Einführung in die Thematik der Verwerfung Israels
Römer 11,11-15 wollen wir jetzt lesen:
Ich sage also: Sind sie etwa gestrauchelt, damit sie fallen und liegen bleiben? Das sei ferne! Vielmehr ist durch ihren Fehltritt das Heil zu den Heiden gekommen, um sie zur Eifersucht zu reizen.
Wenn aber ihr Fehltritt der Reichtum der Welt ist und ihr Niedergang der Reichtum der Völker, wie viel mehr wird ihre Fülle sein!
Wenn aber ihr Fehltritt der Reichtum der Welt ist und ihr Verlust der Reichtum der Heiden, wie viel mehr ihre Heilsfülle!
Denn euch, die ihr von den Völkern seid, sage ich: Insofern ich der Apostel der Heiden bin, verherrliche ich meinen Dienst. Wenn ich auf irgendeine Weise die, die mein Fleisch sind, zur Eifersucht reizen und etliche von ihnen retten kann.
Denn wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist, was ist dann das Willkommenheißen anderes als Leben aus den Toten?
In diesem Abschnitt geht es also um die zweite wichtige Aussage des Apostels: Israels Verwerfung ist nicht notwendigerweise endgültig.
Zuerst hat er gesagt, Israels Verwerfung sei nur zum Teil, denn es gibt einen Teil, der gar nicht verworfen ist. Das sind die, die an den Messias glauben.
Jetzt sagt er, Israels Verwerfung ist nicht notwendigerweise endgültig.
Wir merken, dass einige Verse hier nicht zu den einfachsten Bibelversen gehören. Es gibt viel Diskussion darüber, und wir wollen uns diese Verse langsam anschauen.
Vielleicht ist Ihnen auch aufgefallen, dass ich eine etwas andere Übersetzung verwende als die Schlachter-Übersetzung, besonders in Vers 12 und Vers 15. Das sind die entscheidenden Verse.
Ich lese noch einmal Vers 12 und bitte Sie, vielleicht Ihre eigene Übersetzung zu untersuchen und zu schauen, wo die Unterschiede liegen.
Bedeutung der Übersetzung und Textanalyse
Wenn Ihr Fehltritt der Reichtum der Welt ist und Ihr Verlust der Reichtum der Heiden, wie viel mehr ist dann Ihre Heilsfülle?
Vielleicht steht bei Ihnen einfach „Fülle“. Das ist vollkommen richtig. In der Fußnote der Schlachterübersetzung werden Sie jedoch finden, dass dort „Heilsfülle“ steht. Man kann also beides so übersetzen, denn das Wort bedeutet einfach „Fülle“. Wenn bei Ihnen „Vollzahl“ steht, sollten Sie das vielleicht korrigieren, denn es geht hier nicht um eine Zahl, sondern um die Fülle des Heils. Ich denke, die Luther- oder Elberfelder Übersetzung könnte hier „Heilsfülle“ verwenden.
In Vers 15 achten Sie bitte darauf: Dort heißt es: „Denn wenn Ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist“. Falls bei Ihnen in Klammern „zur Folge hat“ steht, dürfen Sie diese Klammer getrost streichen. Statt „zur Folge hat“ können Sie einfach „ist“ schreiben, denn im Griechischen steht hier nichts anderes als das Wort für „ist“. Das Wort „sein“ muss man sich hier nur ersetzen.
Es heißt also: „Denn wenn Ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist“ und dann geht es weiter: „Was ist das Willkommenheißen oder das Annehmen anderes als Leben aus den Toten?“ Sie müssten also zweimal „ist“ dort stehen haben. Wenn an beiden Stellen „zur Folge hat“ steht, sollte man das korrigieren, denn diese Wendung wurde eingefügt, steht aber nicht im Text. Wir wollen versuchen, den Text so zu betrachten, wie er ursprünglich stand. Das hilft nämlich zum besseren Verständnis.
Die Schlachterübersetzung ist eine sehr gute Übersetzung, aber manchmal darf man dem Übersetzer auch ein wenig über die Schulter blicken und sagen: Hier ist vielleicht eine kleine Korrektur notwendig.
Das war jetzt zur Übersetzung.
Die Frage nach der endgültigen Verwerfung Israels
Die Frage, die der Apostel hier stellt, lautet: Ist damit Israels Verwerfung endgültig? Hat Israel jetzt keine Chance mehr? Er spricht dabei immer von dem verworfenen Teil, während der andere Teil, der bei Christus ist – der Überrest – gerettet ist. Das ist wunderbar.
Was ist aber mit den anderen, die nicht glauben wollen? Der Apostel Paulus spricht von den Israeliten seiner Zeit. Das dürfen wir nicht vergessen. Er spricht nicht von irgendwelchen Israeliten, die in zweitausend Jahren leben werden, sondern von den Israeliten seiner eigenen Zeit.
Für sie ringt er in Gebeten und fleht zu Gott, dass sie zu Christus kommen. In Römer 10,1 lesen wir: „Mein Flehen zu Gott für Israel ist ihre Rettung.“ Paulus will alles tun, was in seiner Macht steht, um die Israeliten zu retten. Er möchte nicht, dass sie verloren gehen. Es geht immer um den Teil Israels, der jetzt nicht glaubt.
Wenn Gott sich also nun den Heiden zugewandt hat, bedeutet das nicht, dass die Israeliten keine Chance mehr haben. Im Gegenteil: Gerade die Tatsache, dass Gott sich jetzt den Heiden zuwendet, sollte die Israeliten zur Eifersucht reizen, damit sie gläubig werden.
Das ist der Gedanke in diesem Abschnitt. Durch die Bekehrung der Heiden sollen die Israeliten zur Eifersucht gereizt werden, um ebenfalls zum Heil zu kommen. Sie sollen zum Messias finden und erkennen, wie reich und herrlich die Heilsfülle in ihm ist.
Darum geht es hier.
Auslegung der Verse im Einzelnen
Vers 11: Stolpern und Heil für die Heiden
Sehen wir uns die Verse im Einzelnen an, besonders Vers elf: „Ich sage also, sie sind gestolpert, damit sie fallen und liegen bleiben sollten.“ Im Text steht „fallen“. Das Fallen bedeutet hier, dass man so stark stolpert, dass man liegen bleibt. Man stolpert also nicht nur und kann dann noch weiterlaufen, wie es manchmal möglich ist, sondern man stolpert so sehr, dass man am Boden liegt. Das ist gemeint.
Also: Sie stolperten, damit sie fallen und liegen bleiben sollten. Bedeutet das nun, dass sie den Messias abgelehnt haben? Heißt das, dass die Israeliten keine Chance mehr haben und niemals gerettet werden? Was ist mit den Verheißungen?
Der Apostel gibt zu, dass das schuldige Israel gerichtet werden wird. Aber soll es dabei bleiben? Gibt es keine Möglichkeit mehr? Das sei ferne, sagt Paulus. Das Heil ist durch ihren Fehltritt zu den Heiden gekommen.
Die Israeliten sagten: Nein, nein, wir wollen nicht. Jetzt kommt das Heil zu den Heiden. Paulus wendet sich also den Heiden zu, das Evangelium öffnet sich für sie. Gott sagt, alle sollen kommen. Weil die einen nicht kommen wollten, sollen die anderen kommen. Das Heil geht jetzt zu den Heiden.
Dennoch geht Paulus immer zuerst zu den Juden. Was sagt er? Wenn die Juden das Evangelium verwerfen, dann wende ich mich den Heiden zu, sagt er in Antiochien. Und dann geht er in die nächste Stadt. Wo fängt er wieder an? Wieder bei den Juden. Er kommt nach Thessalonich – wo fängt er an? Wieder bei den Juden. Erst wenn sie „Nein“ sagen, lästern und schlecht von ihm reden, dann geht er zu den Heiden.
Das heißt: Paulus versucht es immer wieder. Das ist sein Auftrag. Obwohl er der Heidenapostel ist, versucht er immer wieder, die Juden zuerst zu erreichen (siehe Römer 1,16). Das Evangelium gilt den Juden zuerst und auch den Griechen.
Er musste immer wieder erleben, dass seine eigenen Volksgenossen das Heilsangebot in Jesus Christus ausschlugen. Deshalb wandte er sich den Nichtjuden, den Heiden, zu.
Auf diese Weise kam es, dass durch ihren Fehltritt, durch ihre schuldhafte Ablehnung, das Heil zu den Völkern, zu den Heiden, kam.
Und wozu diente es, dass sie das Evangelium ablehnten? Paulus fragt: Wozu soll das in Gottes Plan dienen? Nun sagt Paulus, dass das Evangelium zu den Heiden geht – und das ist gut für Israel. Warum? Weil die Israeliten dadurch eifersüchtig werden sollen. Sie sollen gereizt werden.
Das ist sein Kampf um Israel. Er möchte, dass Israel gerettet wird. Gerade deshalb freut er sich, dass er zu den Heiden gehen kann. Wenn die Heiden das Evangelium annehmen, könnten die Juden hinüberschauen und sagen: „Oh, so viel bekommen die, so etwas bekommen sie durch den Messias, und wir haben ihn verworfen.“
Dann will Paulus auf diese Weise die Israeliten wieder zum Nachdenken bringen. Er möchte sie zur Eifersucht reizen, damit sie sich bekehren und gerettet werden.
Es soll also nicht bei dieser Ablehnung bleiben.
Und was lesen wir in Kapitel 10, Vers 21? Gottes Hände sind den ganzen Tag ausgestreckt nach diesem ungehorsamen Volk. Obwohl Gott sie verworfen hat, sind seine Hände immer noch ausgestreckt. Sie sind eben nicht endgültig verworfen. Sie dürfen sich bekehren, sie dürfen noch kommen.
Verhärtung bedeutet also nicht, dass die Israeliten keine Chance mehr haben. Nein, diese Verhärtung, die im Volk entstanden ist, soll dazu dienen, dass das Evangelium zu den Heiden kommt. Und wenn das Evangelium zu den Heiden kommt, dann soll das wiederum dazu dienen, dass diese Verhärteten wieder weich werden, zum Heiland kommen und gerettet werden.
Das ist sein großes Anliegen.
Vers 12: Verlust und Heilsfülle im Vergleich
Vers 12: Wenn ihr Fehltritt – das heißt ihre Ablehnung des Messias – der Reichtum der Welt ist und ihr Niedergang oder Verlust der Reichtum der Heiden, wie viel mehr dann ihre Heilsfülle?
Achten wir auf den Satzbau. Hier steht „Fülle“ im Gegensatz zu Schaden, Niedergang oder Verlust. Die Fülle steht dem Verlust gegenüber: Israels Verlust und Israels Fülle. Wenn schon ihr Fehltritt ausreicht, um der Welt Reichtum zu bringen, und ihr Verlust den Heiden Reichtum bringt, wie viel mehr ihre Fülle.
Es geht dabei nicht um Zahlen. Ich habe in Kommentaren nachgeschaut, und diese sagen, dass das Wort, das wir hier für Verlust haben, nichts mit Zahlen zu tun hat. Es bedeutet ihren Schaden, den sie erlitten haben. Ihr Schaden ist, dass sie den Messias zurückgewiesen haben. Das ist der Niedergang, der Schaden oder der Verlust.
Und wenn sie zur Heilsfülle kommen, oh, wie viel Reichtum wird das sein! Wie viel Reichtum wird sich da zeigen! Die Juden sind wie Bettler, die sehr töricht sind. Da ist ein Bettler, und du gibst ihm einen Goldklumpen. Der Bettler sagt: „Ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll. Ich kenne das nicht. Ich brauche 100 Euro, keinen Goldklumpen. Du kannst das wegwerfen!“ Dann bekommen andere den Goldklumpen, und der Bettler sieht, was man mit dem Goldklumpen alles kaufen kann.
Dann kommst du noch einmal mit dem Goldklumpen oder mit dem zweiten Goldklumpen und gibst ihn dem Bettler. Jetzt sagt er: „Oh doch, doch, doch, ich möchte den Goldklumpen schon haben.“ Erst jetzt wird ihm bewusst, wie reich diese Sache ist, die er vorher verworfen hat.
Der Gedanke, den der Apostel hier ausdrückt, ist genau dieser: Wenn der jüdische Verlust und Schaden der heidnischen Welt so viel Reichtum gebracht hat, wie viel mehr wird dann dieser Reichtum herausgestellt werden, wenn die Juden zur Eifersucht gereizt werden und das Heil annehmen. Dann wird erst richtig deutlich, wie reich diese Sache ist.
Wenn diese törichten Bettler Buße tun, ihre Torheit einsehen und die Fülle des Reichtums in Jesus Christus annehmen, zeigen sie dadurch, dass dieser Reichtum ein übergroßer Reichtum ist.
Diese Stelle, dieser Vers, ist sehr umstritten. Der Gedanke, der hier ausgedrückt wird, ist nicht unbedingt so, wie ich es jetzt sage: Wenn der jüdische Verlust der heidnischen Welt Reichtum brachte, dann wird die jüdische Bekehrung die heidnische Welt noch reicher machen.
Es geht nicht darum, dass er sagt: „Die jüdische Ablehnung des Evangeliums hat die Heiden reich gemacht, und die jüdische Bekehrung wird die Heiden noch reicher machen.“ Nein, es geht ihm darum, dass die jüdische Verwerfung des Evangeliums, die Abwendung, den Heiden Reichtum gebracht hat – nämlich den Reichtum, dass sie in Christus diese ganze Fülle bekommen.
Und wenn das schon so viel ist, dann sagt er: Wie viel mehr wird die Fülle des Heils bei den Juden zur Geltung kommen, wenn sie das wieder annehmen? Sie sind weggefallen, sie haben Verlust erlitten, aber die Heiden haben jetzt das Heil.
Später, wenn sie zur Eifersucht gereizt sind und das Heil annehmen wollen, wenn sie diese Heilsfülle haben, wird der Reichtum noch mehr herausgestellt. Dadurch wird noch deutlicher, wie groß der Reichtum der Heiden ist.
Es geht immer um den Überrest. Paulus sagt nicht: Wenn ihr Fehltritt der Reichtum der Welt war und irgendwann später alle sich bekehren, wird die Welt noch mehr Reichtum bekommen. Nein, der Gedanke ist: Schon damals, als Paulus schrieb, musste ihr Verlust als Reichtum für die Heiden betrachtet werden. Schon damals kam das Heil zu den Heiden, damit die Juden zur Eifersucht gereizt werden.
Paulus fragt: Wie viel mehr muss dann die Fülle des Heils als Reichtum betrachtet werden, wenn die Juden sich zur Eifersucht gereizt fühlen und das Heil wieder annehmen? Es geht um einen Kreis: Das Evangelium wird den Juden angeboten, sie verwerfen es, dann geht das Evangelium zu den Heiden, die Heiden nehmen es an, die Juden werden eifersüchtig und nehmen es dann an.
Dann zeigen sie dadurch, wie reich das Heil ist. Wie viel mehr Reichtum ist ihre Heilsfülle, wenn sie diese Fülle annehmen! Dann erkennen sie: Es ist unser Heil. Die Juden sagten zuerst: Das Heil gehört uns allein. Sie waren immer exklusiv: „Wir allein sind Gottes Volk, das Heil gehört nur uns.“
Dann kommt Paulus, verkündet ihnen das Evangelium. Sie verwerfen es. Das Evangelium geht zu den Heiden. Die Juden schauen zu den Heiden und fragen: „Was ist das für ein Evangelium? Das ist das Evangelium von eurem Messias“, sagt Paulus, „das ist euer Messias, den die Heiden da haben.“ Einige nehmen den Messias an und sagen: „Ach so, dann möchte ich doch den Messias, wenn der Messias so viele andere bringt.“
Dann nehmen sie den Messias aus Eifersucht an und sagen: „Was? Es ist nicht nur unser Heil, unser Heil ist das Heil der ganzen Welt. Unser jüdischer Messias ist der Messias der ganzen Welt, aller Heiden.“ Welch großer Reichtum spricht hier heraus!
Paulus’ Stolz auf seinen Dienst und die Hoffnung auf Rettung Israels
Der Apostel Paulus erklärt das im nächsten Vers. Er sagt: „Denn“ – und bitte achten Sie auf dieses „Denn“. Das wird in der Auslegung oft übersehen. Ich merke, das sind solche Wörtchen, die übersehen werden. In der traditionellen Textauslegung und in der Schlachtübersetzung fehlt dieses „Denn“. Auch in der alten Lutherübersetzung ist dieses „Denn“ nicht enthalten.
Paulus sagt: „Denn euch, die ihr von den Völkern seid“, also euch, den Heiden, sage ich: Insofern ich der Apostel derer bin, die von den Völkern sind, also der Heiden, verherrliche ich meinen Dienst. Ob ich auf irgendeine Weise sie, die mein Fleisch sind, zur Eifersucht reizen und etliche von ihnen retten möge.
Warum ist Paulus so stolz auf seinen Dienst? Weil er weiß, dass die Annahme Israels eine Heilsfülle bringt. Der Reichtum des Heils wird erst so richtig zum Ausdruck kommen, wenn die Israeliten aus Eifersucht gereizt werden und dann das Heil annehmen.
Vers 12 erscheint in einem anderen Licht, wenn wir erkennen, dass Vers 13 den Vers 12 erklärt. Die Erklärung, wie die Israeliten doch noch zum Heil kommen, steht in Vers 13.
Achten Sie bitte ganz genau auf den Text: „Denn euch, den Heiden sage ich, insofern ich der Heidenapostel bin, bin ich stolz auf meinen Dienst, denn ob ich auf irgendeine Weise meine jüdischen Freunde zur Eifersucht reizen kann und etliche von ihnen retten kann.“
Das war zur Zeit des Apostels Paulus so. Und ich sage Ihnen im Voraus: Der Apostel Paulus spricht zu seinen jüdischen Freunden, nicht zu Juden, die in zweitausend Jahren leben werden. Er spricht zu seinen Judenfreunden und möchte sie retten. Denn er weiß, welch ein Reichtum für die Welt daraus entsteht, welch ein Reichtum für die Juden selbst.
Der Reichtum dieses Heils kommt zum Ausdruck, wenn die Juden erkennen, dass dieses Heil ihr Heil ist. Ihr jüdischer Messias ist ein Weltmessias. Ihr jüdischer Messias ist für die ganze Heidenwelt da. Welch ein Reichtum wird dadurch zum Ausdruck gebracht!
Vers 15: Die Bedeutung der Verwerfung und das Leben aus den Toten
Vers 15 sagt dasselbe noch einmal, aber in einem neuen Licht. Lesen wir Vers 15: Denn – und hier gibt es wieder das „denn“, das wir beachten müssen. Es ist immer noch ein „denn“, mit dem er die Sache erklärt, die er in Vers 14 gesagt hat. Es geht um das Reizen zur Eifersucht, das wird jetzt näher erläutert.
Denn wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist – Israel hat den Messias verworfen – was bedeutet das? Das heißt, jetzt geht das Evangelium zu den Heiden. Nicht später irgendwann, sondern jetzt. Weil die Israeliten den Messias verworfen haben, öffnet sich die Tür für die Heiden.
Wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist, was ist das Annehmen anderes als Leben aus den Toten? Nicht was wird das Annehmen in tausend Jahren sein, als Leben aus den Toten. Paulus spricht nicht von etwas, das in zweitausend Jahren geschehen wird. Nein, Paulus spricht von seiner Zeit und von seinen geliebten Juden, die er zur Eifersucht reizen möchte. Um diese Juden geht es ihm.
Er sagt: Wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist, dann dürfen jetzt alle Heiden kommen. Natürlich kommen nicht alle, aber diejenigen, die sich bekehren. Viele, viele Heiden bekehren sich und werden versöhnt mit Gott.
Wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist, was ist das Willkommenheißen, das Annehmen, anderes als Leben aus den Toten? Wenn sie jetzt von Gott wieder angenommen werden, weil sie sich zur Eifersucht reizen lassen und sich endlich entschließen, den Messias wieder anzunehmen, dann nimmt Gott sie an.
Und was bedeutet das für Israel? Was bedeutet das für sie? Leben aus den Toten.
Es steht hier nicht Auferstehung. Hier geht es nicht um das Thema Auferstehung. Wenn Paulus Auferstehung gemeint hätte, hätte er geschrieben „Auferstehung aus den Toten“, so wie er es sonst immer tut. Wenn er von Auferstehung spricht, wenn er die leibliche Auferstehung meint, dann sagt er „Auferstehung“. Überprüfen Sie das: Der Apostel Paulus sagt nie „Leben aus den Toten“, wenn er von der leiblichen Auferstehung spricht.
Es geht hier nicht um die leibliche Auferstehung, sondern um einen geistlichen Tod. Israel liegt im Tode, und wer das Alte Testament kennt, weiß, was das bedeutet.
Das Bild der Totengebeine bei Hesekiel
Vielleicht kennen Sie die Stelle im Alten Testament, in der vom Tod Israels die Rede ist. Was hat Gott mit dem abtrünnigen Israel gemacht? Was Gott verlassen hat, hat Er nach Babylon geschickt. Und was geschah dort? Dort erlebten sie den Tod. Wenn sie nicht im Land sind, ist Israel geistlich tot.
Was sagt Gott durch Hesekiel zu diesem Volk Israel? In Hesekiel Kapitel 37 finden wir ein eindrucksvolles Bild. Hesekiel, der damals lebte, als die Israeliten in babylonischer Gefangenschaft waren, erhielt von Gott eine Weissagung über die Zukunft Israels. Er sagte ihnen: Das Haus Israel ist wie Totengebeine, die irgendwo herumliegen. Doch dann zeigte Gott ihm etwas. In einer Vision sah Hesekiel Totengebeine, die sich zu bewegen begannen und sich zusammenlegten.
Dann kam Haut über die toten Gebeine und bildete leblose Körper. Gott forderte den Geist auf, in diese leblosen Körper einzufahren und ihnen Leben zu geben. Gott selbst erklärte Hesekiel, was diese Vision bedeutet. Ich möchte Ihnen das aus Hesekiel 37, Vers 21 vorlesen:
"So spricht der Herr: Siehe, ich will die Kinder Israel aus den Völkern, unter denen sie zerstreut sind, zurückholen. Ich will sie aus allen Ländern sammeln und in ihr Land führen."
Israel war damals nicht nur in einem Land. Es gibt viele Stellen, die zeigen, dass die Israeliten, als sie von Nebukadnezar weggeführt wurden, in viele umliegende Völker zerstreut wurden. Gott sagt nun, dass Er sie zurückführen wird.
Hesekiel prophezeit damit nicht etwas, das erst 2500 Jahre später geschieht, sondern etwas, das in den folgenden Jahren eintreffen wird. Es geht um Israel damals. Die Rückführung geschah im Jahr 538 durch Kyrus, als die Israeliten aus den Völkern zurückkehrten.
Lesen wir weiter: "Ich werde sie von überall her sammeln und in ihr Land führen und sie auf den Bergen Israels zu einem einzigen Volk machen."
Vorher waren sie immer zwei Gruppen: Juda und Israel, das Nordreich und das Südreich. Diese beiden Gruppen waren oft zerstritten. Doch wenn Gott sie zurückführt, wird Er sie zu einem Volk machen. Genau das geschah. Als Kyrus die Israeliten 538 v. Chr. zurückführte, war das Volk geeint. Es kamen nicht nur Juden zurück, sondern auch Angehörige anderer Stämme. Später finden wir sogar eine Frau aus Asser. Paulus spricht vom zwölfstämmigen Volk. Es waren nicht nur Juden, sondern auch andere Stämme, die zurückkamen. Natürlich kehrten nicht alle zurück, aber diejenigen, die kamen, waren geeint und nicht mehr in zwei Reiche geteilt.
Gott sagt weiter: "Sie sollen alle nur einen einzigen König haben." Wann hatten die Israeliten einen König? Als sie zurückkamen, gab es keinen König und auch keinen Geist. Die Israeliten warteten darauf, dass ein König kommen würde. Sie warteten im Jahr 537 und in den folgenden Jahren, im Jahr 400, 300, 200, 100 v. Chr. Und dann kam das Jahr, in dem Jesus geboren wurde – der König kam nach Israel.
Gott sagt: "Sie sollen einen einzigen König haben und nicht mehr in zwei Völker oder zwei Reiche geteilt sein. Sie sollen sich nicht mehr mit Götzen, Gräueln und ihren Übertretungen verunreinigen. Ich will sie aus allen ihren Wohnorten, in denen sie gesündigt haben, herausführen und reinigen. Sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein."
Wie war das mit den Israeliten? Da kam der Messias. Was verkündete er? "Kommt zu mir, lasst euch reinigen, tut Buße." Er sprach von Sündenvergebung. Die meisten Israeliten wollten nicht hören, aber einige taten es. Und was geschah mit den wenigen, die hörten? Sie wurden gereinigt.
Gott sagt weiter: "Mein Knecht David soll ihr König sein." Wir wissen, wer dieser Knecht David ist: Er ist derjenige, der sich auf den Thron Davids gesetzt hat, nachdem er auf Golgatha sein Blut vergossen hatte. Er sitzt zur Rechten Gottes.
"Sie sollen alle einen einzigen Hirten haben." Was sagte Jesus? "Ich bin der gute Hirte, ein einziger Hirte." Und sie werden in meinen Rechten wandeln und meine Satzungen beobachten und tun.
Jesus sagte: "Das ist der Bund, den ich mit ihnen aufrichten werde, der neue Bund in meinem Blut." Das war die Erfüllung dessen, was Jeremia gesagt hatte: "Ich werde meine Gesetze in ihr Inneres schreiben." Die Juden, die den Messias annahmen, erhielten durch den Heiligen Geist das Gesetz ins Innere geschrieben. Doch sie waren nur wenige – der Überrest, von dem Paulus spricht.
"Sie werden wieder im Land wohnen, das ich meinem Knecht Jakob gegeben habe, darin auch ihre Väter gewohnt haben." Im Jahr 538 kehrten sie zurück und wohnten seitdem im Land. "Darin sollen sie ihre Kinder und Kindeskinder allezeit wohnen."
"Mein Knecht David soll ihr Fürst sein, ewiglich, ewiglich." Gott sagt: "Ich will auch einen Bund des Friedens mit ihnen schließen, einen ewigen Bund."
In Hebräer 13, Vers 20 lesen wir vom Hirten der Schafe, der aus den Toten herausgeführt hat, und dass der ewige Bund des Friedens durch sein Blut geschlossen wurde. Es ist das Blut des ewigen Bundes, den Jesus mit dem Haus Israel und dem Haus Juda geschlossen hat.
Gott sagt weiter: "Ich will sie sesshaft machen und mehren und mein Heiligtum auf ewig in ihre Mitte stellen." Derselbe Jesus Christus, der König, sagte, dass er sein Heiligtum auf ewig in ihre Mitte stellen möchte. In der Offenbarung lesen wir von einem ewigen Heiligtum, das der Herr errichtet – für den Überrest Israels, die Totengebeine.
Israel kehrt zurück, war aber immer noch geistlich tot. Dann kam der Messias. Viele lehnten ihn ab, einige nahmen ihn an. Paulus sagt: Wenn Israel noch zur Eifersucht gereizt wird und den Messias annimmt, ist das wie Leben aus den Toten. Sie werden lebendig und erhalten den Geist, der in ihnen wohnt. So entsteht ein Israel, das den Messias liebt – ein Israel mit einer ewigen Heimat.
Schlussbetrachtung und Ausblick
Wir müssen zum Text zurückkehren. Ich möchte hier zum Schluss kommen, denn morgen haben wir noch genügend Zeit, diesen Gedanken weiterzuführen.
Wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist, was bedeutet dann das Annehmen, das Angenommenwerden, anderes als Leben aus den Toten?
Der Apostel Paulus sagt in Römer 6,13: "Ihr seid lebendig geworden aus den Toten." Es ist die geistliche Lebendigmachung aus den Toten. Stellt eure Leiber Gott zur Verfügung als Lebende aus den Toten.
Genau das geschieht, wenn sich dieses Volk jetzt zuwendet. Das Ziel des Paulus war – und wir sprechen hier von den Juden der damaligen Zeit, also von den Juden zur Zeit des Apostels Paulus – diese Juden zur Eifersucht zu reizen, damit sie zum Leben aus den Toten kommen.
Das wird hier gezeigt. Auf diese Weise zeigt Paulus, dass für dieses Israel sehr wohl eine Zukunft da ist, eine großartige Zukunft. Und zwar die Zukunft, die im Alten Testament verheißen wurde.
Morgen wollen wir hier fortsetzen. Vielleicht habe ich jetzt eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen. Nehmen wir sie mit und überlegen wir bis morgen. Wir haben morgen noch einmal eine Stunde Zeit und wollen den zweiten Teil dieses Abschnitts weiter bedenken und prüfen, ob das wirklich aus dem Text hervorgeht.
Wir wollen nun zum Gebet aufstehen.
Geliebter Vater, ich danke dir, dass wir dich kennen dürfen. Ich danke dir, dass du ein Rettergott bist, der Israel retten möchte. Du weißt, welcher Ort der Heilsplatz für Israel ist: Jesus Christus. Amen.
Vielleicht leiten uns noch einige im Gebet.
