Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart. Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Am Mikrofon hören Sie Jörg Lackmann und Thomas Povileit.
Wer zu Jesus umkehrt, erlebt am Anfang oft, dass ihn die Sünde, in der er zuvor seine Erfüllung gesucht hat, nicht mehr interessiert. Doch nach einer Weile merkt man, dass die Sünde wieder da ist – oft sogar viel stärker als je zuvor.
Manche machen dann gute Miene zum bösen Spiel, verstecken diesen inneren Konflikt vor anderen und heucheln eine heile Welt vor. Andere sind ehrlicher und frustriert darüber, dass sie der Versuchung immer wieder aufs Neue erliegen.
Wie kann ich als Christ die Sünde in mir besiegen? Diese Frage beschäftigt viele Christen.
Thomas, kennst du diesen Konflikt, dass du die Sünde auch als Christ nicht unter die Füße bekommst?
Das hat mich sehr beschäftigt, Jörg, als ich Christ geworden bin. Ich bin unter anderem auch deshalb Christ geworden, weil ich gemerkt habe, dass es Bereiche in meinem Leben gibt – auch Gedanken –, die sich mir aufdrängen und die ich eigentlich gar nicht will. Gegen die ich mich aber nicht wehren kann.
Mein Wunsch war, dass Jesus mich als Christ auch von diesen Gedanken in manchen Lebensbereichen befreit. Doch als ich Christ wurde, merkte ich, dass die Versuchung immer noch da ist, wenn ich in solche Situationen gerate.
Später habe ich das reflektiert und gedacht: Es war ein bisschen so, als würde man tolle Katalogbilder anschauen und denken: „Wow, das sind super Kleider!“ Dann lässt man sie sich schicken, packt sie aus und denkt: „Was ist denn das? Das habe ich ja gar nicht bestellt.“
So ging es mir. Ich dachte: „Hey, die Christen sagen doch immer, dass sie in der Freiheit leben. Bin ich jetzt der Einzige, der diese Freiheit nicht erlebt?“ Das war für mich eine innere Not.
Natürlich gab es auch Momente, in denen ich mich fragte, warum ich überhaupt diese Freiheit will, von der die Christen reden. Ist es nur der Leidensdruck? Und der war schon da. Oder ist es eher das Gefühl, sagen zu können: „Hey, ich habe es geschafft“?
Doch Fakt war: Ich kam da nicht raus, und das war mir eine ziemlich große Not.
Wie bist du dann damit umgegangen? Hattest du vielleicht Vorbilder? Denn das klingt so, als ob du dich richtig alleine gefühlt hast – so wie Elija, der gesagt hat: „Ich bin der Einzige, der hier noch an Gott glaubt.“ Dabei waren es ja siebentausend, hat Gott ihn korrigiert. Hast du bei anderen nicht gesehen, dass es doch Menschen gab, die das irgendwie gelebt und gezeigt haben? Die gesagt haben: „Ich habe Probleme, aber ich kann damit umgehen, und Gott liebt mich trotzdem“ – oder solche Dinge? Gar nicht so? Also musstest du deinen Weg irgendwie selbst finden?
Ich musste ihn tatsächlich selbst finden. Es gab auch Themen, über die wollte ich nicht sprechen. In Gemeinden ist es ja manchmal so: Alles ist immer super, und die Leute sagen, sie hätten keine Probleme. Aber ich dachte mir: „Sorry, ich bin jetzt wahrscheinlich der Einzige.“ Das ist ja peinlich. Wenn ich immer wieder sage, an den und den Punkten versage ich, dann bin ich hier ja der Verlierer – und die anderen sind alle die Gewinner. Deswegen war das ein bisschen schwierig für mich.
Wie hast du es dann gemacht? Es gab natürlich Möglichkeiten, gewissen Versuchungen aus dem Weg zu gehen. Das habe ich schon versucht, irgendwie umzusetzen. Aber allein der Versuch, der Versuchung aus dem Weg zu gehen, ist so ein bisschen wie bei der Geschichte: „Denke nicht an einen rosa Elefanten.“ Wenn du dann daran nicht denken sollst, fällt er dir natürlich logischerweise immer wieder ein. Also habe ich gemerkt: Ich komme da nicht raus.
Ich nehme an, dass du da irgendwann doch weitergekommen bist in diesem Punkt. Was hat dir denn in diesem Konflikt, in dem du stecktest, geholfen?
Zunächst einmal waren es Bücher. Ich habe Bücher gelesen, die sich mit dem Sieg über die Sünde beschäftigen. Ein Buch, das mich besonders geprägt hat, war eines von Watchman Nee: „Das normale Christenleben“. Außerdem denke ich an ein anderes Buch von Hannah Smith, das „Das Geheimnis eines glücklichen Christenlebens“ heißt.
Dabei ist mir aufgefallen, dass viele dieser Bücher immer wieder bei einem Kapitel der Bibel landen, und zwar bei Römer 6. Dieses Kapitel habe ich dann intensiv gelesen – immer und immer wieder. Ich habe auch Predigten darüber gehört. Dieses Kapitel hat mir sehr weitergeholfen. Deshalb empfehle ich jedem, der in seinem Leben mit der Sünde kämpft oder merkt, dass die Sünde ihn regelrecht an den Boden drückt und er nicht mehr hochkommt, sich mit Römer 6 zu beschäftigen.
Römer 6 ist ja ein theologisches Kapitel. Jetzt wage ich mich mal ein bisschen aus dem Fenster, wenn ich sage, dass es nicht so praktisch ist. Die theologische Sprache, die Watchman Nee in seinem Buch verwendet, bezieht sich, wenn ich mich recht erinnere, auf Römer 6 bis 8 insgesamt. Das stimmt ja.
Was hat dir denn konkret an Gedanken geholfen, dass du nicht in der Theorie stecken geblieben bist, sondern dass das auch eine Verbindung zu deinem Leben hatte?
Zunächst einmal hat mir geholfen zu begreifen, dass dieser Kampf normal ist. Auch wenn sich andere Christen in der Gemeinde dazu nicht äußern, spricht Paulus darüber – vor allem in Römer 7. Ich habe auch verstanden, dass es Versuchungen gibt, mit denen ich nicht mehr konfrontiert bin, seit ich Jesus kenne. Aber es gibt andere Versuchungen, die wahrscheinlich ein Leben lang bleiben.
Gerade für diese Versuchungen gilt, und ich zitiere mal aus Römer 6, Vers 11, einen Vers, der mir immer wieder neu wichtig wurde: „So auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christus Jesus.“
Als ich das erste Mal über diesen Vers nachdachte, dachte ich: Na ja, das ist ein bisschen wie beim Psychiater, oder? „Ich halte dich für tot, aber irgendwie lebe ich ja doch noch.“ Bei mir hat sich ein Schalter umgelegt, als ich begriff: Das mag für mich so aussehen wie beim Psychiater, aber das sagt Gott. Gott sagt zu mir: „Halte dich der Sünde für tot.“ Und wenn er das sagt, dann darf ich das auch so in meinem Leben tun.
Ja, mir geht es ähnlich. Das klingt ein bisschen so, als würde man sagen: Steck deinen Kopf in den Sand, und dann ist alles okay. So in der Richtung.
Wie schafft man es aber, dass man am Ende nicht in der Psychiatrie landet, wenn man das so macht? Eine krasse Aussage, oder? Aus diesem Text.
Ja, das ist eine sehr krasse Aussage. Ich glaube, was für mich wichtig war – oder besser gesagt, was für mich wichtig ist –, ist, dieses Wort, das hier gesagt wird, immer wieder ernst zu nehmen. Paulus sagt: Dein alter Mensch ist gekreuzigt. Davon merke ich vielleicht manchmal nichts. Aber wenn die Sünde in mein Leben kommt oder wenn mein Egoismus sich durchsetzen will, dann darf ich sagen: Jesus, danke, ich bin mit dir gestorben.
Und das rede ich mir nicht nur ein, sondern ich nehme das, was Gott in Römer 6 sagt, ganz persönlich für mich an. Dabei sage ich nicht: Super, ich habe es jetzt geschafft. Sondern ich darf mich darüber freuen, dass der Sieg, den Jesus am Kreuz auf Golgatha errungen hat, hier und heute in meinem Leben sichtbar wird.
Das heißt, der Wendepunkt ist, wenn du diesen Kampf nicht selbst oder zumindest nicht nur selbst führen willst, sondern dich auf Jesus ausrichtest. Verstehe ich das richtig?
Ja, genau. Ich richte mich auf Jesus aus, aber ich nehme auch die Stellung ein, die er mir gegeben hat.
Mir ist dazu ein gutes Beispiel eingefallen: Konzentrationslager waren schreckliche Orte des Leidens. Viele dieser Lager wurden am Ende des Krieges von den Amerikanern, den Russen oder anderen befreit. Die SS-Leute, die bis dahin die Aufpasser waren, wurden von einer Stunde auf die andere zu Gefangenen, und die Gefangenen wurden frei.
Wenn aber ein SS-Offizier zu einem Gefangenen gesagt hätte: „Schnapp dir jetzt mal diese Spitzhacke und geh in den Steinbruch“, weil er das monatelang vorher gehört hat, hätte es sein können, dass der Gefangene die Spitzhacke nimmt und geht. Und das kann er ja auch.
Ich glaube, wir als Christen können auch der Sünde folgen, aber wir müssen es nicht. Wenn sich dieser Gefangene an seine Stellung erinnert, weiß er, dass jemand von außen ihm eine andere Stellung gegeben hat.
Genau das ist es, was Jesus getan hat. Genau das sagt Römer 6: Jesus hat mir eine andere Stellung gegeben. Deshalb darf ich beten und sagen: Herr Jesus, danke, ich bin mit dir gestorben. Mein alter Mensch ist unwirksam gemacht worden, aber er kann nicht mehr das Leben führen, zu dem er eigentlich fähig wäre.
Das heißt, in Römer 6 bis 8 hast du dann tiefer verstanden, was Jesus am Kreuz für dich getan hat. In diesem Verstehen, dass du eine andere Stellung hast als die Gefangenen, die auf einmal frei sind, brauchen sie ja eine Weile, bis sie das realisieren.
Je tiefer du verstehst, was Jesus getan hat, desto leichter fällt es dir dann, konkret nicht mehr zu sündigen. Oder ist das so ein erster Schritt? Ja, auf jeden Fall, das ist ein erster Schritt.
Es hat auch eine Weile gedauert, selbst wenn ich das heute immer wieder lebe. Es kann ja sein, dass eine Versuchung vierzig Mal am Tag kommt. Dann sage ich vierzig Mal am Tag: Herr Jesus, danke, ich bin mit dir gestorben. Ich nehme diese Stellung immer wieder in Anspruch. Das glaube ich, ist sehr entscheidend.
Aber es reicht nicht, nur bei dieser Stellung stehen zu bleiben. Mein Blick muss auch immer wieder auf Jesus selbst gehen. Das ist ja auch, was Paulus so deutlich in Römer 6 formuliert, wenn er sagt – ihr habt den Vers ja eben schon mal gelesen – haltet euch der Sünde für tot. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite ist: Gott lebend in Christus Jesus. Ich weiß, ich kann ja gar nicht vernünftig für Gott aus mir selbst heraus leben, sondern nur in der Kraft, die Jesus gibt. Für mich ist es wichtig, immer wieder auf Jesus zu schauen und zu wissen: Er gab sein Leben für mich. Er ist es wirklich wert, dass ich mein Leben in seinen Dienst stelle und dass mein Leben ihn ehrt.
Wenn Sünde in meinem Leben Herrschaft hat, dann ehrt das ganz sicher nicht den Herrn Jesus. Das eine ist also die theologische Wahrheit zu verstehen: Er ist gestorben für uns, für unsere Schuld. Wir sind dadurch frei und müssen der Sünde nicht mehr folgen.
Das Zweite ist: Er lebt ja auch, und wir sind mit ihm auch verstanden. Wir können jetzt an seinem Leben teilhaben.
Wie kann man das konkret umschreiben? Du hast gesagt, du lernst Jesus besser kennen, und dadurch kannst du das auch eher leben. Ist das dann so eine geheime Formel? Schau zwei Stunden auf Jesus, und dann wirst du wie er, das färbt ab? Oder wie darf ich mir das vorstellen?
Nein, es ist keine geheime Formel. Nach geheimen Formeln trachtet man ja immer, oder? Überall hört man von den fünf Schritten zum Erfolg oder dem kurzen Weg dahin. So einfach ist es nicht.
Es ist auch keine schnelle Lösung. Es ist vielmehr eine Haltung, die ich habe. Ich berufe mich immer wieder darauf, was Jesus für mich getan hat.
Heute ist es in manchen Lebensbereichen so, dass ich, um ein Bild zu gebrauchen, den Kopf gerade noch über Wasser habe. In anderen Bereichen stehe ich auf dem Surfbrett weit über dem Wasser.
Das Entscheidende ist, dass ich über dem Wasser bin und nicht unter Wasser. Auch wenn ich vielleicht das eine oder andere Mal Salzwasser schlucke, darf ich trotzdem wissen: Er trägt mich durch, und Jesus ist meine Kraft.
Wenn die Sünde an meine Tür klopft, sage ich: Herr, ich würde da gar nicht widerstehen können, geh du bitte an die Tür. Das heißt, ich lasse ihn dorthin gehen.
Da wir ja jetzt immer vom Namen Jesu gesprochen haben, steckt auch eine starke Beziehungskomponente darin. Du lebst mit ihm in einer Beziehung, und dadurch verändern sich Dinge vielleicht auch unmerklich.
Denn wenn ich eine engere Beziehung habe, wird man ja schon ähnlich wie Freunde oder in einer Ehe. Man gleicht sich im Lauf der Jahre im Denken, im Verhalten und in manchen Redensweisen an.
Je mehr ich also auf Christus vertraue, desto ähnlicher werde ich ihm. Ich lebe die Beziehung mit ihm, und das färbt dann ab, sozusagen.
Ich glaube, das hast du gut formuliert. Paulus sagt das ja auch im 2. Korinther 3: "Im Anschauen seiner Herrlichkeit werde ich verwandelt in sein Bild."
Das ist genau das: Dass ich auf ihn schaue und merke, dass dieser Herr in mir die Kraft ist, ein anderes Leben zu führen.
Wenn ich das zusammenfassen darf: Christen stehen der Sünde nicht hilflos gegenüber. Christus ist für uns gestorben, und dadurch sind wir der Sünde gestorben, wie es im Römerbrief heißt. Wir haben jetzt die Möglichkeit, Nein zu sagen.
Es ist immer noch ein Kampf, das sagt der Römerbrief ja auch. Aber wir können uns hinter Jesus stellen und ihn für uns kämpfen lassen, wenn man das so ausdrücken möchte. Durch ihn können wir auch verändert werden, indem wir auf ihn schauen und in einer Beziehung mit ihm leben. Durch diese Art der Beziehung werden wir immer mehr wie er, oft ohne es bewusst zu merken.
Das war der Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, ihr konntet einen Impuls für euch mitnehmen. Wenn ihr Fragen habt, über die ihr sprechen möchtet, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns einfach unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und dass ihr es selbst in der Praxis erlebt: Jesus ist der Sieger, auch in meinem Leben.