So, ich grüße euch alle!
Das Thema, mit dem Sie mich angerufen haben, soll auch irgendwie etwas bewirken. Deshalb habe ich es gewählt – nicht, weil es gerade mein Lieblingsthema ist oder weil ich es extra vorbereitet habe.
Ich beschäftige mich gerade mit dem größten Gebot: Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. So mache ich das jetzt mit euch als eine Art Trockentraining.
Vor etwa zwei Monaten war ich in Montreal auf einer Konferenz, bei der ich gesprochen habe. Dort hatte ich das Privileg, an einem Abend einer Jazzband zuzuhören. Montreal gilt als die Jazzhauptstadt Kanadas, ähnlich wie New Orleans in den USA.
Wie die Musiker gespielt haben, war einfach schön anzusehen. Man hat gemerkt, dass sie ihre Musik lieben. Es machte Spaß, ihnen zuzuschauen, und man wollte gerne mitmachen.
Zufällig habe ich dort auch ein Buch gekauft, von einem gewissen Donald Miller. Es heißt „Blue Like Jazz“. In seinem Vorwort schreibt er: „Ich konnte Jazzmusik nie leiden, weil Jazz sich nicht an feste Vorgaben hält. Aber eines Tages war ich in Portland und sah einen Mann, wie er sein Saxophon spielte. Ich stand fünfzehn Minuten lang da und öffnete kein einziges Mal meine Augen. Seitdem mag ich Jazz.“
Manchmal muss man erst jemand anderen sehen, der etwas liebt, bevor man es selbst lieben kann. Es ist, als ob diese Person dir den Weg zeigt.
Die Herausforderung der Selbstliebe im christlichen Leben
Und dann schreibt er, dass er Gott nie leiden konnte, weil Gott sich nicht an feste Vorgaben hält. Und dann kommt das Buch.
Wisst ihr, manchmal müssen Menschen einen Christen sehen, wie er sein Leben und sein Leben mit Jesus genießt, bevor sie selbst Freude daran finden. Ich glaube, ein Grund, warum viele Menschen mit Gott nichts zu tun haben wollen, ist, dass sie einfach kaum Christen sehen, die ihr Leben und ihr Leben mit Jesus wirklich genießen.
Anstatt ein Leben des Abenteuers zu demonstrieren, ist es oft ein Leben voller Gesetzlichkeit und Besserwisserei. Im besten Fall werden Christen manchmal als nette Menschen eingestuft, im schlimmsten Fall als religiöse Neurotiker.
Ich kann das verstehen. Und ich frage mich manchmal: Wo ist dieses Leben in Freiheit? Psalm 31, Vers 9 gefällt mir: „Du hast meine Füße auf weitem Raum gestellt.“ Wo ist dieser weite Raum in uns Christen? Wo ist die Freiheit, von der die Bibel redet?
Ich glaube, wir müssen uns manchmal bei der Welt entschuldigen, weil wir Jesus Christus durch unser Leben so falsch interpretieren. Warum ist das so? Das ist eine Frage, die ich mich oft stelle.
Warum ist es, dass wir als Christen oft unser Leben und Christus so wenig genießen? Dafür gibt es sicher mehrere Gründe. Aber einen Grund glaube ich, und vielleicht ist das überraschend für dich – es war es für mich –, dass wir uns selbst nicht lieben und darum das Leben nicht genießen.
Gabriele, stimmt’s? Da hat Gabriele gesprochen und gesagt, dieses Thema mache sie gerade durch. Dann sagte sie, sie habe das schon so oft gehört. Und ich dachte: Das weiß ich auch nicht, so ist das doch nicht.
Aber wisst ihr was? Ich habe mein ganzes Leben noch keine Predigt über Selbstliebe gehört, und ich selbst habe auch noch nie darüber gepredigt. Das war das erste Mal. Und das ist eigentlich überraschend, denn Gott gebietet uns in seinem Wort klipp und klar, uns selbst zu lieben.
Die biblische Grundlage der Selbstliebe
Das ist mir nie so aufgefallen. Ich habe einen klugen Computer befragt und nachgeschaut, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. Ich lese euch nur ein paar Stellen vor. Mindestens neunmal ist es klar in der Bibel erwähnt, und fast immer eingebunden im größten Gebot.
Zum Beispiel im 3. Mose 19,18: Dort sagt Mose: „Du sollst dich nicht rächen und den Kindern deines Volkes nicht nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr.“
Im Vers 34 desselben Kapitels heißt es: „Wie ein Einheimischer unter euch soll auch der Fremde sein, der bei euch als Fremder wohnt. Du sollst ihn lieben wie dich selbst.“
Dann kennen wir das größte Gebot, das in den Evangelien wiederholt wird. Ein Schriftgelehrter kommt zu Jesus und fragt, was das größte Gebot sei. Jesus antwortet: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Gemüt oder Kraft, und deinen Nächsten wie dich selbst.“
Im Römerbrief 13,9 lesen wir: „Denn das: Du sollst nicht ehebrechen, sollst nicht töten, sollst nicht stehlen, sollst nicht begehren – wenn es ein anderes Gebot gibt – ist in diesem Wort zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Im Galaterbrief 5,14 steht: „Denn das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, indem du deinen Nächsten liebst wie dich selbst. Das ganze Gesetz ist darin erfüllt.“
Besonders gut gefällt mir Jakobus 2,8: „Wenn ihr wirklich das königliche Gesetz erfüllt, das ist das königliche Gesetz: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst, nach der Schrift, so tut ihr Recht.“
Falsche Vorstellungen über Selbstliebe in der Christenheit
Ich habe mich gefragt, warum ich bisher noch keine Predigt zu diesem Thema gehört habe und selbst nie darüber gepredigt habe. Ich glaube, das liegt daran, dass ich mit einem falschen Eindruck aufgewachsen bin. Ob bewusst oder unbewusst, wurde mir vermittelt, dass es egoistisch, ungeistlich, gefährlich und unbiblisch ist, sich selbst zu lieben.
Ich bin mit einer Lehre aufgewachsen, die man im Englischen „Joy Theology“ nennt – J-O-Y, was für „Jesus First, Others second, Yourself last“ steht. Das ist diese Joy-Theologie. Meine Schlussfolgerung daraus war: Nur die Ungeistlichen und Unreifen unter den Christen lieben sich selbst. Wenn man aber richtig reif ist, dann liebt man nur noch den Nächsten und vergisst sich selbst. Man ist ausschließlich mit Gott und dem Nächsten beschäftigt. Sich selbst liebt man nicht mehr oder stellt sich zurück.
Aber wisst ihr, was ich nie wirklich gesehen habe? Das Gebot Gottes: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Anders gesagt: Wenn ich mich selbst nicht liebe, kann ich meinen Nächsten nicht lieben. Das ist der Schlüssel.
Wenn eine Person sich selbst nicht leiden mag, dann hat der Nachbar ein Problem mit ihr. Hast du einen Nachbarn zu Hause, der sich selbst nicht leiden kann? Mit dem wirst du immer Probleme haben, denn der kann dich auch nicht leiden.
Ich sage meinen Töchtern schon: Heiratet niemals einen Mann, der sich selbst nicht liebt. Ihr werdet sonst Probleme haben.
Die richtige Reihenfolge der Liebe: Gott, Selbst und Nächster
Wie sollten wir Gott nach Seinen Anweisungen lieben? Sollten wir unseren Nächsten so lieben, wie wir Gott lieben? Nein, niemals! Das würde ihn zerstören.
Du sollst deinen Nächsten nicht lieben, wie du Gott liebst. Du sollst deinen Nächsten lieben, so wie du dich selbst liebst – das ist das Gebot Gottes.
Wie lieben wir Gott? Wie sollten wir Gott lieben? Gott sollen wir lieben mit ganzer Seele, mit ganzem Herzen, mit ganzem Verstand und mit ganzer Kraft.
Ich kann dir zeigen, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Liebe zu Gott, der Liebe zum Nächsten und der Selbstliebe. Gott sollst du mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzer Kraft zu jeder Zeit lieben.
Weißt du, wie du dich selbst und deinen Nächsten im Vergleich zu Gott lieben sollst? Die Bibel ist ganz klar: Du sollst die anderen hassen.
Lukas 14,26 spricht hier ein klares Wort. Wenn das jetzt etwas verwirrend klingt, macht Jesus daraus nichts – es wird schon besser. Lukas 14,26 sagt: Wenn jemand zu mir kommt und nicht seinen Vater, seine Mutter, seine Frau, seine Kinder, seine Brüder und Schwestern hasst – und dazu auch sein eigenes Leben – der kann nicht mein Jünger sein.
Hassen in dieser Passage hat übrigens nichts mit einer Emotion zu tun. Vielmehr bedeutet „hassen“ hier, dass wir das andere zurückstellen, an zweite Stelle setzen.
Das heißt: Jesus sagt, eure Liebe zu mir soll im Vergleich zu anderen wie Hass erscheinen. Er hebt damit nur den Unterschied hervor.
Der Punkt, den ich machen möchte, ist folgender: Unsere Liebe zu Gott ist eine andere als unsere Liebe zu unserem Nächsten oder zu uns selbst. Es ist nicht dasselbe. Jesus macht das ganz klar deutlich.
Die Quelle der Liebe: Gottes Liebe empfangen
Nun, wie sollten wir vorgehen? Oder noch einmal zurück: Bevor wir andere lieben können, ist es meine tiefe Überzeugung, dass wir zuerst die Liebe von Gott empfangen müssen.
In 1. Johannes 4,7 lesen wir: „Lasst uns einander lieben, denn die Liebe kommt von Gott.“ Im Römer 15,7 heißt es: „Nehmt euch einander an, so wie Christus euch bereits angenommen hat.“
Es ist meine feste Überzeugung, dass wir unseren Nächsten und uns selbst nicht so lieben können, wie wir sollten, bevor wir nicht die Liebe von Christus empfangen haben.
Es ist interessant zu beobachten, zum Beispiel bei Kindern aus liebenden Haushalten – ganz gleich, ob christlich oder nicht christlich –, dass diese Kinder, die liebevoll aufwachsen, ein wesentlich gesünderes Selbstbewusstsein haben. Sie sind auch viel eher in der Lage, andere so anzunehmen, wie sie sind, als Kinder, die nicht in Liebe aufwachsen.
Ein Zitat, das ich oft verwende: „Die meisten Menschen leben, damit sie geliebt werden, statt dass sie leben, weil sie geliebt sind.“ Das ist wie Tag und Nacht.
Die praktische Umsetzung der Nächstenliebe
Nun, wie sollten wir einander lieben? Wie sollten wir den Nächsten lieben? Die Antwort lautet: So, wie du dich selbst liebst.
Ich glaube, ein Grund, warum wir so selektiv sind, wenn es darum geht, andere zu lieben, ist, dass wir nie gelernt haben, uns selbst zu lieben. Es kann sein, dass du Schwierigkeiten hast, andere zu lieben. Das muss nichts mit deiner Hingabe zu Gott zu tun haben; diese kann völlig in Ordnung sein.
Vielleicht liegt der Grund, warum du andere nicht liebst, darin, dass du dich selbst nicht liebst. Vielleicht hast du dich selbst noch nie so angenommen, wie du bist. Es kann sein, dass du deine Persönlichkeit, deine Schwächen oder dein Aussehen noch nie wirklich akzeptiert hast.
Wenn du dich selbst nicht liebst, kannst du die Liebe nicht weitergeben. Denn die Bibel sagt: Liebe deinen Nächsten so wie dich selbst. Deshalb ist die Reihenfolge Gott zuerst, den Nächsten zweit und mich selbst zuletzt falsch.
Die richtige Reihenfolge ist: Gott zuerst, dann mich selbst lieben – und parallel dazu, denn im Wert steht er nicht an dritter Stelle, sondern parallel –, erst danach kann ich an dritter Stelle den Nächsten lieben. Das ist Gottes Ordnung.
Wenn du gut zu anderen Menschen sein möchtest, musst du lernen, gut zu dir selbst zu sein.
Selbstliebe als Grundlage für das Glücklichsein
Eine Geschichte erzählt, dass ein Geschäftsmann zu seinem Chef ging und ihn nach dem Geheimnis des Lebens fragte, eines erfolgreichen Lebens. Der Chef antwortete, das Geheimnis sei, jeden Tag eine Person glücklich zu machen.
Selbst wenn diese Person – oder besonders wenn diese Person – du selbst bist. Selbstliebe ist keine Selbstsucht. Darauf werden wir gleich noch eingehen.
Selbstliebe ist eine absolute Notwendigkeit, wenn wir fähig sein wollen, andere zu lieben. Das ist nicht nur psychologisch korrekt, sondern auch das klare Gebot Gottes: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Das Gebet des Jappes als Beispiel für gesunde Selbstliebe
Ich weiß nicht, ob ihr das Gebet des Jappes kennt. Zum Beispiel habe ich es schon immer geschätzt und lange predigt, bevor Bruce Wilkinson sein kleines Buch auf den Markt gebracht hat. Es ist ein super kleines Büchlein, das sich auf 1. Chronik 4,9-19 bezieht.
Manche Christen können das nicht leiden. Das ist typisch. Obwohl es in der Bibel steht, finden sie es trotzdem nicht gut. Jappes hat gebetet: „Herr, segne mich! Herr, erweitere mein Gebiet! Herr, lass deine Hand über mir sein! Herr, halte das Übel fern von mir! Und Herr, mach, dass kein Schmerz mich trifft!“
Für viele Christen ist das nicht ganz koscher, weil es zu selbstsüchtig erscheint. Freunde, erstens steht es in der Bibel. Zweitens wird über Jappes gesagt, dass er angesehener war als seine Brüder. Und drittens wird berichtet, dass Gott erfüllte, wofür er ihn bat.
Und wisst ihr was? Ist es nicht angenehm, mit einem gesegneten Menschen Mittag zu essen? Das ist doch etwas Wunderbares. Ist es nicht ein Segen, wenn dein Gebiet erweitert wird, wenn deine Gemeinde wächst, wenn in Japan Christen dazukommen? „Erweitere mein Gebiet“ – ist das nicht wunderbar?
Wollen wir das nicht alle? Ist es nicht schön, wenn wir beten: „Gott, sei bei mir! Lass deine Hand über mir sein!“ Ist das nicht normal? Sollten wir uns nicht wünschen: „Halte das Böse fern von mir!“? Sollten wir uns nicht wünschen, dass das Böse fern von uns bleibt?
Und ehrlich gesagt, ich habe noch nie gebeten: „Herr, gib mir ein bisschen mehr Schmerz, das wäre gut.“ Das habe ich noch nie gemacht.
Auf sich selbst zu schauen, ist kein Egoismus, sondern ganz einfach gute Haushalterschaft. Du hast nur ein Geschenk, das du anderen Menschen geben kannst – und das bist du selbst. Sonst hast du nichts. Du hast nur dich selbst.
Und wenn Christus in dir wohnt, hast du den Menschen viel zu geben.
Die Definition von Liebe und ihre praktische Bedeutung
Nun die Frage: Wie lieben wir uns selbst und wie lieben wir den Nächsten?
Dabei stellt sich eine schwierige Frage, nämlich: Was ist die Definition von Liebe? Wenn ich euch jetzt fragen würde, könnte jemand von euch Liebe in einem Satz definieren? Das ist ein bisschen zu groß für den Rahmen, aber ich mache das öfter und habe herausgefunden, dass die wenigsten Christen Liebe definieren können. Das ist ganz schön schwierig.
Sie sagen dann oft: „Gott ist Liebe.“ Das ist nicht sehr hilfreich, denn wenn ich nicht weiß, was Liebe ist, weiß ich auch nicht, was Gott ist.
1. Korinther 13 kommt einem in den Sinn, wo steht: Liebe ist langmütig usw. Aber 1. Korinther 13 beschreibt das Resultat von Liebe. Es beschreibt, was Liebe bewirkt, aber nicht, was Liebe ist.
Was ist Liebe? Wie liebe ich mich selbst und wie liebe ich andere? Die beste Antwort, die ich in der Bibel gefunden habe, steht im Epheserbrief Kapitel 5.
Liebe als Fürsorge und Schutz: Ein biblisches Modell
Schlagt mal auf mit mir, wenn ihr eine Bibel dabei habt, Epheser Kapitel 5. Dort spricht Paulus über Mann und Frau sowie Christus und die Gemeinde. Dann sagt er in zwei Versen etwas, das ich ehrlich gestehen muss: Ich habe noch keinen einzigen Theologen gefunden, der diese Verse ausgelegt hat. Josh McDowell war mal bei uns und hat über diesen Vers gesprochen, aber ansonsten habe ich keine Auslegung von Theologen dazu gehört.
Epheser 5,28: „So sind auch die Männer schuldig, ihre Frauen zu lieben wie ihre eigenen Leiber. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst.“
Wie soll der Mann seine Frau lieben wie seinen eigenen Leib? Ich habe noch nie eine Auslegung zu diesem Vers gehört. Nun stellt sich die Frage: Wie liebe ich meinen eigenen Leib? Denn wenn ich weiß, wie ich meinen eigenen Leib lieben soll, dann weiß ich auch, wie ich meine Frau und meinen Nächsten lieben soll.
Der nächste Vers gibt darauf die Antwort, Vers 29: „Denn niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt und pflegt es, wie auch Christus die Gemeinde.“
Hier sagt Paulus zwei Dinge. Wie liebt ein Mensch seinen eigenen Leib? Er nährt ihn und er pflegt ihn. Nähren kann man auch verstehen als „reifen lassen“. Er nährt ihn, damit er reif wird und aufwächst. Pflegen könnte man auch mit „beschützen“ oder „bewahren“ übersetzen.
Ganzheitliches Wachstum als Ausdruck von Selbstliebe
Nun, wie nähren und beschützen wir unseren eigenen Leib? Wir nähren unseren Körper in vier Bereichen, so wie Jesus es getan hat. Schlagt dazu Lukas 2,52 auf, lasst den Finger dort und lest gemeinsam nach.
Dort steht: „Und Jesus nahm zu an Weisheit und Statur, er nahm zu an Weisheit, an Statur, an Gunst bei Gott und bei Menschen.“ Jesus wuchs in vier Bereichen. Er wuchs an Weisheit, das ist der geistige Bereich. Er wuchs in seiner Statur, also im körperlichen Bereich. Er wuchs in seiner Gunst bei Gott, das bedeutet in der Beziehung zu Gott, also im geistlichen Bereich. Und er wuchs an seiner Gunst bei Menschen, das ist der soziale Bereich.
Diese vier Bereiche sollte jeder Mensch im Blick haben, damit er selbst wächst. Wenn du einen Bereich auslässt, bist du nicht gesund. Wir sollten geistig, körperlich, geistlich und sozial wachsen.
Darum ist das Motto für den Dauernhof, wo ich der Leiter bin: Body, Soul, Spirit. Alle Bereiche des Lebens will Gott abdecken, nähren, pflegen und bewahren.
Selbstfürsorge als biblische Verantwortung
Nun, wie sollten wir unseren eigenen Leib bewahren? Indem wir ihn schützen und nicht leichtfertig wegwerfen. Paulus sagte einmal zu Timotheus: „Habe Acht auf dich selbst und auf deine Lehre“ (2. Timotheus 4,16). In 5,22 fordert Paulus Timotheus auf: „Bewahre dich selbst rein“ (1. Timotheus 5,22).
Was ist nun die Definition von Selbstliebe? Selbstliebe bedeutet, sich selbst zu nähren und zu beschützen. Jetzt verstehe ich auch, was Nächstenliebe bedeutet. Wie soll ich meinen Nächsten lieben? Indem ich ihn nähre und beschütze – das ist wahre Nächstenliebe.
Wie liebe ich meine Frau? Meine Verantwortung als Mann ist es, meiner Frau die Freiheit zu geben, in allen Lebensbereichen Entscheidungen zu treffen und ihre Gaben auszuleben. Die Bibel sagt, dass ein Mann seine Frau lieben soll wie seinen eigenen Leib (Epheser 5,28). So kann die Frau in geistlicher Hinsicht reifen, körperlich wachsen, ihre Beziehung zu Gott vertiefen und ihre sozialen Beziehungen pflegen.
So sollten wir unseren Nächsten lieben: indem wir ihn fördern und beschützen.
Hindernisse für Nächstenliebe im Alltag
Nun, wie sieht das praktisch aus beziehungsweise wie funktioniert es nicht? Ein Beispiel:
Nähre und beschütze ich meinen Nächsten, indem ich ihn immer mit Bezeichnungen und nicht mit Namen benenne? Zum Beispiel sagen wir: „Ah, das ist der Geschiedene“, „Ah, das ist der Homosexuelle“, „Ah, das ist der Alkoholiker“, „Ah, das ist der Unbegabte da“, „Das ist der Dicke da.“ Bezeichnen wir Menschen so, hilft das diesen Menschen, und nähren und beschützen wir sie dadurch? Nein, natürlich nicht.
Nähre und beschütze ich meinen Nächsten, indem ich ihn dauernd kritisiere und ihm nicht vergebe? Nein.
Nähre ich den Nächsten, indem ich ihn immer an seine Fehler erinnere? Nein.
Nähre und beschütze ich meinen Nächsten, indem ich ungeduldig und unbarmherzig ihm gegenüber bin? Kristallklar: Nein.
Die Herausforderung der Selbstvergebung
Weißt du, was jetzt interessant ist? Wie liebst du dich selbst? Liebst du dich selbst, indem du dich dauernd mit Bezeichnungen wie „Ich bin nur eine Hausfrau“ oder „Ich bin nur ein So-und-So“ beschreibst? Hilft dir das, dich selbst zu lieben? Hilft dir das, dich zu nähren, zu wachsen und dich zu beschützen? Nein!
Hilft es dir, wenn du dir selbst nicht vergibst, dich zu nähren und zu wachsen? Nein. Hilft es dir, wenn du dich selbst immer als untalentierten oder unbrauchbaren Christen erkennst? Näherst du dich damit? Beschützt du dich damit? Die Antwort ist Nein.
Und weißt du, was interessant ist? Wenn ich das auf meinen Nächsten beziehe, ist es für mich kristallklar. Wenn ich es aber auf mich selbst beziehe, ist es nicht so klar.
Zum Beispiel: Ich muss ehrlich sagen, dass ich kaum ein Problem habe, anderen zu vergeben – meinen Mitarbeitern oder anderen, wenn sie mal einen groben Fehler machen. Sie sind ja nur Menschen, die machen halt auch Fehler. Es ist kein Problem, ihnen zu vergeben.
Weißt du, womit ich mich schwer tue? Mir selbst zu vergeben. Früher habe ich gedacht, das sei sehr geistlich. Wisst ihr, was das ist, Freunde? Wenn du dir selbst nicht vergeben kannst, dann bist du ein stolzer Mensch. Das ist dein Problem.
Weißt du, warum ich mir selbst kaum vergeben konnte, anderen aber schon? Weil der andere Fehler machen kann, aber ich dachte, ich sei ja schon ein bisschen besser, oder? Mir sollte das ja nicht passieren, und darum brauche ich mir selbst nicht zu vergeben. Das ist nur Stolz.
Damit liebst du dich selbst aber nicht. Damit machst du dich selbst nur kaputt – und auf lange Sicht auch die anderen.
Die Kraft des Evangeliums für neue Anfänge
Ich habe früher Aussagen gehört wie: Sei immer barmherzig mit anderen, aber niemals mit dir selbst. Früher hätte ich dem zugestimmt, inzwischen sehe ich das anders.
Wir müssen uns daran erinnern, dass das Evangelium, die Botschaft Jesu, eine Botschaft von neuen Anfängen ist. Auch ich kann neu beginnen, nicht nur mein Nächster. Das Kreuz Jesu ist der dauerhafte Beweis für die ewige Vergebung und Liebe Gottes – auch für mich, nicht nur für meinen Nächsten.
Deshalb sagt Gott: Liebe deinen Nächsten so wie dich selbst. Menschen, die sich selbst nicht lieben, tun sich schwer, andere zu lieben. Menschen, die sich ständig selbst verurteilen, sind sehr schnell dabei, auch andere zu verurteilen.
Darum ist die Bibel in diesem Gebot so klar.
Selbstliebe versus Selbstsucht
Noch eins: Selbstliebe ist nicht Selbstsucht.
Ein Zeichen der Gottlosigkeit in den letzten Tagen steht im Zweiten Timotheusbrief Kapitel 3, Vers 2. Dort heißt es, dass die Leute selbstsüchtig werden.
Philipper 2,4 ist ein schöner Vers. Dort steht: „Jeder von euch sollte nicht nur auf die eigenen Interessen schauen, sondern auch auf die Interessen des Anderen.“ Unterstreiche das Wort „auch“. Du darfst also auf eigene Interessen schauen, aber auch auf die Interessen des Anderen.
Wenn eine Person ausschließlich mit sich selbst beschäftigt ist, dann liebt sie sich nicht selbst, sondern sie ist selbstsüchtig. Und eine Sucht ist nie gesund. Diese Person praktiziert nicht Selbstliebe, sondern Selbstsucht.
Selbstsüchtige Menschen sind in der Regel nicht sehr attraktiv und meistens sehr unzufrieden. Sie buchen ein Wellnesswochenende nach dem anderen, aber sie fahren nach Hause leer und einsam.
Psychologen nennen das die sogenannte Egofalle, wenn Selbstliebe mit Selbstsucht verwechselt wird.
Die drei Stimmen in Johannes 10 als Orientierung
Lasst uns gemeinsam einen Blick auf Johannes 10 werfen. In diesem Kapitel lesen wir von Jesus als dem guten Hirten. Dabei begegnen uns drei verschiedene Stimmen, die zu uns sprechen.
In Johannes 10, Vers 7 sagt Jesus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ich bin die Tür der Schafe. Alle, die vor mir gekommen sind, sind Diebe und Räuber, aber die Schafe hörten nicht auf sie. Ich bin die Tür. Wenn jemand durch mich hineingeht, wird er errettet werden und ein- und ausgehen und Weide finden.“
Der zweite Sprecher ist der Dieb. Jesus beschreibt ihn als jemanden, der nur kommt, um zu stehlen, zu schlachten und zu verderben. Im Gegensatz dazu sagt Jesus: „Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es im Überfluss haben.“
Jesus bezeichnet sich selbst als den guten Hirten. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Im Vers 12 heißt es weiter: „Wer Mietling und nicht Hirte ist, kümmert sich nicht um die Schafe.“
Interessant an diesem Abschnitt ist, dass Jesus von drei verschiedenen Stimmen spricht, die wir hören können. Die erste ist die Stimme Jesu, die durch den Heiligen Geist zu uns spricht. Diese Stimme ist immer barmherzig, gerecht und klar. Sie trägt den Geist Jesu in sich.
Die zweite Stimme ist die des Diebs, der nur zerstört, schlachtet und kaputt macht. Diese Stimme gehört Satan und den Dämonen. Sie ist meist leicht zu erkennen, denn sie ist zerstörerisch. Sie sagt zum Beispiel: „Schlag zurück! Sorge dafür, dass du dein Recht bekommst! Du hast es verdient!“ Diese Stimme ist geprägt von Selbstsucht und stammt von Satan.
Die Stimme des Mietlings und die Herausforderung der Logik
Aber dann gibt es noch eine dritte Stimme, die manchmal schwierig zu erkennen ist: die Stimme des Mietlings. Ein Theologe, dessen Aussage mir gefallen hat, sagte, dass diese Stimme deine alte sündhafte Natur, dein altes Ich, ist.
Dieser Mietling klingt sehr richtig und gut, aber letztlich ist es Selbstsucht, die dich antreibt. Das Problem ist, dass die Stimme des Mietlings, des alten Egos, sehr logisch wirkt, wenn sie spricht.
Die Stimme Jesu hingegen ist nicht immer logisch. Sie ist aber wahr, denn Gott sagt im Jesaja 55: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und meine Wege sind nicht eure Wege; denn so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“
Darum ist die Stimme Jesu manchmal nicht logisch. Das alte Ego dagegen erscheint viel logischer. Das macht es manchmal schwierig, die beiden Stimmen auseinanderzuhalten.
Deshalb führen wir manchmal Selbstgespräche, bei denen es nur um uns selbst geht, anstatt ein Gespräch mit Gott zu führen. Selbstgespräche drehen sich immer um das eigene Ich. Wir müssen jedoch lernen, zum Gottesgespräch zu kommen und auf die Stimme Jesu zu hören.
Die Freiheit durch Gottes Stimme erkennen
Weißt du, wie du die Stimmen erkennen kannst? Ich möchte dir ein Beispiel geben. Angenommen, du gehst Skifahren, Golf spielen, Tennis spielen oder du machst ein Bühnenstück oder singst – was auch immer. Weißt du, was diese innere Stimme dir sagt?
Sie sagt: „Ah, du hast nicht die richtigen Kleider, du siehst auf der Piste blöd aus. Tu es nicht. Schau, wie gut die anderen fahren, das sieht nicht gut aus, das ist peinlich. Du machst dich nur lächerlich, übrigens.“ Wenn du joggen gehst, dann geh irgendwo hin, wo dich ja niemand sieht, im Dunkeln, irgendwo. Denn die werden lachen.
Das ist die Eigenstimme. Und weißt du, was sie macht? Sie nimmt dich gefangen. Sie klingt zwar gut und richtig, aber du wirst nicht frei sein.
Weißt du, was Gott sagt? „Warum erfreust du dich nicht am Skifahren mit deinen alten Klamotten? Warum hast du keinen Spaß dabei, freust dich am Schnee, an dir selbst, an mir und an denen, die mit dir fahren?“ Und weißt du, was du entdeckst? Du bist frei. Das ist die Freiheit.
Die einzige Freude und Zufriedenheit, die Selbstgespräche kennen, ist, wenn du besser, schneller und schöner bist als der andere. Und Freunde, das ist ziemlich traurig. Das ist die einzige Freude, die Selbstgespräche dir bringen. Sie kommt nicht von Gott.
Selbstliebe ist keine Selbstsucht.
Gesetzlichkeit als Hindernis für Liebe
Dann noch ein letztes Thema, dann bin ich gleich fertig. Gesetzlichkeit ist eine Falle. Es ist wirklich eine Falle.
Als ich die beiden Timotheusbriefe gelesen habe, ist mir diesmal etwas aufgefallen. Ich habe sie schon oft gelesen und auch häufig darüber unterrichtet, aber dieses Detail habe ich bisher nie bemerkt. Ich glaube, dass Timotheus ein bisschen zur Gesetzlichkeit neigte. Paulus musste ihn immer wieder daran erinnern: „Hab Acht auf dich selbst, Timotheus. Bewahre dich selbst rein. Trink ein bisschen Wein, nicht nur immer Wasser!“
Im 1. Timotheus 6,17 sagt Paulus im letzten Satz: „Er baue auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuss.“ Ich lese euch das vor: 1. Timotheus 6,17. Paulus sagt, Gott gibt uns die Dinge, damit wir sie genießen können.
Du darfst dein Leben genießen. Du darfst dich selbst lieben. Du darfst dich auch um dich selbst kümmern – das musst du sogar. Denn sonst kannst du deinen Nächsten nicht lieben. Schließlich heißt es: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Die Gefahr der Gesetzlichkeit und des Stolzes
Gesetzliche religiöse Menschen tun sich sehr schwer damit, den Nächsten zu lieben. Kennst du solche Menschen? Vielleicht bist du selbst mittendrin.
Weißt du, was religiöse, gesetzliche Menschen in Gemeinden oft tun? Wenn jemand anders ist als sie, zeigen sie sofort mit dem Finger auf diese Person. „Ah, schau, das ist ein Liberaler.“ Oder: „Ah, das ist ja der …“
Religiöse Menschen tun sich wahnsinnig schwer, den Nächsten zu lieben. Und weißt du warum? Weil sie sich selbst eigentlich nicht leiden können. Sie glauben, sie müssten alles tun, um so zu sein wie Gott – allerdings nur im Sinne von „alles richtig tun“. Doch sie merken, dass sie es nicht schaffen. Deshalb können sie sich selbst nicht leiden, und folglich können sie auch die anderen nicht leiden, die es ebenfalls nicht schaffen.
Religion ist eines der größten Hindernisse, um den Nächsten zu lieben. Es endet dann oft im Stolz. Übrigens ist Stolz ein ganz klares Zeichen von Unsicherheit. Stolze Menschen sind die unsichersten Menschen. Sie müssen immer andere runtermachen, damit sie sich selbst halbwegs wohlfühlen. Und wenn sie niemand anderen haben, machen sie sich selbst runter.
Zusammenfassung und Ermutigung zur Selbstannahme
Zusammenfassend: Weil Christus uns zuerst geliebt hat, haben wir die Freiheit, uns selbst und unseren Nächsten zu lieben.
Weil Christus uns bereits angenommen hat, so wie wir sind, haben auch wir die Freiheit, uns selbst so anzunehmen, wie wir sind. Ich bitte dich im Namen Jesu: Nimm dich an, so wie du bist. Jesus hat dich bereits angenommen, so wie du aussiehst. Du bist schön in Gottes Augen.
Vergiss den ganzen modernen Blödsinn, der dir heute vorgaukelt, was schön sein soll. Das hat nichts mit der Realität zu tun. Du bist schön in Gottes Augen und du bist geliebt. Darum kannst du dich selbst lieben.
Wenn du dich selbst liebst, wirst du entdecken, dass du auch deinen Nächsten lieben kannst. Du musst ihn nicht dauernd kritisieren oder kleinmachen, um dich selbst besser zu fühlen. Du kannst ihn lieben.
Abschluss: Die Freude am Glauben entdecken
Nachdem ich den Musikanten in Montreal beobachtet habe, diesen Jazzmusiker, wisst ihr, was das in mir bewirkt hat? Ich habe mir eine Jazz-CD gekauft und höre sie jetzt im Auto.
Manchmal muss man anderen dabei zusehen, wie sie etwas lieben, bevor man es selbst lieben kann. Es ist, als ob sie einem den Weg zeigen. Das ist Christsein.
Ich bete: Lieber Vater, ich möchte dir von Herzen danken für die Freiheit und den weiten Raum, auf den du uns in Jesus Christus gestellt hast. Danke, Herr Jesus, dass du uns liebst, so wie wir sind, und uns angenommen hast.
Weil du uns angenommen hast, Herr, können wir uns selbst annehmen. Und dann können wir auch unseren Nächsten annehmen. Ich danke dir dafür.
Herr, ich bete für jene unter uns, die sich selbst ständig runtermachen und sich als unattraktiv, unbegabt oder unwichtig bezeichnen. Ich bete, dass sie sehen, wie wertvoll und besonders sie sind.
Ich bete, dass sie lernen, sich selbst zu lieben, weil du sie liebst. Und dass diese Liebe dann in Freiheit zum Nächsten weitergegeben werden kann.
Das wünsche ich mir, Herr Jesus, für mich, für meine Familie, für meine Mitarbeiter und für die Menschen hier.
Wir beten, Vater, für die Menschen in Japan, von denen wir gehört haben, und für Siegfried in Peru sowie die Menschen, mit denen er gemeinsam lebt. Herr, möge auch ihnen dasselbe bewusst werden: dass du sie liebst und dass sie wertvoll sind.
Segne du sie und ihre Familien. Im Namen Jesu, Amen.