Begegnung im Tempel und die stille Anbetung
Nun lesen wir weiter in der Weihnachtsgeschichte, in diesem Kapitel Lukas 2, Vers 36. Jesus wurde von seinen Eltern in den Tempel gebracht. Dort war Simeon, der vom Geist Gottes geleitet wurde. Er tritt Jesus gegenüber und preist ihn.
War dort noch jemand? Wir sagten, es waren sicher zehntausend Leute oben im Vorhof der Heiden. Dort herrschte immer ein wild bewegtes Treiben. Auch die Wechsler und ihre Tische standen dort. Aber nur zwei Personen werden hier in der Bibel erwähnt.
Dort war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuels aus dem Stamm Asser. Sie war hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und nur sieben Jahre in der Ehe gelebt. Nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht.
Sie trat zur selben Stunde auch hinzu, pries Gott und sprach von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.
Herr, hilf uns, dass wir dich preisen und dich loben. Amen!
Wir haben kaum eine Vorstellung, was im Tempel alles passiert ist und was dort los war. Wenn Jesus, der Sohn Gottes, König der Könige, auf den Tempelberg getragen wird, wäre es passend gewesen, dass sie mit den Halljas poschaun und geblasen hätten – so wie sie damals bei der Einweihung des Tempels unter Salomo geblasen haben. Damals waren unter den siebzig Bläsern nicht ein Misston dabei. Das wird extra erwähnt, weil das offenbar nicht immer vorkam. Es war so besonders gelungen und schön.
Oder dass der ganze Hohe Rat dasteht und feierlich Jesus willkommen heißt. Aber keine Spur davon. Dort oben geht der Tag an wie sonst auch, und das ist erschütternd. Dort wird Gott angebetet, man weiß um die prophetischen Verheißungen – und doch ist man blind für Jesus.
Liebe Schwestern und Brüder, das bewegt mich heute am dritten Feiertag. Wir, die wir doch umgehen mit dem Wort Gottes, dürfen nicht zulassen, dass es ein Tempelbetrieb wird, bei dem alle Handlungen verrichtet werden, aber am Ende niemand mehr den Blick hat, wo Jesus ist. Denn darauf kommt alles an.
Gott hat all seine Verheißungen in Jesus bestätigt und erfüllt. Die Leute, die fromme Worte reden, aber Jesus nicht sehen, müssen wissen, dass ein Christentum ohne Jesus verfehlt und leer ist – auch wenn es überquillt von frommen Worten. Ob sie Jesus sehen und vor ihm stehen bleiben können, das ist entscheidend.
Darum werden nur die zwei Gestalten erwähnt. Wenn um Jesus ein größerer Auflauf wäre, würden die anderen vielleicht auch noch hinzukommen. Aber er liebt das nicht.
Ich habe es Ihnen vorhin gesagt: Es ist eine Art Gottes, wie er umgeht – verborgen. Warum ist Jesus so oft bei den kleinen Kreisen? Das ist auch ein schweres Urteil über unsere ganzen Kirchen immer wieder, dass wir in all der Größe unserer Organisationen Jesus verlieren und vergessen.
Simeon war da, stand da, pries Gott. Hanna stand da.
Die Bedeutung der Alten und ihre Glaubenserfahrung
Wenn man vom Vorhof der Männer zum Heiligtum hinaufging, da war das Turnikanor. Es wurde von einem reichen Reeder gestiftet, der in Ägypten zu Hause war. Dieses Turnikanor war so schwer, dass am Morgen zwanzig Männer nötig waren, um es zu öffnen.
Dafür hatte man Männer und Zeit. Es gab ein Ächzen und Krachen, denn die Scharniere waren so laut, wenn man sie drehte, dass ganz Jerusalem im Morgengrauen daran aufwachte. Das war wie das Läuten der Morgenglocken, wenn das Turnikanor geöffnet wurde.
Zwanzig Männer waren nötig, nur um die Tür zu öffnen. Doch es sind nur zwei da, die Jesus willkommen heißen. Sind Sie dabei? Sind wir dabei?
Ich freue mich immer wieder an den vielen jungen Menschen in unserem Gottesdienst. Darum darf ich sagen, dass wir die Alten ehren. Simeon war alt, Hanna war alt. Der Ausdruck „hochbetagt“ bedeutet, dass sie schon dort leben, wo man lebenssatt ist, wo das Leben zur schweren Last geworden ist.
Diese beiden Alten haben eine besondere Kenntnis, sie haben die Welt kennengelernt und können uns etwas sagen. Darum brauchen wir die Alten. Darum ehren wir sie – nicht wegen der grauen Haare, sondern weil sie uns von ihrer Glaubenserfahrung erzählen können.
Es war für mich eine große Entdeckung, als vor Jahren einer unserer jungen Mitarbeiter auf den Gemeindefreizeiten sagte: Das Wertvollste ist, dass ich einmal alten Christen begegne. Zu Hause kann ich mit meinen Eltern nicht beten und mit meinen Großeltern auch nicht. Endlich habe ich in der Gemeinde Leute gefunden, die aus ihrem Glauben reden können.
Mein erster Punkt.
Das schwere Leben der Hanna und ihre Lebensführung
Ein schweres Leben war das bei Hanna – ein sehr schweres Leben. Als junges Mädchen war der Tag der Hochzeit voller Freude. Kinder hat sie sicher keine gehabt. Und wenn sie Kinder hatte, sind sie gestorben, wie es damals oft der Fall war. Nach sieben Jahren starb ihr Mann.
Von den Witwen reden wir normalerweise nicht in unseren Gottesdiensten. Heute wollen wir jedoch davon sprechen. Eine Frau sagte mir einmal: Eine Witwe ist wie ein Garten ohne Zaun. Jeder wirft seine Steine hinein, und jeder trampelt darüber hinweg. Witwen fühlen sich verlassen und unnütz, auf die Seite gestellt.
Hanna hat ein Leben geführt, bei dem man sich fragt: Was ist es eigentlich noch wert? Man könnte denken, sie hätte viel tun können. Was hätte Hanna alles mit ihrem Leben machen können? Schach spielen, nicht? Einen Altenclub gründen, um sich die Zeit zu vertreiben.
Ich habe grundsätzlich nichts dagegen. Aber manchmal schäme ich mich für die Alten, wenn es nötig ist, sie zu beschäftigen, damit sie keine Langeweile bekommen. Hanna hat jedoch einen weiten Horizont. Die Alten spüren manchmal ganz richtig: Wir wollen kein Betreuungsobjekt werden, um das man sich kümmern muss.
Hanna blickt hinaus in die Weite der Welt und sieht etwas. Sie meint auch nicht, dass sie noch einmal irgendwo eine Bindung eingehen sollte. Das ist erlaubt. Die Bibel macht das nie schlecht. Aber die Bibel ist auch fern davon, Liebesverbindungen auf Erden zu verklären.
Auch die Ehen im Urteil der Bibel sind nie vollkommen. Schauen Sie sich die Ehe von Isaak und Rebekka an. Sie war voller Spannungen. Das können Sie bei allen biblischen Ehen sehen: Es waren Bündnisse mit allen Komplikationen, so wie Ehen auch in dieser Welt sind.
Ich will da nichts dafür und nichts dagegen sagen. Sie wissen, dass ich fröhlich verheiratet bin. Aber wir sollten das nüchtern sehen: Die Bibel sagt, dass nicht in der Ehe die Erfüllung liegt.
Es gibt eine wunderbare Predigt von Martin Luther über Hanna. Darin zeigt er genau, was rechtes Mönchtum ist. Er sagt, Hanna ist nicht aus ihren Verpflichtungen in der Familie ausgestiegen, wie manche es als fromm ansehen, wenn sie zuhause ihre Sachen nicht mehr versorgen und dann fromm beten.
Aber sie hat gemerkt, dass es eine besondere Lebensführung Gottes gibt, mit einigen Leuten, die er zu besonderen Aufgaben auf die Seite stellt. Wenn Gott in ihrem Leben Dinge aus der Hand schlägt, dann fragen sie doch, ob das nicht die Erfüllung sein kann, die sie finden: dass sie nun Zeit haben für Gott.
In der Bibel gibt es natürlich auch einen Lobpreis für den alleinstehenden Stand, für diejenigen, die unverheiratet sind. Nicht weil es mehr ist und nicht weil es reiner wäre, sondern weil Gott mit dem einen Sohn, mit dem anderen anders führt.
Nur wenn man in der Führung bleibt, wird man gesegnet.
Die Haltung der Hanna im Tempel und ihre Erwartung
Und diese Hannah – wenn man sie gefragt hat: „Was machst du denn oben im Tempel? Hilfst du beim Putzen, oder was machst du? Passt du dort oben auf, dass alles ordentlich zugeht, oder hilfst du beim Opferzählen? Was machst du denn?“ – sie sagte: „Ich warte.“
„Ach so“, hätten wir gesagt, „hoffst du immer noch, dass ein Witwer des Weges kommt und du dein Glück machst?“ Nein, vielmehr interessiert sie sich für das Reich Gottes in seiner ganzen Weite.
Als ich darüber nachdachte, merkte ich erst, wie uns da etwas verloren gegangen ist. Wir können ja gar nicht mehr in diesen großen Weiten denken. Wir rechnen alle bloß in den paar irdischen, materiellen Erfüllungen unseres Lebens.
Das hat die Hannah umgetrieben: Wann wird das sein, was die Propheten verheißenen haben? Wann wird Israel erlöst? Wann wird Jerusalem wiederhergestellt? Wann wird die Verwüstung ein Ende haben? Wann wird die Gottlosigkeit in dieser Welt ein Ende haben?
Solche Frauen wie Hannah fehlen heute in der Gemeinde. Die alten Frauen fehlen. Man hat lange genug gegen sie gepredigt und gesprochen. Die Beter fehlen.
Die Geduld Gottes über Stuttgart wird von den Paarbätern erhalten. Vielleicht sind es doch die Frauen, die alten Frauen, die sagen: „Herr, zieh deine Hand von Stuttgart nicht ab, wo einst die Väter gepredigt haben. Du kannst doch noch einmal das tun, was du zu den Zeiten Hofackers in Stuttgart gewirkt hast und zu den Zeiten Riegers. Du kannst doch noch einmal Erneuerung schenken in unserer Stadt, tu das doch!“
Die Hannah erwartet, dass etwas geschieht. Sie hat einen Blick für die universelle Bedeutung des Kommens Gottes. Sie weiß, dass das das Heil der Welt bedeutet.
Darum gefällt mir, wenn sie einen Missionsblick haben – doch nicht, weil das bloß eine Sache ist, die da draußen geschieht, sondern weil da etwas vom Handeln Gottes in unseren Tagen geschieht.
Ich meine, manchmal sei Gott wie weggetreten von unserer Welt. Man sieht nichts von ihm. Und dann hört man, wie draußen in der Welt Gott große Aufbrüche schenkt, wie er den Menschen begegnet, wie er junge Menschen in großer Zahl ruft zum Glauben.
Dass sich in der Welt täglich sechzigtausend Menschen bekehren zu Jesus in einer klaren, persönlichen Entscheidung – wenn man das mal statistisch ausdrücken will.
Bei uns ist es so still. Und die Hannah wartet darauf, dass doch so etwas wieder kommt bei uns und beginnt bei uns. So steht sie da im Tempel und wartet auf das Kommen des Heilands, des Retters.
All die Verheißungen, die hier in der Bibel gesprochen sind, die sind doch wahr, und sie werden erfüllt: „Komm, Herr Jesu, komm, dein Reich komme!“
Hoffnung auf Erneuerung und das Gebet als Dienst
Was wäre das, wenn Gott wieder anfängt zu wirken?
Neulich hat mich ein unbekannter junger Mann angerufen, der sich als Mitglied einer Stuttgarter Gemeinde vorstellte. Er sagte, sie seien fünf junge Leute und hätten begonnen, die Bibel zu lesen. Ob ich ihnen dabei helfen könne? Heute sitzt er im Gottesdienst – obwohl er mich vorher nie gegrüßt hat.
Wenn es wieder anfängt, dass der Herr wirkt und Menschen herausholt, wenn Menschen offen werden für das Reden des heiligen und ewigen Gottes und sich ihm öffnen.
Gern erzähle ich meinen Konfirmanden die Geschichte von einer alten Witwe aus meiner Schwarzwaldgemeinde. Sie saß damals mit ihrem Kopftuch da – was Konfirmanden oft dazu bringt zu fragen: „Nach was sind denn die alten Frauen?“ Dann erzähle ich ihnen ihre Geschichte.
Sie war eine reiche Gutsbesitzerin aus Ostpreußen. Dann kamen die fremden Truppen. Ihr Mann wollte die Frauen schützen. Dabei wurde er erschossen. Während er verblutete, legte die Frau ihn noch in ihren Schoß. Doch dann traten Soldatenstiefel den Körper ihres Mannes weg.
Die Frau erzählt das und sagt: „Das habe ich erlebt, das ist Welt.“ Es sei kein Einzelfall, sondern genau das sei diese Welt. Ihr Trost ist Jesus, der etwas Neues schenkt und schafft.
So saß sie da, begierig – so begierig, wie heute die Kranken das Evangelium hören, wie die Verzweifelten das Evangelium hören. Sie verstehen viel mehr. Und Hannah hat in ihrem schweren Leben viel mehr begriffen vom Heil Gottes. Sie weiß, dass dieses Heil nicht in irdischem Glück aufgelöst oder verrechnet wird, sondern eine ewige Hoffnung neuen Lebens schenkt.
Und darauf wartet sie.
Das stille Wirken des Gebets und seine Kraft
Das Zweite ist der Lebensinhalt dieser Hanna. Was tut sie denn? Sie tut überhaupt nichts, was nach unserer Meinung, auch nach uns christlichen Aktivisten, sinnvoll erscheint. Sie betet und fastet. Hätte sie doch wenigstens ein paar Pakete gepackt oder wenigstens in Häusern Geld gesammelt für irgendeine gemeinte Aktion. Aber sie betet und fastet.
Was kommt denn dabei heraus? Warum braucht man das? Man sollte die Bibel kennen. Auch Paulus hat seinem jungen Timotheus eine Anweisung für die Witwen gegeben. Er sagte, das Wichtigste sei, für diese alleinstehenden Frauen zu beten. Das ist aber eine wirkliche Witwe, 1. Timotheus 5,5, die alleinsteht, ihre Hoffnung auf Gott setzt und beharrlich bei Tag und Nacht betet. Ein Gebet, das gar nicht mehr abreißt, gerade deshalb, weil sie ohne Zaun ist. Nicht dass man auch etwas anderes tun darf, aber gerade da, wo man sich schutzlos fühlt – das ist ja der Alleinstehende –, sieht man es viel klarer: Was habe ich? Auf wen kann ich mich lehnen?
Eine hat mir das am Heiligen Abend um zehn Uhr gesagt. Als ich fragte, was sie gemacht habe, sagte sie: „Ich hatte viel Zeit zum Beten und Bibellesen am Heiligen Abend.“ Das ist gemeint: sich hineinstellen in die Nähe Gottes, gerade wenn gar keine Menschen mehr da sind. Und sie hat sich freiwillig Gott zur Verfügung gestellt.
Dieses Beten ist der größte Dienst in einer Gemeinde. Ich will mir für das neue Jahr vornehmen, dass wir auch in unserer Gemeinde die Gebetsversammlungen aktivieren. Woher kann es neues Leben geben, woher Durchbrüche? Wenn Gott über Menschen noch seine Geduld walten lässt, dann sind es heute immer die betenden Eltern über ihren Kindern, die sie nicht loslassen, oder einer, der für seine ganze Nachbarschaft betet. Das sind Zusammenhänge, die man gar nicht ahnen kann.
Dieser große Tempelbetrieb mit vielen Priestern ist ganz unwichtig, wenn nicht solche Beter dahinterstehen, die dazwischen stehen und beten. Gebet ist viel mehr als nur Wünsche vorzutragen. So verstehen wir oft das Gebet: Wir sagen Gott, was uns fehlt und was wir von ihm erbitten. Gebet ist doch ein Zwiegespräch mit Gott, ein Reden mit ihm.
Wenn wir zu Hause am Mittagstisch mit unseren Kindern sitzen, dann geht es da hin und her, wir tauschen uns aus, wir reden miteinander. Wenn da einer am Tisch sitzt und nicht redet – das gibt es doch gar nicht. Er sitzt da, ist nett, tut nichts, streckt nicht die Zunge raus, aber er redet nicht mehr, sagt nichts. Ich frage ihn, er sagt nichts.
Wenn wir nicht mit Gott reden im Gebet, dann ist das doch ein Vorenthalten der Ehre, die ihm gebührt. Und Gott wartet auf dieses Reden. Er hat uns doch geschaffen als Gegenüber zu ihm. Dass das Beten für uns zu einem Wunschzettelkatalog geworden ist, ist ein Missverständnis des Gebetes.
Wir dürfen doch mit ihm reden, wenn wir spazieren gehen durch den Wald und uns an den Dingen freuen. Wir dürfen ihn preisen, wenn wir Musik machen oder uns Schönes ansehen. Wenn wir uns ins Auto setzen, sind wir doch in der Zwiesprache mit ihm. Das meint dieses Beten.
Und Hanna hat Zeit gehabt, um die Leiden derer mitzutragen, die nicht mehr beten. Die Fürbitte für andere ersetzt nicht den Glauben anderer, aber sie kann die Geduld Gottes erhalten, dass er nicht von ihnen weicht. Das sollten wir neu lernen.
Die späte Begegnung mit Jesus und das Vertrauen auf Gottes Handeln
Und nun das Dritte: ihre Entdeckung. Im hohen Alter hat sie Jesus gefunden. Die Hanna würde sagen: Was ist erst das, wenn man im jungen Alter Jesus findet und dann ein ganzes irdisches Leben mit Jesus leben darf? Sie war so erfüllt, noch im Alter diese Gewissheit zu bekommen.
Man muss sich das ja vorstellen. Ich wäre jetzt gern Regisseurin und würde einen Film inszenieren. Man müsste das immer wieder anschaulich machen für unsere Kinder. Sie müssen die Geschichten erzählen, wie die Hanna da steht mit ihrem Ischia. Sie kann den Rücken kaum gerade biegen, es tut so weh. Dann steht sie da und wackelt mit kleinen Schritten hinüber, mit ihrem Stock. Sobald sie wieder Eltern sieht, die mit einem Baby auf den Tempelvorplatz kommen und ihre Tauben in der Hand haben, um das Opfer zu bringen, fragt sie sich: Ob nicht doch irgendwo der Messias dabei ist?
Die anderen haben gesagt, sie hat einen Spleen, sie hat einen Tick, sie ist nicht mehr ganz normal. Das steht zwar bei den Propheten, aber es muss sich ja nicht gerade jetzt erfüllen. Die, die Gottes Wort so nehmen, erfahren und erleben es auch. Noch einmal: Wie bei Simeon – wie kann denn die Hanna das verstehen? Dieses Kind, das gibt es doch nicht.
Ich sage noch einmal: Wenn da ein starker Mann gestanden wäre, hätte ich vielleicht geglaubt, das könnte heilend sein. Die Muskeln gefühlt, ja vielleicht getestet. Aber das Kindlein, acht Tage alt, das soll mir heilbringen? Ich verstehe es so gut, dass manche immer wieder sagen: Was willst du denn mit deinem Jesus? Was soll der denn mir helfen können? Jetzt brauche ich einen Arzt, sonst gar nichts. Doch Jesus – was sollte er mir helfen können?
Ich habe Ihnen vorher den Lobgesang der Hanna gelesen und das noch einmal dazu gesagt. Das ist die Art des handelnden Gottes durch die ganze Geschichte hindurch. Sie kennen die Prophetie von Jesaja: Es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind. Es folgt, dass im finsteren Wandel ein großes Licht zieht. Dann erzählt Jesaja, es wird so sein, dass die Heere, die Armeen abgerüstet werden, die Waffen verschrottet werden.
Dann heißt es, es wird sein wie zur Zeit Midians – das sind doch die Midianiter –, ja, als damals der Gideon da war. Der Gideon sagt: Herr, ich kann doch nicht Israel befreien, ich bin doch viel zu schwach. Was soll ich denn machen? Mein Geschlecht ist unbekannt, ich bin aus einer unbedeutenden Familie. Und was soll ich mit meinen eigenen Händen tun können? Da ist die Übermacht der Feinde.
So wie damals bei Gideon handelt Gott noch einmal an Jesus. Bis heute ist Jesus verlacht und verspottet. Wir müssen es nur begreifen, dass die Leute sagen: Aber mit dem Glauben an Jesus, bloß ihm so vertrauen, das ist nichts. Also da muss noch etwas ganz anderes folgen. Nein, nur ihm vertrauen, wie zur Zeit Midians.
Und jetzt setzen Sie das hinein in ihre Spannungen, in ihre Nöte, in ihren Kummer. Jesus wehrt allem Leide, haben wir im Gottesdienst gesungen – allem Leide. Damals bei Gideon sind sie nur den Berg herunter gestürmt und haben geschrien. Die Feinde sind schon gegeneinander gesunken und haben sich selbst eliminiert, auf die Seite gebracht. Sie mussten nicht, einer musste mehr Hand anlegen, weil Gott alles für sie gemacht hat.
Und das, was die Hanna hier preist, ist Gnade. So erfährt man Gnade, das unerwartete Eingreifen Gottes. Jetzt, wie war es denn bei uns? Jetzt müssen wir einander erzählen: So war es doch bei mir auch. Ich war so voll Zweifel, so mutlos. Das können Sie doch erzählen. Und dann hat Jesus geholfen.
Da steht doch drin: Der Zacharias hat gesagt, ich bin doch nicht doof, ich bin doch nicht bekloppt, Wunder gibt es nicht. Und dann sagt der Engel zu ihm: Du wirst stumm sein, du wirst sehen, was Gott tut, du wirst beschämt werden über das Handeln Gottes. Das ist doch die Geschichte der Christen, dass wir davorstehen und sagen: Was soll denn da von herkommen? Was soll denn da kommen, wenn wir beten, wenn wir Jesus trauen? Ich muss doch mit meinen Problemen selber fertig werden.
Sie werden nicht damit fertig, aber Jesus, der Herr, wird den Weg vor Ihnen her bahnen, den Sie gehen können. Und so preist das die Hanna. Vielleicht singt sie doch den Lobgesang der alten Hanna aus dem Alten Testament, der Mutter Samuels. Vielleicht war ihr der lieb geworden: Der Herr stößt die Gewaltigen vom Thron, hat Maria gesagt. Oder dort hat die Hanna gesagt: Die Niedrigen werden erhoben, die Gewaltigen, die Mächtigen in der Welt. Was kommt denn da sonst schon raus? So viel wie bei der UNO, vielmehr auch nicht.
Aber wenn der Herr sein Volk führt – das ist die verborgene Geschichte, die man bewundern kann. Auch im Leben von Christen waren es nie die großen Leute, sondern die Verachteten, die Schwachen. Sie haben hier Mut, dass sie mitmachen dürfen, und sie werden gerufen, weil Jesus mit ihnen etwas Großes vorhat – nicht dort, wo die Starken sind.
Lobpreis als Ausdruck des Glaubens und der Anerkennung Gottes
Wenn wir den Lobgesang der Hanna vorhin gehört haben, dann stutzt man immer, weil dort so viel steht: Der Herr zerschlägt die Stolzen und zerbricht die Gottlosen. Ja, die, die so frech reden, die reden einfach daher und spotten.
Oft wird die Gemeinde dadurch zerstört, indem man sagt: „Mensch, das Große ist doch ganz woanders, und man kann heute nicht mehr einfach so glauben.“ Doch der Herr zerbricht und zerstört, und seine Gemeinde geht weiter. Die Glaubenden, da stehen ein Simeon und eine Hanna, nur diese zwei alten Leute.
Jesus zeigt uns, was Gemeinde ist: Gläubige, die da sind und Gott preisen. Bei diesem Wort, das hier im Vers 38 steht, heißt es „preisen“. Das ist ein griechisches Wort, das im Neuen Testament überhaupt nur einmal vorkommt. Es bedeutet nicht nur „preisen“, sondern auch „anerkennen“ und „gehorsam sein“. Das ist eine ganz merkwürdige Wortschöpfung, die hier gewählt wurde.
Diese Hanna stellt sich darunter und sagt: „Ja, Gott, das ist deine Art. Mein Leben war genauso. Ich habe gedacht, es sei ein verpfuschtes Leben, und du machst daraus etwas Wichtiges für dein Reich.“ Sie sollen wissen: So macht es Gott.
Lobpreis ist eine Frucht des Glaubens. Lobpreis gehört zu den großen Dingen, das muss ich noch sagen. Lobpreis – das nimmt man ja gar nicht ernst. Ein normaler Christ, auch in seinen ersten Lebensjahren, wenn er zum Glauben kommt, versteht gar nicht, dass Gott auf das Lob angewiesen ist.
Dann meint man immer – ich habe das neulich ein bisschen schlampig gesagt –, als ob Gott ehrenbedürftig sei, als ob Gott unser Lob bräuchte. Das ist doch ganz falsch. Wenn Sie durch eine schöne Landschaft gehen, wenn Sie im Sommer durch die Alpen fahren und die Schneeberge sehen, was sagen Sie? „Es ist wunderbar.“ Sagen Sie das, weil die Berge es hören wollen? Oder sagen Sie es einfach, weil es wahr ist und Sie dem Ausdruck verleihen wollen?
So ist es auch, wenn wir Gott preisen. Dann geben wir Gott nicht bloß die Ehre, sondern wir sagen, was wahr ist. Endlich verweigern wir ihm nicht das, was ihm zusteht. Wir sagen: „Das ist wunderbar, das ist richtig.“
Das, was wir in der Zeitung lesen, das, was Menschenruhe stört und Menschentrotz zeigt, das ist nicht, was diese Welt zusammenhält. Deine Liebe, deine Geduld, dein Sieg, deine Erlösung, deine Rettung sind es, die uns Heil schaffen.
Darum ist der Lobpreis so wichtig. Und wir sollen in diesen Weihnachtstagen Gott loben und sagen: Herr, du bist so verachtet und schwach, und wir beten dich doch an. Wir freuen uns über dein Kommen, über deinen Trost, über dein Heil, das du schaffst.
Und da dürfen wir selbst neue Hoffnung schöpfen und fröhlich sein, weil uns das gilt. Amen.