung unseres zwanzigsten Jahrhunderts.
Schon Adam und Eva im Paradies hatten diesen Drang. Warum muss Gott uns gerade hier etwas in den Weg legen? „Ich will mich darüber hinwegsetzen, denn sein Gebot hemmt mich in meiner Selbstentfaltung.“ Und das erscheint uns immer ärgerlicher. „Wie kann man denn überhaupt Gebote haben? In der Bibel geht das doch gar nicht, die hemmen ja meine Selbstentfaltung.“
Im Zeitalter der Menschenrechte hat auch jeder von uns die Neigung zu sagen: „Ich will noch mehr Freiheit! Die Gesellschaft hindert mich an meiner Selbstverwirklichung.“ Wir, die über finanzielle Möglichkeiten verfügen wie keine andere Nation der Welt, empfinden das immer noch so. Deshalb laufen so viele Leute missmutig herum und sagen: „Ich kann mich nicht richtig selbst verwirklichen.“
Das ist der große Traum unserer Zeit, der alle Menschen ergriffen hat. Nur Gott der Herr denkt umgekehrt. Er will nicht hoch hinaus, er hat es auch gar nicht nötig. Seine Autorität ist unbestritten. Das, was in der Weihnachtsgeschichte geschieht, stellt Jesus, den gehorsamen Sohn, dar. Er ist die Umsetzung der Gedanken des ewigen Vaters.
Gott hat ein dauerndes Denken: Er will in die Niedrigkeit hinabsteigen. Das will keiner von uns, ganz unten sein, ganz unten hinuntersteigen, einen Abstieg machen.
Die Erniedrigung Jesu und ihr Sinn
Wenn Gott Mensch wird, ist das ein unglaublicher Abstieg. Man kann sich kaum vorstellen, was das für uns bedeuten würde, von unserer Höhe herabzusteigen. Es gibt kein vergleichbares Bild dafür. Doch Gott wird nicht einfach nur ein Mensch, wie man es von einem Dichter, Künstler, König oder Herrscher erwarten würde, der sich verehren lässt.
Wenn Gott hinabsteigt und Mensch wird, nimmt er die allerunterste Stufe ein. Er wird bettelarm, gering und niedrig. Er wird in einem Stall geboren – nicht einmal in einem Kinderbett oder einem Peidibett, sondern an einem Ort, wo die Tiere fressen und der Stallgeruch herrscht. Dort kehrt der Herr aller Herren ein.
Man muss immer wieder sehen, wo er herkommt: aus der Welt Gottes, wo es den Engeln eine Freude ist, jeden Wunsch des Sohnes, des eingeborenen Sohnes vom Vater, zu erfüllen. Doch jetzt geht er in eine Welt, in der selbst seine treuesten Freunde ihm nicht gehorsam sind. Selbst die Frommen, die im Wort Gottes zu Hause sind, regen sich über ihn auf und stoßen ihn hinaus. Dort herrscht Feindschaft.
Das hängt alles damit zusammen, dass Jesus schon kurz nach seiner Geburt Flüchtling wird und nach Ägypten fliehen muss. Er ist in eine Familie hineingeboren, die ihn nicht versteht. Kennen Sie die Reibungen im Geschwisterkreis? Er muss seiner Mutter untertan sein. Wie schwer ist es für den Herrn aller Herren, gering zu sein!
Das ganze Leben Jesu ist ein Leiden des Hinabsteigens und Geringseins. Er wird verachtet, verspottet, verlacht und verhöhnt. Die Demütigung ist so groß, dass selbst eine lächerliche Figur wie Pilatus ihn verhöhnt. Was ist unsere Menschenehre, die Politiker haben? Was ist das? Es war doch bloß Blutschweiß und Tränen.
Pilatus sitzt da vor Jesus und lächelt: „Wer bist du denn eigentlich?“ Er demütigt den Herrn aller Herren, so wie wir in unserem Leben Jesus schon oft abgewiesen haben. „Ich brauche dich doch nicht als Heiland, geh doch weg, du bist lästig.“
Die Kreuzigung, die Dornenkrone und die Grablegung waren alles Teile dieser ungeheuren Erniedrigung. Jesus hatte nicht einmal einen Platz, wo er sein Haupt hinlegen konnte. Jeder von uns hat viel mehr Ehre, viel mehr Anerkennung und viel mehr gute Worte.
In den Weihnachtsliedern wird das ganz wunderbar besungen. Das ewig Gute verwandelt sich in unser armes Fleisch und Blut. Ich liebe besonders die Verse aus dem Lied „Ich stehe in deiner Krippe hier“, wo Paul Gerhardt das unvergleichlich ausdrückt:
Für edle Kinder großer Herren gehören güldene Wiegen. Ach, Heu und Stroh sind viel zu schlecht. Samt Seide und Purpur wären recht, dies Kindlein daraufzulegen. Nehmt weg das Heu, nehmt weg das Stroh. Ich will mir Blumen holen, dass meines Heilands Lager sei auf lieblichen Veilchen, mit Rosen, Nelken, Rosmarin. Aus schönen Gärten will ich ihn von oben her beschreuen.
Aber er will es nicht. Was will er denn? Er will dort kommen, wo ich bin, in die Niedrigkeit. Er will in mein Herz hinein, wo die Wüste hässlicher Gedanken herrscht, wo Neid und Eifersucht stark sind. Dort will er hinein. Er will nicht die Blumen, den Rosmarin oder die Veilchen, sondern er will mein Herz. Und er geht hinunter in diese Tiefe.
Die Herausforderung der Nachfolge und das wahre Evangelium
Wir haben das oft in den Weihnachtstagen gehört: Er erniedrigt sich selbst. Doch ich glaube, wir haben es nie wirklich begriffen. Im Lauf der Kirchengeschichte hat kaum jemand verstanden, was die Erniedrigung Jesu wirklich bedeutet.
Vor allem hätte ich heute am liebsten keine Predigt gehalten, sondern Ihnen nur die Worte von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf vorgelesen. Vielleicht hätten Sie sie nicht verstanden, weil die Sprache altertümlich ist. Er stammte aus den höchsten Adelskreisen des Reichsadels. Sein Stiefvater war Generalfeldmarschall. Doch er wurde gedemütigt, ganz tief gedemütigt.
In seiner Kindheit wurde er nur in der Senfte von der Dienerschaft getragen. Im Alter von neunzehn Jahren lag ihm ganz Paris zu Füßen. Er war der beste Tänzer auf dem Parkett. Doch um Jesu Willen wurde er gering, so arm, dass er nicht einmal mehr ein Pferd zum Reiten hatte. Er wurde von seinen Adelsfreunden verlacht.
Er sagte: Das ist das Geheimnis des Reiches Gottes. So arbeitet Gott: Er macht seine Leute klein und gering und unterdrückt sie. Wenn wir mit ihm gehen, wenn wir nach Herrnhut und nach Halle gehen und diese Geschichte noch einmal auf den Spuren verfolgen, zeigt uns Gott durch solche Lebensbilder und Beispiele, was es bedeutet, gering zu werden.
Die doppelte Wirkung der Armut Christi
Zweitens: Wir werden unsagbar beschenkt. Er wurde arm – er wurde arm, und das nicht nur einfach so. Jetzt geht es weiter. Ich predige hier nur das Wort, und zwar um unseretwillen, damit wir durch seine Armut reich würden.
Mir fällt das jedes Mal an Weihnachten besonders schwer: Die meisten Menschen, die Weihnachten feiern, empfinden dabei hauptsächlich Mitleid. Dieses Gefühl wird oft auch noch durch viele Predigten verstärkt. „Ach, schaut doch die arme Not der Welt an“ und dann gibt man ein paar Pfennige oder ein paar Markscheine. Das ist rechtlich gesehen gut, und ich bin froh, dass die Menschen mildtätig sind – das ist wichtig. Aber das hat mit der Weihnachtsgeschichte nichts zu tun. Es ist keine rührselige Opfergeschichte.
Das einzige Thema der Weihnachtsgeschichte ist: Er beschenkt dich überreich. Nichts anderes steht in der Weihnachtsgeschichte. Er wurde arm um unseretwillen. Was war das Motiv Jesu? Es gibt ja Leute, die auch arm sein wollen, manche heucheln das, oder sie wollen dafür gelobt werden – es gibt viele Demutsheuchler und so weiter. Aber warum wird Jesus arm um unseretwillen? Weil er in unsere Armut einkehrt. Das Motiv seines Handelns ist Liebe.
Ich kenne kein Beispiel, wo so etwas in unserer Welt noch passiert – außer bei unseren lieben, verehrten Müttern. Nicht bei den Vätern, leider nicht, aber bei den Müttern. Warum tut eine Mutter ihrem Kind etwas Liebes? Nicht, damit sie im Alter eine Rentenversorgung hat, nicht, damit jemand beim Spülen abtrocknet. Warum liebt eine Mutter ihr Kind? Natürlich lieben auch Väter ihre Kinder, ich wollte es nur nicht so offen sagen – nicht, dass sich jemand aufregt oder etwas anderes denkt. Liebe ist der Grund. Warum? Weil es ihr Kind ist.
Aus lauter Liebe gibt eine Mutter alles. Dann wacht sie am Krankenbett. Die Liebe einer Mutter ist unsagbar groß. Und die Liebe, noch einmal hochpotenziert, ist die Liebe Jesu zu uns. Das können Sie überhaupt nicht verstehen: Er wurde arm um unseretwillen.
Mir fällt es schwer, das in kurzen Worten zu sagen. Sie müssen ein Leben lang darüber nachdenken, woher der Arm um unseretwillen kommt – nicht nur Fleisch und Blut, sondern in unser armes Fleisch und Blut tritt Jesus ein. Es geht noch viel weiter.
Die menschliche Arroganz und Gottes Offenbarung
Nochmal klar machen: Wir Menschen, die wir alle so hoch streben und uns selbst verwirklichen wollen, leugnen in unserer modernen Zeit immer wieder ein wichtiges Thema. Auch unter Christen wird dieses Thema häufig verdrängt.
Wir stolzen Menschen, Kinder, sind eitelarme Sünder und wissen gar nicht viel. Der moderne Mensch ist so dumm und primitiv, dass er das verdrängt. Dabei ist es eigentlich mit Händen zu greifen. Wir sehen es doch: Noch nie war die Welt so offensichtlich in ihrer ganzen Ohnmacht.
Unsere Generation ist die allerschlimmste. So hat noch keine Generation auf Kosten der Nachfolgenden gelebt. Verschuldet bis zum Gehtnichtmehr – wo sollen unsere armen Enkel das einmal bezahlen, was wir heute in sinnlosem Luxus vergeuden?
Und auch wenn wir mal sagen, wir seien doch intelligente Leute, so ist diese arme Menschheit doch so wenig verständig. Man sagt, das sind nicht die Fragen, die den modernen Menschen bewegen. Doch natürlich bewegen sie ihn. Aber er drückt sich davor. Der moderne Mensch ist so dumm, dass er nicht einmal darüber nachdenkt, dass er Staub und Asche ist und sterben muss.
Man müsste eigentlich nur darüber nachdenken, was das eigene Leben bedeutet. Doch wir verdrängen es. Aus lauter Begeisterung darüber, wie groß wir sind, und die Jugend, die heranwächst, sieht, was wir alles können mit unseren Möglichkeiten – mit Flugzeugen, Computern und Weltraumfahrt. Dabei sind die Fragen unseres Lebens ganz einfach.
Jesus kommt in unser Menschsein und deckt wieder auf, wer wir sind: in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend. Ganz ähnlich wie der Kasten, in dem man uns später ins Grab legt. Menschsein in Armut und Elend wird durch Jesus enthüllt.
Der Sohn Gottes kann es uns noch viel eindrücklicher zeigen: Er kommt in unser sündiges Fleisch, wo dieser Eigenwille tobt, diese Kraft, dieses „selber-was-sein-wollen“, dieses hochmütige Auftrumpfen. Und da kommt er hinein.
Darum wird Jesus doch Mensch. Warum denn? Bloß um uns namenlosen Menschen die Gotteskindschaft zu geben. Nur um diesen einen Punkt klarzumachen: In Zeit und Ewigkeit sind wir in der Liebe Gottes geborgen. Nichts kann uns aus der Hand Jesu reißen.
Das einzige Thema ist doch die Menschwerdung Jesu – erlöst, herausgewunden aus dieser vergehenden Welt. Kann es sein, dass für Christen die Welt attraktiv ist, eine Welt, die Erlösung braucht?
Wir werden reich gemacht durch Christus, wir werden ganz einfach beschenkt: Ich gehöre ihm.
Die wahre Größe des Armseins
Noch ein letzter Punkt: Entdecke doch, wie reich das Armsein macht. Er war arm – er war arm für uns. Jetzt entdecke doch, wie reich das Armsein macht.
Ich muss zuerst noch einmal darüber sprechen, weil es uns allen so sehr in Fleisch und Blut übergegangen ist. Es wäre doch toll, wenn man ein bisschen mehr Geld hätte. Es wäre doch toll, wenn man ein bisschen mehr Anerkennung und Ehre hätte. Es wäre doch toll – jetzt können wir alles einsetzen. Aber wissen Sie, dass alles nur Bluff ist.
In der Weihnachtsgeschichte tauchen sie alle auf, die Herren dieser Welt. Keiner ist so toll wie Augustus. Keiner ist so großartig; er vereint den ganzen Glanz der Antike, die griechische Philosophie, die griechische Kunst, die römische Kunst, die römische Weisheit – alles in sich. Er hat die volle Machtfülle, und doch ist er nur eine Randfigur der Weihnachtsgeschichte.
Selbst bei Bethlehem ist das so wunderbar gefügt: Elf Kilometer Luftlinie von Bethlehem entfernt liegt ein Berg, der nach Herodes benannt ist. Er war so etwas wie ein kleiner Augustus, den wir in der Geschichte den „Großen“ nennen. Ein prächtiger Tyrann und ein scheußlicher Mensch.
Und noch einmal: Was sind die Herren dieser Welt? Die Herren dieser Welt, die uns immer wieder als Vorbilder dienen wollen. Die Herren dieser Welt herrschen, aber so soll es unter euch nicht sein. Sie lassen sich verehren mit Titeln und Würdenamen. Es sind doch ganz arme Menschen, die ihr Lebensziel verfehlt haben.
Beim römischen Herrscher Antonius ist überliefert, dass er seinen Oberhofmeister angewiesen hat, alle zehn Minuten ein frisches Wildschwein auf den Spieß zu stecken, damit der gnädige Herr zu jeder Zeit das Fleisch in der richtigen Knusprigkeit bekommt.
Wir hätten alles haben können: Selbstverwirklichung ohne Grenzen – von sexueller Freiheit bis zur menschlichen Entfaltung war alles möglich. Und Jesus kommt hinein und zeigt, was noch größer ist als dieses Herrsein.
Es ist furchtbar, wenn Christen im geistlichen Herrsein leben wollen. Ich habe manchmal große Angst, dass das unser Traum ist: Schlagzeilen machen zu wollen. „Nur keine Herren und Herrleinen“, hat mal Hofacker seinem Missionskandidaten geschrieben. „Fegt aus, wascht den Boden, wascht einander die Füße – das ist eure Art.“ Denn genau das steht im Evangelium.
Die Herausforderung der modernen Evangeliumsverkündigung
Und jetzt ein paar kleine Beispiele.
Es hat mich neulich fasziniert, als das Windows-95-Programm auf den Markt kam. Wie sie das gemacht haben! Windows 95 – es gab keine Nation, keine Sprache der Welt, in der nicht in irgendeinem kleinen Käseblättchen etwas über Windows 95 stand. Public Relations, wie es besser nicht geht. So kann man auch das Evangelium verkaufen.
Es gibt unter uns rührige Manager, die das auch so machen wollen. Dann macht es doch auch so! Ich las in einem christlichen Plattenartikel: Da wurde im Ernst gesagt, man müsse das Evangelium so verkaufen wie Greenpeace, die verhindert hat, dass Prenzlauer Berg in der Nordsee versenkt wird. Die Christen müssten eine Organisation gründen, die über die ganze Welt wirkt und alle Kräfte zusammennehmen. Unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten, des UNO-Generalsekretärs – und warum nicht? Waren nicht alle vor 1900 Jahren ein bisschen naiv?
Das Evangelium können wir doch so verkaufen, wie Daimler Benz seine Nobelkarossen verkauft – den Leuten mal sagen: „Guck mal an, super!“ Oder wie Bertie Vogts Fußballnationalmannschaft. Warum sind Christen eigentlich immer so schlechte Geschäftsleute?
Wir haben letzte Woche einen jungen Mann getroffen, der zu mir sagte: „Weißt du, wir müssen das Evangelium jetzt ganz anders verkündigen. Zuerst Musik, wo die Leute sich wohlfühlen.“ Und dann hat er ein Wort geworfen, das nicht von mir war, aber wie bestellt für unsere Predigt heute: „Kein Wort mehr bitte wie die vorigen Generationen von der Selbstverleugnung.“ Das kann der junge Mensch heute nicht mehr hören – von der Selbstverleugnung. Können Sie das hören? Ich kann es nicht hören, ich weiche dem immer aus, ich weiche ihm täglich aus.
Das Evangelium anders als den gekreuzigten Jesus, der uns in seine Nachfolge ruft, der arm wurde um der anderen willen. Und auf einmal fällt mir ein, das war ja die Stimme des Versuchers, der zu Jesus sagt: „Jesus, komm, spring doch von der Tempelstelle, mach eine große Schau! Die Welt wird jubeln, du kommst im Fernsehen, niemand nimmt mehr Anstoß an dir.“ Weiche, Satan!
Und die Sache ist dies: Jesus geht durch die Welt und siegt, aber als das Wort der Törichten und der verachteten Gemeinde – so wie Jesus arm war. Bloß hat Jesus nicht daran gelitten. Ich habe Sorge, ob wir heute nicht das Evangelium an der entscheidenden Stelle verfälschen. Dann wäre es besser, wir würden überhaupt nichts mehr sagen, als das Evangelium an dieser Stelle auszuhebeln und eine Erfolgsstory daraus zu machen, der die Menschen jubelnd nachlaufen können.
Dabei geht es darum: „Wer mir will nachfolgen, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ Und die, die das Evangelium ausgebreitet haben – wer hat uns denn das Evangelium nach Europa gebracht? Namenlose Iroschotten, die meisten von ihnen wissen nicht mehr um die Geschichte. Sie haben Haus und Hof verlassen und sind nur durch Deutschland gezogen, durch das alte Germanien, und haben diesen komischen Wodans-Anbetern etwas gesagt von der Demut Jesu.
Was das für unsere alten Germanen waren! Sie waren so stolze Kriegsleute, große Kämpfer. Und dass das Größte ist, der sich entäußert und erniedrigt – unter Dienster Liebe. Das hat in unserem deutschen Land ungeheuer viel bewirkt.
Und jetzt müssen Sie wissen, dass es das Geheimnis der Reich-Gottes-Geschichte ist: Wo unser Herr je Erweckung geschenkt hat, wo er Aufbrüche geschenkt hat, da war es immer nur aus dem Armsein. Er hat seinen Boden nach kurzer Zeit wieder weggenommen, er hat sie auf die Seite gestellt, damit die überschwängliche Kraft Gottes sichtbar wird und nicht die Kraft von uns Menschen.
Beispiele gelebter Demut und Reichtum im Dienst
Lassen Sie mich nur zwei Beispiele aus der Geschichte erwähnen. Wir könnten viele Beispiele nehmen, auch aus unserer heutigen Zeit, doch ich will das nicht tun, da es um Lebende geht.
Mathilda Wrede, Tochter eines Barons und Gouverneurin in Vasa, begegnete im Alter von achtzehn Jahren einem inhaftierten Schmied, der Reparaturarbeiten in ihrem Haus ausführte. Sie unterhielt sich mit ihm und erkannte das Elend eines Menschen ohne Gott. Der Schmied sagte zu ihr: „Gnädiges Fräulein, wenn Sie uns doch einmal von dieser Liebe erzählen könnten!“
Wie wurde Mathilda Wrede, die später als „Engel der Gefangenen“ bekannt wurde? Ich möchte Ihnen die zwei Sätze vorlesen, die sie auf ihrem Sterbebett gesagt hat. Denn oft meinen wir, dass Armut und Dienen große Hindernisse für uns seien. Sie sagte: „Glaubst du, dass es auf der Welt noch einen so glücklichen Menschen gibt wie mich? Glaubst du, dass das Leben eines anderen Menschen so reich ist wie das meine?“
Ein anderes Beispiel ist David Livingstone. Er setzte sein ganzes Leben dafür ein, Afrika zu entwickeln, Industrie nach Afrika zu bringen und die grausame Geißel der Sklaverei zu besiegen. Dabei setzte er seine eigene Familie aufs Spiel, verzichtete auf vieles und wurde ausgemergelt. Man kann nicht zählen, wie viele Malariaanfälle er durchgemacht hat. Am Lebensende, vor seiner letzten Afrikareise, von der er nicht zurückkehren sollte, sprach er vor den Studenten von Cambridge. Was sagte er?
„Ich selbst habe nie aufgehört, mich zu freuen, dass Gott mich in einen solchen Beruf gestellt hat. Die Leute reden von einem Opfer, das ich gebracht haben soll, weil ich so viele Jahre meines Lebens in Afrika war. Kann man das ein Opfer nennen, wenn man doch nur Gott einen kleinen Teil der Schuld bezahlt, die man nie ganz bezahlen kann? Es ist ganz und gar kein Opfer. Sagt lieber, es sei ein großes Glück.“
Wie sagt Paulus hier: „Ihr kennt doch die Gnade“ – kennen Sie die Gnade Jesu? John Newton, der Kapitän eines Sklavenschiffes, erkannte das Wunder der Gnade Gottes. Aus der Gottlosigkeit wurde er erlöst. Das Allergrößte ist wohl, dass auch der kleinste Verkündiger des Evangeliums dies weitergeben darf. Das Allergrößte ist, solange ich noch auf Erden bin, etwas vom Allerschönsten und Allergrößten zu verkünden – von der Erniedrigung, vom Kleinsein, vom Geringsein.
Jetzt gehen Sie zurück in Ihre spannungsreiche Ehe, zurück unter Ihre Kollegen, in die Demütigungen Ihres Lebens. Darum hat Jesus für Sie gebeten: Leben Sie die Enttäuschung Jesu. Er macht Sie nicht arm, er macht Sie reich. Es ist gar nicht wichtig, wie viel Einfluss Sie nach dem Urteil der Menschen haben. Wichtig ist nur eins: dass Sie diesen neuen Lebenswert entdecken und finden – das, was wirklich reich macht und glücklich. Amen!
Abschluss mit Lobpreis und Gebet
Und nun singen wir das Lied „Fröhlich soll mein Herze springen“ 27, die Verse sechs bis zehn. Dabei singen wir die Verse sechs bis zehn ohne den Vers A, das sind fünf Verse.
Lass uns beten.
Lieber Herr, du hast uns unsagbar reich gemacht. Wir werden nie ans Ende kommen, vor dir nachzusinnen – vor deinem Bild mit einer Dornenkrone und deinen Wundmalen. So groß ist deine Liebe zu uns. Und je schlimmer unsere Schuld und unser Versäumnis ist, je ärger es ist, dass wir dich entehrt haben, umso mehr schenkst du uns deine Liebe und ziehst uns zu dir hin.
Vergib uns, wo wir dir gegenüber zweifeln, obwohl du uns alles gibst, was wir brauchen. Begleite uns auch jetzt, wenn wir zurückgehen in Not, Krankheit und Leiden. Wir denken jetzt auch an die Lieben, die oft pflegebedürftig sind oder von Schwermutsgedanken geplagt werden. Lass uns ihnen nur von dir und deiner Liebe sagen, dass du sie hältst und nie loslässt.
Hilf uns zu glauben, dass wir auch dann geborgen sind, wenn der Tod uns wegreißen will. Dass wir heimkommen in deinen Frieden.
Danke, Herr. Lass doch in unserer Welt diese Botschaft deines Erbarmens noch einmal siegen. Bewahre deine Christenheit vor der Versuchung der Welt, besonders in der Stunde der Versuchung. Dass wir nicht das Große wollen, sondern nur gehorsam für dich sind – sonst nichts.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Kommt, lasst uns Christus ehren, 29, die Verse 1 bis 5.
Hinweise zu den kommenden Feiertagen und Dank für die Unterstützung
Noch ein kurzes Wort zu den Feiertagen, die vor uns liegen. Es ist ein Geschenk, dass uns Gott auch freie Tage schenkt. Wir wollen sie genießen. Im Notizensettel stehen hinten alle Termine, die wir haben. Ich möchte nur noch sagen: Pfarrer Rieger hat bis zum siebten Januar Urlaub.
Am Silvester haben wir Hebräer 13 als Predigttext: Jesus Christus gestern und heute. Es ist ein köstliches Ding, dass das Herz fest wird. Morgens und abends gibt es denselben Gottesdienst, dieselbe Predigt. In beiden Gottesdiensten wird Abendmahl gefeiert, auch vormittags.
Am Neujahrstag ist die Jahreslosung Thema. Das Klagelied zu Beginn des Jahres ist zwar ein Klagelied, aber ein schönes. Es ist das Klagelied Jeremias. Die Barmherzigkeit Gottes hat noch kein Ende, sie ist jeden Morgen neu.
Das Erscheinungsfest feiern wir in einem ganz kleinen Kreis. Es ist mir ganz wichtig, dass das Evangelium in die Welt hinausdringt. 2. Korinther 4 sagt: Der Herr hat einen hellen Schein in unsere Herzen hineingegeben, damit durch uns die Erleuchtung geschieht, die das Evangelium durch den Geist Gottes bewirkt.
Am siebten Januar, am Sonntag, heißt das Thema „Der Knecht Gottes“ beziehungsweise „der Bote der Welt“. Das sind alles reguläre württembergische Predigtordnungstexte. Jesaja 42 sagt: „Das geknickte Rohr wird er nicht abbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen.“ Das ist sehr wichtig, damit Sie in diesen Tagen viel von der Botschaft mitnehmen und verstehen können.
Jetzt noch ein Wort zum Opfer: Wir haben so viel Liebe und erfahren immer wieder, was Sie an Diensten mittragen. Heute habe ich kein Projekt der Dritten Welt, sondern ich habe vor ein paar Wochen zufällig gehört, dass die wichtige Arbeit der Soldatenbibelkreise gewisse Finanzprobleme hat. Wenn man das hört, bewegt einen das sehr.
Ich freue mich, dass es einen Kreis von Christen gibt, aus Freikirchen und Landeskirchen, die wirklich unter Soldaten evangelisieren. Dort gibt es eine schöne Geschichte, in der der Kompaniechef sagt: „Stell dir mal vor, was mir passiert ist: Ich komme in den Geschäftstand, und da sitzt ein Soldat und liest die Bibel.“ So etwas gibt es wirklich. Darüber freuen wir uns sehr.
Wir wollen, dass diese Bibelkreise in der Bundeswehr gestärkt werden. Dafür wollen wir heute unsere Opfer geben. Für unsere jungen Leute ist es nicht leicht, in dieser feindlichen Atmosphäre zu leben. Wir waren immer wieder froh, dass sie viel Ermutigung und Stärkung durch diese Arbeit bekommen haben.
Wenn sich jemand dafür interessiert, kann ich gern die Adresse besorgen. Nun wollen wir den Segen des Herrn erbitten:
Herr, segne uns und behüte uns!
Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig!
Erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden!
Amen.