Ich freue mich, heute bei euch sein zu können, und danke für die einführenden Worte. Wir haben heute ein Thema vor uns, das wirklich ganz außergewöhnlich ist. Wenn ich persönlich die Frage stellen müsste, welches Kapitel in der Bibel ich am Ende meines Lebens richtig gut verstanden haben möchte, dann wäre es wahrscheinlich dieses Kapitel.
Ich glaube nämlich, dass man das Christsein erst dann wirklich verstanden hat, wenn man den Wert der Liebe erkannt hat. Gleichzeitig erscheint mir die Liebe die größte Herausforderung zu sein, die es in unserem Leben gibt. Wer sagt, er habe die Liebe verstanden und könne einen Haken dahinter machen, dem muss ich ehrlich sagen: Das glaube ich nicht. Das ist in meinen Augen nicht wahr.
Dass dem so ist, wird hoffentlich heute klar werden. Ich habe ein bisschen etwas vorbereitet. Wir werden heute keinen ganz normalen Abend haben. Ja, wir werden uns 1. Korinther 13 anschauen, aber ich möchte euch auch bitten, mitzuarbeiten.
Im Rahmen dieser Mitarbeit wird der eine oder andere vielleicht feststellen: Da gibt es in meinem Leben Dinge, an denen ich arbeiten müsste. Das ist ganz normal. Gefährlich wird das Christsein erst dann, wenn wir glauben, fertig zu sein. Wir werden irgendwann fertig werden, aber nicht auf dieser Welt.
Deshalb ist es ein Trugschluss, zu glauben, man sei schon fertig. Wir müssen uns immer wieder ehrlich und von Herzen für die Wahrheit öffnen. Wir müssen immer wieder in den Spiegel von Gottes Wort schauen, um zu erkennen, wer wir eigentlich sind.
Die Bedeutung der Liebe im geistlichen Leben
Erster Korintherbrief Kapitel 13
Manche Leute nennen einen Teil daraus das Hohe Lied der Liebe. Dieser Abschnitt steht in einem großen Zusammenhang, der mit den Gaben in der Gemeinde zu tun hat – eigentlich auch mit der Frage, wie ich mich in der Gemeinde verhalte.
Wenn ich meine Gaben entdecke, die ich habe – wir haben uns gestern über die Unterschiedlichkeit der Gaben unterhalten – dann haben wir auch besprochen, dass wir nicht nur unterschiedlich begabt sind, sondern aufeinander hin begabt. Gott erschafft durch seinen Geist den Leib Christi mit unterschiedlichen Gliedern, wobei jeder unterschiedlich begabt ist.
Wir sind dazu berufen, zusammenzuspielen. Wir sind nicht dazu berufen, Einzelkämpfer zu sein. Wir sind berufen, einander Lasten zu tragen, einander zu ehren, uns miteinander zu freuen und auch miteinander Leid zu tragen. Damit das gelingt, hat Gott jeden Einzelnen von uns passend gemacht für diese Gemeinschaft.
Die Korinther haben das Problem, dass sie nicht nur passend sein wollen, sondern die Gemeinschaft als eine Bühne für Selbstdarstellung benutzen. Sie wollen zeigen, wie toll sie sind. Paulus muss ihnen am Ende von Kapitel 12 diesen Vorwurf machen: Ihr eifert um größere Gnadengaben, ihr wollt etwas Besonderes sein, aber ihr habt eigentlich noch gar nicht verstanden, worum es geht.
Und das, worum es im geistlichen Leben immer wieder geht, das ist Liebe.
Darf ich noch einmal mein Fischbrötchen von gestern haben, bitte? Ich hatte hier gesagt, dass im Zentrum der Fisch steht – die Grundlage des Glaubens. Und jetzt die nächste Folie, bitte.
Und das steht hier unten: Liebe. Seht ihr das? Der letzte Punkt hier: Liebe ist das Zentrum des Glaubens. Liebe – das muss uns immer wieder klar sein.
Wir können uns über viele Dinge auseinandersetzen, wir können an vielen Stellen sehr unterschiedlicher Meinung sein. Wir können an unseren äußeren Formen und Überzeugungen an verschiedensten Stellen herumschrauben und uns stehen lassen. Aber an dem Punkt, den wir heute betrachten, geht das nicht.
Wenn jemand sagt, im Zentrum des geistlichen Lebens stünde nicht Liebe, im Zentrum des geistlichen Lebens stünde nicht meine Antwort der Liebe auf die Liebe Christi, dann irrt er einfach.
Und da muss Paulus jetzt hin. Er spricht zu einer Gemeinde, die sich darin gefällt, besonders zu sein, die sich darin gefällt, zu zeigen, was sie alles kann, was sie alles schon verstanden hat, wie sie total toll begabt ist.
Und Paulus reduziert das Ganze auf eine Frage. In diese Frage möchte ich euch heute gerne mitnehmen, und die Frage lautet: Bist du lieb?
Am Ende unseres Lebens möchte Gott, dass wir liebe alte Christen sind. Ich erwarte von mir – ich weiß, da ist noch viel zu tun, aber ich hoffe und warte trotzdem darauf – ich erwarte von mir, dass ich am Ende meines Lebens lieb werde.
Vielleicht habe ich dann schon viel von dem vergessen, was ich jetzt weiß, vielleicht gehe ich dann krumm und mit dem Stock – völlig in Ordnung. Aber eins möchte ich sein: Ich möchte lieb sein.
Warum? Wenn ich lieb werde, werde ich wieder Herr Jesus ähnlich. Und dazu sind wir berufen.
Der Heilige Geist möchte uns umgestalten. Er möchte gerade, dass wir nicht bleiben, wie wir sind. Er möchte uns umgestalten in das Bild Christi.
Und im Zentrum der Person Christi steht das Prinzip Liebe. Das macht ihn aus, das macht Gott aus.
Deswegen heißt es auch an anderer Stelle im ersten Johannesbrief: Gott ist Liebe – nicht nur liebevoll, sondern richtig Liebe.
Die Unverzichtbarkeit der Liebe
Paulus spricht in Kapitel 12, Vers 31 von einem Weg, der weit über das hinausgeht, was er zuvor beschrieben hat. Er beginnt mit der Unverzichtbarkeit der Liebe.
In Kapitel 13, Vers 1 heißt es: "Wenn ich in den Sprachen der Menschen und der Engel rede..." Ihr erinnert euch, gestern hatten wir das Thema Gnadengaben. Eine dieser Gnadengaben war die Fähigkeit, in fremden Sprachen zu reden, ohne sie gelernt zu haben. Diese Gabe stand in Korinth offenbar sehr hoch im Kurs. Man wollte sie besitzen, zur Schau stellen und sich damit profilieren.
Paulus sagt nun: Wenn ich das könnte – und nicht nur ein bisschen, sondern wenn ich quasi jede Sprache beherrschen würde –, und er übertreibt absichtlich, indem er sogar von den Sprachen der Engel spricht. Das heißt, wenn ich aus eurer Sicht begabt wäre wie kein anderer, wenn ich die ultimative Gabe hätte, die in eurer Gemeinde am meisten geschätzt wird, und davon alles besäße, so dass alle ehrfürchtig und staunend stehenbleiben und sich fragen: Gibt es so etwas wirklich?
Wenn du also so begabt wärst, dass alle nur noch staunen könnten, fährt Paulus fort: "Wenn ich das könnte, aber keine Liebe habe – was dann?"
Der Begriff "Liebe" hier ist das griechische Wort Agape. Man hört manchmal, Agape sei speziell für Gottesliebe, aber das stimmt nicht. Es ist einfach das Wort, das Paulus verwendet, weil es damals ein Begriff für Liebe ohne erotischen Unterton war. Es ist ein abstrakter Begriff für Liebe, der noch nicht abgenutzt war. Deshalb benutzt Paulus ihn hier, um zu zeigen, dass Liebe nicht nur Küssen, Streicheln oder sexuelle Nähe bedeutet, sondern an einem ganz anderen Punkt beginnt.
Also die Frage: Du bist unendlich begabt, hast aber keine Liebe. Das heißt, du weißt nicht, wie man liebevoll mit anderen Menschen umgeht. Was dann? Paulus sagt: "So bin ich ein tönendes Erz oder eine schallende Zimbel."
Ich weiß nicht, ob ihr Zimbeln kennt. Das sind kleine runde Metallplatten, die man aufeinander schlägt. Es gibt auch Spielzeuge, bei denen man sie aufdreht und sie dann klingen. Jedes Mal, wenn ich diesen Text lese, muss ich an eine Kindergartenaufführung denken, bei der versucht wird, auch das letzte Kind mit einzubeziehen. Ich war früher so ein kleiner, dicker Junge im Kindergarten, der immer noch mit einbezogen werden musste. Wenn ich eine Rolle bekam, war es vielleicht die des bösen Wirts bei Maria und Joseph, der sagt: "Ihr dürft hier nicht rein."
Wenn man solche Aufführungen sieht, gibt es immer Kinder, die irgendein Rhythmusinstrument in die Hand gedrückt bekommen, im Hintergrund stehen und fröhlich drauflos schlagen, egal ob es passt oder nicht. Paulus sagt, wenn du so begabt bist, wie du es dir kaum vorstellen kannst, aber keine Liebe hast, dann ist dein Wert für die Gemeinde Gottes genauso wie dieses "Bim, bim, bim" – du hast keinen Wert. Du magst begabt sein, aber du bist nicht da, wo Gott dich haben möchte. Du bist wie jemand, der unbrauchbar ist. Verrückt, oder?
Dieser Text geht tief. Man kann ihn in 15 Sekunden lesen, aber ich glaube, man braucht 15 Jahre, um ihm wirklich zu glauben, wenn man Christ ist, weil es so unwahrscheinlich klingt. Stell dir jemanden in deiner Gemeinde vor, der wirklich begabt ist: ein talentierter Musiker, ein engagierter Kindermitarbeiter, ein versierter Techniker, ein begabter Prediger oder Leiter.
Du genießt seinen Dienst, bewunderst ihn und denkst: Was für ein Mensch! Aber Gott schüttelt im Hintergrund den Kopf und sagt: Nein, das stimmt nicht. Es sieht gut aus und wirkt toll, aber es fehlt das Entscheidende.
Paulus geht noch weiter: "Wenn ich Weissagung habe..." Zuvor hatten wir die Zungenrede, jetzt kommt die Prophetie. Auch hier übertreibt Paulus bewusst. Er meint alle Geheimnisse und alle Erkenntnis – Dinge, die Gott verborgen hat und die man nur durch enge Gemeinschaft mit Gott erfahren kann, nicht durch logisches Nachdenken.
Wenn ich also eingeweiht bin in Gottes Geheimnisse und alle Erkenntnis habe – ich habe euch gestern das Wort "Erkenntnis" erklärt, es ist das theoretische Element –, wenn ich so jemand wäre, der die Bibel rauf und runter kennt, alle Kommentare gelesen hat und um drei Uhr nachts mit einem Backstein geweckt werden kann, um eine theologische Frage zu beantworten, wenn ich so jemand wäre, der alles weiß.
Wenn ich Weissagung habe, alle Geheimnisse und alle Erkenntnis kenne und allen Glauben habe – auch das hatten wir gestern –, also nicht nur normalen Glauben, sondern Glauben, mit dem man Berge versetzen kann. Stell dir das vor! Und das ist übertriebene Sprache, aber sehr anschaulich. Jemand sagt: "Komm, wir versetzen mal Berge." Und dann geht ihr raus und sagt: "Welchen nehmen wir heute?" "Den da!" "Bumm!"
Stell dir so jemanden vor. Und jetzt hat der ein Problem: Wenn ich Weissagung habe, alle Geheimnisse und Erkenntnisse kenne, allen Glauben habe, aber keine Liebe, was dann? Ist das ein Problem fürs Leben?
Das muss doch etwas wert sein, wenn jemand so unterwegs ist. Das muss doch einen eigenen Wert haben. Es kann doch nicht sein, dass jemand von Gott so begabt wird und dann nur, weil er keine Liebe hat, wertlos ist.
Paulus sagt: "Ja, wenn ich keine Liebe habe, so bin ich nichts." Und zwar unabhängig davon, welche Stellung ich in der Gemeinde einnehme.
Ich kann den Text nicht lesen, ohne dass mir kalt und heiß wird. In Vers 3 heißt es: "Wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen austeile..." Wir hatten eben die Begabung, jetzt wechseln wir zum Bereich sozialdiakonischer Aktion. Du möchtest dich in der Gesellschaft einbringen und investierst, was du hast.
Wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen gebe und meinen Leib hingebe, damit ich verbrannt werde – hier sind beide Übersetzungen möglich – also wenn ich als Märtyrer sterbe, du investierst deinen Reichtum, dein Leben –, welchen Wert hat das vor Gott, wenn ich keine Liebe habe? Was dann?
Du hast alles investiert, aber an einer Stelle gibt es ein Problem. Paulus sagt: So nützt es mir nichts.
Ihr könnt von den sechzehn Kapiteln des 1. Korintherbriefs alles vergessen, wenn ihr Kapitel 13 nicht lebt. Ihr könnt die anderen fünfzehn Kapitel verstanden haben und mit eurem Leben unterstreichen, aber wenn Kapitel 13 in eurem Leben nicht Realität wird, dann gilt das, was Paulus sagt: "So bin ich eine schallende Zimbel, unbrauchbar, so bin ich nichts, so nützt es mir nichts."
Und das ist das eigentliche Problem, das wir haben.
Was ist Liebe? – Eine praktische Definition
Was ist Liebe? Wir haben uns über das Hohelied unterhalten, deshalb kann ich einiges voraussetzen. Die Definition, die wir damals gemeinsam erarbeitet haben, möchte ich noch einmal wiederholen: Liebe ist Sehnsucht nach Beziehung. Das heißt, alles, was in meinem Leben Beziehung möglich macht und Beziehung erhält, das ist Liebe.
So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab. Ja, Gott liebt die Welt. Gott will die Beziehung zur Welt, Gott will die Beziehung zu dem Einzelnen. Und er macht diese Beziehung möglich, indem er seinen Sohn sendet, der am Kreuz für unsere Sünde stirbt.
Liebe ist das, was ich tue, um Beziehung möglich zu machen und zu erhalten. Deshalb ist Liebe so unglaublich kompliziert, weil es ja nicht so einfach ist, mit anderen Leuten immer gut auszukommen. Wenn wir uns begegnen, reiben wir uns oft aneinander. Manchmal mögen wir uns, manchmal nicht. Manchmal sagen wir etwas, das gut verstanden wird, und dann wieder, als hätten wir eine Fremdsprache gesprochen.
Wir stehen mal mit dem rechten, mal mit dem linken Fuß auf, mal spielen uns die Hormone einen Streich, mal nicht. Mal stimmt der Kaffeespiegel, mal nicht. Wir sind eben so, wie wir sind.
Und jetzt kommt Gott und sagt: Das Wichtigste für mich ist die Lektion, von der ich mir wünsche, dass du sie am Ende deines Lebens gelernt hast. Diese Lektion ist, dass du liebst – und zwar in verschiedene Richtungen. Einmal, dass du lernst, die Menschen zu lieben, mit denen du jeden Tag zu tun hast.
Wenn du das gelernt hast, wie man Menschen liebt, hast du die Voraussetzung geschaffen, dass du Gott lieben kannst. Denn der Apostel Johannes sagt, wir können nicht Gott lieben, wenn wir nicht vorher die Menschen lieben, die Gott uns zur Seite stellt.
Anscheinend ist Liebe etwas, das man lernen muss und uns nicht einfach in die Wiege gelegt wird. Deshalb gibt Gott uns zum Beispiel in der Gemeinde viele Möglichkeiten, gerade an den Stellen, wo wir uns reiben, wo wir auf Menschen treffen, die uns nicht so passen, zu lernen und darüber nachzudenken, was Liebe eigentlich bedeutet.
Wenn du sagst, ich bin ein liebevoller Charakter, dann sagst du damit: Ich bin jemand, der weiß, wie man eine Beziehung richtig gut lebt. Wie man dafür sorgt, dass Beziehungen sich vertiefen und gelingen. Ich bin jemand, der im Blick auf Beziehungen genauso tickt wie Gott. Ich bin bereit, mich einzubringen. Das ist genau meine Sache.
Und jetzt ahnen wir schon, dass das gar nicht so einfach ist. Paulus sagt uns zwar in den nächsten Versen nicht, was Liebe ist, aber er zeigt uns, wie sich das anfühlen würde, wenn Liebe in unserem Leben da wäre. Was müsste ich dann in meinem Leben wiederfinden?
Er bringt uns in den Versen 4 bis 7 eine Aufzählung. Das wird so gerne bei Hochzeiten gepredigt. Wahrscheinlich kennt ihr das alles schon. Ich kenne das jedenfalls von dort. Deshalb hat das auch oft einen Niedlichkeitsfaktor. Es liest sich nett und leicht, und irgendwo gibt es bestimmt eine Postkarte mit einem Sonnenuntergang, auf der das steht.
Aber eigentlich ist das knallharter Tobak, was hier steht. Wir haben ja gesagt: Wenn die Liebe nicht in unserem Leben ist, dann spielen Begabungen, Funktionen oder das, was wir investieren, keine Rolle.
Und jetzt kommt der Punkt, woran man erkennen kann, ob Liebe in unserem Leben ist. Liebe ist keine mystische Größe, bei der sich jeder einfach einbilden kann, es sei schon alles gut. Liebe ist etwas, das man messen kann.
Paulus wird sagen: Der Charakter der Liebe ist folgender.
Charakterzüge der Liebe
Erstens: Die Liebe ist langmütig. Wenn jemand liebt, dann ist er nicht ungeduldig. Stell dir eine Bombe vor, so eine runde Kugel, die in Comics immer explodiert. An dieser Bombe ist eine Zündschnur befestigt. Wenn jemand langmütig ist, dann ist diese Zündschnur sehr lang. Du kannst sie hinten anzünden, jemanden ärgern, und es passiert lange nichts. Du kannst ihn immer wieder ärgern, ohne dass etwas geschieht.
Das Gegenteil ist der Fall, wenn jemand nicht langmütig ist. Dann hat er eine ganz kurze Zündschnur. Sobald du diese anzündest, explodiert er sofort. Das ist das Gegenteil von Langmut. Liebe ist langmütig, das heißt, jemand, der liebt, weiß, sich selbst zu beherrschen. Er geht nicht sofort in die Luft. Er hat gelernt, seinen eigenen Unmut zu bewahren. Natürlich gibt es Situationen, in denen man zu Recht sauer ist. Aber zumindest hat er gelernt, diesen Unmut für sich zu behalten. Und an den lächelnden Gesichtern merke ich, dass das praktischer ist, als man denkt.
Also: Liebe ist langmütig. Wo sich Liebe zeigt, da habe ich das gelernt und bin ein geduldiger Mensch.
Die Liebe sagt dann: Paulus ist gütig. Wenn jemand gütig ist, tut er Gutes. Wer Gutes tut, ist grundsätzlich an anderen Menschen interessiert. Ich kann einem Menschen nur dann Gutes tun, wenn ich weiß, wo ihn der Schuh drückt. Dann bin ich bereit, mich um Menschen zu kümmern, möchte ihnen dienen und bin gerne derjenige, der sich bedienen lässt. Ich bin freundlich. Ich zeige dem anderen nicht die kalte Schulter und drehe mich nicht weg, wenn er ein Problem hat, sondern ich wende mich ihm zu und überlege, wie ich helfen kann.
Gütig sein heißt also, Gutes zu tun. Wenn ich so bin, wie ich es beschrieben habe, dann ist Liebe in meinem Leben. Wenn ich aber merke, dass mich andere Menschen nicht interessieren und ich die Möglichkeiten, Menschen zu dienen, nicht nutze, wenn ich froh bin, nicht ständig angesprochen zu werden, dann muss ich mich fragen, warum das so ist. Vielleicht liegt es daran, dass ich in Sachen Liebe noch etwas lernen muss.
Das möchte ich jetzt sagen. Ihr dürft gerne schmunzeln und euch in meinen Beschreibungen wiederfinden. Ihr dürft auch sagen: Ja, da habe ich noch etwas zu lernen. Wir machen gleich eine Übung, damit ihr das genauer anschauen könnt.
Weiter: Sie neidet nicht. Wo Liebe ist, da bin ich nicht eifersüchtig. Ich freue mich sogar, wenn andere etwas besser können als ich. Das ist erstaunlich, oder? Ich freue mich, wenn jemand mehr hat als ich, vielleicht sogar das, was ich mir immer gewünscht habe.
Mir geht das manchmal so: Ich habe mir nie eine große Stereoanlage gekauft, so etwas richtig Fettes. Wenn ich dann bei Leuten bin, die so etwas seit Jahrzehnten besitzen, ist das immer beeindruckend. Da denke ich: Ja, aber liebevoll ist das nicht. Das muss man nüchtern sagen: Liebe fängt da an, wo ich mich freue und nicht hinter dem anderen Fehler suche. Ich freue mich wirklich und sage nicht einfach nichts oder ignoriere es.
Also: Liebe ist nicht neidisch, nicht eifersüchtig. Das ist ein Wesenszug von Liebe.
Natürlich auch: Die Liebe tut nicht groß. Wer liebt, ist kein Angeber. Ich muss mich entscheiden, ob ich mich mit meinen Fähigkeiten, meinem Aussehen, meinem Besitz oder sonst etwas in den Mittelpunkt stelle und mich aufspiele oder ob ich liebe und dem anderen den Vorzug gebe. Ich kann nicht beides zugleich.
Wenn ich ein Angeber bin, kann ich nicht lieben. Die Liebe tut nicht groß und bläht sich nicht auf. Stellt euch kleine Frösche vor, die, wenn Gefahr droht, Luft in sich hinein pumpen. Am Anfang sind sie klein und niedlich, dann saugen sie sich richtig voll, bis sie fast platzen. Sie wollen nur groß aussehen, sind aber innen hohl. Würde eine Schlange zubeißen, merkt sie, dass sie nichts gefressen haben. Sie hoffen, andere zu beeindrucken, damit die Schlange weggeht.
Es gibt Menschen, die sich aufplustern wollen, mehr scheinen wollen als sie sind. Dieses Wichtigtun, Besserwisserei, das ständige Sich-in-den-Vordergrund-Spielen – wo das auftaucht, ist keine Liebe. Denn ich kann mich nicht groß machen, ohne einen anderen klein zu machen. Ich kann nicht auf den anderen herabschauen. Das ist nicht liebevoll.
Sie benimmt sich nicht unanständig. Das Wort „unanständig“ bedeutet so viel wie taktlos oder rücksichtslos. Liebe und Höflichkeit gehören zusammen. Das ist mir erst klar geworden, als ich den Text studiert habe.
Manchmal gibt es bewusstes, nonkonformes Verhalten, fast so ein „Ich bin der Gesellschaftskritiker und zeige das auch“. Besonders junge Leute stehen da mehr in Gefahr, so bewusst anti zu sein, bloß nicht wie die Alten. Vorsicht! Sobald wir taktlos oder unhöflich werden und uns auf unser merkwürdiges Verhalten auch noch etwas einbilden, sind wir nicht mehr liebevoll. Dann machen wir anderen das Leben und das Zusammenleben schwer.
Sie benimmt sich nicht unanständig.
Liebe sucht nicht das Ihre. Wow, was für ein Wort! Der Vers hätte mir wahrscheinlich das Genick gebrochen, wenn ich allein darüber nachgedacht hätte. Sie sucht nicht das Ihre heißt: Ich gehe durch diese Welt und frage nicht, wie ich meine Interessen durchsetzen kann. Ich überlege nicht, wie ich Menschen manipulieren kann, damit sie tun, was ich will. Ich denke nicht darüber nach, wie ich andere dominieren kann, damit sie nach meiner Pfeife tanzen. Ich höre nicht weg, damit es so läuft, wie ich es mir vorstelle.
Liebe sucht ganz bewusst das Beste für den anderen. Wenn das heißt, selbst mal zurückzustehen, nicht immer die Pole Position zu haben, einem anderen den Vortritt zu lassen, dann sagt Liebe gerne ja dazu. Dann sagt Gott gerne ja dazu. Liebe tritt zurück und lässt sich an ein Kreuz schlagen. Das ist Liebe.
Sie sucht nicht das Ihre.
Und wo wir gerade dabei sind: Sie lässt sich nicht erbittern. Liebe wird nicht zornig. Sie ist nicht unnötig aufgebracht. Natürlich gibt es so etwas wie heiligen Zorn, aber Vorsicht damit.
Wenn jemand liebt, kann er seine eigenen Fehler belächeln. Er kann ehrlich sagen: Ja, das war falsch, und darüber schmunzeln. Er kann ehrlich sein.
Sie lässt sich nicht erbittern. Liebe stellt nicht die Frage: Wie konnte der andere nur so mit mir umgehen? Warum musste sie mich so enttäuschen? Warum musste er mich in so ein Licht stellen? Wie konnte sie mir das nur unterstellen?
Diese Fragen stellt man, wenn man anfängt, bitter zu werden. Sie führen immer auseinander. Sobald Bitterkeit in ein Leben kommt, geht die Liebe raus.
Wo Liebe ist, entstehen Menschen, die es schaffen, mit schwierigen Situationen so umzugehen, dass sie nicht bitter werden. Sie schaffen es, an dem anderen dran zu bleiben, auch wenn der gerade etwas tut, was nicht toll ist. Sie halten die Beziehung, die Spannung und auch die Sünde bis zu einem gewissen Punkt aus. Natürlich muss man Sünde ansprechen, aber zuerst ist der, der liebt, der erträgt. Und der sagt: Ich werde mich mit Vehemenz dagegen wehren, lieblos zu sein und bitter zu werden.
Geht noch einen Schritt weiter: Sie lässt sich nicht nur nicht erbittern, sie rechnet Böses nicht zu. Es gibt Menschen, die haben alte Rechnungen, die noch nicht beglichen sind. Sie holen diese bei jeder Gelegenheit hervor und reiben sie dem anderen unter die Nase: „Weißt du noch damals, da hast du das und das gemacht?“
Wenn du so jemand bist, dann ist da keine Liebe. Wo Liebe ist, führt man kein Sündenkonto. Man vergisst, was schiefgelaufen ist, zahlt nicht dem anderen mit gleicher Münze heim. Man ist nicht nachtragend. Man weiß, dass Sünde passiert. Man ist vielleicht klug genug, darüber nachzudenken, dass man selbst auch nicht besser ist.
In den Sprüchen heißt es an einer Stelle: „Die Einsicht eines Menschen macht ihn langmütig, und sein Ruhm ist es, an der Übertretung vorüberzugehen“ (Sprüche 19,11). Es ist unser Ruhm, wenn wir nicht alles auf die Goldwaage legen. Einsicht macht langmütig. Und wisst ihr, worin? Einsicht in uns selbst. Wir sind nämlich nicht besser als der andere.
Wenn wir Böses zurechnen, haben wir oft vergessen, dass wir dem anderen dasselbe schon angetan haben. Dann haben wir kein Recht, so mit dem anderen umzugehen.
Sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit. Liebe ist nie schadenfroh. Liebe kann nie sagen: „Das geschieht ihm recht.“ Wer bin ich, dass ich mich hinstelle und entscheide, was einem anderen recht geschieht? Das kann nur Gott.
Ich habe, wenn ich liebe, die Verpflichtung, mit einem anderen zu trauern, wenn es ihm schlecht geht oder wenn er Unrecht erlebt. Ich habe die Verpflichtung, sein Lastenträger zu sein, aber nicht, mich über ihn zu freuen.
Natürlich darf ich mich freuen, das ist nicht verboten. Aber ich freue mich mit der Wahrheit. Hier steht: „Sie freut sich mit an der Wahrheit.“ Die Elberfelder Bibel hat da ein kleines Wort ausgelassen, aber eigentlich müsste es so heißen.
Liebe applaudiert, wo Wahrheit geschieht. Liebe stellt sich hin, auch wenn eigene Interessen mal zurückstehen. Hauptsache, die Wahrheit gewinnt. Hauptsache, Gott und sein Wertesystem kommen zum Ziel.
Ungerechtigkeit nein, Wahrheit ja.
Dann schließt Paulus diese Aufzählung mit einem Donnerschlag: „Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.“ Wenn man diese vier Begriffe zusammenfasst, könnte man sagen: Liebe gibt einen anderen Menschen nie auf.
Sie erträgt alles. Dabei ist nicht nur passives Ertragen gemeint, sondern sie trägt alles. Sie ist bereit, die Last des anderen auf sich zu nehmen. Sie erträgt alles.
Sie glaubt alles, das heißt, sie glaubt daran, dass Gott im Leben eines anderen wirken kann. Sie glaubt nicht, dass Gott nichts mehr ausrichten kann.
Sie hofft alles, verliert nie den Mut.
Sie erduldet alles. Sie ist bereit, nicht nur eine zweite und dritte Meile mitzugehen, sondern, wenn nötig, auch eine vierte Meile.
Das ist Liebe.
Ich hoffe, dass hier niemand sagt: „Super, wenn das alles so ist, dann bin ich fertig.“ Ich hoffe, das passiert nicht.
Ich habe euch etwas mitgebracht: Meine Frau hat ihr Referendariat begonnen und muss viele Stunden Unterrichtsentwürfe schreiben. Dabei stellt sie sich immer die Frage, wie sie den Kindern etwas beibringen kann. Dazu gehören ganz unterschiedliche Aufgaben: Malen, Kneten, Lesen.
Ich habe mir Folgendes überlegt: Wer muss aufs Klo? Ich sage mal, das war ein Nein.
Wir machen jetzt Folgendes: Ich habe drei Stationen vorbereitet. Jede Station besteht aus einem Blatt Papier. Ihr braucht einen Stift, den bekommt ihr hinten bei den Technikern, falls ihr keinen habt. Hier an der Seite seht ihr die Stifte.
Wer keinen Stift hat, holt sich bitte einen. Wenn ihr einen dabei habt, ist alles gut.
Ich richte drei Stationen ein: eine hier, eine da drüben und eine dort, wo Theo sitzt. Theo, steh mal auf, damit alle wissen, wo die dritte Station ist.
Station eins, Station zwei, Station drei.
Die Idee ist, dass ihr euch aufteilt, wenn der Startschuss fällt. Ein Drittel geht zur ersten Station, ein Drittel bleibt wahrscheinlich hier hinten sitzen, und ein Drittel geht zur dritten Station.
Ihr schaut euch den Zettel an. Es geht um Liebe, um die Begriffe, die ich eben genannt habe. Ihr habt für jeden Begriff etwa neunzig Sekunden Zeit. Das ist nicht viel, aber ihr müsst auch nicht viel machen. Ihr denkt nur darüber nach, ob das letzte Woche ein Problem war, und wenn ja, wo.
Zum Beispiel bei Station drei: „Neidet nicht.“ Dort gibt es ein paar Fragen dazu, wie ich sie beschrieben habe. Wenn euch etwas einfällt, macht eine kurze Notiz, damit ihr euch später daran erinnert. Niemand sonst sieht das, es ist privat.
Nach sechs bis sieben Minuten bekommt ihr ein Zeichen und wechselt die Station.
So geht ihr zur nächsten Station, macht die Übung dort und dann zur dritten.
Wenn ihr fertig seid, machen wir zwei, drei Minuten Pause und dann geht es weiter.
Also: Ihr solltet danach wissen, wo euer Problem liegt. Ihr könnt dann selbst sehen, wo euer Hauptproblem ist.
Gibt es Fragen? Nein? Dann setzt euch an eure Stationen.
Ich hätte jetzt gerne die Ältesten hier vorne. Theo bekommt den Zettel.
Wir fangen jetzt an. Ich mache den Startschussgong. In etwa sieben Minuten gebt ihr uns ein Zeichen, okay?
Ich möchte euch die gute Nachricht sagen. Sie lautet so: Ich lese noch einmal die Verse 4 bis 7, aber etwas anders formuliert:
Unser Vater im Himmel ist langmütig, er ist gütig, Gott neidet nicht, er tut nicht groß, er bläht sich nicht auf, er benimmt sich nicht unanständig, er sucht nicht das Seine, er lässt sich nicht erbittern, er rechnet Böses nicht zu. Gott freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern freut sich mit an der Wahrheit. Gott erträgt alles, er glaubt alles, er hofft alles, er erduldet alles.
Das ist die gute Nachricht.
Gott ist ein Gott, der Geduld hat, der es gut mit uns meint, der auf nichts neidisch ist, weil er uns gerne mit allem beschenkt, was er geben kann. Er ist ein Gott, der sich nicht aufspielt, der freundlich mit uns umgeht, der das Unsere sucht, den wir nicht aus unserem Leben vertreiben können, der selbst bei Sünde einen Weg zu uns findet und uns am Ende nie aufgibt.
Das steht hier.
Die Herausforderung unseres geistlichen Lebens besteht nicht darin, in zweit- oder drittklassigen Fragen des Glaubens ganz vorne zu sein. Das Wesentliche in geistlicher Entwicklung ist, liebevoll zu werden.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Dinge hier schnell als Kavaliersdelikte abgetan werden: ein bisschen ungeduldig, nicht ganz so gütig, manchmal neidisch, nicht immer taktvoll oder nicht vergeben können.
Das sind keine Kavaliersdelikte. Das sind Angriffe auf deine Seele, auf das Zentrum dessen, was Gott sich für dich wünscht.
Wenn du am Ende eines Jahres, vielleicht bei einem Jahresrückblick, diese eine Frage stellst, ist sie wirklich wichtig: Bin ich im letzten Jahr liebevoller geworden? Ist in mir etwas anders geworden?
Mir ist klar, dass man ein Leben lang daran arbeitet. Es ist ein lebenslanger Prozess.
Meine Hoffnung ist, dass heute Abend jeder von euch an irgendeiner Stelle berührt wird, dass euch klar wird: Da bin ich gerade, da bin ich angefochten, da ist in meinem Charakter etwas schief.
Wir werden jetzt Folgendes machen: Ich werde für euch beten, dass Gott euch eine Sache ganz bewusst aufs Herz legt, von all den Dingen, die ihr gelesen habt.
Dann werden die Ältesten mit euch beten. Ihr teilt euch in drei Gruppen auf, die Ältesten sind da, da und dort. Ihr könnt zu ihnen gehen, und sie beten mit euch.
Wir schauen, wie das läuft. Geht ruhig auch in der Gruppe hin, nicht nur allein. Es wird ein gemeinschaftliches Gebet.
Wenn ihr merkt, das reicht nicht, dann sucht weiter das Gebet.
Das Dümmste, was man im geistlichen Leben machen kann, ist, so einen Text zu lesen, zu merken, dass es etwas in meinem Leben gibt, und es dann abzutun mit „Ist schon nicht so schlimm.“
Das ist wirklich schlimm.
Wenn Liebe in unserem Leben wächst, wächst das Entscheidende.
Wenn Liebe nicht mehr wächst, warum auch immer – weil wir uns daran gewöhnt haben, wie wir sind, weil wir mit unserer Sünde Frieden geschlossen haben, vielleicht weil wir gar nicht anders werden wollen – dann müssen wir ran.
Wir dürfen nicht bleiben, wie wir sind.
Ich bete für euch, dass Gott euch aus den zwölf Punkten einen zeigt, bei dem ihr sagt: Stimmt, da möchte ich gerne dran arbeiten. Da möchte ich, dass sich in den nächsten Wochen und Monaten etwas tut. Am Ende des Jahres möchte ich sagen können, da bin ich vorangekommen.
Nicht unbedingt ein Riesensprung, von völlig unhöflich zu total liebevoll, aber ein Schrittchen weiter, das wäre schon gut.
Vater im Himmel, ich danke dir, dass du uns deinen Charakter als Vorbild gibst. Ich danke dir, dass du Liebe bist und dir von deinen Kindern diese Familienebenbildlichkeit wünschst, dass wir Liebe lernen.
Herr, ich bekenne dir persönlich, dass mich das jedes Mal neu herausfordert. Ich bitte dich, dass du durch deinen Geist uns jetzt von diesen zwölf Attributen eins zeigst, das für uns persönlich dran ist.
Ich bitte dich, Vater im Himmel, dass du uns etwas aufs Herz legst, woran wir arbeiten können und sollen.
Ich bitte dich, dass du diesen Abend benutzt, dass niemand unverändert nach Hause geht.
Vater, erlöse uns von jeder Form von Selbstgerechtigkeit, von Besserwisserei, von falscher Selbstschau.
Hilf uns, Herr, einen ehrlichen Blick auf uns selbst zu bekommen, auch auf unsere Verlorenheit.
Nimm uns die Angst, ehrlich zu sein, die Angst, vor anderen nicht glänzen zu können, die Angst, konfrontiert zu werden mit dem, was wirklich da ist.
Führe uns hinein in deine Freiheit, die uns auf Grundlage deiner Wahrheit wirklich frei macht.
Darum bitte ich dich, Herr, zeige jedem Einzelnen eine Sache, für die er beten lassen kann.
Darum bitte ich dich, Amen.
Bitte teilt euch jetzt auf, ganz nach eurem Geschmack, wen ihr kennt und mögt.
Drei Gruppen: eine drüben bei Uwe, eine hier auf der Seite bei Joko, eine hier vorne.
Kommt nach vorne, verteilt euch bitte. Es soll keiner sitzen bleiben. Ihr habt alle etwas zu beten, da bin ich mir sicher.
Nutzt die Gelegenheit. Wenn ihr merkt, ihr möchtet noch mehr beten, geht auf die Ältesten zu und besprecht mit ihnen, was euch auf dem Herzen liegt. Sie beten gerne mit euch.
Ich fliege gerne mit euch noch durch den Rest von 1. Korinther 13. Der ist nämlich gar nicht mehr so interessant. Nicht mehr so interessant? Doch, es gibt theologische Streitigkeiten, aber er ist einfach nicht mehr so praktisch.
Das Entscheidende von 1. Korinther 13 haben wir jetzt: Es geht um Liebe, und Liebe ist total wichtig.
Wenn wir an der Stelle patzen, dann haben wir richtig gepatzt.
Ob wir den Rest von 1. Korinther 13 richtig auslegen oder nicht, spielt dagegen eine relativ untergeordnete Rolle.
Die bleibende Bedeutung der Liebe
Der Hauptgedanke ist relativ einfach.
1. Korinther 13,8: Warum ist die Liebe so eine herausragend wichtige Sache? Die Antwort lautet: Die Liebe vergeht niemals.
Alles, was wir bisher betrachtet haben, alles, was wir zum Thema Weissagungen sagen können: Gott redet zu Menschen, und diese Menschen reden dann wieder zu anderen Menschen. Doch all diese Worte werden eines Tages weggetan werden. Es wird eine Zeit kommen, in der dieses Reden von Gott zu Menschen und das Weitergeben keine Rolle mehr spielt.
Dann wird jeder Einzelne persönlich Gott begegnen. Man muss nicht mehr jemanden fragen: „Hast du ein Wort vom Herrn für mich?“, sondern man kann direkt mit Gott reden.
Hat die Gabe, in fremden Sprachen zu reden, in der Zukunft, wenn wir bei Gott sind, in der Ewigkeit noch eine Bedeutung? Nein. Die gute Nachricht für alle, die sich schwer mit Fremdsprachen tun, ist: Wir werden uns alle verstehen.
Ich habe mal gehört, die Schweizer behaupteten, ihre Sprache würde im Himmel gesprochen werden, andere denken, es sei Hebräisch. Ehrlich gesagt ist mir das völlig egal. Wichtig ist: Die Trennung, die auf diese Erde kam durch die Überhöhung des Menschen – als er einen Turm bauen wollte und Gott sagte: „Nein, das will ich nicht“, weil es nicht gut geht, wenn sich Menschen nur zusammenschließen und alles gemeinsam machen –, diese Trennung wird in der Ewigkeit keine Rolle mehr spielen.
Die Gabe des Sprachenredens wird tatsächlich aufhören. Ebenso die Gabe der Erkenntnis, dieses sich in Details Verbeißen – das wird weggetan werden und keine Rolle mehr spielen.
Die größten Prophezeiungen, die tiefsten theologischen Einsichten – eigentlich alles, was uns hier auf der Erde begegnet und was wir bewundern, wird in der Ewigkeit keine Bedeutung mehr haben. Paulus sagt in Vers 9: „Wir erkennen stückweise, wir weissagen stückweise.“
Das, was wir heute auf der Erde mit geistlichen Gaben und im Umgang mit Gott erleben, hat nur eine begrenzte Bedeutung. Er sagt später in Vers 12: „Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels.“ Dabei darf man sich nicht einen modernen Spiegel vorstellen, sondern eher ein Stück Bronze, das lange geschliffen wurde, bis es ein wenig glänzt. Man kann sich darin halbwegs erkennen, aber das Bild ist undeutlich.
Das bedeutet: Alles, was wir heute an Erkenntnis haben, alles, was wir von Gott mitbekommen, ist gefiltert. Gott lebt als Geist in einer anderen Dimension. Er muss aus dieser anderen Dimension in unsere Dimension hineinreden. Doch wir sind alles andere als vollkommen und allwissend. Deshalb verstehen wir oft falsch, was Gott sagt, und wir interpretieren es vor dem Hintergrund unserer eigenen Erfahrungen.
Alles, was wir heute an Erfahrungen machen, alle unsere Bilder und Theologien, die wir uns im Laufe unseres Lebens zusammenbasteln, sind Stück für Stück gewachsen. Wir versuchen, nicht nur lieb, sondern auch weise zu sein.
Wenn man sich anschaut, wie unterschiedlich weit die Menschen sind, wird das deutlich: Der eine hat hier mehr verstanden, der andere dort. Der eine hat eine Erfahrung gemacht, die ihn weiterbringt, der andere eine andere Erkenntnis. Wir erkennen stückweise, wir weissagen stückweise.
Aber wenn das Vollkommene kommt – und die Theologen fragen oft, was damit gemeint ist –, so ist das Vollkommene in Vers 10 identisch mit dem, was Vers 12 beschreibt: „Dann aber von Angesicht zu Angesicht.“ Das Vollkommene ist die Ewigkeit.
Wenn das Vollkommene kommt, wenn Gott kommt, wenn die Ewigkeit in die Zeit einbricht und die Trennung aufgehoben wird, wird das, was stückweise ist, weggetan werden.
In dem Moment, in dem ich Gott von Angesicht zu Angesicht begegne, wird all das, was ich bisher über Gott dachte, mit dem konfrontiert, wie Gott wirklich ist.
Das ist ungefähr so, als würdest du in den Urlaub fahren und hast vorher einen Prospekt vom Land, in das du reist. Du siehst die Bilder, machst dir Vorstellungen, träumst dir den Ausflug zurecht.
Vielleicht willst du auf eine Insel fahren, nehmen wir Malta. Du denkst: „Im Mittelmeer wird es nicht zu kalt sein.“ Du kaufst einen Katalog, liest über die Sprache, die Geschichte bis zu den Kreuzfahrern, bewunderst den Palast. Du träumst dir alles zurecht und hörst vielleicht von anderen auch ihre Vorstellungen.
Dann fliegst du hin und kommst an. In diesem Moment wird alles, was du dir gedacht hast, was du gelesen hast, mit der Realität konfrontiert. Du weißt jetzt genau, wie warm es ist, wie sich die Luft anfühlt und riecht. Du hörst die Leute wirklich reden, siehst die Vegetation, die Schlaglöcher – du nimmst alles viel intensiver wahr.
So wird es sein, wenn wir Gott begegnen. Heute haben wir nur einen Vorgeschmack, eine Idee davon, wie es im Himmel sein könnte. Wir haben eine Vorstellung von Gott als Liebe und schöne zwölf Punkte, wie das sein müsste.
Wenn wir aber wirklich Gott begegnen, wird Gott immer noch Liebe sein. Unser Vorstellungsvermögen ist jedoch begrenzt. Wir werden einem Gott begegnen, der uns mit Liebe einhüllt. Davon bin ich überzeugt: Hören und Sehen werden uns vergehen, und wir werden Liebe auf eine Weise erfahren, in einer Qualität und Tiefe, die wir hier niemals zu träumen gewagt haben.
Wenn das Vollkommene kommt, wenn wir Gott wirklich begegnen, wird das, was stückweise ist, weggetan werden. Dann werden wir zurückdenken, und ich weiß, es wird lustig werden.
Ich stelle mir heute schon vor, wie ich meine besten Predigten dann sehen werde. Das ist wie Bilder von früher, als du als Kind dein Fischertechnikauto zusammengebaut hast. Du schaust das Bild an und kannst nur schmunzeln, dass das damals der Inbegriff von Erfolg war. Du hast das Auto gebaut, und es rumpelte unter dem Weihnachtsbaum.
So wird es sein, wenn du auf dein Leben und deine geistlichsten Momente zurückblickst, in denen du dachtest, mehr geht nicht. Dann wirst du in die Gegenwart Gottes treten und sagen: „Was war das damals? Das ist ja ein Lacher.“
Paulus bringt noch ein Bild: „Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind.“
Wenn wir Kinder sind, freuen wir uns, wenn ein kleiner Junge auf uns zukommt und etwas plappert. Bei uns im Gottesdienst stürmen die Kleinen oft zuerst zum Kuchenbuffet, ohne Rücksicht auf Ansagen. Sie urteilen wie Kinder und denken: „Kinderstunde ist vorbei, jetzt gibt es Kuchen.“ Die Erwachsenen sind vorsichtiger, die Kinder nicht.
Paulus sagt weiter: „Als ich ein Mann wurde, tat ich weg, was kindlich war.“
In meinem Leben gibt es zwei Stufen: Früher war ich ein Kind, habe viel geredet, nicht verstanden, wie das Leben funktioniert, und komische Gedanken gehabt. Ich dachte als Kind, die Welt gibt es gar nicht, alles sei ein großes Schauspiel, bei dem alle anderen mitspielen, nur für mich.
Heute weiß ich, die Welt gibt es doch. Die anderen haben das gleiche Gefühl wie ich, dass vieles schief läuft. Früher war ich so, jetzt bin ich anders, jetzt bin ich erwachsen.
Genauso wird es sein, wenn wir dem Vollkommenen begegnen, wenn wir Gott begegnen. Dann werden wir an früher denken, wie wir heute an unsere Jugend und Kindheit denken.
Manche fragen mich: „Jürgen, wenn ich im Himmel nicht mehr verheiratet bin, ist das nicht gruselig? Ich bin jetzt so eng mit meinem Partner verbunden und kann mir das gar nicht vorstellen. Der Himmel kann doch nicht schön sein, wenn ich dann nicht mehr verheiratet bin.“
Ich erkläre das mit einem Bild: Als ich sechs Jahre alt war, hatte ich ein kleines Mädchen, mit dem ich viel spielte. Wir machten Doktorspiele, hörten Herzschläge ab. Sie war meine Flamme mit sechs Jahren, das war toll. Ich weiß heute noch ihren Namen – merkwürdig, aber so ist es.
Zwanzig Jahre später habe ich geheiratet und heute habe ich eine richtige Frau. Ich stelle mir vor, wie das Verhältnis zu meiner Frau als Erwachsener im Vergleich zu dem kleinen Mädchen von damals ist. Ich habe beide unglaublich gern, aber es ist qualitativ etwas ganz anderes.
Wenn ich nun einen Schritt weitergehe in die Ewigkeit, werde ich wahrscheinlich über die Beziehung zu meiner Frau heute, die das Größte ist, was ich mir vorstellen kann, denken, wie ich heute über meine Sandkastenfreundin denke, die damals das Größte für mich war.
So gehen wir einen Schritt weiter, und auf diesem Weg werden Dinge zurückbleiben, die hier auf der Erde eine Rolle gespielt haben.
Denn: „Wir sehen jetzt mittels eines Spiegels undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleich wie auch ich erkannt bin.“
Im Moment sieht Gott mich ganz klar, aber ich kann Gott noch nicht klar sehen. Dann wird es so sein, dass ich Gott in voller Klarheit sehe und erfasse – mit der Klarheit, mit der er mich erfasst.
Das ist eine Dimension, die alles in den Schatten stellt, was wir uns hier vorstellen können.
Nun aber bleibt – und entscheidend in diesem Vers ist das Wort „bleibt“ – es gibt nämlich Dinge, die immer schon da sind und immer wichtig bleiben.
„Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe.“ Wir bewegen uns jetzt in einer anderen Dimension. Es geht nicht mehr um Gnadengaben oder Erkenntnis, sondern um etwas sehr Abstraktes.
Heute bleibt Glaube – mein Vertrauen in Gott –, Hoffnung – mein Wissen darum, dass die Ewigkeit kommen wird – und Liebe, dieses alles umfassende, mein Leben dominierende und prägende Prinzip, diese drei.
Und Paulus sagt etwas ganz Entscheidendes: „Die größte aber von diesen ist die Liebe.“
Das heißt, Glaube und Hoffnung werden sich verwandeln. Aus Glauben und Hoffnung wird Wissen und Sehen. Aber Liebe wird sich nie wirklich verwandeln. Sie wird bestenfalls tiefer, aber nicht anders.
Deshalb ist die Liebe so wichtig. Sie ist das, was uns heute schon am tiefsten mit der Ewigkeit verbindet.
Wenn du heute einen Vorgeschmack vom Himmel haben möchtest, wenn du wissen willst, wie es dort ist, dann lerne Liebe. Du wirst etwas von dem mitbekommen, wie es in der Ewigkeit sein wird.
Und weil alles vergehen wird, die Liebe aber bleibt und die größte von den dreien ist, sollen wir lernen zu lieben.
Das wünsche ich uns. Amen.
