
Und wir möchten uns dazu die Weihnachtsgeschichte anschauen. Ich weiß, es sind noch drei Wochen bis Weihnachten. Aber wie der Ferike schon gesagt hat: Wir haben Advent. Advent, wenn ihr es nicht wisst – ich hoffe, das wisst ihr alle – bedeutet Ankunft. Es ist eine Zeit der Vorbereitung. Eine Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Dazu gehört auch, dass wir uns wieder ins Gedächtnis rufen, was wir eigentlich an Weihnachten feiern und an was wir uns erinnern.
Ich will mit euch aber nicht die klassische Weihnachtsgeschichte lesen. Wir werden nicht ins Lukasevangelium gehen und auch nicht in eines der anderen Evangelien. Wir möchten die Weihnachtsgeschichte bei Paulus lesen. Paulus erzählt uns diese Geschichte nicht aus einer menschlichen Perspektive. Er beschreibt Weihnachten aus Gottesperspektive. Er zeigt auf, was wir an Weihnachten eigentlich feiern: die Demut Gottes. Die Demut Gottes.
Am Ende werden wir auch sehen, was diese Demut Gottes mit unserem Streit, unserer Spaltung und auch mit der Einheit zu tun hat.
Ich möchte euch bitten, das Wort Gottes aufzuschlagen im Philippabrief, Kapitel 2. Wir möchten ab Vers 5 starten: Philippabrief 2,5-11. Dort heißt es:
„Denn ihr sollt so gesinnt sein, wie es Christus Jesus auch war, der, als er in der Gestalt Gottes war, es nicht wie einen Raub festhielt, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich selbst, nahm die Gestalt eines Knechtes an und wurde wie die Menschen. In seiner äußeren Erscheinung als Mensch erfunden, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat ihn Gott auch über alle Maßen erhöht und ihm einen Namen verliehen, der über allen Namen ist, damit in dem Namen Jesus sich alle Knie derer beugen, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes des Vaters.“
Nun möchte ich direkt in den Text einsteigen. Am Ende werden wir noch einmal den Zusammenhang und den Kontext anschauen. Unser Fokus liegt jedoch auf zwei Punkten, die wir uns näher ansehen.
Wir konzentrieren uns auf die Verse sechs bis acht. Dort erkennen wir erstens die Erniedrigung Jesu und zweitens den Gehorsam Jesu. Dabei legen wir den Hauptaugenmerk auf den ersten Punkt, denn hier zeigt sich die Demut Gottes.
Paulus beschreibt, was zu Weihnachten aus Gottes Perspektive geschehen ist. In Vers fünf spricht Paulus von der Gesinnung Jesu. Schaut man in den Text, findet man das griechische Wort „phronesis“, das eine innere Einstellung meint. Es beschreibt die Art und Weise, wie jemand denkt. Diese innere Einstellung zeigt sich auch in unserem Verhalten.
Wenn man zum Beispiel schlecht über jemanden redet, dann liegt das daran, dass man schlecht über ihn gedacht hat und nicht, weil einem aus Versehen etwas herausgerutscht ist. Im Sport sieht man das ebenfalls sofort: An dem Verhalten erkennt man die dahinterliegende Einstellung. Wenn jemand auf dem Spielfeld steht, sieht man, ob er motiviert ist, ob er begeistert dabei ist oder ob er eigentlich lieber auf dem Sofa sitzen möchte.
Auch hier und jetzt kann ich an deinem Gesichtsausdruck und an deiner Sitzposition erkennen, welche Einstellung du zum Gottesdienst hast. Man sieht die innere Einstellung. Ebenso sieht man an der Art und Weise, wie jemand mit anderen Menschen umgeht, wie er über sie denkt und was er von ihnen hält.
Das bedeutet, dein Gegenüber merkt, wenn du überheblich von dir denkst. An deinem Verhalten wird diese innere Einstellung, deine Gesinnung, sichtbar. Auf dieselbe Weise sehen wir an dem, was Jesus tut, wie seine Gesinnung ist.
Paulus nimmt uns mit in die Herrlichkeit Gottes und zeigt uns Weihnachten aus Gottes Perspektive. Dabei sehen wir diese innere Einstellung Gottes, die Art und Weise, wie er denkt, und wir erkennen die Demut Gottes.
Wir beginnen in Vers 6, wo es heißt: „Der, bezogen auf Jesus, als er in der Gestalt Gottes war.“
Nun ist das Wort „Gestalt“, das wir auch vorhin im Lied mitgesungen haben, etwas irreführend. Wenn wir an eine Gestalt denken, meinen wir meist die äußere Form oder den Umriss. Wenn wir eine Person noch nicht klar erkennen können, zum Beispiel im Nebel, sehen wir nur eine Gestalt – also einen Umriss –, aber wir können noch nicht genau erkennen, wer das ist. Genau das verstehen wir normalerweise unter „Gestalt“.
Paulus will hier jedoch nicht sagen, dass Jesus dieselbe äußere Form hat wie Gott oder dass er äußerlich so aussieht wie Gott. Das Wort „Gestalt“ spricht vielmehr vom Wesen, vom Charakter und von den Eigenschaften. Es geht also nicht um die äußere Erscheinung. Es heißt hier nicht, dass Jesus die äußere Gestalt oder das Aussehen Gottes hatte, sondern dass er dem Wesen Gottes entspricht. Er hat die Eigenschaften Gottes, seinen Charakter.
William Barclay erklärt das Wort mit einem Beispiel: Die wesentliche Gestalt eines Menschen ist zum Beispiel die Menschlichkeit. Diese ändert sich nie, aber seine Form ändert sich ständig. Er ist ein Baby, ein Kind, ein Jugendlicher, ein Mann mittleren Alters, ein alter Mann. Die Menschlichkeit bleibt immer dieselbe, aber die äußere Form verändert sich ständig.
Paulus will also nicht sagen, dass Jesus äußerlich wie Gott ist, sondern dass er Gott dem Vater in jeder Hinsicht gleich ist. Er ist Gott dem Vater in jeder Hinsicht gleich.
Im Hebräerbrief 1,3 heißt es: „Jesus ist die Ausstrahlung der Herrlichkeit des Vaters und der Ausdruck seines Wesens und trägt alle Dinge durch das Wort seiner Kraft.“
Wenn wir zurück in den Text schauen, heißt es in Vers 6: „Als er in der Gestalt Gottes war.“ Das Wort „war“ ist eigentlich nicht in der Vergangenheitsform geschrieben, sondern in der Gegenwart. Es steht eigentlich „er ist in der Gestalt Gottes“, also ein anhaltender Zustand. Dieses kleine Wörtchen spricht von seinem Sein, von seiner Existenz.
Jesus war Gott, er ist Gott und er wird immer vollkommener Gott sein. Jesus existiert seit ewigen Zeiten als vollständig und ganz und gar vollkommener Gott.
Der Grund, warum es trotzdem mit „war“ in der Vergangenheit übersetzt wurde, macht der Zusammenhang deutlich. Wenn man kurz in Vers 7 schaut, heißt es: „Er entäußerte sich selbst, nahm die Gestalt eines Knechtes an und wurde wie die Menschen.“ Dort beschreibt Paulus eigentlich, was zu Weihnachten passiert ist.
Damit wird deutlich, wovon er in Vers 6 spricht: Er spricht von der sogenannten Präexistenz Jesu. Das ist ein theologischer Begriff, der bedeutet, dass Jesus bereits existierte, bevor er auf diese Erde kam. Jesus existierte also schon vor seiner irdischen Existenz.
Das sagt auch Jesus selbst in Johannes 8,58: „Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ehe Abraham war, bin ich.“ Er verwendet bewusst diese grammatikalische Form, um zu zeigen, dass er immer ist, dass er ewig ist.
In Jesaja 9,5 wird Christus vorgestellt und prophezeit. Dort werden einige Namen genannt, die er erhält. Einer davon ist besonders interessant: „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter, und man nennt seinen Namen ‚Ewig-Vater‘.“ Wörtlich heißt es hier „Vater der Ewigkeiten“. Das bedeutet, er ist der Vater der Ewigkeiten, aus ihm gehen die Ewigkeiten hervor.
In Micha 5,1 heißt es: „Und du, Bethlehem Ephrata, bist zwar gering unter den Hauptstädten von Juda, aber aus dir soll einer hervorgehen, der Herrscher über Israel werden soll, dessen Hervorgehen von Anfang an, von den Tagen der Ewigkeit her gewesen ist.“ Er ist also von den Tagen der Ewigkeit her gewesen.
Das bedeutet, in Bethlehem ist er aus der Ewigkeit hinausgetreten in die Zeit, in unsere Zeit.
Alle diese Verse machen eines deutlich: Jesus existiert seit ewigen Zeiten als vollständig und ganz und gar vollkommener Gott.
Aber er hielt es nicht wie einen Raub fest, Gott gleich zu sein.
Wir möchten das Ganze von hinten aufrollen und erst einmal das Wort „gleich“ anschauen. Gleich heißt übersetzt etwas, das Gleiche an Anzahl oder an Eigenschaften ist. Paulus spricht also von der völligen Gleichheit, von der völligen Übereinstimmung zwischen Jesus und Gott dem Vater. Er ist vollkommen Gott, und das bestätigt er auch wieder in Johannes 14,9. Dort stellt Philippus die Frage an ihn: „Hey, können wir den Vater sehen?“ Und Jesus antwortet: „So lange Zeit bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus. Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“
Das liegt daran, dass sie komplett übereinstimmen, weil sie komplett gleich sind. Jesus und Gott, der Vater, sind vollkommen gleich, aber er hielt nicht daran fest.
Diese Formulierung „wie ein Raub festhalten“ kann zwei Nuancen oder Bedeutungen haben. Einmal kann es bedeuten, dass man etwas mit Gewalt festhält, was man besitzt. Man ist bereit, Gewalt anzuwenden, damit es einem keiner nimmt. Man hält daran fest, man klammert sich an etwas.
Jesus besaß alle Vorrechte, alle Privilegien Gottes. Er ist ewiger Gott, er konnte das niemals verlieren. Aber er klammerte sich nicht daran. Er hielt nicht mit Gewalt daran fest. Er lehnte es ab, sich selbstsüchtig an diese bevorzugte Position als Gott zu klammern, um stattdessen in unsere Welt zu kommen.
Und dieses Wort „Raub“ kann aber auch bedeuten, dass man seine Stellung ausnutzt, also dass er seine Macht für sich selbst genutzt hätte. Aber er hat seine Macht, seine Autorität nie zu seinem persönlichen Vorteil genutzt.
In Matthäus 26 wird Jesus gefangen genommen, und da wird es auch deutlich. Das ist die Stelle, wo Petrus dann sein Schwert zieht. Er will Jesus verteidigen und schlägt einem Tempeldiener das Ohr ab. Dann sagt Jesus die folgenden Worte in Matthäus 26,53: „Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, und er würde mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel zur Seite stellen?“
Also hätte Jesus die Macht und die Autorität, sich jederzeit eine Armee von Engeln zu holen. Er hätte die Autorität und die Macht, um eine Armee zu holen, die ihn aus dieser Gefangennahme befreien würde. Aber er tut es nicht.
Der Zusammenhang dieses Verses macht doch klar, warum: Weil er sich vollkommen dem Willen des Vaters untergeordnet hat. Jesus hat niemals seine Autorität und seine Macht als Gott für egoistische, selbstsüchtige Ziele verwendet — die er natürlich auch gar nicht hat.
Er hat sich nicht an seine Privilegien festgeklammert, er hat sich nicht an seine Stellung als Gott festgeklammert, sondern er entäußerte sich selbst, nahm die Gestalt eines Knechtes an und wurde wie die Menschen.
Er entäußerte sich selbst heißt wörtlich eigentlich, er entlehrte sich selbst. Das griechische Wort, das dort steht und mit „entlehren“ oder „entäußern“ übersetzt wird, ist die Grundlage für den Begriff Kenosis. Dieser Begriff stammt aus der Theologie und bezeichnet die Lehre von der Menschwerdung Jesu.
Nun stellt sich die Frage: Von was hat sich Jesus entleert? Hat er sich von seiner Gottheit entleert oder nur von einem Teil seiner Gottheit? Hier gilt ein wichtiges Prinzip der Hermeneutik, der Lehre von der Auslegung der Bibel. Dieses Prinzip besagt, dass die Bibel sich immer selbst auslegt – auch an dieser Stelle.
Also: Von was hat sich Jesus entleert? Was hat er zurückgelassen oder aufgegeben, als er Mensch wurde? Wenn wir die Bibel betrachten, erkennen wir einige Punkte.
Zum einen entleerte er sich seiner Herrlichkeit. In Johannes 17,5 heißt es: „Und nun verherrliche du mich, Vater, bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“ Widerspricht das dem, was wir zuvor gehört haben? Nein, natürlich nicht. Ein Funken seiner Herrlichkeit war sichtbar, etwa bei den Wundern oder bei der Verklärung, die wir am Mittwoch betrachtet haben.
Aber Jesus verließ die Herrlichkeit beim Vater. Er setzte sich der Verleugnung, dem Unglauben, den falschen Anschuldigungen und der Verfolgung durch sündige Menschen aus. Seine Herrlichkeit war verborgen.
Wie wurde Jesus wahrgenommen? In Jesaja 53 steht: „Wie ein kümmerlicher Spross wuchs er von ihm auf, wie ein Trieb aus dürrem Boden. Er war weder stattlich noch schön. Er war unansehnlich und gefiel uns nicht. Er wurde verachtet, und alle mieden ihn. Er war voller Schmerzen, mit Leiden vertraut, wie einer, dessen Anblick man nicht mehr erträgt. Er wurde verabscheut, und auch wir verachteten ihn.“
Der zweite Punkt ist, dass Jesus sich seiner Autorität entleerte. Er entleerte sich seiner unabhängigen göttlichen Autorität. Das bedeutet, er unterordnete sich vollkommen dem Willen des Vaters.
Ein paar Beispiele: Johannes 5,30 sagt: „Ich kann nichts von mir selbst aus tun; wie ich höre, so richte ich, und mein Gericht ist gerecht, denn ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen des Vaters, der mich gesandt hat.“
In Johannes 6,38 heißt es: „Denn ich bin aus dem Himmel herabgekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“
Auch in seinem Gebet im Garten Gethsemane wird das deutlich. Dort fleht er zu Gott: „Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Jesus ordnete sich vollständig dem Willen des Vaters unter.
Was sehen wir noch in der Bibel? Wir sehen, dass er sich seiner himmlischen Reichtümer entleerte. In 2. Korinther 8,9 heißt es: „Denn ihr kennt ja die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass er, obwohl er reich war, um eueretwillen arm wurde, damit ihr durch seine Armut reich werdet.“
Außerdem entleerte sich Jesus kurzzeitig seiner tiefen Beziehung zum Vater. Jeder kennt die Stelle in Matthäus 27,46, wo es heißt: „Um die neunte Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: Eli, Eli, Lama Sabachthani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Jesus hat sich jedoch nie seiner Gottheit entleert. Er war, ist und wird immer vollkommen Gott sein – auch als er auf der Erde war. Er lehnte es ab, seine göttlichen Vorrechte und Privilegien für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Ebenso nutzte er seine göttliche Macht und Autorität nicht für sich selbst aus.
Er hing nicht an diesen göttlichen Vorrechten und nutzte sie nicht für sich selbst. Das zeigt die Gesinnung Jesu, seine Einstellung und seine Denkweise. Es offenbart die Demut Gottes und seinen Charakter.
Nun, wie erkennt man den Charakter eines Menschen? Wie kann man feststellen, wie ein Mensch wirklich tickt und welchen Charakter er tatsächlich hat?
Man kann es erkennen, wenn man ihm Macht gibt – wenn man ihm Macht und Privilegien gibt, Macht und die Freiheit, diese auszuüben, ohne dass er jemals die Konsequenzen seines Handelns tragen muss. Gib einem Menschen unabhängige Macht. Gib ihm Macht, die er ausleben kann, wann und wo er will, ohne dafür Rechenschaft abzulegen. Dann wird sich sein wahrer Charakter zeigen.
Je mehr Macht ein Mensch hat und je weniger er Rechenschaft über sein Verhalten ablegen muss, desto mehr wird sein verdorbener Charakter zum Vorschein kommen. Solange ein Mensch anderen Rechenschaft ablegen muss und die Konsequenzen seines Verhaltens selbst tragen wird, wird er sein Inneres zurückhalten. Sein wahrer Charakter zeigt sich nicht, aus Angst vor den Folgen seines Handelns.
Doch je mehr Macht ein Mensch erhält und je weniger er anderen gegenüber Rechenschaft ablegen muss, desto mehr wird sein wahrer Charakter sichtbar – das lehrt uns auch die Geschichte. Man sagt oft, Macht verdirbt den Charakter, aber das ist nicht ganz richtig. Macht zeigt vielmehr, was tatsächlich in uns steckt.
Macht offenbart den wahren Charakter eines Menschen. Ein Mensch, der viel Macht hat und niemandem Rechenschaft über sein Tun schuldig ist, bringt das hervor, was bereits zuvor in seinem verdorbenen Herzen war.
Deshalb gibt es bei uns Gewaltenteilung. Eine Gewalt prüft die andere auf korrektes Verhalten. Die Polizei zum Beispiel muss Berichte erstellen, damit sichergestellt werden kann, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Sie müssen Rechenschaft ablegen, und es wird geprüft, ob sie alles richtig gemacht haben.
Man weiß, dass von einem Menschen nichts Gutes zu erwarten ist, vor allem von jemandem, dem viel Macht gegeben wird, ohne dass er sich für sein Tun verantworten muss. Der Charakter des Menschen kommt dann zum Vorschein, weil nichts mehr das Böse in ihm zurückhält, wenn er Macht hat und keine Konsequenzen mehr tragen muss.
Gott hingegen braucht keine Gewaltenteilung. Sein Charakter, wie wir hier sehen, ist rein und schön. Bei diesem allmächtigen Gott, der niemandem Rechenschaft schuldig ist, kommt gerade deshalb dieser reine Charakter zum Vorschein.
Obwohl er alle Macht hat, erniedrigt er sich selbst und nimmt die Gestalt eines Knechtes an.
Und hier haben wir wieder das Wort Gestalt, und es ist genau dasselbe Wort wie in Vers 6: Er war in der Gestalt Gottes. Jesus hat das Wesen Gottes, er hatte die Privilegien und Vorrechte Gottes, er ist Gott. Aber er klammert sich nicht an ihnen fest, sondern nimmt das Wesen, die Vorrechte und die Privilegien eines Knechtes an.
Nun steht hier nicht das Wort Knecht, sondern das Wort Dulos. Das Wort Dulos bedeutet eigentlich Sklave. Jesus zog also nicht nur das Kleid eines Sklaven an, nicht nur äußerlich, sondern er wurde tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes zum Sklaven.
Welche Privilegien und Vorrechte hat ein Sklave? Gar keine. Ein Sklave besitzt nichts, selbst die Kleidung, die er trägt, gehört seinem Herrn. Alles, was er besitzt, sogar sein eigenes Leben, gehört seinem Herrn. Jesus besaß gar nichts. Er musste einen Esel leihen, um nach Jerusalem hineinzuziehen. Er musste einen Raum leihen, um das Abendmahl zu feiern, und selbst sein Grab war nicht sein eigenes, sondern nur geliehen.
Der, der alles erschaffen hat, beanspruchte nichts als seinen Besitz. Der Herr der Herren wird zum Sklaven derer, die unter die Sünde versklavt sind. Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld für viele zu geben.
Er entleerte sich selbst, nahm die Gestalt eines Sklaven an und wurde wie die Menschen. Dieses „wie“ spricht von einer Ähnlichkeit. Es bedeutet nicht absolute Gleichheit, wie im Vers 6, wo er gleich Gott ist, absolut gleich Gott. Hier spricht es von einer Ähnlichkeit, weil er nicht vollkommen Mensch war in dem Sinne, dass er die verdorbene Natur des Menschen hatte. Er hatte nicht die Sündennatur, die Unfähigkeit des Menschen, nicht zu sündigen.
Aber sonst war er genau wie alle anderen Menschen, mit allen Eigenschaften der Menschheit. Ein echter Mensch unter Menschen. Er war so offensichtlich ein Mensch wie alle anderen, dass nicht einmal seine Familie oder seine Jünger ihn als Gott erkannten, wenn Gott, der Vater, es ihnen nicht offenbart hätte. Er war offensichtlich ein ganz normaler Mensch, ohne Sünde, aber ansonsten ein normaler Mensch.
Der Schöpfer wird selbst, ja, er geht in seine Schöpfung hinein. Er wird quasi ein Geschöpf, wird seinen Geschöpfen gleich. Der, der deine Beine gebildet hat, kommt auf diese Erde und muss laufen lernen. Der, der das Wort ist, der sprach und es wurde ein ganzes Universum, kommt auf die Erde und muss sprechen lernen. Der Schöpfer muss den Befehlen und Regeln sterblicher Eltern gehorchen. Er ist der Schöpfer seiner eigenen Mutter und dennoch hat er das Gebot, Vater und Mutter zu ehren, vollkommen erfüllt.
Wir lesen zwar nicht viel von Jesu Kindheit, eigentlich fast gar nichts. Aber wir können davon ausgehen, dass er ganz normal wie jedes andere Kind aufgewachsen ist, dass er ganz normal in die Windeln gemacht hat wie seine Geschwister. Als Kind brauchte er wie jedes andere Kind die Aufmerksamkeit und Fürsorge seiner Eltern.
Der ewige Gott brauchte die Fürsorge sterblicher Menschen, und in gewisser Hinsicht wuchs und entwickelte er sich wie jedes andere Kind. Lukas 2,52: Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.
Er hatte Schwächen wie jeder andere Mensch. Er wurde hungrig, er wurde durstig, er litt Schmerzen, er empfand Traurigkeit. Wie alle anderen Menschen wurde er müde und schwach, auch er brauchte Schlaf. Er war einmal so müde, dass selbst ein Sturm ihn nicht wecken konnte.
Von Geburt an war er umgeben von Sündern, obwohl er vollkommen sündlos war. Der ewige Gott musste miterleben, wie seine Halbgeschwister ständig über Kleinigkeiten, über Spielsachen stritten. Und in seinem ganzen Leben ging das so weiter.
Er musste sich mit der Kleingläubigkeit der Jünger herumschlagen, ihre Begriffsstutzigkeit ertragen, ihnen Dinge zweimal, dreimal erklären, und selbst dann hatten sie es noch nicht verstanden. Er musste die Volksmenge ertragen, die ihn nie in Ruhe ließ. Wer Markus gelesen hat, weiß, wie es dort beschrieben wird: Immer wieder kamen die Volksmengen und ließen ihn nicht in Ruhe.
Er wusste, dass die meisten von ihnen nur kamen, weil sie schaulustig waren und seine Wunder sehen wollten. Andere kamen nur, um geheilt zu werden, sie wollten die Heilung. Aber nur wenige hatten Interesse an ihm und an dem, was er sagte. Sie jubelten ihm zu und wollten ihn zum König machen, aber auch nur, weil er großartige Wunder tat und sie mit Brot versorgen konnte.
Dasselbe Volk rief kurze Zeit später: „Kreuzige ihn!“ Er musste sich mit den Pharisäern und Schriftgelehrten herumschlagen, immer wieder diese starrköpfigen, hartherzigen Männer. Und zu guter Letzt waren da noch die armseligsten Menschen dieser Zeit, der Abschaum der Gesellschaft: die Zöllner, die Huren, die, die ihn besonders nötig hatten.
Keinen einzigen dieser Menschen hat Jesus jemals herablassend oder arrogant behandelt. Er, der Schöpfer des Universums, begegnete ihnen demütig, sanftmütig und mitfühlend. Und du nimmst dir heraus, andere von oben herab zu behandeln, weil du etwas besser weißt oder etwas besser kannst?
Jesus ist allwissend, er ist allmächtig, und trotzdem achtet er die anderen höher als sich selbst. Er kam von oben herab, aber er hat niemals irgendjemanden von oben herab behandelt.
Den Jüngern begegnete er immer wieder mit Geduld, wenn sie mal wieder etwas nicht verstanden hatten. Er nahm sich Zeit, erklärte es ihnen noch einmal. Ja, er tadelte sie, wurde deutlich, aber er hatte immer Geduld mit ihnen.
Der Volksmenge begegnete er mit Mitgefühl. Markus 6,34: Als Jesus aus dem Boot stieg und die vielen Menschen sah, ergriff ihn tiefes Mitgefühl, denn sie waren wie Schafe ohne Hirten. Da nahm er sich viel Zeit, um sie zu belehren.
Seht ihr, wie armselig unser Stolz und unser Hochmut ist, wenn wir diese Demut Jesu vor Augen haben? Der allmächtige, souveräne Gott offenbart seinen Charakter, zeigt seine Gesinnung. An Weihnachten sehen wir das, und wir feiern diese Demut Gottes.
Nun, Demut äußert sich nicht nur in Erniedrigung und darin, dass man auf die anderen schaut und sie höher einschätzt als sich selbst. Demut zeigt sich auch im Gehorsam, im Gehorsam gegenüber dem Vater. Demut und Gehorsam gegenüber Gott gehören untrennbar zusammen.
Ein stolzer Mensch ist immer auch ein ungehorsamer Mensch, und ein gehorsamer Mensch kann nicht gleichzeitig stolz sein. Demut und Gehorsam gehören untrennbar zusammen. Schau dir den Text in Vers 8 an: In seiner äußeren Erscheinung als Mensch erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz.
Diese äußere Erscheinung in Vers 8 meint tatsächlich die äußere Gestalt. Das heißt, er wurde als einfacher Mensch wahrgenommen. Zu der ganzen Demütigung in seiner Menschwerdung kommt noch hinzu, dass ihn jeder nur als einen einfachen Menschen betrachtete.
Aber er erniedrigte sich selbst. Er unterordnete sich nicht nur dem Willen des Vaters, sondern der Schöpfer unterordnete sich seinen Geschöpfen. Er wurde verspottet, zu Unrecht beschuldigt, bespuckt, mit Fäusten geschlagen und geißelte. Doch er hat sich nicht verteidigt, wurde nicht bitter und auch nicht anklagend.
Er lehnte es ab, seine Rechte als Gott einzufordern. Er lehnte es sogar ab, seine Rechte als Mensch einzufordern, sein Recht auf ein gerechtes Urteil. Er erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz.
Wenn wir uns die ganze Demütigung Jesu anschauen, würde man eigentlich erwarten, dass er irgendwann an den Punkt kommt, an dem er sagt: Jetzt reicht es. Aber er unterwarf sich dem Willen des Vaters. Er wurde gehorsam bis zum Tod, weil das der Wille des Vaters war. Und es war Jesu Wille, den Willen des Vaters vollkommen zu erfüllen.
Deswegen war er bereit, sich so weit zu demütigen, dass er selbst für die Demütigung bereit war, am Kreuz zu sterben, weil er den Willen des Vaters erfüllen wollte.
Die Kreuzigung ist eine der schmerzhaftesten, grausamsten und schändlichsten Formen der Hinrichtung, die sich je ein Mensch ausgedacht hat. Sie war Sklaven, den niedrigsten Verbrechern und den Staatsfeinden Roms vorbehalten. Ein römischer Bürger durfte niemals gekreuzigt werden, gerade wegen der Brutalität dieser Strafe.
Ein englischer Autor, Frederick Farrar, beschreibt die Kreuzigung folgendermaßen: „Ein Tod durch Kreuzigung scheint alles zu beinhalten, was Schmerz und Tod an Schrecklichem und Grauenhaftem haben können: Schwindel, Krämpfe, Durst, Hunger, Schlaflosigkeit, dramatisches Fieber, Scham, Öffentlichkeit der Schande, lange anhaltende Qualen. Alles ist verstärkt bis zu dem Punkt, an dem es kaum noch ertragen werden kann, aber noch kurz vor dem Punkt, der dem Leidenden die Erleichterung der Bewusstlosigkeit verschaffen würde.“
Die unnatürliche Haltung machte jede Bewegung schmerzhaft. Die zerfetzten Venen und zerquetschten Sehnen pochten mit unaufhörlicher Qual. Christus war bereit, all dies für dich zu erleiden, weil er dem Willen des Vaters gehorsam sein wollte und weil er vollkommen demütig ist.
Nun, was hat das alles mit Spaltung, Streit und Einheit zu tun?
In unserem Abschnitt, wenn ihr in Vers 5 schaut, seht ihr, dass er mit einem „Denn“ beginnt. Das heißt, Paulus knüpft unmittelbar an den vorherigen Abschnitt an. In Vers 2 heißt es: „Macht meine Freude völlig, indem ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und auf das eine bedacht.“
Offensichtlich gab es in der Gemeinde Philippi Uneinigkeit und Streit. In Kapitel 4 geht Paulus auch explizit auf einen Streit zwischen zwei Schwestern ein. Er fordert sie auf, sich wieder zu versöhnen und einig zu sein. Paulus möchte Einheit in der Gemeinde. Er wünscht sich, dass alle auf dasselbe Ziel ausgerichtet sind und gemeinsam an einem Strang ziehen.
Er gibt ihnen auch den Schlüssel für diese Einheit in Vers 3: „Tut nichts aus Selbstsucht oder nichtigem Ehrgeiz, sondern in Demut.“ Jetzt kommt der Schlüssel zur Einheit: Demut. „Achte einer den anderen höher als sich selbst, jeder schaue nicht auf das Seine, sondern jeder auf das des Anderen, denn ihr sollt so gesinnt sein, wie es Christus Jesus auch war.“
Demut ist der Schlüssel zur Einheit. Es gibt keine Einheit ohne Demut. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns mit dem beschäftigen, was an Weihnachten passiert ist. Dort offenbart Gott seine Demut und seinen Charakter.
Nur wenn wir seinem Charakter nachahmen und seine Gesinnung annehmen, ist echte Einheit möglich.
Deswegen möchte ich euch einige Fragen stellen, die zeigen, woran man Demut erkennt. Ich möchte, dass du dich anhand dieser Liste von Fragen prüfst: Wie steht es um deine Demut?
Die erste Frage, die ich stellen möchte, ist gleich die grundlegendste aller Fragen: Vertraust du Gott? Vertraust du seinem Charakter? Im zweiten Teil unseres Textes, mit dem wir uns jetzt nicht beschäftigt haben, schreibt Paulus in Vers 11: „Und jeder Mund wird anerkennen, Jesus Christus ist der Herr, so wird Gott der Vater geehrt.“ Jeder wird erkennen, dass Christus der Herr ist. Aber nur, wer dies bereits hier auf dieser Erde tut, wird die Ewigkeit in seiner Herrlichkeit und nicht in seiner Hölle verbringen.
Demut beginnt mit der Erkenntnis und dem Bekenntnis, dass Christus der Herr ist. Demut beginnt damit, dass man sein Vertrauen auf Jesus wirft. Vertraust du ihm? Oder nimmst du dir manchmal das Recht heraus, den allmächtigen und vollkommenen Gott in Frage zu stellen oder ihn zu verurteilen, weil er nicht so handelt, wie du es gerne hättest? Ist dein Augenmerk auf Christus oder auf dich selbst gerichtet?
Betest du regelmäßig, oft lange? Betest du im Sinn der Bibel oder nach deinem Gutdünken? Bist du immer wieder überwältigt von Gottes unverdienter Gnade und Güte? Treibt dich diese Gnade immer wieder in die Anbetung?
Begegnest du deinen Mitmenschen mit Ehrfurcht? Begegnest du ihnen mit Dankbarkeit? Zeigst du Milde und Geduld gegenüber deinen Mitmenschen? In Römer 12,16 warnt Paulus uns und schreibt, dass wir uns nicht selbst für klug halten sollen. Denkst du manchmal zu hoch von dir selbst? Oder hast du ein gesundes Einschätzungsvermögen deiner Begabung und deiner Fähigkeiten? Oder überschätzt du dich regelmäßig?
Bist du ein guter Zuhörer? Sprichst du nur dann über andere, wenn es ihnen zum Wohl dient, wenn es gut für dich ist? Oder sprichst du lieber dann von anderen, wenn es dich erhebt und sie schlecht macht?
Ordnest du dich Autoritäten bereitwillig und gehorsam unter, egal ob es der Chef in der Arbeit ist – und egal, wie der drauf ist – oder ob es die Regierung ist und ihre Regeln?
Achtest du andere höher als dich selbst? Bist du dankbar für Kritik und Zurechtweisung? Oder platzt dir der Kragen, wenn sich jemand herausnimmt, dich zu kritisieren? Und bist du belehrbar? Bist du bereit dazu, dass andere dich belehren? Oder denkst du dir: Was will mir der schon sagen?
Bist du stets darum bemüht, andere aufzubauen? An die Galater schreibt Paulus: „Dient einander in Liebe.“ Bist du stets dienstbereit? Bist du schnell dazu bereit zuzugeben, wenn du Unrecht getan hast? Oder ist es dann doch meistens der Partner, der als Erster nach einem Streit mit der Hand der Versöhnung zu dir kommt und sich mit dir versöhnen möchte?
Bist du schnell dazu bereit, die Sünde deines Nächsten zu vergeben? Und bist du genauso schnell dazu bereit, deine eigene Sünde zu bekennen? Führst du ein Leben, das von Buße gekennzeichnet ist, ein bußfertiges Leben?
Jesus sagt in der Bergpredigt: „Weshalb siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, bemerkst aber den Balken in deinem eigenen Auge nicht?“ Nun, erkennst du deine eigenen Fehlerschwächen in Bezug auf andere, oder siehst du nur ihren Splitter?
Erfreust du dich grundsätzlich an deinen Mitmenschen? In Römer 12,15 heißt es: „Freut euch mit denen, die sich freuen.“ Nun, was ist, wenn es dir schlecht geht und ein anderer sich freut? Freust du dich mit ihm oder bist du neidisch, dass er sich freuen darf?
Bist du ehrlich darüber, wer du bist? Bekennt du auch, wo du noch Wachstum benötigst?
Weihnachten ist in erster Linie kein Fest der Familie, und es ist auch kein Fest der Liebe. Es ist vielmehr ein Freudenfest über die Demut Gottes, über die Demut Jesu Christi.
Jesus war bereit, seine Vorrechte, seine Herrlichkeit und die Ewigkeit zu verlassen. Er tat dies, um nicht nur Mensch, sondern auch Diener der Menschen zu werden.
Gott hat ihn über alle Maßen erhöht und ihm einen Namen verliehen, der über allen Namen steht. Damit sollen sich im Namen Jesu alle Knie beugen – die derer, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind. Zudem sollen alle Zungen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.