Schwierigkeit und Ziel geistlichen Wachstums
Ich weiß nicht immer genau, wo ich weitermachen und wo ich anfangen soll. In den Gesprächen, die wir miteinander führen, tauchen immer wieder verschiedene Fragen und Themen auf. Diese bewegen uns auf unterschiedliche Weise und rücken mal mehr, mal weniger in den Vordergrund.
Ich möchte nun in der Reihe „Leben mit Christus“ aus der Seelsorge noch ein Stück weitermachen. Dabei geht es um die Frage, wie man neue Gewohnheiten einübt, um im geistlichen Leben voranzukommen. Wir brauchen das, um dem Herrn immer näher zu kommen und um praktisch zu erleben, wie das möglich ist.
Ich habe den Text aus Epheser 4, Vers 17 und den folgenden Versen gewählt. Dabei habe ich gemerkt, dass ein Prinzip in Epheser 4 besonders deutlich wird. Dieses Prinzip besagt, dass man weiß, was man nicht tun soll – also das Negative lassen. Man erkennt, dass es nicht gut ist, aber oft fehlen die positiven Gedanken, um zu wissen, was man stattdessen tun kann, damit das Negative abgebaut wird.
Dieses Prinzip findet sich nicht nur in Epheser 4, sondern auch in vielen anderen Bibelstellen wieder. Es geht darum, zu erkennen, wer wir sind. Weil Christus unser Herr ist, haben wir alle dieses tiefe Verlangen, in unserem Leben der Heiligung voranzukommen, ihm mehr zu gefallen und besser dienen zu können.
Der Heilige Geist hat dieses Verlangen in uns gelegt, und es ist da. Mit diesem Verlangen gilt es, das Prinzip weiterzuführen und zu wissen, wie man es in die Tat umsetzt.
Prinzipien der Gemeinschaft und gegenseitigen Rücksichtnahme
Vielleicht lohnt es sich, noch viele weitere Texte in der Bibel zu lesen, die dieses Prinzip in anderen Lebensbereichen anwenden. Zum Beispiel Römer 14. Ich kenne die Kapitel Römer 14 und 15. Dort geht es um das Miteinander in der Gemeinschaft. Wir sollen uns gegenseitig helfen, egal ob jemand schwach oder stark im Glauben ist. Wir sollen einander verstehen und uns auf dem geistlichen Weg nicht gegenseitig zum Hindernis werden.
In Römer 14 heißt es: Nehmt den Schwachen im Glauben an, aber nicht, um über Meinungen zu streiten. Der eine glaubt, alles essen zu dürfen, der andere ist schwach und isst nur Gemüse. Wer isst, soll den nicht verachten, der nicht isst, und wer nicht isst, soll den nicht richten, der isst. Denn Gott hat ihn angenommen. Wer bist du, dass du einen fremden Knecht richtest? Er steht oder fällt mit seinem Herrn. Er wird aber aufgerichtet werden, denn der Herr vermag ihn aufzurichten.
Das große Prinzip hier, weil es um Beziehungen geht, ist: Lass deinen Bruder in Gottes Hand! Das ist der Hauptgedanke des Textes. Man kann andere bremsen, wenn man anfängt, über Nebensächlichkeiten zu streiten. Das wollen wir nicht. Wir glauben, dass jemand, der bekehrt ist und begonnen hat, mit dem Herrn zu leben, unterschiedliche Meinungen über Dinge haben kann, die nicht heilsnotwendig sind.
In solchen Fragen kann man selbst feste Überzeugungen haben. Aber diese Überzeugungen müssen nicht die Überzeugungen meines Bruders werden. Wenn ich sein Leben und Denken auf Nebensächlichkeiten ausrichte, bremse ich seine Beziehung zur Hauptsache. Das erlebe ich immer wieder in manchen Gemeinden, wenn ich eingeladen werde. Dort werden plötzlich Dinge wichtig, die nicht heilsnotwendig sind und auch nicht notwendig, um Gott näher zu kommen. Manchmal meint man, sie seien notwendig, aber das sind sie nicht. Das ist oft die Schwierigkeit.
Zum Beispiel kann man in einer Gemeinde sehr auf das äußere Erscheinungsbild achten oder sehr auf die Struktur und Organisation der Gemeinde. Organisation ist aber nicht dasselbe wie Leben. Man kann im geistlichen Leben sehr auf die Methode oder das Werkzeug der Evangelisation fixiert sein. Es gibt Leute, die andere davon überzeugen wollen, dass ein Traktat heute nichts mehr bringt. Wenn man das sagt, reagieren manche sehr. Ich will jetzt niemanden nennen.
Andere sagen wiederum, dass Evangelisation heute nur noch durch Freundschaft funktioniert und nichts anderes. Es gibt immer diese „nur noch“ oder „das geht nicht mehr“-Haltungen. Das kann das geistliche Leben und auch den Enthusiasmus und die Freude, mit Christus zu leben, bremsen.
Jeder kann das tun, was er für richtig hält, mit Überzeugung. Wenn der andere es anders macht oder nicht tut, sollte man immer wieder daran denken: Ich bin auf dem Weg, und meinem Bruder soll ich helfen, in der Beziehung zu Gott näher zu leben – nicht in Nebensächlichkeiten.
Vielfalt der Evangelisationsmethoden und ihre Wirkung
Ich war immer wieder erfreut über die Gedanken zur Evangelisation und darüber, wie viele verschiedene Werkzeuge in einer Gemeinde gebraucht werden können, wenn die Liebe zum Herrn und die Last für die Verlorenen durch Gottes Wort und Gebetsstunden genährt werden. Es gibt so viele Ideen.
Ich denke jetzt nur an einige wenige Beispiele. In Vogelsen, einer der Hausgemeinden, hat jeder die Adressen von einem Teil des Telefonbuchs abgeschrieben. Für diese Leute wurde gebetet, ihnen wurde Post mit einem Evangelium geschickt und sie wurden später zu Hause besucht. Sie haben einfach mit dem Telefonbuch als Werkzeug angefangen. Ich habe ihnen die Idee nicht gegeben, aber ich hatte immer Freude daran, sie einfach frei walten zu lassen.
Andere sind mit mir auf ähnliche Weise unterwegs gewesen. Ihr kennt solche Vorgehensweisen sicher noch besser. Es gibt Kommandos, Eingriffe, und andere sind zu Ärzten gegangen, um ihnen schöne Literatur zu zeigen und zu fragen, ob sie diese nicht im Wartezimmer auslegen könnten. So konnten sie in den Wartezimmern von Ärzten Literatur auslegen. Einfach die Ideen frei laufen zu lassen, ist manchmal wunderbar zu sehen, was alles geschieht, wenn man nicht meint, nur eine einzige Methode sei die richtige.
Denn jedes Werkzeug erreicht andere Menschen. Traktate zum Beispiel können viele Male im Briefkasten liegen, ohne Wirkung zu zeigen. Doch es kommt der Tag, an dem der Herr diese Menschen genau in dem Moment besucht, in dem wieder ein Traktat kommt – und dann macht es „Tilt“.
Ich war von Haus zu Haus mit der Bibel unterwegs, habe Bibeln an der Tür verkauft. Dabei traf ich eine Frau, die plötzlich sagte: „Können Sie mit mir in die Kirche kommen?“ Sie öffnete eine Schublade in der Kirche, in der sie alle Traktate der letzten Jahre aufbewahrte, mit jedem Datum, wann der Traktat im Briefkasten lag. Sie hatte sie schon mehrmals gelesen. Ich fragte sie, warum sie nicht den Mut gehabt habe, zu antworten oder Kontakt aufzunehmen. Sie sagte, das habe sie nicht gehabt. Sie hatte immer Angst, war sich nicht sicher. Aber sie habe immer gewartet, wann denn das nächste Traktat wiederkommt. Ich finde das so wunderbar.
Wir wissen nicht, wie viel Positives dadurch geschieht. Ich war auf dem Dulos, einem Schiff von Noam, zu Konferenzen für Pastoren. Dort war einer der Dulos-Navigatoren, der als beruflicher Matrose vollzeitlich auf dem Schiff arbeitet. Er hatte ein Traktat bekommen, als er schon Matrose war, aber noch nicht bekehrt. Das war in einer Großstadt.
In dieser Stadt gab es nachts eine Witwe, die hin und wieder am Hafen Traktate verteilte. Doch immer nur am Sarg. Eines Nachts spürte sie, dass sie an den Hafen gehen und Traktate geben musste. An diesem Schiff war es Mitternacht, als es wieder ablegte. Es war ein großes Handelsschiff, und die Matrosen mussten vor Mitternacht über die Gangway aufs Schiff gehen.
Sie stand dort und verteilte Traktate. Einer kam halb betrunken und sagte: „Wir kommen gerade noch auf die Gangway.“ Sie gab ihm einen Traktat, und er steckte ihn in seine Tasche. Das war der Matrose, ein junger Mann. Er las das Traktat, bekehrte sich und war später als Matrose auf dem Dulos zur Evangelisation unterwegs.
Das war ein Traktat, eine Witwe, eine Nacht, eine Hafenstadt, eine gefährliche Situation – und eine Frau, die gehorsam Traktate verteilt. Das ist so wunderbar. Man könnte lange solche Geschichten erzählen, Zeugnisse, in denen Gott die verschiedensten Methoden und Werkzeuge gebrauchen kann.
Auch in Überzeugungen, also in Dingen, die nicht unbedingt lebenswichtig sind, ist es ganz wichtig, jedem die Freiheit zu lassen, in der Gemeinschaft mit Gott zu leben. Wir sollten einander mutmachend stärken und diese Gemeinschaft fördern.
Verantwortung der Starken für die Schwachen
Römer 15,1-2: Es ist aber unsere Pflicht, die Schwachheiten der Kraftlosen zu tragen und nicht Gefallen an uns selbst zu haben. Jeder von uns soll seinem Nächsten Gefallen tun, um ihn zum Guten zu erbauen.
Dieses Prinzip entspricht der Erziehung Gottes. Wenn wir stark sind im Herrn und vorwärtskommen, dann sind wir stark, um anderen zu helfen. Wir sind niemals stark, um einfach nur stark zu sein.
Gott gibt uns Kraft, Weisheit und Leben mit ihm, damit wir andere tragen können. Denn die Starken laufen Gefahr, an sich selbst Gefallen zu finden und nur für sich selbst zu leben. Die Stärke aber gibt Gott, damit wir für andere da sein können.
Die Spannung im geistlichen Wandel
Galater 5, Vers
Dieser Text zeigt uns, wie wir in einer Spannung leben: Wir wollen uns verändern, besser sein, anders sein – doch wir kommen nicht zum Ziel.
Ich lese einfach davon sehr zäh, aber ich sage: Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen. Denn das Fleisch gelüstet gegen den Geist, und der Geist gegen das Fleisch. Diese widerstreben einander, sodass ihr nicht das tut, was ihr wollt. Werdet ihr aber vom Geist geleitet, so seid ihr nicht unter dem Gesetz.
Das ist einfach das Prinzip, um uns gut einzuprägen und klar zu machen: Wenn wir mit dem Geist Gottes, also in Gemeinschaft mit Gott, leben, bleibt dennoch eine Spannung bestehen. Wir tun nicht immer das, was wir wollen. Die Spannung entsteht dadurch, dass unser Wille immer noch von der Natur her leichter in die falsche Richtung geht.
Darum brauchen wir den Geist Gottes, damit unser Wille bereit ist, Gottes Willen zu tun. Jede Änderung in unserem Leben, bei der es Willenskraft braucht, um gehorsam gegenüber Gottes Wort und Gott selbst zu sein, benötigt die Hilfe Gottes. Nur so kann unser Wille wirklich in die richtige, gute Richtung gehen.
Das hast du bestimmt auch schon erlebt: Wenn du etwas Neues oder Positives tun möchtest oder eine Veränderung in deinem Leben anstrebst, ist es nötig, zu beten und den Herrn zu bitten: „Bitte, Herr, ich gebe zu, mein Wille reicht nicht aus, um das durchzuhalten und weiterzuführen.“
Vielleicht hast du das schon an einem Wochenende bemerkt, wenn es um das Bibellesen geht. Man hört gute Ratschläge, nimmt neue Willensschritte, doch wie lange hält das an? Wenn wir nicht immer wieder zum Herrn zurückkehren und sagen: „Herr, mein Wille genügt nicht, ich brauche deine Gegenwart und die Hilfe deines Geistes, damit ich diese Disziplin durchhalten kann“, dann wird es schwer.
Die Spannung bleibt: Unser Wille wird immer wieder versucht, in die falsche Richtung gedrängt zu werden.
Praktische Schritte zur Veränderung von Gewohnheiten
Wie kann ich etwas in meinem Leben ändern, wenn ich etwas sehe, das ich verändern möchte? Gibt es eine Hilfe, um wirklich etwas zu ändern? Wie kann ich das praktisch umsetzen?
Jeder von uns hat sicher in verschiedenen Bereichen schlechte Gewohnheiten. Das gilt auf jeden Fall auch für mich. Und gerade diese schlechten Gewohnheiten wollen wir verändern. Eine schlechte Gewohnheit ist oft etwas, das anderen das Leben erschwert. Man denkt nicht immer darüber nach, wie schwierig man für andere sein kann. Viele leben einfach so, dass es für sie selbst nicht schwierig ist, aber man merkt nicht immer, wie schwierig es für andere ist.
Ich möchte euch ein ganz kleines Beispiel geben, damit ihr das Prinzip besser versteht. Als wir geheiratet haben, habe ich die ersten Wochen genau so gelebt wie vorher mit meinen Gewohnheiten – zum Beispiel mit meinen Schuhen. Ich hatte immer Schuhe, die man nicht binden muss. Ich habe sie einfach hinten zusammengesteckt und zack, standen die Schuhe an der Wand. Ich fand das sehr praktisch, weil man wenigstens wusste, dass sie zusammen an der Wand stehen. Das ist so ein schönes Spiel: Man kann versuchen, dass sie „lieben einander“ sind. Das ist doch ein super Spiel, oder? Nur gelingt es nicht immer. Manchmal rutschen die Schuhe ein wenig vom Platz.
Dann hat Ursula plötzlich zu mir gesagt: „Hast du eigentlich geheiratet, damit eine Frau deine Schuhe aufräumt?“ Da habe ich gemerkt, ich bin nicht mehr ledig. Das war jetzt ein Beispiel.
Aber wie kann man solche Gewohnheiten ändern? Wenn ich nach Hause kam, hat Ursula mir auch gesagt, dass ich schon beim Reinkommen zickig war. Ich bin die Treppe hochgesprungen, zwei Stufen auf einmal, bam bam, und oben angekommen, war ich schon mit den Gedanken bei der nächsten Sache. Ich war nicht wirklich beim Schuhe-Ausziehen oder beim Treppensteigen, sondern schon im Büro, habe meine Sachen aufgeräumt und bin gedanklich weitergegangen.
Jetzt will ich das ändern. Dafür habe ich eine Zeit lang im Treppenhaus unten am Stock ein kleines Blatt aufgehängt, auf dem „Chaussur“ – also Schuhe – stand. So sehe ich das beim Durchgehen und werde daran erinnert, die Schuhe wegzuräumen. Und wie jede gute Schweizerin habe ich natürlich so ein schönes Möbel neben der Tür, um die Schuhe ordentlich zu verstauen. So habe ich gelernt, die Schuhe aufzuräumen.
Das ändert ja nichts Grundlegendes im Leben, oder? Schuhe an der Wand oder Schuhe im Schrank – das ist doch egal. Aber es ändert etwas an der Beziehung. Es verändert die Beziehung. Es ist nicht zwingend christlich, die Schuhe an der Wand oder im Möbel zu haben. In der Bibel steht nicht, dass Schuhe im Möbel stehen müssen. Aber es war eine Gewohnheit von mir, die für den anderen eine Schwierigkeit bedeutete.
Es gibt so viele andere Gewohnheiten, die nichts mit Sünde zu tun haben. Es war keine Sünde, aber es machte dem anderen das Leben nicht leichter. Es war eine Gewohnheit, die ich wegen der Liebe zueinander ändern musste. Und um solche Gewohnheiten zu ändern, braucht man etwas, das als Hilfe zur Erinnerung dient.
Hier kommt die Überlegung aus Epheser 4, Vers 23 und folgende ins Spiel. Dort sehen wir, dass man nicht nur etwas Negatives lassen soll, sondern auch etwas Positives tun muss. Wie komme ich zu diesem Positiven?
Ich habe zum Beispiel für mich selbst ein kleines Heft mit zwei Spalten: links die negative Seite, rechts die positive. Für das Schuhbeispiel stand links, dass ich die Schuhe nicht aufräume, und rechts die positive Lösung: das Plakat im ersten Stock, das mich daran erinnert, die Schuhe wegzuräumen.
Wenn wir zum Beispiel über Prioritäten im Leben oder Ordnung sprechen, gilt genau dieses Prinzip: Du erkennst eine schlechte Gewohnheit oder eine falsche Priorität. Dann überlegst du, welche neue, gute Gewohnheit die schlechte ersetzt. Und du findest eine praktische Hilfe, die dich regelmäßig daran erinnert, etwas zu ändern.
Das hat mir geholfen, ganz praktische Dinge in meinem Leben zu verändern – auch in Bezug auf Prioritäten. Wenn ich merke, dass ich zu viel Zeit für etwas aufwende, das nicht die erste Priorität hat, schreibe ich das in die linke Spalte: „zu viel Zeit für das und das“. Dann überlege ich, was ich üben muss, um das Gleichgewicht in meinem Leben wiederherzustellen. So kann ich den Platz für die wichtigen Dinge vergrößern und die unwichtigen reduzieren.
Ich habe auch schon erlebt, dass viele Menschen, die sich bekehren, ihr Leben so weiterführen wollen wie vorher – nur eben mit Gemeinde dazu. Das geht aber nicht. Man muss sich hinsetzen und überlegen: Was kann ich weglassen, damit ich Zeit fürs Gemeindeleben habe? Dann merken sie oft, dass sie viel zu viel Zeit vor dem Fernseher verbringen und das kürzen müssen, um Zeit für die Bibel zu haben.
Man kann nicht einfach immer nur überlegen, was man noch zusätzlich machen kann. Jedes Mal, wenn ein Plus dazukommt, muss man überlegen, was man dafür weglässt, damit das Plus in deinem Leben Realität werden kann.
Ich finde es interessant, wenn man sich Zeit nimmt und seine Prioritäten betrachtet: Jede Priorität – zum Beispiel Bibellesen, Gemeindeleben, Familienleben, Arbeitsplatz, Studium – braucht eine bestimmte Zeitspanne. Diese ist variabel, weil im Leben immer Unvorhergesehenes passiert. Man kann nicht stur sein, das Leben ist aktiv und dynamisch.
Wenn die Prioritäten aber einmal geplant sind, kann man immer wieder überlegen, was man weglassen muss, um die Prioritäten besser umzusetzen. Für mich ist das ein wichtiger Teil von Jüngerschaft.
Zum Beispiel: Du hattest bestimmte Prioritäten, aber die Situation ändert sich. Als Familie hast du Prioritäten, dann kommt ein Kind dazu, es gibt mehr Müdigkeit und mehr Zeitbedarf für die Familie. Dann musst du überlegen: Wo nehme ich mir Zeit weg? Dabei gehst du nach der Reihenfolge der Prioritäten vor – von unten nach oben. Du nimmst nicht gleich das Wichtigste weg, sondern das, was du entbehren kannst und das keine Hauptpriorität ist.
Die Überlegung ist also immer: Etwas ist jetzt anders geworden. Wie komme ich wieder ins Gleichgewicht? Was muss ich einüben, damit ich dieses Gleichgewicht wiederfinde?
Das ist ganz praktisch, aber muss immer persönlich gemacht werden, weil jeder anders ist und anders funktioniert.
Wir haben das auch so: Wenn viele Anfragen kommen, zum Beispiel für Dienste, dann sammle ich alle Anfragen für den Monat Juni. Ich habe vor zwei Jahren einen festen Tag im Juni dafür reserviert. An diesem Tag nehmen Ursula und ich uns Zeit, beten gemeinsam und schauen alles an. Dann ordnen wir die Anfragen nach Prioritäten.
Die Prioritäten wechseln von Jahr zu Jahr. In den letzten Jahren waren es zuerst Missionare, die um Rat bei Gemeindegründungen bitten, als zweites die Schulung von Ältesten und als drittes Gemeinden, die wachsen.
In diesen Prioritätenüberlegungen schauen wir alles an. Große Events, die nur Festreden bringen, lehne ich ab, denn eine Predigt vor vielen Leuten ändert nicht viel. Aber alles, was Schulung, Mitarbeiterschulung und Multiplikation fördert, hat Priorität.
So kann man mit Prioritäten arbeiten.
Auch im Familienleben ist es wichtig, sich hinzusetzen, Prioritäten zu besprechen und gemeinsam zu entscheiden. So wisst ihr, wie ihr in einem Gleichgewicht leben könnt. Dabei solltet ihr immer offen bleiben für das Unvorhergesehene, denn das gibt es immer.
Denn man hat mit Menschen zu tun, und man kann nicht alles planen. Das ist besonders kritisch, wenn man einen vollen Terminkalender hat.
Bist du flexibel? Das ist ein ganz, ganz voller Terminkalender. Wie kann man da flexibel sein, wenn etwas dazwischenkommt?
Ich selbst bin nicht sehr flexibel mit Terminen, weil mein Kalender so voll ist. Aber ich will flexibel bleiben für Menschen.
Wie macht man das, wenn man viele Termine hat, Familienverpflichtungen und so weiter? Ich sehe darin kein großes Problem. Wenn ich zum Beispiel morgen früh auf der Rückfahrt jemanden mitnehme oder irgendwo Menschen treffe, dann sind das Menschen. Und plötzlich kommt etwas dazwischen.
Mein Studium, Familienleben und andere Verpflichtungen müssen einfach darin Platz finden.
Ich frage mich manchmal, wie das bei anderen ist, aber ich brauche relativ viel Zeit, wenn ich etwas vorbereite – zum Beispiel für eine Unterrichtsstunde.
Dann kann es manchmal vorkommen, dass etwas dazwischenkommt und ich trotzdem zusage. Manchmal lasse ich mich auch überreden.
Aber ich versuche, die Zeit Gott zu widmen – um mich auf ihn vorzubereiten, das Volk vorzubereiten oder andere Dinge zu tun.
Ich glaube, für diejenigen, die lehren oder evangelisieren – also die Botschaft weitergeben – machen das viele so. Von den Praktikanten, die ich hatte, machen es jetzt viele so.
Mein Rat ist immer, dass man hin und wieder eine ganze Woche nimmt, in der man keine Dienste hat und sich voll auf ein biblisches Buch konzentriert. So kann man es für sich selbst intensiv studieren.
Dann hat man einen „Lager“, aus dem man auch später schöpfen kann, wenn man nicht mehr so viel Zeit hat. Man kann aus dem, was man dort gelernt hat, leben.
Das Problem ist, wenn man kein solches Lager hat.
Um so ein „Lager“ zu haben, braucht es Zeiten, in denen man sich total absondert – nicht nur für Bibelstudium, sondern um die Bibel wirklich zu leben und Gott besser kennenzulernen.
Ich lese die Bibel nicht, um die Bibel an sich zu kennen. Ich will die Bibel lesen, um Gottes Gedanken besser zu verstehen.
Deshalb ist mein Bibellesen kein Ausgrübeln jedes einzelnen Wortes. Mein Bibellesen dient vor allem dazu, zu verstehen, welchen Gedanken Gott in diesem Text hat und was er mir sagen will. Und ich will diesen Gedanken verstehen.
Umgang mit unterschiedlichen Beziehungen und Evangelisationskontakten
Sie sind so, dass man – aber ich glaube, für mich ist das ein wenig ganz normal – verschiedene Beziehungen hat, in denen man merkt, dass die Beziehung Distanz gewinnt. Persönlich lasse ich mir dann kein schlechtes Gewissen machen, wenn es Distanz gibt.
Das heißt zum Beispiel: Ich habe ja immer wieder neue Kontakte. Wenn Menschen das Evangelium verstanden haben, fühle ich mich nicht gezwungen, den Kontakt einfach weiterzuführen. In verschiedenen Situationen sage ich sogar zu den Menschen, wenn sie alles verstanden haben: Es gibt noch so viele andere Menschen, die das Evangelium nicht kennen. Du wirst bestimmt verstehen, dass ich weniger Zeit mit dir verbringe, denn es gibt so viele, die es nicht wissen – und die müssen es auch wissen.
Dann sage ich aber auch: Wenn du das, was du jetzt verstehst, annimmst und Jesus annehmen willst, kannst du mich Tag oder Nacht anrufen, ich komme. So gab es immer wieder neue Kontakte, auch Menschen, die angerufen haben und gläubig geworden sind.
Für mich ist wichtig, dass ein Freund das Evangelium wirklich versteht. Ich weiß nur, dass er es versteht, wenn er es mir erklären kann. Darum überprüfe ich das immer wieder. Wenn ich diesen Moment habe, frage ich ihn: Wenn jetzt jemand hier fragt, wie man Christ wird, was würdest du sagen? Wenn die Antwort dann einfach ist: „Kirche gehen“ und so weiter, weiß ich, dass ich es noch nicht klar genug erklärt habe, sodass der Mensch es wirklich versteht.
Das passt zwar nicht ganz zum Thema, aber zu dem Gedanken von Jung gehört die Frage: Wenn du Menschen triffst und merkst, dieser Mensch hat Not in seinem Leben, erkennt aber nicht die Notwendigkeit des Evangeliums, drückst du es ihm dann bestimmt nicht rein, oder? Versuchst du einfach, so lange einen Kontakt aufzubauen, bis er irgendwann von selbst mal nachfragt, damit du es ihm sagen kannst? Oder sagst du irgendwann: „Nee, der hat hoffentlich die Frage nach einer Lösung für sein Problem, deswegen lasse ich das auch mal“?
Es ist ja klar, dass die Hauptnot jedes Menschen darin besteht, dass er keine Beziehung zu Gott hat. Deshalb will ich im Gespräch mit den Leuten, in dem, was sie leben, erreichen, dass sie das selbst verstehen und entdecken.
Zum Beispiel Ebanad Nord, ganz materieller Not. Da helfen wir ihm. Ich habe dort letztens wieder Möbel – besser gesagt Regale – aus Holz gebaut und zusammengebaut für jemanden, seine Witwe, die wir getroffen haben. Die Familie hatte einen Autounfall, bei dem der Mann und zwei Kinder im Auto gestorben sind. Die anderen zwei Kinder sind schwer verletzt, und die Frau auch.
Die Witwe haben wir jetzt getroffen, eine junge Frau. Materiell war in ihrer Wohnung totale Unordnung. Das führt natürlich zu Depression, wenn man nicht mehr so stark ist. Da sind wir hingegangen, haben aufgeräumt. Ich habe neue Regale gebaut und versucht, zu verstehen, was diese Frau erlebt. Ich habe auch gesagt, dass wir so Schlimmes nie erlebt haben, wie sie es erlebt hat.
Uns kam eine Situation sehr nah: Sie war gerade von den Ferien zurückgekommen, als ein betrunkener Autofahrer frontal in ihr Auto fuhr. Der Mann und zwei Kinder starben. Die anderen zwei Kinder und die Frau sind schwer verletzt. Das führt natürlich zu großer Depression.
Dann baust du sie auf, hilfst materiell und auch durch Zuhören. Diese Frau hatte niemanden mehr, mit dem sie reden konnte. Die Nachbarn haben Distanz gehalten, weil das ein so großer Schock war. Sie wussten nicht, was sie sagen sollten.
Was sagt man so einer Frau? Du kommst, sie weint – was willst du sagen, wenn du nichts mitbringen kannst? Danach versuchst du, ihr zu zeigen, wo die Quelle ist, an die man sich noch anhängen kann. Dann kommst du vom Evangelium zu Gott.
Die Frau hat sich vor ein paar Wochen bekehrt. Ursula geht jede Woche zu ihr, um ihr einen halben Tag zu helfen und mit ihr zusammen zu sein.
In jeder Situation möchte ich, dass die Leute entdecken, dass die verschiedenen Nöte, in denen sie stecken, eigentlich nur Konsequenzen davon sind, dass sie nicht wussten, dass die Lösung die Beziehung zu Gott ist.
Ich will ihnen helfen, so zu denken, dass sie selbst merken: Die Lösung war nicht das, war nicht das, war nicht das. Oft frage ich sie dann: Was könnte man denn noch für eine Lösung finden, damit das Leben überhaupt einen Sinn hat? Ich will, dass sie mitdenken und dass sie dann das Evangelium als Lösung für ihre Situation und ihr Leben erkennen.
Evangelisation im Alltag und Umgang mit Menschen ohne offensichtliche Not
Wir alle stehen ja irgendwie in einem normalen Arbeitsumfeld, und für die wenigsten von uns gilt, dass wir vollzeitlich da sind. Wir sind tagtäglich mit Menschen umgeben, die einfach vor sich hinleben und ihr Leben okay finden.
So wie ich es im Studium erlebt habe, freut man sich oft, wie viel Zeit man in junge Menschen investiert, die nicht alle Nöte haben, sondern einfach so vor sich hinleben und denen es gut geht. Man ist mit ihnen zusammengestellt und möchte sie einfach auch mit dem Evangelium erreichen. Man sieht da seinen Platz, investiert Zeit, geht zu Geburtstagsfeiern, lädt zum Essen ein, geht mit den Leuten wandern und macht allerlei. Aber die Menschen haben keine richtigen Nöte, und es ergibt sich deswegen nie auf natürliche Weise, dass man vom Evangelium spricht.
Was würdet ihr uns dafür raten? Wie gehen wir am besten damit um: einfach wirklich Zeit investieren und warten, bis eine Not im Leben aufbricht? Oder irgendwann sagen: „Okay, ich habe jetzt erst mal versucht, Kontakt aufzubauen, aber es hat sich nichts Großes ergeben, deswegen lasse ich das jetzt mal ein bisschen?“
Das geht ein wenig aufs Thema von heute Abend. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass jeder dort, wo er lebt, selbst ein gewisses Wohlsein im Zeugnis und in der Evangelisation hat. Jeder muss praktisch überlegen, wie diese Art von Zeugnis und Evangelisation aussehen kann.
Ich gebe jetzt Beispiele, wie diese Art sein könnte: Zum Beispiel im Zusammensein mit Studenten haben wir oft diese Richtung genommen, bei der man durch Überlegungen zu dem, was in der Welt geschieht, auf den Gedanken kommt, dass irgendwo Gott nötig wäre.
Sagen wir, du bist mit Kollegen zusammen, und jemand sagt nebenbei: „Es ist verrückt, was da in Myanmar passiert ist.“ Dann kommst du ins Reden über die Not in der Welt und kannst so ein Gespräch führen, Gedanken lenken und eine Hilfe sein, um zu verstehen, was die größte Not eines Menschen ist.
Ausgehend von der Not kannst du zurückfragen: „Was hat eigentlich unser Leben hier für einen Sinn? Wie bist du?“ Wir haben alles, es geht uns gut, aber was ist der Sinn unseres Lebens? Wir werden sterben, wie andere Menschen auch. Am Ende sind wir beerdigt, so wie die Opfer in der Katastrophe. Aber was ist das Ziel unseres Lebens?
Man lässt diese Fragen vielleicht erst einmal stehen. Die Leute lachen vielleicht oder sagen: „Mir ist das egal.“ Die meisten Kontakte, die ich habe, lasse ich Fragen stehen. Und beim Fragen stehenlassen kommen sehr oft Fragen zurück und neue Überlegungen.
Ich kann heute im Gespräch nicht schnell auf Jesus kommen, denn die Leute sind keine Sünder, sie sind nicht verloren. In Frankreich gibt es ja kein Gesetz – wenn es kein Gesetz gibt, ist es keine Sünde. Sie sind nicht verloren, Gott gibt es nicht, Schöpfung gibt es nicht, das ist Evolution. Das ist schon die dritte Generation, die so lebt in Frankreich. Religion ist weg, es gibt nur noch Philosophie.
In der Schule hören sie nie etwas von Schöpfung, nur von Evolution. Da muss ich oft mit den Leuten über die Natur sprechen. Dann stellen sie Fragen, und ich sage: „Es ist doch komisch, dass das alles so wunderbar funktioniert, ohne dass wir Menschen etwas organisieren müssen.“ Das ist doch merkwürdig. Man kann sich doch Fragen stellen, dass das so läuft, dass die Bäume im Winter so aussehen, als wären sie tot, und dass im Frühling alles wieder wächst.
Zum Beispiel wachsen im Winter die Wurzeln eines Baumes so, dass die Äste im nächsten Frühjahr stärker werden und der Baum dem gleichen Sturm standhält. Das ist schön für Mathematiker, um zu berechnen, wie viel die Wurzeln wachsen müssen, wenn die Baumkrone größer wird, um demselben Sturm zu widerstehen.
Das ist schön, um darüber nachzudenken: Die Bäume wachsen zuerst unten und dann oben. So verschiedene Dinge aus der Natur, die man einfach so zur Sprache bringt – nicht als Fakten, sondern als Staunen: „Verstehst du? Ist das nicht verrückt?“
Ich habe einmal einen Physiotherapeuten, der nicht an Gott glaubte. Aber mein Rücken gehörte ihm, weil er immer daran herumdrückte. Vor drei Jahren hat er mir gesagt, dass er Atheist ist. Ich habe ihm gesagt: „Es ist nicht schlimm, Atheist zu sein.“ Er hat seine Arbeit getan.
Einmal kam ich mit dem Fahrrad zu ihm und sagte: „So wunderbar, diese Vögel, diese Farben. Wieso sind die nicht alle schwarz-weiß? Wunderbar, was draußen alles so schön ist.“ So hat das Gespräch angefangen, einfach mit dem Staunen über die Schönheit der Natur.
Später habe ich ihm gesagt: „Es ist merkwürdig, dass alles so schön entstanden ist durch einen Urknall, eine Explosion.“ Er sagte: „Wenn in meinem Büro eine Explosion wäre, wäre es eine Sauerei.“ Er hat weiter an meinem Rücken gearbeitet.
Heute liest er im Neuen Testament und hat Fragen. Es hat mit der Schöpfung angefangen, wo er zugeben musste, dass man sich vorstellen kann, dass etwas Größeres nötig ist, um das alles so hinzustellen. Der Weg ist manchmal lang.
Nebenbei mache ich auch ganz aggressive Evangelisation, den kürzesten Weg, den Weg der Hölle, um den anderen Weg zu zeigen. Aber ich glaube, in den Beziehungen, in denen man mit den Leuten lebt, ist es wichtig, dass die Leute lernen, in ihrem Denken mitzugehen und plötzlich merken: „Ah ja, da ist etwas.“
Jetzt kannst du mal überlegen: In jedem Studium gibt es ein Gebiet, das du nur kennst, weil du dieses Gebiet studierst. In deinem Gebiet, wo kannst du merken, dass es einen Schöpfer gibt? Wenn du es bis zum Ende durchdenkst, ist es nicht einfach da. Wenn du Material brauchst, Mineralien, der Ursprung des Materials führt zur Schöpfung. Jeder muss überlegen, welchen Weg er nutzen kann, damit Menschen auf wichtige Fragen kommen, die den Übergang zum Evangelium ermöglichen.
Wir machen so Lager, vielleicht könnt ihr das auch machen. Wir überlegen, wo jeder Zeit hat, über sich selbst nachzudenken, was er weiß, in welchem Gebiet er etwas weiß und welche Fragen er stellen kann, damit die Leute überlegen, dass es jemanden geben muss, der viel größer ist und alles in der Hand hat.
Ich finde es interessant, wenn man sich danach austauscht, welche Ideen es geben kann. Das ist ein natürlicher Weg. Alles andere ist immer wieder am Platz – alle anderen Werkzeuge und Methoden zum Evangelisieren sind wichtig. Aber für mich ist auch die Methode wichtig, die den Menschen hilft, anders zu denken.
Mir hilft es immer wieder, in Gesprächen zu merken, welche Denkkarten die Leute haben. Zunächst denken sie falsch, haben falsche Werte vom Leben. Wenn du siehst, wie sie denken, kannst du Fragen stellen, um eine Kurve zu finden, die in die richtige Denkkarte führt. Vielleicht ist das ein wenig kompliziert, aber...
Ja, das ist ja Apologetik, was du da machst. Genau, zum Teil schon. Ich finde Apologetik sehr gut, nur sollte sie nicht manipulativ sein. Das geht nur bis zu einem gewissen Grad. Man kann ja nicht bekehren.
Man kann niemanden bekehren. Aber wenn man den Verstand erreicht, ist das schon ein wichtiger Punkt. Das Herz muss ja auch mitgehen. Das Herz kann nur mitschwingen, wenn das Hirn mitschwingt.
Genau, das Herz kann nur wirklich mitschwingen, wenn unsere Haltung Liebe ist. Das heißt, in der Argumentation sind wir immer bereit zu verlieren. Wenn die Argumentation zu einer Disputation führt, dann muss der andere seine Argumente verstärken, bis die Argumente zu einem Krieg werden.
Ein Krieg ist aber kein Sieg. Ein Krieg bringt nie Frieden, sondern nur Tote. Er stellt vielleicht die Waffen still, aber keinen Frieden. Wenn der andere dir sagt: „Das ist totaler Quatsch, das zählt nicht“, dann bleibst du still und weißt: „Okay, bis hierher sind wir gekommen.“
Der andere muss immer die Möglichkeit haben, Recht zu haben. Der andere muss die Möglichkeit haben, der Stärkste zu sein.
Ich wurde einmal zu einer Disputation eingeladen, ich war im Radio mit drei Okkultisten – einem Spiritisten, einem Radiästhesisten und einem Satanisten. Der Satanist war der Moderator. Ich war dankbar, dass ich allein war gegen diese Gesellschaft.
Denn wenn du auf der schwachen Seite bist, bist du auf der besten Seite, dass Gott eingreift. Sie diskutierten über die unsichtbare Welt und die Kräfte, die dort sind. Ich sprach vom Sieg Christi, vom Heiland über alle Dämonen, dass sie zwar viel Kraft haben, aber alle eine geringere Kraft als Christus.
Merkwürdigerweise war das Gottes Eingreifen: Nach der Debatte hatten sie alle praktisch in ihrer Argumentation Recht. Christsein sei nichts und so weiter. Ich ließ sie reden. Am Ende sagte der Moderator: „Herr Herrmann, machen Sie bitte den Schluss.“
Das war ein Geschenk Gottes. Er hätte das auch dem Satanisten sagen können. Ich konnte den Schluss machen über meine Zufriedenheit, Vergebung, die Ruhe und meinen Platz im Himmel. Ich sagte: „Ich möchte Mut machen, die Bibel zu lesen. Ihr werdet finden, dass in Christus ein Friede ist, den niemand sonst geben kann.“
Der Moderator schaltete danach ab. Das war wunderbar. Sie hatten alle Recht, und am Ende konnte ich einfach von Frieden und der Gegenwart Gottes sprechen und Mut machen, die Bibel zu lesen. Ich bin nicht mehr ins Thema hineingestiegen, sondern habe einfach gesagt, was Christus für uns ist.
Ich finde es wichtig, Gelassenheit zu haben, wenn wir nicht Recht haben wollen in solchen Situationen. Ich bin dorthin gefahren und habe im Auto zum Herrn gesagt: „Herr, hilf mir, ich will schwach sein. Ich brauche nicht Recht zu haben. Du bist größer, ich habe kein Problem mit dir. Du bist über Teufel und Dämonen. Ich bin bereit da zu sein, aber ich brauche nicht Recht zu haben.“
Es ist gut zu wissen, dass man Menschen, die sagen, es gibt keinen Gott, mit Freude sagen kann: „Ich bin dankbar, dass das nichts an Gott ändert, was ich sage.“ Da kann man dankbar sein.
Aber, Daniel, wenn du dem anderen die Möglichkeit gibst, Recht zu haben, vertraust du so weit dem Herrn, dass er ihnen noch die Möglichkeit gibt, etwas einzustreuen oder zu geben? Denn wenn du weißt, dass er nicht Recht hat, und er denkt, er hat Recht, und drückt dann die Diskussion, geht sie auseinander, wie sie zusammengekommen ist. Dann hätte diese Begegnung nie stattfinden können und wäre egal gewesen.
Ich verstehe dich gut. Aber wofür redet man dann, wenn man den anderen so lässt, wie er ist?
Ich glaube, Gott lässt ihn nicht so. Er hat gesiegt und geht weg. Ich glaube, dass der Heilige Geist weiterarbeitet. Das meine ich. Ich brauche nichts weiter dazu zu sagen.
Ich glaube auch, dass der Heilige Geist diese Menschen, andere Menschen und Christen auf den Weg bringen kann und andere Möglichkeiten. Aber ich glaube, wenn er weggeht, als er starkes Recht hat, ist das nicht das Ende für den Heiligen Geist. Gottes Geist arbeitet weiter, das glaube ich.
Aber das „Aber“ ist wichtig im Satz. Ich höre immer die „Aber“, ich weiß. Ich möchte das auch zu Gott sagen, aber ich finde das nicht bei Jesus.
Jesus hat nicht, wenn jemand zu ihm kam und ihm etwas gesagt hat, ihn zurechtgewiesen. Er hat gezeigt, was Wahrheit ist und dass Gott so technisch, grundsätzlich und gnädig ist.
Ich frage mich nur, wann man merkt, wann es angebracht ist, Heiligkeit zu bringen, und wann es angebracht ist zu sagen: „Okay, jetzt muss ich den Mund halten.“ Also auch die Liebe vor der Welt. Wo kann man das unterscheiden?
Du hast gemerkt, dass die Pharisäer das Gesetz kannten, die Tora hatten und zum Teil stolz auf ihre Religion waren. Das ist ein bestimmter Typ Mensch. Den anderen, die nicht religiös waren, begegnete Jesus nicht wie den Pharisäern.
Wir wissen immer wieder: Jesus kannte die Herzen, wir nicht. Er wusste, was in den Herzen war. Zum Beispiel sagte er zu Nathanael: „Ich habe dich schon gesehen, ich kenne dich.“ Er erkannte ihn, bevor der andere ihn sah. Jesus ist Gott – das ist ein großer Unterschied.
Ich glaube, bei religiösen Menschen, die stolz auf ihre Religion sind, bin ich vorsichtig. Aber wenn ich an die Mehrheit unseres Landes, Frankreich, denke, da gibt es Menschen, die absolut keine Ahnung von Gott oder Religion haben und die Bibel nicht kennen – nicht einmal von außen.
Genau, das wird immer mehr, auch in ganz Europa. Wenn ich den Einfluss der französischen Haltung zur Religionslosigkeit sehe, wie Sarkozy eine Kraft hat, andere Europäer zu überzeugen, dass Religionslosigkeit ganz wichtig ist, sehe ich, dass alles nivelliert wird.
Nicht wie in Frankreich, aber philosophisch. Religiös wird vieles abgedrückt. Ich habe verschiedene Bücher von Alexander Del Valle gelesen. Er ist Philosoph und Soziologe mit einem neuen Posten an der Sorbonne in Paris.
In seinem Forschungsbüro arbeiten die besten Soziologen Frankreichs und auch die Finanzbranche für die ganze Welt. Er forscht über Weltfinanzen und Religion weltweit. In seinen Büchern zeigt er, wie ganz Europa islamisiert wird.
Er beschreibt den Kosovo als Vorstoß des Islam und wie die Pläne sind, ganz Europa zu übernehmen. Einerseits wird von innen gearbeitet, indem in Frankreich unter den Muslimen die Imame dafür sorgen, dass die Muslime wieder richtige Muslime werden – eine interne Stärkung des Islams.
Frankreich bezahlt als Land eine große Summe Geld für die Dimitude. Die Dimitude ist eine Steuer, die wir an die Ölländer zahlen, damit wir nicht von Al-Qaida angegriffen werden. Wir Franzosen zahlen eine Steuer fürs Öl und eine Steuer für Schutz.
Das ist die Steuer, die in islamischen Ländern für Nicht-Muslime höher ist. Wir zahlen diese Steuer als Land, und das geht vorwärts. Wegen dieses Drucks arbeitet Frankreich hart an der Religionslosigkeit.
Aber mit dem, was wir in Riad unterschrieben haben, dürfen wir den Islam in Frankreich nicht bremsen. Warum habe ich das erzählt? Ich weiß es nicht mehr. Vom Geist geleitet.
Ob man Gegenargumente bringt oder nicht – mir scheint es wichtig, dass wir einander helfen, einen Überblick zu haben, was global geschieht. Der Überblick ist für mich wichtig für die Evangelisation, zu wissen, wo ich weiterhelfen muss.
Ich habe Kontakt mit der Assemblée Nationale und Ministern der französischen Regierung, mit denen ich per Mail wegen Ethikfragen in Kontakt stehe, weil sie wissen, dass ich Ethiklehrer bin.
Denen muss man helfen, anders zu denken. Sie denken alle falsch, und das ist das Problem – falsche Werte. Man kann ihnen nicht einfach sagen: „Frankreich braucht Jesus.“ Man kann sagen: „Das stimmt, das ist richtig“, aber das macht sie nicht schlagartig bereit.
Sie müssen zuerst verstehen, dass sie, wenn sie weiterdenken, in eine Sackgasse kommen. Für Philosophen ist es oft wichtig, dass man ihre Gedanken weiter vorantreibt, damit sie merken, dass das am Ende leer ist.
Das ist deine Frage: Wie geht man mit Menschen um, die eine Stimme zum Diskutieren und Argumentieren haben, wenn sie mit dir reden wollen? Weißt du, gibst du ihnen auch ein Gerüst nach dem Motto: „Die Sau vor die Milch werfen“?
Die Argumentation ist für viele wichtig, und manche suchen genau das, wie du sagst. Ich glaube, wir müssen geleitet von Gott spüren, wann wir aufhören müssen oder wann keine Gegenargumente mehr nötig sind.
Ich bin oft in muslimischen Vierteln, vor allem in Dijon, wo vier bis acht Männer am Eingang stehen. Wenn du mit dem Auto reinfährst, fragen sie sofort, was du vorhast. Dann bin ich allein auf dem Platz in der Debatte mit den Männern und dem Imam.
Sie führen eine Art Disputation, aber es wird schnell hitzig. Wenn es heiß wird, versuche ich, das Gespräch wieder herunterzuholen.
Das Runterholen bedeutet für mich, bei einem direkten Angriff das Thema zu wechseln. Zum Beispiel, wenn sie behaupten, Jesus sei nicht gekreuzigt worden, sondern jemand anderes an seiner Stelle. Ich kenne die muslimische Sicht darauf und den Wert davon.
Dann wechsle ich das Thema, zum Beispiel auf das Fasten im Ramadan. Ich frage: „Wie sieht das in eurer Ehrlichkeit mit dem Fasten aus, wenn man die ganze Nacht feiert und isst? Ist das einfach nur eine Zeitverschiebung?“ So geht man auf ein anderes Gebiet.
In der Disputation kann man so weit kommen, dass es nur noch darum geht, Recht zu haben. Für mich ist das dann nicht mehr richtig. Aber jeder ist anders.
Ich will da kein Gebot aufstellen. Ich komme zurück zu Römer 14: Wir sind verschieden, auch im Funktionieren. Es ist interessant, wenn jeder überlegt, wie er sich selbst vorbereiten kann, den Heilsplan zu kennen und sich dafür interessiert, was Menschen denken und welche Werte sie haben.
Das kann immer wieder eine große Hilfe sein. Aber jetzt machen wir eine Pause, das ist auch eine Hilfe.
