Einführung in die Verantwortung in der Gemeindeleitung
Stellt euch eine Gemeinde vor, die von einer Gruppe von Männern, den Ältesten, geleitet wird. Irgendwann entsteht der Gedanke, dass man den Staffelstab im Laufe der Zeit weitergeben muss – von älteren Leitern an jüngere. Dabei geht es vielleicht nicht darum, die Leitung auf einmal zu übergeben, sondern nach und nach jüngere Älteste in die Verantwortung einzuführen.
Es kommt die Idee auf, einige jüngere Männer in den Ältesten-Kreis einzuladen. Zum einen sollen sie durch Beobachtung lernen und allmählich in eine besondere Art von Verantwortung hineinwachsen. Zum anderen sollen sie diese Verantwortung auch praktisch übernehmen. Es geht also nicht nur darum, theoretisch zu verstehen, wie Leitung in einer Gemeinde funktioniert, sondern auch Stück für Stück praktisch Verantwortung zu übernehmen. So kann zumindest der eine oder andere von ihnen im Laufe der Zeit selbst Ältester werden.
Man kann sich selbst die Frage stellen: Welche Schritte sind in diesem Prozess, Verantwortung zu übernehmen, leicht und welche schwer? Wahrscheinlich braucht man eine gewisse Anlaufzeit. Man muss sich zunächst im Leitungskreis zurechtfinden und für sich selbst herausfinden, ob die eigene Stimme zählt, ob man etwas zu sagen hat. Ebenso gilt es zu erkennen, an welchen Stellen der Wunsch besteht, mitzureden und eigene Gedanken einzubringen. Das ist ein natürlicher Prozess, um überhaupt in so einen Leitungskreis hineinzukommen.
Nach dieser Anfangsphase ist es vermutlich für die meisten nicht mehr so schwierig, nach und nach Verantwortung zu übernehmen – etwa für Abläufe in der Gemeinde, damit diese gut funktionieren. Auch spontane Aufgaben sind denkbar, zum Beispiel Gäste am Anfang eines Gottesdienstes zu begrüßen, aufzustehen und zu beten oder bestimmte Ansagen zu machen. Im Leitungskreis selbst können dann nach und nach auch Ideen eingebracht werden – für Abläufe, aber wahrscheinlich auch für Inhalte. Es geht um die Frage: Was ist gerade wichtig für die Gemeinde?
Dieser Prozess wird wahrscheinlich funktionieren, wenn jüngere Männer in den Leitungskreis hineinwachsen. Was ebenfalls gut funktionieren wird, ist, ab und zu eine Predigt zu halten oder Aufgaben zu übernehmen, zu denen man aufgefordert wird – oder auch selbst aktiv zu werden, ohne Aufforderung. So entwickelt man ein eigenes Gespür für Abläufe und Inhalte und arbeitet aktiv mit.
Außerdem wird es funktionieren, Verantwortung für Menschen in der Gemeinde zu übernehmen, die ohnehin im eigenen Umfeld sind. Das kann die eigene Familie sein, wenn man eine hat, oder der Freundeskreis. Manche werden auch in der Leitung eines bestimmten Kreises in der Gemeinde aktiv sein, zum Beispiel in einem Jugendkreis, einer Jugendschar oder einer Kinderstunde. Es wird nicht so schwierig sein, Verantwortung für die Menschen in diesem Kreis zu empfinden – für die Jugendlichen oder Kinder und auch für den Mitarbeiterkreis, mit dem man zusammenarbeitet.
Das sind Dinge, die wahrscheinlich gut funktionieren und nicht zu schwierig sind. Natürlich gehört auch dazu, Verantwortung über die eigene Familie hinaus zu übernehmen, etwa für Menschen in der Gemeinde, die eine ähnliche Lebenssituation haben. Das können Paare sein, die noch nicht lange verheiratet sind, oder Eltern mit kleinen Kindern. Mit diesen Menschen gibt es oft viel menschlichen Austausch, was die Übernahme von Verantwortung erleichtert.
Die Herausforderung der umfassenden Verantwortung
Was ich mir schwieriger vorstelle, ist, Verantwortung für die ganze Gemeinde zu übernehmen. Ihr versteht, was ich meine. Nicht für die gesamte Gemeinde im Hinblick auf Abläufe – das hatten wir schon –, sondern für die vielen verschiedenen Menschen in der ganzen Gemeinde.
Persönliche Verantwortung zu übernehmen für Menschen, die in anderen Lebensumständen sind als ich. Mit denen ich von Natur aus, menschlicherweise vielleicht nicht so viele Berührungspunkte hätte. Mich für diese Menschen verantwortlich zu fühlen und diese Verantwortung auch wahrzunehmen, zum Beispiel in persönlichen Gesprächen.
Sich hineinzudenken, wie es Singles geht – vielleicht nicht nur junge Singles, sondern auch solche, die schon länger Single sind oder es noch länger sein werden. Was sind ihre Bedürfnisse?
Oder sich sogar in Geschwister hineinzuversetzen, die viel älter sind. Diese Brücke zu schlagen und zu sagen: Ich muss in eine Verantwortung hineinwachsen, auch für ältere Männer und Frauen.
Ich muss hineinwachsen, ich soll hineinwachsen und ich möchte hineinwachsen in die Verantwortung für Menschen – für unterschiedlichste Menschen, die zu dieser einen Gemeinde gehören.
Und das ist das Ziel: hineinwachsen dahin, Verantwortung zu haben, Verantwortung anzunehmen und Verantwortung zu leben.
Einführung in den Abschnitt aus dem ersten Timotheusbrief
Weil heute in dem Abschnitt, den wir uns im ersten Timotheusbrief anschauen, geht es natürlich wieder um Timotheus. Timotheus war jemand, der Verantwortung hatte – tatsächlich war er in den Augen vieler noch ein relativ junger Mann. Vielleicht war er schon vierzig, aber für viele in der Gemeinde galt er noch immer als relativ jung. Er trug Verantwortung für eine ganze Gemeinde, und zwar für alle Leute in dieser Gemeinde.
Diese Gemeinde war zu dem Zeitpunkt nicht einfach. Timotheus war dorthin geschickt worden, weil die Gemeinde nicht alleine zurechtkam. Man konnte nicht erwarten, dass es einfach sein würde. Es gab viele Einflüsse von außen, viele wollten sich in der Gemeinde profilieren – oft mit unsinnigen Themen. Man musste lernen, damit umzugehen.
Das Thema heute lautet: „Nimm deine Verantwortung an und lebe sie.“ Das ist der Schwerpunkt des Abschnitts, den wir heute betrachten. Der Abschnitt ist eigentlich kurz. Anfangs dachte ich, wie soll ich daraus eine ganze Predigt machen? Aber als ich mit der Vorbereitung fertig war, fragte ich mich, wie ich in der Dreiviertelstunde fertig werden soll. Das nächste Thema ist sehr umfangreich, und das wollte ich heute nicht noch anfangen.
Wir sind heute am Ende von Kapitel 4, ungefähr ab Vers 11 und 12. Wir haben schon beim letzten Mal angefangen und Vers 12 bereits angeschaut. Heute sehen wir uns den Text bis Kapitel 5, Vers 2 an, damit ihr schon wisst, was ihr aufschlagen müsst.
Doch bevor wir diesen Abschnitt anschauen, muss ich mit euch einen anderen Bibelabschnitt betrachten. Ich habe überlegt, wie man diesen Abschnitt predigt. Der erste Timotheusbrief ist, wie euch vielleicht schon aufgefallen ist, an Timotheus geschrieben – daher auch der Name. Er ist nicht von Timotheus, sondern an Timotheus gerichtet. Ähnlich ist es beim ersten Petrusbrief, der nicht an Petrus selbst geschrieben ist.
Der erste Timotheusbrief war an Timotheus gerichtet, der zu dieser Zeit eine besondere Verantwortung in einer schwierigen Gemeinde hatte. Man könnte ein Seminar über den ersten Timotheusbrief mit einem Leitungskreis machen und viele Dinge eins zu eins anschauen: Was ist auf unsere Situation übertragbar? Wir tragen auch Verantwortung für eine Gemeinde und wollen darin wachsen.
So kann man alles, was im ersten Timotheusbrief steht, auf unsere Gemeinde übertragen – genauso wie auf Ephesus. Was können wir daraus lernen? Eine Predigt für einen Leitungskreis zum ersten Timotheusbrief ist eigentlich einfach.
Aber jetzt seid ihr ja nicht alle in einem Leitungskreis, und manche von euch werden dort nie sein. Dann ist es leicht zu sagen: Bei manchen Abschnitten – und leider ist es heute so ein Abschnitt im ersten Timotheusbrief – denkt man: „Ja, wir schauen mal, wie die das machen. Aber was geht das mich an? Das ist doch eine Leitungsfrage.“
Das ist bei vielen Themen nicht so. Wir haben zum Beispiel über das Gebet gesprochen. Paulus vermittelt Timotheus viele Dinge, die für die Gemeinde wichtig sind, und diese sind für uns alle wichtig. Doch es gibt auch ganz persönliche Abschnitte, in denen Timotheus direkt angesprochen wird. Dabei geht es immer um Verantwortung – um die Verantwortung, die er für die ganze Gemeinde trägt und wie es dort läuft.
Betrifft uns das überhaupt alle? Betrifft mich das? Bin ich im Ältestenkreis? Geht mich dieser Abschnitt an? Deshalb wollte ich mit euch kurz einen anderen Abschnitt anschauen. Das ist die Herausforderung für mich heute: immer ein bisschen zweigleisig zu predigen.
Zum einen, was steht da eigentlich? Was wird Timotheus gesagt? Und zum anderen, wie können wir das auf jeden von uns übertragen – nicht nur auf diejenigen, die Leitungsverantwortung in der Gemeinde tragen?
Das ist die Herausforderung, den ersten Timotheusbrief für eine Gemeinde zu predigen.
Verantwortung als Aufgabe für alle Gemeindemitglieder
Ich möchte mit euch zwei Verse lesen, und zwar am Anfang, damit es euch vielleicht leichter fällt, das auf euch zu beziehen. Die Verse stammen aus dem Hebräerbrief. Vielleicht ist er auch von Paulus, das wissen wir nicht genau. Er wurde in einem ganz anderen Zusammenhang geschrieben, ist aber trotzdem, glaube ich, für unser heutiges Thema wichtig.
Hebräer 10,24-25 lautet: "Und lasst uns aufeinander Acht haben, zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken, indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei einigen Sitte ist, sondern einander ermuntern – und das umso mehr, je näher der Tag kommt."
Wenn wir über Verantwortung für die Gemeinde und für die Geschwister in der Gemeinde sprechen, dann ist das nicht nur ein Thema für die Ältesten oder für einen Leitungskreis, wie auch immer dieser sich gerade nennt. Wenn wir von Verantwortung für die Gemeinde und alle Geschwister darin reden, dann ist es, wenn man Hebräer 10,24-25 betrachtet, ein Thema für uns alle.
Der Schreiber, wer immer das war – auf jeden Fall der Heilige Geist, der den Hebräerbrief inspiriert hat – sagt: Ihr sollt auch in der Zusammenkunft sein, weil ihr dort eine Aufgabe habt. Ihr seid dort wichtig. Ihr habt eine Verantwortung für die anderen Geschwister.
Ihr habt die Verantwortung, die Augen offen zu halten und zu schauen, wer heute derjenige ist, für den ich verantwortlich bin, oder wer die zwei, drei Personen sind, für die ich heute von Gott eine Verantwortung habe. Dann muss ich darauf achten, dass ich dieser Verantwortung vorher, in der Pause oder danach, irgendwie gerecht werde. Und das betrifft jeden.
Darum ist es so, dass wir heute auch aus 1. Timotheus etwas über das Wahrnehmen von Verantwortung lernen können. Natürlich gibt es manches sehr Spezifisches bei Timotheus, aber die Prinzipien können wir alle lernen.
Wie gehe ich zu einer Gemeindezusammenkunft? Mit welcher Frage gehe ich dorthin? Gehe ich mit der Frage: "Was bringt mir das heute?" oder: "Fühle ich mich wohl?" Sondern, wie gesagt, wir müssen uns fragen: Für wen bin ich verantwortlich?
Vielleicht ist es nicht immer jemand, der, wie das englische Wort so schön sagt, zu meiner Peergroup gehört – also zu meinem engen Freundeskreis, mit dem ich auf Augenhöhe bin und der in der gleichen Lebenssituation ist. Vielleicht ist es manchmal jemand ganz anders, für den ich eine Ermutigung sein soll.
Hier geht es ja darum: "Ermuntert einander mit diesen Worten." Vielleicht legt mir der Herr aufs Herz, dass gerade dieser Mensch eine Ermutigung braucht. Dann überlege ich mir, wie ich ihm etwas sagen kann, das ihn ermutigt.
Die Frage, mit der wir in unsere Zusammenkünfte kommen, ist nicht: "Was kann ich heute mitnehmen?" Sondern: "Was trage ich hinein?"
Daniel Herrmann hat es einmal so gesagt: Es gibt so viele unzufriedene Christen, die sagen, dass das, was in der Gemeinde ist, ihnen zu wenig ist oder dass es ihnen nicht gefällt. Er hat gesagt, die Geschwister haben nicht verstanden, dass genau das in der Gemeinde ist, was jeder Einzelne von ihnen hineinträgt. Was jeder Einzelne einbringt, das ist am Ende da.
Das ist die Botschaft von Hebräer 10, und ich glaube, wir müssen diese Botschaft verstehen, damit ein Abschnitt wie 1. Timotheus 4 für uns relevant wird – auch wenn wir nicht zufällig zu irgendeinem Leitungskreis gehören.
Das wollte ich einfach vorausschicken, weil ich glaube, dass das wichtig ist. Dieser Abschnitt ist heute für dich, weil du verantwortlich bist für deine Gemeinde.
Es sind nicht nur eine begrenzte Zahl von Brüdern verantwortlich für die Gemeinde. Natürlich sind diese noch einmal auf eine andere Weise verantwortlich. Aber du bist verantwortlich für deine Gemeinde.
Darum ist es heute ein Thema für dich, Verantwortung wahrzunehmen. Ja, man muss sich das Prinzip herausfiltern, das auf jeden zutrifft – nicht nur auf Timotheus oder auf die Leiter. Aber es ist ein Thema für jeden von uns.
Persönliche Ansprache an Timotheus im ersten Timotheusbrief
Wie gesagt, dieser Text ist sehr persönlich. Paulus spricht Timotheus hier ganz direkt an, in einer besonderen Situation. Er ist dabei nicht der Einzige, denn wir haben schon einen anderen Abschnitt gelesen, der etwas kürzer ist und vielleicht nicht ganz so deutlich. Das war in Kapitel 1, Vers 18 und 19, wo Paulus Timotheus ebenfalls persönlich anspricht: „Dieses Gebot vertraue ich dir an, mein Kind Timotheus“ usw. Wir werden gleich noch einmal auf diesen Text zurückkommen.
Dieser erste persönliche Appell steht am Ende von Kapitel 1. Nun folgt hier ein weiterer persönlicher Appell am Ende von Kapitel 4. Gleichzeitig markiert dieser Abschnitt das Ende des ersten großen Teils des Timotheusbriefs. Dieser erste große Teil erstreckt sich von Kapitel 1 bis Kapitel 4. Er schließt mit diesem persönlichen Appell von Paulus an Timotheus ab: Du sollst etwas tun, du sollst es so machen, das ist deine Aufgabe. Das wird ganz konkret benannt.
Später, fast am Ende des zweiten großen Abschnitts und damit gegen Ende des Briefes, gibt es noch einen vielleicht intensivsten Appell in Kapitel 6, Verse 11 bis 14. Dieser ist sehr eindringlich, denn Paulus sagt dort: „Ich gebiete dir vor Gott.“ Wir stehen jetzt gemeinsam vor Gott, sei dir dessen bewusst, du und ich. In dem Moment, in dem du diesen Brief liest, stehen wir gemeinsam vor Gott. Und Paulus betont: „Ich sage das vor Gott, Gott ist Zeuge, er hat es gehört, dass ich dir das geschrieben habe und dass du es liest.“ Das ist sehr ernst und intensiv.
Ähnliche Appelle gibt es auch mehrfach im zweiten Timotheusbrief, die ebenfalls sehr ernst sind. Das zeigt, wie Paulus seine Briefe gestaltet. Weil dieser Brief an Timotheus so persönlich ist und weil dieser Abschnitt an einer zentralen Stelle steht – nämlich am Ende des ersten Teils – ist er mit Sicherheit ein Schlüsselabschnitt. Deshalb sollten wir ihn sehr genau betrachten und darüber nachdenken, was dort eigentlich steht.
Ich versuche, den Text jetzt vorzulesen, denn es steht im Text, dass ich mit dem Vorlesen weitermachen soll. Das sollte man dann auch tun.
Vers 11: „Dies gebiete und lehre!
Niemand verachte deine Jugend, sondern sei ein Vorbild der Gläubigen in Wort, in Wandel, in Liebe, in Glauben, in Reinheit.
Bis ich komme, halte an mit dem Vorlesen, mit dem Ermahnen, mit dem Lehren.
Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir, die dir gegeben worden ist durch Weissagung mit der Auflegung der Hände der Ältestenschaft.
Bedenke dies sorgfältig, lebe darin, damit deine Fortschritte allen offenbar seien.
Habe Acht auf dich selbst und auf die Lehre, beharre in diesen Dingen!
Denn wenn du dies tust, so wirst du sowohl dich selbst erretten als auch die, die dich hören.
Einen älteren Mann fahre nicht hart an, sondern ermahne ihn als seinen Vater, jüngere als Brüder, ältere Frauen als Mütter, jüngere als Schwestern in aller Reinheit!“
Das ist also diese ganz persönliche Aufforderung, wie Timotheus sich in seiner Verantwortung verhalten soll.
Voraussetzungen und Motivation von Timotheus
Ich möchte zunächst versuchen, den Rahmen abzustecken. Dabei werden wir über einige sehr interessante Aspekte stolpern, wenn wir uns diesen Rahmen genauer anschauen. Wir wollen nicht direkt mit dem beginnen, was Timotheus konkret tun soll. Das betrachten wir am Ende.
Deshalb überspringen wir jetzt erst einmal die Verse zwölf und dreizehn und starten mit Vers vierzehn. Dort tritt Paulus gewissermaßen einen Schritt zurück und fragt: Was sind eigentlich die Voraussetzungen? Wir schauen uns zuerst die Voraussetzungen und die Motivation von Timotheus an – also die Grundlagen, die er mitbringt – bevor wir uns ansehen, was er konkret tun soll. Damit drehen wir die Reihenfolge etwas um. Für uns mag das einfacher sein, während die ursprüngliche Reihenfolge für Timotheus wahrscheinlich passender war.
Nochmal zu Vers 14 und 15: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir, die dir gegeben worden ist durch Weissagung mit auflegender Hände der Ältestenschaft.“
Es wäre interessant, diesen Vers in einem Hauskreis zu diskutieren, denn hier kommen spannende Begriffe vor: Gaben, Handauflegung, Weissagung – also das gleiche Wort wie Prophetie. Das sind heute noch sehr interessante und teils herausfordernde Begriffe in der christlichen Welt. Was fangen wir mit einem Vers an, in dem all das vorkommt? Deshalb ist es nicht leicht, so einen Vers in kurzer Zeit zu predigen. Gaben, Prophezeiung, persönliche Prophezeiung und Handauflegung – alles in einem Vers und ohne weitere Erklärungen.
Ich kann euch daher nur ein Bild vermitteln, das ich vor Augen habe, wenn ich den Vers lese. An manchen Stellen kann ich nicht beweisen, dass es genau so ist.
Schauen wir uns das kurz an: Paulus sagt im Grunde: Du hast eine Berufung, einen Auftrag, und du hast eine Gabe, eine Begabung, um diesem Auftrag gerecht zu werden.
Wenn wir über Gaben sprechen, ist das ein Thema, das oft auftaucht – vielleicht sogar noch stärker bei jüngeren Menschen. Ältere haben sich oft damit abgefunden, dass sie keine klare Antwort auf die Frage gefunden haben, manche haben eine Antwort gefunden, manche eine richtige, andere eine falsche.
Die Frage lautet: Was ist eigentlich meine Gabe? Manche haben sich darauf versteift, eine Gabe zu haben, die sie offensichtlich nicht besitzen. Manche haben ihre Gabe gefunden, andere haben aufgegeben, sie zu suchen. Aber hoffentlich stellen sich junge Menschen diese Frage noch: Was ist meine Gabe?
Es gibt Bücher darüber, Seminare werden veranstaltet, und es gibt Fragebögen, die man ausfüllen kann. Nach deren Auswertung weiß man angeblich, was die eigene Gabe ist. Warum ist das so? Wir sehnen uns danach, unsere Gabe zu erkennen, denn uns wird vermittelt, dass sie Teil unserer Identität ist.
Eine gängige Lehre besagt: So wie du bei deiner Geburt durch deine Gene bestimmte menschliche Begabungen mitbekommen hast, so hast du bei deiner geistlichen Wiedergeburt auch geistliche Gaben erhalten, die dich auf deinem Weg begleiten.
Es ist wichtig, diese Gaben zu erkennen, denn sie sind Teil deiner Identität – vor allem deiner geistlichen Identität. Die Erkenntnis der eigenen Identität ist ganz entscheidend.
Dieser Vergleich zwischen dem natürlichen Leben und dem geistlichen Leben ist sehr einleuchtend. Allerdings steht so etwas Simplizistisches leider nirgends in der Bibel.
Daher stellt sich die Frage: Stimmt das wirklich? Habe ich bei meiner geistlichen Geburt tatsächlich von Gott bestimmte Anlagen und Gaben mitbekommen? Kann man das einfach mit der natürlichen Geburt und den Genen vergleichen?
Natürlich können wir das nicht vollständig klären – ich könnte das vielleicht, aber ich habe nicht die Ambition, heute eine komplette Predigt über geistliche Gaben zu halten und das Thema im Neuen Testament umfassend zu verfolgen.
Ich möchte mich wirklich auf diesen Abschnitt konzentrieren und einige Gedanken dazu äußern, die mir am wahrscheinlichsten und am einleuchtendsten erscheinen.
Ich hoffe, wir können daraus ein paar Prinzipien und vielleicht sogar praktische Hinweise mitnehmen.
Die Berufung und Gabe von Timotheus
Erstes Prinzip
Timotheus hatte offensichtlich eine spezielle göttliche Berufung. Gehen wir ein kleines Stück zurück von den Gaben: Timotheus hatte eine ganz spezifische geistliche Berufung, nämlich Verantwortung zu übernehmen. Deshalb befindet er sich in dieser Situation in Ephesus. Es war ein Lebensabschnitt, in dem seine Berufung auf diese Weise erfüllt wurde, indem er Verantwortung in der Gemeinde von Ephesus trug. Er hatte eine Berufung.
Jetzt ist von Handauflegung die Rede. Diese Berufung – ich glaube sogar mehr die Berufung als die Gaben – hat er offensichtlich in diesem Zusammenhang erhalten. Unter anderem geschah das durch die Handauflegung der Ältestenschaft, wie hier steht.
Natürlich stellt sich die Frage, welche Ältestenschaft hier gemeint ist. Es gibt mindestens zwei Möglichkeiten: Zum einen die Ältestenschaft in Ephesus, die gesagt hat: „Wir kommen allein nicht zurecht, wir legen dir die Hände auf, du kannst hoffentlich den Job für uns machen.“ Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Ältestenschaft seiner Heimatgemeinde gemeint ist. Diese hatte ihn ursprünglich mit Paulus und Silas ausgesandt, um in die Mission zu gehen und dort letztlich Verantwortung zu übernehmen.
Denn Handauflegung ist ja nicht irgendetwas Magisches. Heute wird es in vielen christlichen Kreisen so dargestellt, als ob jemand dir die Hände auflegt und du dadurch den Heiligen Geist bekommst. Dann passiert wahrscheinlich irgendetwas Sichtbares, damit man sieht, dass du den Heiligen Geist empfangen hast. Aber ganz abgesehen davon, ob etwas Sichtbares passiert oder nicht: Durch die Handauflegung bekommst du nicht automatisch den Heiligen Geist oder bestimmte Segnungen.
Auch in der katholischen Kirche wird jemand von einem Bischof gesalbt, und dann gilt man als besonders geheiligt. Es soll etwas Magisches passieren, wenn jemand die Hände auflegt. Manche, die diese Praxis sehr kritisch sehen, warnen sogar: „Vorsicht, lass dir bloß keine Hände auflegen, da passiert etwas Magisches, du bekommst einen Dämon.“
Nein, Handauflegung in der Bibel ist eigentlich unter anderem eine Beauftragung. Wir senden dich zu einer Aufgabe aus – egal wie lang diese dauert. Es kann nur eine Missionsreise sein, die ein paar Monate dauert. Wir senden dich aus. Du gehst nicht einfach in deinem eigenen Namen. Wir demonstrieren damit: Das ist nicht einfach deine Idee, was du dir in den Kopf gesetzt hast oder unbedingt im Leben machen willst. Sondern wir legen dir die Hände auf und zeigen, dass du in unserem Namen gehst, im Namen deiner Gemeinde, im Auftrag der Leitung deiner Gemeinde.
Das demonstrieren wir durch die Handauflegung – wir stehen voll hinter dir. Dasselbe gilt, wenn die Hände aufgelegt werden, wie in Jakobus 5, wenn Kranke Hilfe suchen. Die Ältestenschaft legt ihnen die Hände auf, nicht unbedingt damit sie plötzlich körperlich gesund werden, sondern um vor Gott zu zeigen: Wir stehen voll hinter diesem Bruder oder dieser Schwester. Wir wünschen uns, dass du sie heilst, weil wir sie gut finden. Wir stehen voll dahinter. Er oder sie ist im Leben unterwegs, und wir sind eins mit ihm oder ihr.
Handauflegung ist immer eine Identifikation – wir machen uns mit jemandem eins. Wenn jemand ausgesandt wird, wie Timotheus in der Mission, sagen die Ältesten: „Wir stehen voll hinter dir. Wir glauben, dass das dein Weg ist, dass du wirklich diesen Auftrag hast. Wir stellen uns hinter dich.“ Das ist Handauflegung. Sonst ist Handauflegung eigentlich erst mal nichts anderes.
Natürlich ist so eine Beauftragung und Sendung etwas Besonderes, und vielleicht passiert dann doch etwas. Aber nicht, weil es durch die Handauflegung passiert, sondern weil es durch die Aussendung geschieht.
In diesem Zusammenhang ist hier auch von Prophezeiung oder in deiner Übersetzung wahrscheinlich Weissagung die Rede. Das ist ein bisschen verwirrend. In der Elberfelder Bibel wird es manchmal mit „prophezeien“ und manchmal mit „weissagen“ übersetzt, weil sich Leute nicht getraut haben, „prophezeien“ zu verwenden. Aber es ist immer dasselbe griechische Wort. Ob „weissagen“ oder „prophezeien“ steht, ist völlig egal. Es ist immer dasselbe.
Prophezeien bedeutet, im Namen Gottes zu sprechen. Eigentlich heißt es nur, im Namen von jemand anderem zu sprechen. Gott hat im Alten Testament zu Mose gesagt: „Aaron wird dein Prophet sein.“ Du kannst schlecht reden, also redet Aaron für dich. Er spricht stellvertretend für dich. Ein Prophet ist niemand anderes als jemand, der stellvertretend für Gott redet. Sonst steckt nichts Weiteres in diesem Wort.
Das muss nichts mit der Zukunft zu tun haben. Jeremia hat fast nichts über die Zukunft gesagt und ist einer der größten Propheten im Alten Testament. Er hat gesagt, was Gott von diesem Volk gerade hält. Er hat im Namen Gottes geredet und war damit Prophet Gottes.
Darum können wir in der Gemeindeversammlung prophezeien, nämlich wenn wir genau das sagen, was Gott gerade gesagt haben möchte. Dann sind wir eigentlich schon Propheten Gottes. So viel mehr steckt da gar nicht dahinter. Wir müssen keinen großen Hokuspokus daraus machen.
Mein Bild, das ich vor Augen habe – und vielleicht ist es falsch – ist folgendes: Als Timotheus ausgesandt wurde, haben Paulus und Silas ihn gefragt, ob er mitgehen will. Die Gemeinde war einverstanden, und die Ältestenschaft hat ihm die Hände aufgelegt und gesagt: „Wir stehen hinter dir.“ Dann haben sie noch etwas gesagt: „Wir sind überzeugt, dass das wirklich dein Auftrag ist. Wir sind vor Gott überzeugt, dass das dein Auftrag ist.“
Aus dem Zusammenhang hier in 1. Timotheus kann man vielleicht schließen, dass sie gesagt haben: „Wir glauben, dass du die Fähigkeit, den Auftrag und die Berufung hast, Menschen durch dein Vorbild und deine Lehrfähigkeit zu prägen. Davon sind wir überzeugt. Wir sind überzeugt, dass Gott dich in Situationen führen wird, in denen genau das passiert – dass du Menschen durch dein Vorbild und durch deine Lehrfähigkeit prägst.“
Wenn Paulus hier von der Handauflegung spricht, von dem, was die Ältesten prophezeit haben, stelle ich mir genau das vor. Sie haben gesagt: „Wir sind überzeugt, du wirst in eine Situation kommen, in der du genau diese Fähigkeiten einsetzen wirst – die Fähigkeit, Menschen durch Vorbild und Lehre zu prägen.“
Das ist eigentlich ein schönes Bild, wenn so etwas passiert. Interessanterweise hat Paulus das ja schon einmal gesagt.
Nun kommen wir, wie angekündigt, noch einmal kurz zurück zu 1. Timotheus 1,1-18. Dort sagt er: „Dieses Gebot vertraue ich dir an, mein Kind Timotheus, gemäß den vorher über dich ergangenen Weissagungen oder Prophezeiungen, damit du durch diese den guten Kampf kämpfst.“
Hier spricht Paulus zwar nicht von der Ältestenschaft oder der Handauflegung, aber schon an dieser Stelle, drei Kapitel vorher, sagt er: „Timotheus, damals ist etwas über dich gesagt worden.“ Und ich glaube, das war nicht nur eine Idee der Ältesten, sondern wirklich eine Prophezeiung.
Timotheus, vielleicht bist du genau deshalb jetzt in der Situation in Ephesus, weil sich genau das erfüllt, was die Ältesten damals vorausgesagt haben. Nämlich, dass du durch dein Vorbild und deine Lehre prägst. Vielleicht bist du deshalb hier.
Vielleicht kann dir diese Erinnerung an diese damals gesprochenen Sätze eine Motivation sein, jetzt diese Verantwortung nicht zu verdrängen, sondern anzunehmen und wahrzunehmen. Und das ist etwas Gutes.
Ich weiß nicht, ob das sehr speziell ist. Aber vielleicht können wir das auch in der einen oder anderen Form erleben – der eine oder andere von uns, vielleicht nicht jeder. Vielleicht muss das auch nicht für jeden sein. Vielleicht kommt nicht jeder von uns in so eine extreme Situation, in der er diesen Halt braucht, dass schon vor Jahren jemand gesagt hat: „Ich glaube, das ist deine Verantwortung. Ich glaube, du wirst mal in so eine Situation kommen, in der du das anwenden kannst.“
Vielleicht braucht es nicht jeder von uns, aber manche vielleicht schon. Und warum sollte Gott so etwas nicht tun? Timotheus hat es wahrscheinlich so gemacht – so oder so ähnlich.
Die Gabe als Teil der Berufung
Wie steht es nun mit dieser Gabe? Es wird gesagt, dass er eine Gabe erhalten hat, oder? Was genau steht hier? Irgendwie scheint diese Gabe im Zusammenhang mit seiner Berufung, der Voraussage und der Aussendung zu stehen.
Die erste Frage, die uns natürlich in den Kopf kommt – und die habt ihr sicherlich auch schon öfter gehört, wenn Leute über den 1. Timotheusbrief nachgedacht haben – lautet: Was ist eigentlich die Gabe von Timotheus? Welche Gabe hat er? Welches Label steht auf seiner Stirn? Ich bin der Lehrer? Paulus sagt es nicht direkt. Manche meinen, es sei die Gabe der Evangelisation, weil Timotheus irgendwo gesagt wird, dass er evangelisieren soll. Aber vielleicht muss man auch evangelisieren, ohne eine besondere Gabe als Evangelist zu haben. Das steht ja nicht ausdrücklich da.
Paulus scheint sich fast dagegen zu wehren, ihm ein Label zu geben, ihm eine bestimmte Gabe zuzuschreiben. Wir haben oft das Verlangen danach, ein solches Label zu bekommen. Deshalb auch die Frage: Was ist meine Gabe? Und all diese Gabentests und das ganze „Na ja, ich hätte so gerne ein Label“. Manche haben ja schon ein Label, dann wollen andere auch eins. Manche sind Kinderstundenmitarbeiter – so weiß man wenigstens, welche Gabe sie haben und was ihre Aufgabe ist. Damit ist die Frage für viele dann erledigt.
Ich habe mal Mikrobiologie studiert. Dort gibt es verschiedene Tests: Man nimmt eine Flüssigkeit, zieht einen Bakterienstamm an und führt unterschiedliche Tests durch, um zu bestimmen, um welche Bakterien es sich handelt. Das ist gerade auch interessant, wenn man bedenkt, dass manche Würste Todesfälle verursacht haben, weil Listerien darin waren. Jemand hat Proben von diesen Würsten genommen, sie angezüchtet und verschiedene Tests gemacht, bis schließlich herauskam: Das sind Listerien! Dann kann man auf das Reagenzglas ein Schild kleben: Listerium – und das Thema ist erledigt.
Ich kenne einen tollen Cartoon für Mikrobiologen: Ein Bakterium sitzt in einem Reagenzglas und es wird gerade ein Label darauf geklebt mit dem Namen „Erwin“. Das Bakterium sagt: „Dabei heiße ich Fritz.“ Das ist natürlich ein Cartoon, den nur Mikrobiologen verstehen, aber so ungefähr ist es. Wir sehnen uns einfach nach dem richtigen Label auf unserem Reagenzglas, damit wir wissen, wer wir sind.
Die Bibel verwendet verschiedene Bezeichnungen für Gaben, um Beispiele zu geben. Bei manchen ist es ganz klar, und man kann ihnen ein Label geben. Doch das Ziel ist nicht, dass wir unbedingt ein Label suchen. Es geht um ganz andere Schwerpunkte.
Wenn du 1. Korinther 12 liest, geht es darum, Vielfalt zu schätzen. Es geht nicht darum, dass jeder ein Label braucht, sondern dass wir die Vielfalt anerkennen. Ähnlich ist es in Römer 12. Auch hier geht es nicht darum, jedem eine bestimmte Bezeichnung zu geben.
Und hier, wie gesagt, sagt Paulus nichts, was wirklich die Begabungsbezeichnung für Timotheus ist. Er sagt nur: Du hast eine Begabung.
Die nächste spannende Frage ist: Wann hat er diese Gabe bekommen? Wenn man den Text liest, wirkt es so, als hätte er sie in dem Moment erhalten, als er offiziell den Auftrag bekam, mit Paulus und Silas loszugehen. Vielleicht ist das tatsächlich so.
Denkt mal über eine alternative These nach: Vielleicht haben wir nicht alle unsere Gaben seit unserer Wiedergeburt oder unserer natürlichen Geburt, sondern wir bekommen manche Gaben genau in dem Augenblick, in dem wir eine Aufgabe von Gott erhalten. Gott sagt dann vielleicht: Ich gebe dir nicht nur den Auftrag, sondern auch die Gabe, die Befähigung, diesen Auftrag auszuführen.
Wahrscheinlich ist es eine Mischung. Die Ältesten hätten Timotheus wohl kaum den Auftrag gegeben, wenn sie nicht schon Anlagen in seinem Leben gesehen hätten. Das ist unwahrscheinlich. Vermutlich konnte man schon etwas erkennen. Aber in dem Moment, in dem er den Auftrag bekommt, beginnt diese Gabe sich zu entfalten. Er fängt an, sie zu üben, und sie wird wirksam in seinem Leben. Vielleicht wächst aus einem Samen etwas, das man verwenden kann.
Vielleicht ist es auch gar nicht so wichtig, ob wir wissen, ob wir die Gabe schon vorher hatten. Wichtig ist, dass wir spätestens dann wissen, wenn Gott uns einen Auftrag gibt, der wirklich von ihm kommt – und nicht von uns selbst ausgedacht ist –, dass Gott uns auch die Befähigung gibt, diesen Auftrag zu erfüllen.
Und dann ist es eine Gnadengabe. Das Wort „Gnadengabe“ heißt wörtlich übersetzt auch „Geschenk“. Charisma bedeutet eigentlich auch ein Geschenk, ein Gnadengeschenk. Du hast etwas geschenkt bekommen, um deinen Auftrag ausführen zu können. Und das ist schön.
Aus diesem Vers kann man noch etwas lernen: Woher kommen Aufträge? Manchmal kommen Aufträge tatsächlich von Menschen. In meinem Fall steht hoffentlich Gott dahinter, ja? Wie ist dieser Auftrag zu Timotheus gekommen? Paulus sagt, er ist durch die Ältestenschaft zu ihm gekommen. Gott hat nicht vom Himmel gesprochen: „Geh mit denen“, sondern er hat die Ältestenschaft der Gemeinde verwendet, um Timotheus zu sagen: „Geh mit, es ist nicht nur deine Idee, wir stehen dahinter.“
Vielleicht ist das schon ein guter Tipp, wie du deine Gabe und vor allem deine Berufung erkennst – vielleicht sogar noch mehr als deine Gabe. Manchmal, wenn deine Ältesten zu dir kommen und sagen: „Könntest du diese Aufgabe übernehmen?“, dann haben sie hoffentlich nicht nur jemanden für die Aufgabe gesucht, sondern eine Aufgabe für dich.
Dann solltest du ernsthaft darüber nachdenken, ob das nicht gerade Gottes Reden ist. Gott spricht durch solche Leute, gerade in diesem Zusammenhang. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt in diesem Vers.
Vielleicht entdeckst du, wenn du dich darauf einlässt und sagst: „Das, was mir gesagt wird, nehme ich als Auftrag Gottes, als Berufung Gottes an“, dass in diesem Moment eine Gabe in dir wächst, die du vorher vielleicht noch gar nicht bemerkt hattest. Du bist bereit, dich darauf einzulassen und sagst: „Ja, ich lasse mich darauf ein. Vielleicht kommt dieser Auftrag wirklich von Gott.“ Und vielleicht wächst dann eine Gabe in deinem Leben, mit der du gar nicht gerechnet hast.
Das wäre spannend. In den meisten Fällen tun Älteste oder Verantwortliche das nur, wenn sie schon etwas in dir gesehen haben. Aber beides ist möglich. Manchmal werden sie auch einfach vom Herrn so geführt.
Sollte Gott sich da nicht zu sehr festlegen lassen, wie er handeln darf und wie nicht?
Hier stehen ganz wichtige Worte: In Vers 14 heißt es: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir.“ Und in Vers 15: „Bedenke sorgfältig darüber und lebe darin.“
Das ist wichtig. Wir können heute nicht alles herausfinden, wie man seine Berufung erkennt, wie man eine Berufung bekommt und was alles damit zusammenhängen könnte. Aber wenn du den Eindruck hast, dass Gott dich zu etwas berufen hat – vielleicht auch nur für die nächsten Jahre –, dann denke immer wieder darüber nach.
Das kann eine Motivation sein. Mach dir immer wieder bewusst: Ich bin überzeugt, dass das ein Auftrag von Gott ist. Ich bin überzeugt, dass ich bestimmte Geschwister ermutigen soll.
Wenn du sonntags hierher kommst und denkst: „Prinzipiell habe ich einen Auftrag von Gott, bestimmte Menschen, die oft entmutigt sind, zu ermutigen“, dann vernachlässige dich nicht. Denke darüber nach, sagt Paulus, damit du es tust.
Damit du auch den Mut nicht verlierst, wenn es mal nicht funktioniert.
Stell dir vor: Es ist momentan mein Job von Gott. Deshalb möchte ich es tun. Und weil ich diese Berufung habe, diese Verantwortung, und weil ich die Befähigung von Gott bekommen habe, muss ich es üben, lebe darin, vernachlässige nicht.
Erkennen von Begabung und Fortschritt
Wie erkennen wir, ob jemand eine Begabung hat? Gibst du einem Kind eine Geige in die Hand, spielt es dann sofort perfekt irgendeine Geigensonate? Daraus könntest du erkennen, ob das Kind begabt ist für das Geigenspiel, oder nicht? Wahrscheinlich nicht, denn ich glaube, es gab noch kein Kind, das beim ersten Mal eine Geige in der Hand sofort eine Sonate perfekt spielen konnte.
Aber es gab schon begabte Kinder. Das scheint also nicht der Weg zu sein, die Begabung zu erkennen. Stattdessen erkennst du die Begabung endgültig daran, ob das Kind Fortschritte macht. Deshalb schreibt Paulus hier etwas über Fortschritte. Habt ihr das gelesen? Vers 15: „Bedenke dies sorgfältig, lebe darin, damit deine Fortschritte allen offenbar werden.“
Natürlich ist es auch ein Zeichen von Glaubwürdigkeit, wenn ich treu bin und die Menschen sehen, dass ich daran arbeite, das, was ich tue, besser zu machen. Wir hatten letztes Mal das Thema Glaubwürdigkeit. Es ist ein Teil der Glaubwürdigkeit von Timotheus in dieser schwierigen Gemeinde. Aber ich glaube, es ist auch ein Zeichen dafür, ob eine Begabung und damit eine Berufung vorhanden ist.
Du erkennst, ob jemand eine Begabung fürs Geige spielen hat, wenn er übt und vielleicht schneller Dinge lernt als vergleichbare andere Kinder. Dann ist dieses Kind wahrscheinlich begabt. Ein zweiter Punkt ist, dass ein begabtes Kind ein höheres Niveau erreicht als andere. Es lernt schneller und erreicht ein höheres Niveau.
Wenn du denkst, du hast eine Berufung und Gott hat dich wahrscheinlich auch dazu begabt, dann musst du das erst einmal anwenden. Lebe darin und vernachlässige es nicht. Tu das, was du denkst, dass Gott gerade von dir möchte, immer wieder. Schau, ob du besser wirst und ob Gott es wirklich bestätigt.
Eine Begabung erkennt man nicht daran, dass jemand es beim ersten Versuch kann. Eine Gabe erkennt man daran, dass jemand bereit ist, zu üben und es wirklich lernt. Darauf müssen wir uns manchmal einlassen.
Da wir manche Dinge nicht von vornherein hundertprozentig wissen – Timotheus hatte andere Voraussetzungen als die meisten von uns, mit einer Prophezeiung im Hintergrund und einer ganz anderen Verantwortung – wissen die meisten von uns am Anfang nicht hundertprozentig, ob sie begabt sind. Aber wir müssen üben, dann sehen wir es. Und wir müssen natürlich auch bereit sein, uns Fragen zu stellen.
Timotheus sollte sich nicht in Frage stellen, daher ist er ein bisschen anders als wir. Okay, das sind nur ein paar Prinzipien zur Berufung und Begabung, einige Prinzipien, die hier in diesen wenigen Versen stehen.
Die Verheißung und Motivation für Timotheus
Vers sechzehn steht jetzt zum Beispiel am Ende. Denn wenn du dies tust, dann möchte ich ein bisschen vorher ein Beharren in diesen Dingen einfügen: „Denn wenn du dies tust, so wirst du sowohl dich selbst retten als auch die, die dich hören.“
Was hatte Timotheus also? Timotheus hatte eine ganz klare Verantwortung, eine ganz klare Berufung. In diesem Augenblick war das unzweifelhaft. Er musste das nicht erst entdecken, im Gegensatz zu uns. Es war klar, man war sich klar darüber, was sein Auftrag ist.
Trotzdem musste er sich immer wieder daran erinnern und es vor Augen haben, weil er diese Motivation brauchte. Die Situation war so schwierig, dass die Versuchung sehr groß war, die Aufgabe nicht zu erfüllen, Ausreden zu finden, manche Sachen nicht zu tun, manche Gespräche nicht zu führen oder manche Predigten nicht zu halten. Denn er wusste, dass hinterher wieder jemand kommen würde, der etwas auszusetzen hat.
Die Versuchung, einen leichteren Weg zu gehen, war sehr stark. Darum war es für ihn wichtig zu wissen: Das ist meine Berufung, sie ist klar und ich muss sie nicht erst entdecken – das ist sie.
„Bedenke dies sorgfältig“, hatte Paulus gesagt. Das war der erste Punkt. Timotheus hatte eine spezielle Begabung für das, was er tun sollte, und es war gut, das zu wissen.
Aber was er noch hatte, war eine Verheißung. Und das ist spannend, oder? Paulus gibt ihm eine Verheißung: Wenn du das tust, wenn du deine Gaben einsetzt und deiner Verantwortung nachkommst, dann wird es dich retten und auch andere.
Das ist schon beeindruckend, wenn man eine Verheißung hat. Vielleicht haben solche Verheißungen vor allem Leute, die wirklich mit vielen Menschen arbeiten. Denn ich glaube, wir haben diese Verheißung nicht im Umgang mit jedem einzelnen Menschen.
Es gibt keine Garantie, dass sich das Leben eines jeden, um den wir uns kümmern, völlig verändern wird. Wir werden immer mit einzelnen Leuten arbeiten und auch Enttäuschungen erleben.
Aber wenn ich meine Gabe einsetze, sei es mit verschiedenen Leuten oder mit einer ganzen Gruppe, dann gilt, glaube ich, diese Verheißung: Wenn ich wirklich von Gott berufen bin, etwas zu tun, dann wird sich etwas tun – vielleicht nicht bei jedem, aber bei manchem, vielleicht sogar bei vielen.
In diesem Fall hatte Timotheus die Verheißung, dass sich in der ganzen Gemeinde etwas tun wird. Er bekommt die Verheißung, dass sich bei ihm etwas tut, und dass sich in der Gemeinde etwas verändern wird.
Timotheus, deine erste Motivation ist: Du hast eine Berufung, und die ist klar. Du musst das tun. Die zweite Motivation ist: Du hast eine Verheißung. Gott wird eingreifen und es wird sich etwas ändern.
Das ist eigentlich eine super Voraussetzung, um den Job zu tun.
Konkrete Aufgaben und Verhaltenserwartungen an Timotheus
Jetzt müssen wir noch kurz darüber sprechen, was Timotheus konkret tun sollte. Paulus fasst das für Timotheus, aber auch für uns, in Vers 16 zusammen. Timotheus sollte zwei Dinge in der Gemeinde tun und auf diese beiden Dinge wirklich Wert legen. Das steht am Anfang von Vers 16.
Das Erste ist: Habe Acht auf dich selbst. Das ist eine Zusammenfassung von Vers 12. Dort steht: Niemand verachte deine Jugend, sondern sei ein Vorbild den Gläubigen in Wort, Wandel, Liebe, Glauben und Reinheit. „Habe Acht auf dich selbst“ ist deine erste Aufgabe. Bevor du überhaupt den Mund aufmachst, sei ein Vorbild im Wort. Deine erste Aufgabe ist also, auf dich selbst aufzupassen, weil du ein Vorbild bist.
Wenn du dich fragst, ob du eine Berufung hast und ob es eine Schnittmenge zwischen deiner Berufung und der von Timotheus gibt, kann ich dir sagen: Hier ist eine Schnittmenge. Timotheus ist berufen, ein Vorbild zu sein – und ich sage dir, du bist auch berufen, ein Vorbild zu sein. An diesem Punkt hast du genau die gleiche Berufung wie Timotheus. Du bist berufen, in deiner Gemeinde ein Vorbild zu sein – für Menschen, die dich sehen und erleben.
Paulus sagt, und wir hatten das schon, dass Timotheus in drei Bereichen vorbildlich sein muss. Der erste Bereich ist Wort und Wandel. Du musst Dinge sagen, die Niveau haben und ernst genommen werden können. Aber das, was du sagst, muss auch mit dem übereinstimmen, wie du lebst. Das ist das Erste, worin du ein Vorbild sein musst, Timotheus. Das, was du sagst, muss man ernst nehmen können, weil es durchdacht ist. Und es muss mit deinem Lebensstil übereinstimmen. Das ist eine Verantwortung, die jeder von uns hat. Wenn wir dieser Verantwortung nachkommen, wird es uns helfen, sagt Paulus, und auch anderen. Nimm deine Verantwortung an und lebe danach.
Der zweite Teil der Verantwortung des Vorbilds ist Glaube und Liebe. Vergiss nicht, wir dienen einem unsichtbaren Gott. Du musst ein Vorbild sein, das nicht nur die Organisation oder die Regeln im Blick hat. Es geht nicht darum, dass du nur deine Gottesdienstzeiten abhaken kannst und dich dann als Superchrist fühlst. Sei ein Vorbild in Glauben und Liebe – in einer echten Beziehung zu einem lebendigen Gott. Kämpfe darum, diese Beziehung nicht durch Gewohnheit zu verlieren, nur weil sie schon immer da war und du schon immer Christ bist. Sei ein Vorbild in Glauben und Liebe, wobei der Glaube zu Gott und die Liebe zu Gott an erster Stelle stehen, daraus aber auch die Liebe zu anderen wächst.
Das Dritte ist: Timotheus, sei ein Vorbild in Reinheit. Das war für Timotheus, der noch jung war und unverheiratet, besonders wichtig – auch in der damaligen Gesellschaft. Wir denken oft, unsere Gesellschaft sei moralisch heruntergekommen, aber glaubst du, die griechisch-römische Gesellschaft war besser? Vielleicht war es hier in Deutschland vor hundert Jahren besser. Aber damals war es nicht besser. Timotheus lebte in einem ähnlichen Sumpf wie wir heute, umgeben von Prostitution und ähnlichen Versuchungen. Er musste das genauso aushalten wie wir. Sei ein Vorbild in Reinheit, denn wenn du das verlierst, kannst du dein Leben vergessen. Das ist eine große Herausforderung.
Es gibt ein Buch, das auch für Frauen relevant ist, aber vor allem für Männer ein extrem wichtiges Thema behandelt.
Der zweite Teil von Vers 16 fasst zusammen: Habe Acht auf dich selbst und auf die Lehre. Das war die spezielle Berufung von Timotheus. Er sollte nicht nur durch sein Vorbild prägen, sondern auch durch die Art, wie er das Wort Gottes in der Gemeinde anwendet. Das ist eine Zusammenfassung von Vers 13: „Halte an mit dem Vorlesen, Ermahnen und Lehren.“
Das ist ein interessanter Satz, denn Timotheus war in einer schwierigen Situation. Seine Autorität wurde wahrscheinlich von verschiedenen Leuten angezweifelt. Paulus sagt als Erstes: Fang immer mit dem Vorlesen an. Das heißt, begründe alles, was du sagst, auf dem Wort Gottes. Damals hatten sie das Neue Testament noch nicht vollständig, aber es gab die ersten drei Evangelien, viele Paulusbriefe und wahrscheinlich auch den ersten Petrusbrief. Dazu das Alte Testament und andere Schriften der Apostel.
Paulus sagt: Fang immer damit an. Verlasse dich auf das Geschriebene. Beginne nicht, mit Leuten über theologische Meinungen zu diskutieren. Geht davon aus, dass ihr die Bibeltexte kennt. Mir passiert es oft, dass ich mit Leuten diskutiere, die eine seltsame These haben, und ich zögere, die Bibelstellen wörtlich zu zitieren, weil ich davon ausgehe, der andere kennt sie auch. Das ist falsch. Paulus sagt: Hör nicht auf mit dem Vorlesen. Wenn es Auseinandersetzungen gibt, geh hin und sag: „Schau mal, wie verstehst du diesen Vers?“ Dann habt ihr eine gemeinsame Grundlage, denn die Bibel steht dazwischen. Tim Gibson hat immer gesagt: Du musst die Bibel zwischen dich und den anderen legen. Es geht nicht darum, wer Recht hat, sondern was tatsächlich in der Bibel steht. Wenn der andere ehrlich ist, kannst du irgendwann sagen: „Hast du das jetzt verstanden oder glaubst du es, weil es hier steht?“ Das ist für uns alle wichtig, besonders bei schwierigen Gesprächen mit Geschwistern, die Fragen haben oder gerade auf einem schwierigen Weg sind.
Das ist auch bei der Evangelisation gut, wenn man mit frommen Leuten aus christlichem Hintergrund redet. Aber vor allem im Umgang mit Geschwistern, die schwierige Fragen haben, brauchen wir den Mut, die Bibel gemeinsam aufzuschlagen und die Verse zu lesen. Was steht da? Wie verstehst du das? Wenn du den Vers anders verstehst, lesen wir noch einen.
Ich finde es spannend, dass Paulus Timotheus gerade in dieser Situation in Ephesus sagt: Hör nicht auf mit dem Vorlesen! Gründe deine Predigten, indem du den Text vorliest. Was du in Gesprächen sagst, lies es zusammen mit dem anderen. Dann folgen die anderen zwei Punkte: Ermahnen – wende das an, was da wirklich steht, und Lehren – lehre Prinzipien. Die Grundlage ist das Wort Gottes, nicht deine Ideen und Meinungen. Dann stehen nicht verschiedene Meinungen gegeneinander, sondern ihr betrachtet gemeinsam, wie die Bibel das Ganze sieht.
Wenn du angegriffen wirst in deiner Autorität, nimm dich selbst aus dem Fokus und frage: „Wie verstehst du das?“ Das ist das, was Paulus Timotheus in diesem Zusammenhang sagt. Ich glaube, das ist ein gutes Prinzip für uns alle.
Paulus sagt in Vers 11: „Dies gebiete und lehre!“ Die Frage ist nicht nur, was ich tue, sondern oft auch, wie ich es tue. Die Art, wie ich mit jemandem spreche, ist gerade in schwierigen Situationen entscheidend. Natürlich muss ich manches auch ignorieren. Paulus sagt: Timotheus, manche sagen, du bist zu jung. Ignoriere das einfach. Nimm das Wort, nimm dich selbst aus dem Fokus und sag: „Hier steht es, wie verstehst du das?“ Egal, ob man mich für zu jung hält oder nicht, wir können einfach zusammen in die Bibel schauen.
Niemand soll deine Jugend verachten heißt nicht, dass du dich davon beeinflussen lassen sollst. Timotheus kann ernsthaft sein und ansonsten die Idee, er sei nicht glaubwürdig, weil er jung ist, ignorieren.
Trotzdem gibt es Situationen, in denen ich mit Menschen so reden kann, dass meine Art dem Ziel im Weg steht. Deshalb schließt Paulus diesen Abschnitt mit den ersten zwei Versen von Kapitel 5 ab. Ich glaube, dann ist der Abschnitt erst zu Ende.
Wenn du Dinge lehren oder gebieten willst, also persönlich Leuten sagen möchtest, was du ihnen ans Herz legen willst, musst du überlegen, wen du vor dir hast. Du musst nicht nur überlegen, was du sagst, sondern auch, wie du es sagst.
Zum Beispiel sagt Paulus in Vers 1: Einen älteren Mann fahre nicht hart an, sondern mahne ihn wie einen Vater. Wenn du für Leute verantwortlich bist, die älter sind als du, überleg dir, wie du mit ihnen sprichst. Vielleicht gibt es ältere Gemeindemitglieder, die sich schwer an Veränderungen gewöhnen. Du hast vielleicht Lust, ihnen zu sagen, dass sie sich erst mal einfügen sollen. Paulus sagt: Geh einen Schritt zurück und überleg, wie du das deinem Vater sagen würdest. Wie würde Jan es seinem Vater sagen? Wie Markus? Wenn du dir das überlegt hast, nimm diesen Eindruck mit und rede mit dem älteren Bruder genauso, wie du mit deinem Vater reden würdest – ohne ihn verletzen zu wollen, ohne seine Autorität in Frage zu stellen oder seine Erfahrungen herabzuwürdigen, aber trotzdem mit dem Mut, ihm etwas zu sagen.
Mit jüngeren Männern, bei denen die Hemmschwelle nicht so groß ist, machst du es genauso: Überlege, wie du mit deinem leiblichen Bruder sprechen würdest. Es ist spannend zu sehen, wie Jan mit seinem Bruder spricht – ganz anders als ich, aber inzwischen auf eine gute Art, weil er ihn gewinnen will und weiß, dass Vorwürfe und Vorschriften nicht helfen.
Paulus sagt: Geh einen Schritt zurück und überlege, wie du es deinem leiblichen Bruder sagen würdest, um ihn zu gewinnen. Mit diesem Eindruck gehst du dann in das Gespräch.
Mit älteren Schwestern gilt dasselbe: Überlege, wie du es deiner Mutter sagen würdest. Und mit jüngeren Schwestern: Wie würdest du es deiner Schwester sagen?
Dann kommt ein interessanter Nachsatz, der auch das Thema Reinheit berührt. Wenn du mit jüngeren Schwestern reden musst, vielleicht sogar als Mann, dann tue das in aller Reinheit. Das ist wichtig. Paulus betont das extra. Sage es so, dass niemand komische Gedanken bekommt. Timotheus, geh solchen Gesprächen nicht aus dem Weg.
Ich kenne Verantwortliche in Gemeinden, die Gesprächen mit Ledigen aus dem Weg gehen, besonders mit jüngeren Schwestern. Paulus sagt nicht, dass Timotheus solchen Gesprächen aus dem Weg gehen soll. Manchmal müssen wir diese Gespräche führen, um ledige Frauen zu integrieren und ihnen ein Zuhause zu geben. Sie brauchen männliche Ansprechpartner, die ihnen Schutz vermitteln. Das ist wichtig. Aber dann in aller Reinheit, damit niemand auf falsche Gedanken kommt. Timotheus, das ist ganz wichtig, denn sonst kann dein Ruf kaputtgehen.
Das Thema lautet: Nimm deine Verantwortung an und lebe darin! Du bist momentan verantwortlich für diese Gemeinde – egal, ob du in einem Leitungskreis bist oder nicht. Du bist verantwortlich für die Menschen in dieser Gemeinde. Du hast eine einmalige Kombination von Fähigkeiten, und das ist deine Gabe, egal ob sie einen Namen hat oder nicht.
Wenn du von Gott eine neue Aufgabe bekommst, die wirklich von ihm kommt, könnte es sein, dass er dir in diesem Moment Gaben gibt oder dir Gaben bewusst macht, die du bisher noch nicht entdeckt hast. Wenn du diese Verantwortung annimmst, wenn sie wirklich von Gott kommt – für einen Menschen, eine Gruppe oder eine Aufgabe – und bereit bist, deine Fähigkeiten einzusetzen, dann hilft dir das selbst. Schon weil du dadurch vielleicht bessere Prioritäten setzt.
Auf verschiedene Weise wird dir das selbst helfen und dich retten. Und es ist eine Verheißung, dass es auch anderen hilft und sie rettet. Du hast diese Verheißung. Wenn du einen Auftrag von Gott hast, wird etwas daraus entstehen. Vielleicht nicht bei jedem Einzelnen, aber es wird etwas herauskommen.
Nimm das mit. Du hast diese Verheißung.
Nimm vielleicht noch mit, dass es oft eine gute Idee ist, nicht auf Meta-Ebene über Dinge zu diskutieren, sondern das Wort Gottes in den Mittelpunkt zu stellen – zwischen dich und die anderen.
Wenn du all diese Punkte, die ich zum Schluss aufgezählt habe, überdenkst, kannst du vielleicht tatsächlich etwas aus dieser Predigt mitnehmen. Obwohl es nicht nur darauf ankommt, dass du heute hierher gekommen bist. Eigentlich kommt es darauf an, dass du etwas mitgebracht hast – nicht nur, dass du etwas mitnimmst.
Amen.
