Einführung: Die Verwandlung eines Cholerikers
Ich habe vor, heute Morgen uns Mose vorzustellen. Ich habe ihn einmal so genannt: „Ein Choleriker wird sanftmütig, oder wen Gott beruft, den verändert er.“
Wer beim Vorvorletzten Mal dabei war, weiß, dass ich damals über die Eltern von Mose berichtet habe und darüber, wie Gott mit ihnen umgegangen ist. Aber das Leben von Mose ist wirklich sehr erstaunlich.
Gerade an Mose kann man erkennen, wie Gott einen Menschen nicht nur beruft, sondern auch verändert. Wenn wir uns das Leben von Mose ansehen, merken wir, dass er zunächst ein sehr starker und harter Mensch war – wie würden wir sagen – ein impulsiver Totschläger.
Doch Gott verwendet ihn und verändert ihn im Laufe seines Lebens. Dafür hat Mose viele Jahre gebraucht. Wir werden feststellen, wie Gott ihn langsam verändert hat, also wie aus einem impulsiven Totschläger ein sanftmütiger Leiter wurde.
Die dramatische Geburt und Kindheit Moses
Wenn wir uns an die Vorgeschichte von Mose erinnern, war die Geburt und die frühe Erziehung im Elternhaus sehr dramatisch. Mose wurde zu einer Zeit geboren, als die Kinder der Israeliten, vor allem die männlichen, ermordet und ertränkt wurden. Das war sozusagen eine Abtreibung auf Befehl des Pharao.
In dieser Zeit heirateten die Eltern von Mose, Amram und Jochebed. Beide stammen aus dem Stamm der Leviten. Sie hatten bereits zwei Kinder, Aaron und Miriam. Dann kam das Gesetz des Pharao, alle männlichen Babys zu töten.
Wenn man die Geschichte in 2. Mose 2 liest, kann man sich die Situation im Haus von Amram und Jochebed sehr plastisch vorstellen. Jochebed wurde schwanger, doch sie durfte das nach außen hin nicht zeigen. Die Ägypter hätten sonst vermutlich schon geahnt, dass etwas geschieht. Natürlich konnte man damals noch nicht vor der Geburt feststellen, ob es ein Junge oder Mädchen war – das zeigte sich erst bei der Geburt.
Offensichtlich hielt sich Jochebed versteckt oder blieb im Haus, damit ihre Schwangerschaft nicht entdeckt wurde. Dann wurde Mose geboren. Jochebed erkennt, wie die Bibel beschreibt, und auch Stephanus in seiner großen Predigt in Apostelgeschichte 7 sagt, dass Mose ein schönes Kind für Gott war. Es war nicht nur ein hübsches Baby, sondern Jochebed spürte, dass dieses Kind für Gott besonders war.
Sie überlegte, wie sie ihn vor dem Tod bewahren könnte. In 2. Mose 2 heißt es, dass sie ihn nicht länger verbergen konnte. Mütter können das sicherlich nachempfinden: Man kann ein Kind nicht stillhalten. Selbst wenn man es sofort stillt oder auf den Arm nimmt, sobald es ein Geräusch macht – das Schreien eines Babys ist durchdringend. Die Wohnungen damals waren sicherlich nicht schallgedämpft.
Man kann sich vorstellen, welche Herzensnot im Elternhaus von Mose geherrscht haben muss. Die beiden älteren Geschwister, Aaron und Miriam, durften nicht weiter erzählen, dass ein Baby geboren wurde. Und das macht es für Kinder besonders schwer: Sie freuen sich über das Baby, sind stolz darauf, ein Geschwisterchen bekommen zu haben, und erzählen es weiter.
So spürt man, wie groß die Spannung in dieser Familie wohl gewesen sein muss.
Gottes Führung durch die Rettung Moses
Dann kommen Amram und Jochebed auf die Idee, ein Kästchen zu bauen und das Kind hinein zu legen.
Ich weiß nicht, was sie dazu bewegt hat, dieses Kästchen im Nil im Uferschilf auszusetzen. Auch nicht, welche Hoffnung sie hatten. Sicherlich hatten sie Glauben. Sie wussten nicht, wie Gott helfen würde, aber sie hofften darauf, dass Gott helfen würde.
Sie stellen Mirjam als Aufpasserin irgendwo in die Nähe. Sie erlebt dann, wie die Tochter des Pharao das Kästchen entdeckt. Mirjam staunt darüber, wie klug sie gewesen ist. Dann macht sie den Vorschlag, die leibliche Mutter als Amme vorzuschlagen. So darf Mose erst einmal ins Elternhaus zurück – mit Genehmigung der Tochter des Pharao.
Wie lange Mose im Elternhaus gewesen ist, ist schwer abzuschätzen. Das heißt, bis er entwöhnt war, also bis zu dem Zeitpunkt, an dem Jochebed ihn nicht mehr gestillt hat. Vielleicht hat sie ihn sehr lange gestillt, denn Babynahrung gab es ja nicht.
Aber das, was Amram und Jochebed dem kleinen Mose in dieser kurzen Kleinkinderzeit beigebracht haben, ist schon erstaunlich.
Die Prägung in der frühen Kindheit und Ausbildung am Hof des Pharao
Aus dem Zusammenhang der späteren Geschichte geht hervor, dass Amram den Gott ihrer Väter bereits kennengelernt hatte. Später, am Hof des Pharao, wurde Mose in aller Weisheit der Ägypter unterrichtet. Das war Weltbildung, Weltkultur – zugleich aber auch die Götzen der Ägypter. Er erhielt am Hof des Pharao die beste Ausbildung, die es damals gab.
Was er jedoch als Kleinkind im Elternhaus mitbekam, war: „Ich bin kein Ägypter, ich gehöre zu dem verachteten Volk der Israeliten. Mein Volk glaubt an einen anderen Gott als die Ägypter.“ Offensichtlich haben sogar Amram und Jochebed ihm von Abraham, Isaak und Jakob erzählt. Eine Kinderbibel gab es damals noch nicht. Sie müssen ihm also die Geschichten der Vorväter erzählt haben.
Denn als Gott später, als Mose achtzig Jahre alt war, ihm am Dornbusch begegnet, stellt Gott sich so vor: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“ Das macht deutlich, dass Mose von Abraham, Isaak und Jakob gehört haben muss. Und Gott sagt als Erstes: „Ich bin der Gott deines Vaters.“ Mose hat also schon als kleines Kind mitbekommen, was sein Vater glaubt.
Das bestätigt etwas, das wir auch heute wissen: Die wichtigste Erziehungsphase ist die Kleinkinderzeit. Ich habe einmal von einem weltlichen Kinderpsychologen gelesen, der schrieb, dass die ersten sechs Jahre die wichtigste Zeit der Erziehung sind. Leider wird das heute kaum noch berücksichtigt. Wie schnell viele Mütter wieder in den Beruf gehen und das Kind dann irgendwo in eine Krippe geben – wie soll es dort wirklich Glauben kennenlernen?
Diese Zeit ist die wichtigste Phase, die unser Leben prägt. In ihr bekommen wir im Grunde unser Gottesbild, ein Wertegefühl und moralische Grundlagen. Deshalb ist diese Zeit ungeheuer wichtig. Die Zeit im Elternhaus war bei Mose höchstens vier Jahre lang. Danach kam er an den Hof des Pharao, wo er eine völlig andere Erziehung erfuhr.
Er erhielt seine Ausbildung am Hof des Pharao und wuchs dort praktisch wie ein Enkel des Pharao auf. Er genoss die beste Ausbildung, die es an den Universitäten Ägyptens gab. Er muss also hochqualifiziert gewesen sein. Er hatte sogar die Chance, einmal Pharao zu werden.
Mose wurde praktisch von der Tochter des Pharao adoptiert und wie ein Ägypter erzogen. Er musste Sprachen beherrschen, Bauwesen, Astrologie und alles, was man damals in Ägypten lernte. Mose war also kein einfacher Nomade, sondern ein hochintelligenter und ausgebildeter Mann.
Die erste Krise: Flucht nach Midian
Als Mose vierzig Jahre alt ist, berichtet die Bibel, geht er hin, um seine Brüder zu suchen. Er wusste, wie ich bereits erwähnt habe, von klein auf, dass er kein Ägypter ist.
Das zeigt sich auch heute noch bei Kindern, die adoptiert wurden. Meistens während der Pubertät machen sie sich auf die Suche nach ihren leiblichen Eltern und ihrer Herkunft. Mose tut genau das, als er vierzig Jahre alt ist. Er merkt, wie sein Volk unterdrückt wird, und empfindet das als ungerecht.
Stephanus sagt in seiner Predigt, dass Mose im Grunde versucht habe, sein Volk zu befreien, doch sie hätten es nicht verstanden. Mose versucht, aus eigener Kraft etwas zu tun: Er nimmt einen Israeliten in Schutz gegenüber einem Ägypter, schlägt den Ägypter und vergräbt ihn im Sand. Er glaubt, dass niemand es bemerkt hat.
Einen Tag später versucht er, einen Streit zwischen den Israeliten zu schlichten. Diese fragen ihn: „Willst du uns auch erschlagen, wie du den Ägypter erschlagen hast?“ Mose merkt, dass seine Tat offenbar geworden ist. Außerdem erkennt er, dass die Ägypter ihn fangen wollen, und er flieht.
Er flieht weit weg nach Midian, das liegt wohl jenseits der Aqaba-Bucht, also auf der Halbinsel Saudi-Arabiens. Dort trifft er Jethro, einen gottesfürchtigen Heiden, der Priester Gottes war. Mose heiratet eine der Töchter Jethros, Zippora.
Er bleibt vierzig Jahre bei ihm und hütet die Schafe seines Schwiegervaters. Ich frage mich, wie das für einen hochqualifizierten Mann ist, der fliehen muss, seine Karriere nicht fortsetzen kann und nun fast nomadisch lebt.
Gott lässt ihn vierzig Jahre in der Wüste bleiben. Man könnte sagen: Mose, jetzt ist wahrscheinlich dein Leben gelaufen. Du hattest große Chancen – vierzig Jahre in der Hochkultur der damaligen Zeit und danach vierzig Jahre unter ärmsten Verhältnissen als Schafhirt.
Er hat viel Zeit zum Nachdenken über Gott, über die Welt und sein Volk. Doch er kennt keinen Ausweg. Erst als er achtzig Jahre alt ist, begegnet ihm Gott.
Die Begegnung mit Gott am brennenden Dornbusch
Wir können dankbar sein, dass Gott uns früh begegnet ist und nicht erst im hohen Alter von achtzig Jahren. Gott begegnet Mose in der Wüste an einem Dornbusch, der brennt, aber nicht verbrennt. Mose geht hin, um das zu untersuchen, und Gott spricht zu ihm: „Zieh deine Schuhe aus, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land.“
Dieses Land ist nicht deshalb heilig, weil es an sich heilig wäre, sondern weil Gott dort gegenwärtig ist. Wo Gott gegenwärtig ist, ist es immer heilig. Gott begegnet Mose auf eine ganz besondere Weise. Er ruft ihn aus dem Dornbusch heraus und begegnet ihm mit der Zusage: „Ich bin der Gott deines Vaters.“ Gott knüpft damit an das an, was Mose als Kleinkind gehört hatte.
Mose denkt daran: Woran hat dein Vater geglaubt? „Ich bin der Gott deines Vaters.“ Dann ergänzt Gott: „Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“ Mose steht in der Linie seines Volkes. Offensichtlich hat er nicht an die Götzen der Ägypter geglaubt. Er hat sicherlich mehr von Gott gehört, vor allem bei seinem Schwiegervater, der Priester Gottes war.
Gott redet mit Mose, und das ist das erste Mal, dass Gott zu ihm spricht. Für Mose muss dieses Ereignis genauso wichtig gewesen sein wie damals für Abraham, als er in Ur in Chaldäa lebte. Dort erschien ihm „der Gott der Herrlichkeit“ und veränderte Abrahams Leben völlig. Genauso geschieht es hier bei Mose in der Wüste.
Gott spricht zu ihm und sagt: „Ich knüpfe nicht nur an den Gott deines Vaters an, nicht nur an dessen Glauben, sondern ich knüpfe an die Geschichte Israels an.“ Er sagt in Kapitel 3, Vers 7: „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen.“
Damals fragten sich die Israeliten in Ägypten: Wo ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs? Seit die Väter tot sind, hat er nicht mehr gesprochen. Das war Jahre her, ungefähr vierhundert Jahre. Das wäre so, als lebten wir heute und hätten seit der Zeit Luthers niemanden mehr gehabt, der Gott erlebt hat.
Glücklicherweise haben wir heute die Bibel, durch die Gott zu uns sprechen kann. Man muss sich vorstellen, dass es damals noch keine Bibel gab, sondern nur einige Aufzeichnungen, die Mose später auf der Wüstenwanderung gesammelt und daraus das erste Buch Mose geschrieben hat. In all den Jahren seit Joseph hatte sich Gott nicht offenbart.
„Ich habe das Elend meines Volkes gesehen“, sagt Gott. Die Israeliten waren in Ägypten geknechtet. Oft fragen wir uns heute: Warum lässt Gott so viel Elend zu? Warum werden Christen in vielen Ländern dieser Welt verfolgt, unterdrückt und getötet? Sieht Gott das Elend nicht?
Gott sagt: „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen.“ Er wendet sich seinem Volk zu und sagt: „Mein Volk.“ Auch wenn Gott jahrelang nichts unternommen hat, so hat er es doch im Blick. Vielleicht denken wir an eine Begebenheit im Neuen Testament: Jesus schickt seine Jünger in ein Schiff und bleibt selbst an Land, um zu beten. Die Jünger geraten in einen Sturm und fragen sich: Wo ist Jesus?
Jesus lässt sie drei Viertel der Nacht im Sturm. Erst in der vierten Nachtwache kommt er zu ihnen. Dennoch wird berichtet, dass er, als er auf dem Berg betete, seine Jünger in den Wellen notleidend sah. Das darf uns Mut machen, auch wenn wir in schwierigen Situationen sind. Wir dürfen wissen: Gott sieht es, auch wenn wir nicht sofort eine Reaktion merken.
Es ist Gott nicht unbekannt. Er sagt: „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen.“ Und jetzt geht er hin zum Pharao.
Mose erhält seinen Auftrag und seine Zweifel
Können Sie sich vorstellen, was in dem Herzen von Mose vorgegangen sein muss? Vor vierzig Jahren war er geflohen, weil er einen Ägypter getötet hatte und der Pharao hinter ihm her war. Um ihn zu beruhigen, sagt Gott ihm: Die, die nach deinem Leben trachten, sind gestorben, du kannst zurück.
Offensichtlich war der jetzige Pharao der Nachfolger, vielleicht sogar ein Halbbruder von Mose. Mose war ja wie ein Sohn der Tochter des Pharao aufgezogen worden. Es wird nicht berichtet, ob die Tochter des Pharao noch geheiratet hat und weitere Söhne oder Nachkommen hatte. Es ist durchaus möglich, dass Mose den jetzigen Pharao kennt.
Gott sagt zu Mose: „Geh hin zum Pharao und sag ihm: Lass mein Volk ziehen.“ Stellen Sie sich vor, Sie würden den Auftrag von Gott bekommen, zu Barack Obama oder Angela Merkel zu gehen, und müssten ihnen etwas Wichtiges sagen. Wahrscheinlich würden wir denken: „Herr Jesus, ich bin doch nicht der Richtige dafür, such dir jemand anderen aus.“ Wir würden vermutlich auch sagen: „Der wird doch nicht auf mich hören.“
Mose hatte die gleichen Fragen und Einwände. Er fragt: „Was soll ich denn sagen? Wer hat mich geschickt?“ Gott antwortet: „Ich bin, der ich bin.“ Das klingt wie ein seltsamer Name, nicht wahr? Manche übersetzen das mit „Ich bin der Ewig Seiende“. Dieses Wort „Ich bin, der ich bin“ – auf Hebräisch „Yahweh“ – bedeutet so viel wie: „Ich bin, der ich war, ich bin, der ich bin, ich bin, der ich sein werde; ich war, der ich war, ich war, der ich bin, ich war, der ich sein werde.“
Gott will damit Mose ausdrücken, dass er ewig, unveränderlich ist und über Raum und Zeit steht. Offensichtlich hat das Mose nicht sofort überzeugt. Er zweifelt und bringt Einwände vor. In Kapitel 3, Vers 11 sagt er: „Wer bin ich? Gott, ich bin doch nur ein kleiner Schafhirte. Ich war vierzig Jahre nicht in Ägypten, wahrscheinlich kann ich die Sprache gar nicht mehr richtig. Ich bin nicht so gekleidet wie die Ägypter. Wer bin ich denn?“
Was sagt Gott darauf? „Ich werde mit dir sein.“ Mose, es geht gar nicht darum, wer du bist. Und das ist bis heute so. Wenn Gott uns beruft, sein Evangelium weiterzusagen, sagen wir oft auch: „Kann ich doch gar nicht. Ich habe es nicht studiert, ich kann nicht predigen.“
Ich selbst habe immer gedacht, ich kann nicht predigen. Meine Mutter sagte immer: „Du wirst nie predigen können, du kriegst den Mund nicht auf, man versteht dich nicht.“ Und das ist bis heute so. Wenn ich in der Gemeinde bin, rufen manche Geschwister von ganz hinten laut: „Ich verstehe dich nicht.“
Ich bin nicht wie Spötchen, von dem man sagt, man konnte ihn fünf Kilometer weit hören. So ein Organ habe ich nicht. Ich habe auch nicht die Stimme wie der Herr Jesus, der vor fünftausend Leuten ohne Mikrofon und Beschallung sprechen konnte. Wer bin ich denn? Gott sagt: „Ich werde mit dir sein.“
Mose fragt weiter: „Was soll ich sagen, wenn sie mir nicht glauben?“ Gott antwortet: „Ich gebe dir Wunder.“ Und er übt mit ihm bereits. Sozusagen einen Trockenkurs in Wundern. Dann sagt Mose: „Ich kann nicht reden.“ Gott erwidert: „Ich schicke dir deinen Bruder Aaron.“
Dabei stimmte das gar nicht, dass Mose nicht reden konnte. Er sagt, er habe eine schwere Zunge. Stephanus sagt in seiner Predigt vor dem Hohen Rat, dass Mose in Wort und Tat ausgebildet war. Er hatte also durchaus an der ägyptischen Universität Rhetorik gelernt. Aber er wusste – und das merkt man bis heute –, dass Predigen etwas anderes ist als rhetorisch zu sprechen.
Vielleicht kennen Sie das auch: Es gibt Männer, die sind gebildet und haben hohe Stellungen im Beruf, aber sie können nicht predigen. Dabei halten sie Ansprachen vor dem Betriebsrat und der gesamten Belegschaft. Doch eigenartigerweise können sie nicht predigen. Und es gibt Brüder in den Gemeinden, die in ihren Firmen schüchtern sind, vielleicht einfache Lagerarbeiter, und Gott gebraucht sie zum Predigen.
Bei Gott ist vieles anders als bei uns – durch den Geist Gottes. Hier sagt Gott: „Ich nehme dir alle Ausreden weg.“ Es ist erstaunlich, dass Gott so geduldig ist und jede Ausrede, die Mose bringt, widerlegt und ihm eine Antwort gibt. Vielleicht merkt Mose in allen Antworten, die Gott gibt, dass immer das Wort „ich“ vorkommt.
Gott sagt: „Mose, du kannst dich auf mich verlassen. Es geht überhaupt nicht darum, wer du bist. Wenn ich dich gebrauche, geht es nur um mich.“
Mose kehrt zurück und führt das Volk Israel
Und dann macht sich Mose auf den Weg. Zuerst kehrt er zu Jethro zurück und teilt ihm mit, dass er nun nach Ägypten gehen wird. Anschließend macht er sich auf den Weg dorthin, und Aaron kommt ihm entgegen. Offensichtlich hat Gott auch mit Aaron gesprochen. Es ist erstaunlich, dass sie sich in der Wüste nicht irgendwo verfehlt haben. Gott führt sie zusammen, und so ist Mose schließlich in Ägypten.
Zunächst muss er das Volk überzeugen. Die Reaktion der Menschen ist dabei hochinteressant. In Kapitel vier, Vers 31 heißt es: „Und als sie hörten, dass der Herr die Söhne Israels heimgesucht und ihr Elend gesehen habe, da warfen sie sich nieder und beteten an.“ Wahrscheinlich hat Mose damit gar nicht gerechnet. Die Menschen sind in der Erwartung, dass Gott hilft.
Dann lässt Gott Mose viele Wunder erleben, zunächst die zehn Plagen. Dabei geht er Schritt für Schritt vor. Ich stelle immer wieder fest, dass Gott mit uns genau so Schritt für Schritt geht. Er sagt nicht zu Mose: „Pass mal auf, ich habe vor, zehn Plagen über Ägypten zu bringen – Plage eins, Plage zwei und so weiter“ und erklärt, wie alles ablaufen wird. Stattdessen zeigt Gott immer nur den nächsten Schritt.
Mose erlebt den Auszug der Kinder Israels. Menschlich betrachtet ist das eine Unmöglichkeit: Ein Volk von zwei Millionen Menschen wird in einer Nacht aus einem Land evakuiert. Wie schwer haben es heute die Behörden, zum Beispiel bei Hochwasserkatastrophen, die Menschen zu evakuieren. Manche wollen gar nicht gehen, manche bleiben in ihren Häusern. Aber damals gelingt es offensichtlich, dass das ganze Volk in einer Nacht aus Ägypten zieht. Wie macht man so etwas organisatorisch?
In jedem Amt, in jeder Schule und in allen öffentlichen Gebäuden muss man immer Katastrophenalarm ausrufen, um Übungen durchzuführen, wie sich Menschen im Notfall verhalten sollen. Anscheinend hat damals alles auf Anhieb, ohne Vorwarnung, funktioniert.
Mose erlebt das Passahfest, und auch das ist ein Wunder. Wir hatten uns ja in den letzten Tagen schon damit beschäftigt. Dann folgen weitere Wunder: der Auszug aus Ägypten, die Durchquerung des Roten Meeres, die Wüstenwanderung, die Wolkensäule. Das Wunder, wie Gott die Wassermassen des Roten Meeres aufstaut, sodass sie trockenen Fußes hindurchgehen können. Das Wunder, dass sie tatsächlich bis zum Berg Sinai kommen. Das Wunder, dass Gott dort auf dem Berg die zehn Gebote gibt. Das Wunder, dass Gott genau zeigt, wie die Stiftshütte gebaut werden soll. Mose erkennt in vielen Dingen den Ratschluss Gottes.
Mir fiel dabei besonders auf, dass Mose wirklich immer nur Schritt für Schritt geführt wird. Gott zeigt ihm nie den übernächsten Schritt, sondern immer nur den nächsten. Und ich glaube, dass es in unserem Leben genauso ist.
Daran lernt Mose Gehorsam und Vertrauen.
Die lange Wüstenwanderung und die Reife Moses
Und im Grunde sind daraus vierzig Jahre Wüstenwanderung geworden. Das hätte Mose sich wahrscheinlich auch nicht so vorgestellt. Er hatte wohl gedacht, dass er mit dem Volk in drei Monaten bis zum Berg Sinai im Süden der Sinai-Halbinsel kommen würde. Wahrscheinlich dachte er auch, dass sie in der gleichen Zeit, also nach drei Monaten, im Land wären.
Sie stehen ja auch kurz davor, und Mose schickt Kundschafter aus. Doch dann kommt der Unglaube des Volkes, und Gott lässt sie vierzig Jahre wandern. Dass Mose da nicht aufbegehrt und geduldig bleibt, ist Erziehung durch Gott.
Vielleicht ist euch auch aufgefallen: Mose verbringt sozusagen hundertzwanzig Jahre in der Schule Gottes. Vierzig Jahre am Hof des Pharao, vierzig Jahre in der Wüste bei Jetro als Schafhirte und vierzig Jahre als Leiter des Volkes Israel. Das heißt, Mose hat zunächst achtzig Jahre Leerzeit, bevor er von Gott als Leiter seines Volkes gebraucht wird.
Es ist erstaunlich zu sehen, wie Gott ihn in diesen Jahren verändert hat. 4. Mose 12 sagt es sehr deutlich: Mose war der sanftmütigste Mensch, der je gelebt hat. Das können wir uns kaum vorstellen, wenn wir daran denken, wie er mit vierzig Jahren angefangen hat.
Aber wir stellen das ja immer wieder fest, wenn wir an die Geschichte denken. Denken wir an Petrus oder an die Söhne des Zebedeus, die Jesus „Donnersöhne“ genannt hat. Die hatten schon einen heftigen Charakter. Heute gibt es auch viele, die vielleicht willensstark oder cholerisch sind und sagen: „Du musst mich so nehmen, ich bin eben so.“ Andere sind vielleicht phlegmatisch und sagen: „Du musst mich so nehmen, aber ich muss nicht so bleiben, wie ich bin.“
Ich finde es schon erstaunlich, auch wenn ich an die Jungs denke, die bei uns in der Gefährdetenhilfe sind: Wie sie sind, wenn sie kommen, und wie sie sind, wenn sie gehen. Wenn wir bereit sind, unser Leben wirklich Gott zur Verfügung zu stellen und auf sein Wort zu hören, dann verändert Gott auch unseren Charakter. Dann verändert er unser Wesen.
Die enge Gemeinschaft mit Gott und die Nachfolge
In 2. Mose 33,11 heißt es, dass der Herr mit Mose von Angesicht zu Angesicht redete, wie ein Mann mit seinem Freund spricht. Das klingt beneidenswert. Schon bevor die Stiftshütte gebaut wurde, hatte Gott mit Mose jeweils im Zelt von Mose gesprochen. Deshalb wurde dieses Zelt auch als das Zelt der Begegnung oder das Zelt der Zusammenkunft bezeichnet.
Später erhielt die Stiftshütte diesen Namen. Dennoch begegnete Gott Mose dort. Offensichtlich durfte Mose in die Gegenwart Gottes treten, obwohl er kein hoher Priester war. Vielleicht denkt man: Das ist wirklich beneidenswert. Gott redet mit ihm von Angesicht zu Angesicht, wie mit einem Freund.
Als ich das gelesen und darüber nachgedacht habe, kam mir der Gedanke, dass der Herr Jesus für uns noch viel mehr getan hat. Gott ist für uns nicht nur ein Freund, sondern vor allem unser lieber Vater. Ich darf zu Gott nicht nur in einem Freundschaftsverhältnis stehen, wie Mose es tat, sondern ich darf in einem Kindschaftsverhältnis zu Gott stehen. Ich darf zu ihm kommen wie ein Kind zum Vater.
Vielleicht kennen das auch die Väter hier, wenn ihre Kinder klein waren und zu ihnen liefen, um auf die Schulter genommen zu werden. Unser Verhältnis zu Gott ist noch viel inniger als das von Mose zu Gott damals. Dafür bin ich sehr dankbar.
Abschluss: Fragen zur persönlichen Gottesbeziehung
Ich möchte mit ein paar Fragen schließen: Wie ist dir Gott begegnet? Wie hast du Gott kennengelernt?
Viele Christen haben Angst vor Gott, doch Gott möchte unser Vater sein. Wie hat dein Gottesbild dein Leben verändert? Was hast du in den Jahren der Nachfolge gelernt, und bist du geistlich gewachsen?
Ich glaube, durch die Beziehung zu unserem Gott und Vater dürfen wir ihn wirklich kennenlernen und in unserem Wesen verändert werden. Dafür bin ich sehr dankbar. Jesus vergibt uns nicht nur unsere Sünden, sondern er gibt uns auch die Chance, neu zu werden. Unser Leben kann sich erneuern – auch unser Charakter und unser Wesen – wenn wir es zulassen.
So wie Mose. Teilweise war die Schule Gottes für Mose mühevoll. Wenn Mose das Gebot Gottes übertrat, hatte das sehr harte Folgen für ihn. Denken wir daran, als er das zweite Mal den Felsen schlug, statt, wie Gott gesagt hatte, mit dem Felsen zu reden, damit Wasser herauskommt. Da sagt Gott: Du darfst nicht ins Land. Und Mose gibt keine Widerworte.
Mose hat gelernt. Wohl uns, wenn auch wir in unserem Glaubensleben lernen. Amen.
