Es ist mir eine unerklärliche Ehre, heute hier im Allerheiligsten der Eidlinger Schwesternschaft sprechen zu dürfen. Sie wissen gar nicht, wie ich mich fühle – ich zittere wie bei meiner ersten Predigt.
Es ist mir leider eine ganz große Freude, mit Ihnen allen zusammen jetzt nicht zwanzig Minuten, wie mir gerade noch ins Ohr geflüstert wurde, sondern die nächsten vierzig Minuten zu sprechen. Hoffentlich schaffe ich es, hier über dem Wort Gottes zu stehen und es ein Stück weit auszulegen.
Aber es ist drittens nicht nur Ehre und Freude, sondern auch ein Stück weit Dank, den ich abstatten möchte für das, was die Eidlinger Schwestern in unserer Kirche sind und tun. Was wäre unsere Kirche, wenn dieser Dienst nicht getan worden wäre und nicht immer wieder getan wird? Ich denke nicht zuletzt an den Dienst von Schwester Barbara Zengraf, die jedes Jahr beim Weltgebetstag der Frauen in der Stiftskirche ein klares, wegweisendes Wort spricht – in unserer so wirren, unklaren und verrückten Zeit.
Wir danken Ihnen, vergelt’s Gott für Ihren Dienst. Lassen Sie uns einen Augenblick Stille werden.
Herr Jesus Christus, jetzt bringst du unsere Gedanken zusammen. Du weißt, sie sind wie Windhunde, die in alle Richtungen stäuben. Konzentriere du uns auf dein Wort und mache uns das groß, was du uns sagen willst. Amen.
Einführung in das Thema Hoffnung am Ewigkeitssonntag
Ich möchte an diesem Tag, am Ewigkeitssonntag, mit Ihnen über das Thema Hoffnung sprechen.
Hoffnung der Christen – dazu lese ich nicht nur einen Text, sondern, so wie es die Eidlinger im Eidlinger Bibelzettel immer machen, gebe ich gleich mehrere Bibelstellen an. So mache ich es jetzt auch.
Es heißt in Römer 5,5: Hoffnung lässt nicht zuschanden werden. Weiter in Römer 12,12: Seid fröhlich in Hoffnung. Im 1. Korinther 13 heißt es: Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung. In 1. Petrus 1,3 steht: Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Und in Hebräer 10,23: Lasst uns festhalten am Bekenntnis der Hoffnung.
Am ausführlichsten wird das Thema in Offenbarung 21 behandelt. Diesen Text werde ich jetzt ausführlicher lesen.
Die Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde
Das neue Jerusalem – Offenbarung 21, Verse 1 bis 5
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.
Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.
Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen, und er wird bei ihnen wohnen; sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird mit ihnen sein und ihr Gott sein.“
Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
Und der auf dem Thron saß, sprach: „Siehe, ich mache alles neu.“ Und er spricht: „Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss.“ Amen!
Ich will zu diesem Thema in drei Schritten reden: Erstens, Leben heißt Hoffnung begraben; zweitens, Leben heißt Hoffnung begründen; und drittens, Leben heißt Hoffnung begreifen.
Ich sage das besonders für unsere jüngeren Teilnehmer: Wenn sie beim ersten Teil einschlafen, ist es möglich, beim zweiten einfach wieder einzusteigen. Wer also jetzt müde ist, möge getrost ein paar Nickerchen machen. Ich bitte nur darum, nicht so laut zu schnarchen, dass der Nachbar aufwacht.
Also: Leben heißt Hoffnung begraben. So hat Theodor Fontane gesagt. Was sagen Sie? Wenn ich in mein Leben schaue, muss ich sagen: Fontane hat Recht gehabt. Nicht wahr, was hat man nicht alles für Pläne, was man alles tun, was man alles machen und was man alles werden soll.
Wenn ich hier die jungen Sängerinnen vorhin einzeln fragen würde: „Was hast du für Hoffnungen für dein Leben?“, so wären es große und breite Pläne – so wie ich es auch einmal hatte. Und was ich um meine jungen Leute erzähle: Ich hatte einen ganz, ganz großen Wunsch. Mein Wunsch war, Jugendpfarrer zu werden.
In der Zwischenzeit sind Jahre vergangen, der Wunsch wurde nie erfüllt. Damals war ich noch prall gefüllt, prall wie ein Luftballon. Ich hatte studiert und meine erste Stelle – unvergesslich – in Urach. Der Dekan stellte sich vor mich hin und sagte: „Ich habe gehört, du willst Jugendpfarrer werden.“ Ich sagte: „Ja.“
„Aha, du hast deshalb auch in Amerika studiert.“
„Ja.“
Und dann sagte er: „Eisler, du übernimmst die beiden Altersheime in Urach.“
Für ein Jahr versorgte ich mit Bibelstunden die zwei großen Altersheime in Urach. Es war meine schönste Zeit; so viel Schokolade habe ich nie mehr bekommen. Und sehen Sie, jene Frau in der ersten Reihe vergesse ich nicht mehr. Sie hatte ein Hörrohr, damals noch nicht elektrisch, sondern solche Blechrohre, so Marke Katalysator. Nach zehn Minuten klappte sie mit großem Getöse diesen Apparat zusammen, steckte ihn in ihre Tasche und sagte mit der Zeit: „Herr Eisler, ich verstehe kein einziges Wort, aber Sie sprechen wunderbar.“
Leben heißt Hoffnung begraben. Später wollte ich eine eigene Gemeinde; ich bekam sie dann schließlich auch ganz draußen, in Königsbronn, dort in der schönen Gegend. Dort besuchte mich ein Oberkirchenrat, der hörte mir zu und sagte anschließend: „Herr Eisler, Sie sind ein Mann des Wortes.“ Daraufhin wurde ich Schriftleiter beim evangelischen Gemeindeblatt von Württemberg und hatte nur noch Zeitung zu machen.
Ich bin ein Kleinstädter, ich komme von der Kleinstadt, und dann wurde ich Pfarrer an der Stiftskirche und bin damit nicht losgeworden. Was haben Sie schon alles im Leben gewollt? Was hast du schon in deinem Leben gewollt, und was ist daraus geworden? Wenn ich in mein Leben schaue: Leben heißt Hoffnung begraben.
Und wenn ich in meine Bücher schaue, dann muss ich Fontane wieder Recht geben. Schon Goethe schrieb in seinem Buch, damals in Wilhelm Meister: „Das Überhandnehmen des Maschinenwesens quält und ängstigt mich. Es wälzt sich heran wie ein Gewitter, langsam, langsam, aber es hat seine Richtung genommen, es wird kommen und treffen.“
Der Geschichtsforscher Jakob Burckhardt kündigt Zerfall, Aufruhr und Anarchie an – 1870, hören Sie, 1870 riet er: „Bestelle dein Haus, das ist das Weiseste, was wir tun können in Mitteleuropa. Es wird anders sein, als es gewesen ist.“
Und ganz hoffnungslos sind ja wohl die sogenannten Apokalypsen, jene Bücher, die über die Zukunft unserer Erde reden. Ganze Reihen gibt es: „Todeskandidat Erde“, „Planet Erde, wohin?“ In diesen Büchern werden schon Jahre festgelegt für den Zerfall und das Ende dieser Erde. Es besteht überhaupt keine Hoffnung mehr für Ökologen und Wissenschaftler, dies alles in Linie zu halten.
Einer, von dem ich jetzt eben gelesen habe, sprach vom Jahr 2030, dass es spätestens dann zu Ende sei, weil die Menschen nicht mehr zu ernähren seien. Um die Ernährung der Menschen im Jahr 2000 zu sichern, müsste man die 19 Quadratkilometer Trocken- und Halbtrockengebiete bewässern, um dort Frucht zu schaffen und Früchte zu ziehen. Aber um dies zu bewässern, bräuchte man Wasser. Dieses Wasser kann nur durch Entsalzung des Meerwassers gewonnen werden, aber für die Entsalzung braucht es das Zehnfache des gegenwärtigen Energiebedarfs.
Leben heißt Hoffnung begraben. Wenn ich in meine Bücher schaue, hat Fontane Recht. Und wenn ich nicht nur in mein Leben und nicht nur in meine Bücher, sondern auch in meine Innenstadt Stuttgart schaue, dann muss ich Fontane noch einmal Recht geben.
Ein Polizeibeamter sagte mir kürzlich, dass den Dealertreffs in unserer Innenstadt auch in ihrer Kirche überhaupt nicht beizukommen sei. Junge Menschen greifen immer mehr nach Drogen, um in die erweiterte Bewusstseinssphäre zu kommen und dort irgendwo dieses „Alles Dunkle“ überwintern, um sich dieses Alles von sich loslassen zu können.
Aber was ist denn von all dem zu halten, von Okkultbewegungen, von Quasi-Religionen? Liebe Freunde, dies alles erinnert mich an jenes schreckliche Bild von Samuel Beckett, das er in seinem Buch „Der Verweigerer“ beschreibt. Die ganze Menschheitsgeschichte stellt er gleichsam dar als einen Glaszylinder, und darin befinden sich die Menschen.
Es sind Leitern innen an diesem Glaszylinder angelegt, weil oben sogenannte Nischen versprechen, es seien Ausstiege, mit denen man hinauskommt in eine Welt der Hoffnung und der Freude. Und so stehen diese Menschen, so beschreibt es Beckett, an diesen Fluchtleitern in einer Welt der Hoffnung. Sie stehen an, sie kommen oben an, um festzustellen, dass diese Nischen nach außen keinen Ausgang haben. Sie klettern zurück, stehen an der nächsten Leiter an, klettern wieder hinauf, um dort dasselbe festzustellen.
Die Ersten bleiben schließlich sitzen, es wird halbdunkel, und dann sagt Beckett: „Das ist das Ende des Zylinders. Es gibt keinen Ausweg, es gibt keine Ausflucht. Lass alle Hoffnung fahren!“
Leben heißt Hoffnung begraben. Unsere Welt ist doch ein einziger Friedhof, besetzt mit Grabsteinen enttäuschter Hoffnungen. Leben heißt Hoffnung begraben. Wenn ich in mein Leben schaue, wenn ich in meine Bücher schaue, wenn ich in meine Welt schaue: Fontane hat Recht gehabt!
Liebe Freunde, nur eins: Wenn es mir wieder gelingt – und ich wünsche Ihnen das nicht nur überall herumzuschauen, sondern wieder in die Bibel hineinzuschauen –, dann finden Sie einen ganz anderen Satz. Und der heißt nicht „Leben heißt Hoffnung begraben“, sondern er heißt: Leben heißt Hoffnung begründen.
Gleich vorne auf den ersten Seiten geht es los mit Noah – ein Mann, der eines Tages anfängt, mitten auf der grünen Wiese eine Werft zu installieren. Dort legt er einen riesigen Container von 150 Metern Länge auf Kiel. Die Leute werden gespottet haben, sie werden ihn ausgelacht haben und sagen: „Herr Admiral der Landmarine, wann stechen Sie denn in die Pfützen?“ Diesen überdimensionierten Viehstall mit Ruder und Heck.
Und eines Tages fängt es an zu regnen, und immer mehr. Die Schleusen des Himmels taten sich auf, und es konnte keiner mehr atmen, der sagte: „Es gibt keinen Gott.“ Alles ertrank in den Fluten, nur Noah und seine Mannschaft überlebten.
Und als dieses Schiff auf dem Ararat strandete und er hinausging, fiel er nieder an seinem Altar. Dann sah er, über den Himmel gespannt, jenen Regenbogen und hörte eine Stimme, die sagte, er solle nicht aufhören: Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Und er wusste, dieser Gott hat Hoffnung für uns. Dieser Gott hat Hoffnung für uns, war Noah.
Oder blättern Sie weiter, gehen Sie zu den Psalmen, nur ein Vers: „Die Wasserwogen im Meer sind groß, aber der Herr ist größer.“
Um es zu erklären, möchte ich Sie mitnehmen auf eine Hallig, droben in der Nordsee, Hallig Langeneß. Dort saß ich in einem Friesenhaus. Die Bäuerin, diese Friesin, hatte mich eingeladen zu einer Tasse echten Tees. Dort, in diesem schön gedeckten Reetdachhaus, erzählte sie mir von jener schrecklichen Flutkatastrophe damals und sagte: „Wissen Sie, das war schrecklich, die Wasser stiegen immer höher. Ich ging in den ersten Stock, schließlich saß ich auf dem Dachfirst.“
Dann zeigte sie auf ihr Mobiliar, man sah ihnen an, dass sie alle neu angeschafft waren. „Dann hat die Flut dies alles weggenommen.“
Und ich dachte, man muss gar nicht auf der Hallig Langeneß sitzen, um so etwas zu erfahren. Da kann man mittendrin sitzen, mittendrin im Saal in Eilingen, eingekeilt, und ähnlich sagen müssen: „Die Wasserströme im Meer sind groß.“ Es gibt eben nicht nur Wasserströme, es gibt noch ganz andere Ströme.
Es gibt zum Beispiel den Strom des Todes, und wie viele unter uns müssen sagen: „Der hat mir die Frau weggenommen, der hat mir die Mutter weggenommen, der hat mir das Kind weggenommen.“ Es gibt heute eine Flut der Kritik, und wie viele unter uns werden sagen: „Die hat mir den ganzen Glauben weggenommen.“ Es gibt heute eine Flut der Sexualität, und wie viele junge Leute werden sagen müssen: „Die hat mir die ganze Jugend weggenommen.“
An irgendeiner Stelle unseres Lebens sagen wir es doch: Die Wasserwogen im Meer sind groß. Doch die Wasserwogen im Meer sind groß, aber der Herr ist größer. Unser Leben ist wie eine Nussschale, mit der die Wellen grausam spielen.
Aber wie damals auf dem See Genezareth: Dieser Herr ist mittendrin, und er hebt seine Hand und schreit: „Schweig und verstumme!“ Nur einmal, einmal da hat es ja so ausgesehen, als ob doch die letzte Flut alles wegfegen würde.
Aber als diese Sintflut vergangen war, da wussten sie: Dieser Herr hat Hoffnung für uns. Liebe Freunde, Angst und Not sind groß, aber der Herr ist größer. Not und Probleme sind groß, aber der Herr ist größer. Schuld und Verzweiflung sind groß, aber der Herr ist größer.
In seiner Hand liegt unsere Welt – das ist unsere Weltlage. In seiner Hand liegt mein Leben – das ist meine Lebenslage. Und wenn alles schreit und brüllt und tobt, die Angst ist groß, die Not ist groß, der Krieg ist groß, so weiß ich: Aber der Herr ist größer, aber der Herr ist größer. Das ist unsere Hoffnung in den Psalmen schon.
Und dann nehmen Sie das Neue Testament. Nehmen Sie nur diese so wichtige Stelle: Lukas 15, für einen, der überhaupt hoffnungslos des Weges daherkam – abgerissen, einer, der durchgebrannt war und alle Hoffnung eigentlich verspielt hatte und der sich trotzdem aufmachte.
Ich sehe ihn, wie er dem heimatlichen Hof näherkommt, und er wusste jetzt gleich: Jetzt gleich wird dieses Tor aufgehen, und dann wird der Vater drinstehen, und dann wird der nach dem Ochsenschwanz greifen und schreien: „Scher dich!“ Aber das Tor ging auf. Und der Vater erschien, legte seine Arme um seinen Hals und sagt: „Mein Sohn ist wiedergefunden worden.“
Freunde, dieser hoffnungslose Fall erhält neue Hoffnung. Das ist die Hoffnung der Christen. Wer mehr davon wissen will, darf die Bibel nicht nur vorne und nicht nur in der Mitte und nicht nur hinten aufschlagen, sondern er muss dies in der Mitte tun – und die Mitte der Bibel ist der Römerbrief.
Die Mitte des Römerbriefs ist das achte Kapitel, und die Mitte des achten Kapitels ist der Satz: „Ist Gott für uns, wer mag denn wider uns sein?“ Sie verstehen diesen Satz nur, wenn Sie an ein Gericht denken.
Ich selber bin in einem Amtsgericht aufgewachsen. Unten im ersten Stock waren die Verhandlungen, wo der Vater Gericht hielt, und immer freitags, wenn wir gut unsere Aufgaben gemacht hatten, durften wir bei den Verhandlungen des Vaters zuhören. Manchmal durfte ich auch zu den Verhandlungen des Vaters. Diese Bilder sind für mich unvergesslich.
Zum Aufruf kommt der Fall so und so. Der Gerichtsdiener mit seinem toten Paragraphengesicht und seiner Nase wie ein Stopplicht brachte den Angeklagten. Dann stand er vor der Schranke, der Staatsanwalt verlas die Anklageschrift, und dann begann der Vater mit dem Verhör: „Warum hast du das gemacht? Warum bist du darin verwickelt? Wie konnte so etwas in deinem Leben passieren?“ Jede Frage machte den Angeklagten kleiner, erbärmlicher, zitternd – ein Bild von erbärmlicher Hilflosigkeit.
Und das ist das Bild, das sich unsere Generation von Gott zusammenbastelt: Zum Aufruf kommt der Fall „Lieber Gott“. In gebührendem Abstand steht der alte Mann, und dann donnern die Fragen auf ihn ein: „Gott, warum hast du das getan? Gott, warum hast du das zugelassen? Gott, wie konnte dir so etwas passieren? Du bist doch ein Märchenliebhaber, Gott. Und kommst mit unseren langen Listen von Tränen nicht mehr mit.“
Aber, liebe Freunde, Gott ist doch nicht der Angeklagte. Wir stehen doch vor der Gerichtsstanke. Es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, Herr, nicht alles wüsstest. Gott ist Richter. Gott ist nicht die Gummiwand, die dauernd nachgibt. Gott ist der Richter, der auch über mein Leben Gericht setzen wird.
In meiner Bibel steht nicht nur: „Der Herr ist mein Hirte.“ In meiner Bibel steht nicht nur: „Siehe, in meine Hände habe ich dich gezeichnet.“ In meiner Bibel steht auch: „Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“
Eines Tages wird mein Fall aufgerufen: Zum Aufruf kommt der Fall Konrad Eisler, und dann stehe ich. Dann kommen jene Fragen um mein Leben, und ich habe nicht ein einziges zu antworten. Ich weiß nur: „Verdammt in alle Ewigkeit!“ Das ist das Urteil um mein Leben, das ist die letzte Hoffnungslosigkeit: Verdammt in alle Ewigkeit!
Liebe Freunde, ich stünde nicht hier, wenn ich nicht von der tief begründeten Hoffnung wüsste, nämlich der, dass einer da ist, einer, der sagt: „Den kenne ich, dessen Platz nehme ich ein, für den sterbe ich.“
Liebe Freunde, der Bannstrahl göttlichen Zorns trifft den Sohn, der stirbt, und ich bin frei. Freispruch nicht mangels Beweisen, sondern Freispruch trotz Beweisen. Freunde, wenn das keine Hoffnung ist!
Als Martin Luther das begriffen hatte, schrieb er: „Da trat sich mir der ganze Himmel auf.“ Über ihnen mag der Himmel an diesem Nachmittag verhangen sein, sie mögen nur schwarze und dunkle Wolken sehen. Wenn sie das neu begreifen, dann tut sich auch bei ihnen der Himmel auf.
Liebe Freunde, ist Gott nicht mehr gegen uns, was mag eigentlich noch gegen uns sein? Ist Gott für uns, wer mag noch gegen uns sein? Ist Gott für uns, wer mag noch gegen uns kämpfen? Ist Gott für uns, wer mag mich noch verklagen? Ist Gott für uns, der Himmel geht auf.
Freunde, das ist die tiefste Begründung aller Hoffnungen überhaupt: Leben heißt Hoffnung begründen.
Aber jetzt gehen Sie mit mir noch einen Schritt weiter: Leben heißt Hoffnung begreifen.
Vielleicht darf ich diesen dritten Teil so einleiten, dass Sie mit mir gehen zu einer Reise damals nach Schladming. Ich fuhr nach Schladming nicht zum Skifahren – das kann ich gar nicht –, mit mir fahren Sie immer Schlitten. Sondern mit meinem Freund Ulrich Barzani fuhr ich zu einem Jugendtreffen dort in der großen Taurenhalle.
Unvergesslich, dass auch in Österreich so viele junge Christen zusammenkommen. Manche Abende vergisst man ja nicht in seinem Leben, und dazu gehört auch jener Abend in der Tauernhalle in Schladming.
Ich hatte dort das Eröffnungsreferat, die Predigt, und ich weiß nur noch, als ich dort predigte, so nach der Hälfte meiner Predigt, merkte ich auf einmal, wie langsam die Lampen kreisten. Ich dachte, das ist auch eine schöne Idee, die Lampen nicht nur zu hängen, sondern sie kreisen zu lassen. Echt österreichisch, wienerisch.
Aber bald merkte ich, dass nicht nur die Lampen kreisten, sondern auch die Leute leicht im Kreis gingen. Ich dachte, die haben wahrscheinlich so den Walzer einfach im Blut, selbst bei der Bibelarbeit.
Dann hielt ich mich fest an dem Pult und merkte, dass auch das Pult kreiste. Schließlich stellte ich fest, dass nicht die Lampen und Köpfe am Pult kreisten, sondern dass in mir kreiste.
Ich beschloss, meine Rede schnell zu beenden und ging nach hinten raus. Anscheinend hatten es bestimmte Leute schon gemerkt, wie ich aussah. Ein Täter war da, eine Ärztin war da, und mit Blaulicht ging es ins Krankenhaus.
Ich wollte meine Jacke ausziehen. „Bitte keine Bewegung, keine Bewegung!“ Kurz darauf lag ich angeschlossen an vielen Kabeln, Ärzte waren da und alle schauten auf die Diagramme. Ich fühlte mich gar nicht so, aber sie sagten ruhig kein Wort.
Nach einiger Zeit, als sie draußen waren, kam ein Arzt, setzte sich auf den Bettrand, schaute mich an und immer wieder auf diese Diagramme. Und so nebenbei fragte er: „Woher kommen Sie?“
Ich sagte: „Ich komme aus Deutschland.“
„Was tun Sie hier?“
Ich sagte: „Ich halte hier eigentlich die Bibelarbeit, ich muss da wieder runtergehen.“
Dann fragte er: „Sind Sie verheiratet?“
Ich sagte: „Glücklich.“
„Haben Sie Kinder?“
„Sieben!“
„Ach Mann, ruhig, ruhig!“
Dann sagte er: „Wissen Sie, ich bin katholischer Christ, und es freut mich, hier mit Ihnen diese stille Zeit zu haben. Wissen Sie, ich kann Ihnen dann ja offen mit Ihnen reden: Es steht ernst bei Ihnen, ernst.“
Aber dann zeigte er durch das Fenster hinaus, und vom Krankenhaus aus sieht man das hoch aufragende Tauerngebirge. Dann sagte er und legte seine Hand auf meine Hand: „Ach, wissen Sie, wir Christen sehen weiter als die Tauern.“
Und dann auf einmal ist es um mein Herz ruhig geworden. Wir sehen weiter, wir sehen viel weiter. Dann ist es gleichgültig, ob ich noch einmal eine Elle angesetzt bekomme in meinem Leben oder ob ich jetzt sofort heim darf zu meinem Herrn.
Sie liegen nicht im Schladminger Krankenhaus, aber vor Ihnen türmen sich vielleicht noch ganz, ganz andere Gebirge, viel höher als die Tauerngebirge: Das Gebirge Ihrer Not, das Gebirge Ihrer Sorge, das Gebirge Ihres Zweifels.
Liebe Freunde, Christen sehen weiter als die Tauern – durch alles hindurch bis zu diesem Herrn, der wiederkommen wird und der uns an diesem Tag jene gewaltige Hoffnung gibt, die sich eigentlich noch einmal in drei Teile gliedert.
Er spricht nämlich von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, er spricht von einem neuen Jerusalem, und er spricht von neuen Menschen.
Hören Sie noch einmal auf diese Botschaft von Offenbarung 21: Er lässt uns weitersehen bis zu einem neuen Himmel und einer neuen Erde.
Diese Erde, liebe Freunde, die geht nicht ewig nach der Drehorgelmelodie: Auf jeden Dezember folgt wieder ein Mai. Diese Erde ist eine Welt auf Zeit, eine Baustelle zum Abbruch.
Gott schafft eine neue Welt, eine neue Welt, die dem entsprechen mag, was am Anfang war: „Siehe, es war sehr gut.“
Diese Welt schafft er nicht irgendwo zwischen Jupiter und Spiralnebel. Diese Welt, diese neue Welt schafft er hier.
Unsere Väter wussten von diesem erdhaften Glauben. Diese neue Welt zwischen Eilingen und Böblingen und Stuttgart und Rottweil wird neu.
Wir mögen sicher beten: „Und wenn du uns genommen hast, lass uns in den Himmel kommen.“ Aber die Bibel sagt: „Der Himmel kommt zu uns.“ Das ist christliche Hoffnung – der Himmel kommt zu uns!
Und das andere: Ein neues Jerusalem vom Himmel herab wie eine geschmückte Braut.
Vom alten Jerusalem wissen wir Bescheid, vom alten Jerusalem, das immer Gottes Stadt hätte sein sollen und es nie gewesen ist.
Deshalb wurde über diese Stadt geweint wie über keine andere Stadt. Der Prophet sagt: „Ich habe nicht genug Tränenwasser, um über Jerusalem zu weinen.“ Jesus steht am Rande und vergießt seine Tränen.
Nicht umsonst steht in dieser Stadt bis zum heutigen Tag die Klagemauer.
Aber Jerusalem ist Ausdruck für Kirche, für Gemeinde Jesu Christi.
Liebe Freunde, wer leidet nicht an dieser Gemeinde Jesu Christi?
Als vor Jahren der Stiftskirchenturm einmal von RAF-Sympathisanten besetzt wurde und dort schreckliche Fahnen heruntergelassen wurden mit schlimmen Parolen, da stand ich unten mit einem älteren Herrn, der mir sagte: „Was für eine Verschandelung der Kirche, was für eine Verschandelung der Kirche!“
Ich sagte: „Eigentlich haben Sie Recht. Immer wenn Kirchtürme als Fahnenmasten benutzt werden für welche Fahnen auch immer, ist immer Gefahr im Verzug.“
Aber die Gemeinde Jesu wird nicht durch irgendwelche Fahnen verschandelt, sondern da müssen Sie ein paar Stockwerke weiter runter.
Wenn von den Kanzeln auch heute noch behauptet wird, dass Jesus eigentlich gar nicht richtig auferstanden sei, dann ist das Verschandelung der Gemeinde.
Wenn heute gesagt wird, dass ohnehin mit der Taufe alle selig werden, dann ist das Verschandelung der Kirche.
Wenn heute gesagt wird, dass das Wort Gottes in der Bibel sei, aber nicht die ganze Bibel Gottes Wort sei, dann ist das Verschandelung der Kirche.
Wer leidet nicht an dieser ideologisierten und gespaltenen Kirche und Gemeinde Jesu Christi? Wer leidet nicht daran, dass wir aufgeteilt sind in viele Gruppen?
Wir schaffen nichts Neues, auch nicht mit den neuesten Gemeindeaufbauprogrammen.
Aber, Freunde, das ist Hoffnung der Christen: Einmal kommt ein neues Jerusalem wie eine geschmückte Braut von oben nach unten.
Gott schafft diese unsere Gemeinde neu, so dass wir uns alle darin wohlfühlen, so dass wir alle dort zusammengehören, so dass wir alle miteinander das große Halleluja singen.
Darauf freue ich mich: eine neue Gemeinde.
Und auch das dritte: neue Menschen – neue Menschenfreunde, neue Menschen im Verhältnis zu ihrem Gott zuerst.
Hier heißt es ja: „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen“, wörtlich „Siehe da, das Zelt Gottes bei den Menschen.“
Heute spricht man ja nicht mehr vom Zelten, sondern man spricht vom Camping. Man muss ja modern sein, nicht wahr? Man spricht ja auch nicht von der Stadtmitte, sondern man geht in die City, nicht wahr? Man arbeitet doch nicht in Gemeinschaft, wie das schon klingt, man arbeitet im Team, ja?
Und so spricht man ja nicht vom Zelten, sondern man spricht vom Camping.
Hier ist vom Camping Gottes die Rede. Wenn Gott bei uns campt, was das bedeutet!
Mir ist klar geworden, als ein alter Camper mir einmal das gezeigt hat, was er alles so besitzt, um irgendwo in Südfrankreich jeden Sommer und was weiß ich, jede freie Zeit zu campen.
Er zeigte mir, es war so eine ganze Stadt zum Aufblasen.
Ich fragte: „Was hat das gekostet?“ Und er nannte mir eine Summe, unglaublich.
Ich sagte: „Ja, mit dem Geld könnten Sie doch im besten 5-Sterne-Hotel an der Costa Brava wohnen. Warum denn in solch aufblasbaren Betten, die nachts um zwei einen Plattfuß haben?“
Und dann sagt er: „Richtig, ich lebe hier mitten in der Stadt zwischen lauter Mauern. Einmal im Jahr lebe ich ohne Mauern, einmal im Jahr, wenn man campt, lebt man ohne Mauern.“
Wissen Sie, wenn Gott bei uns campt, dann lebt man ohne Mauern. Dann sind die Mauern abgetragen. Selbst die große Mauer der Schuld und der Sünde ist nicht wegdiskutiert, sondern sie ist abgetragen, geschleift durch Jesus Christus.
Er bei uns und wir bei ihm: „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen.“
Und dann wird er bei uns sein, und dann kommt jenes neue Verhältnis untereinander. Dann wird das Meer nicht mehr sein, dieses Meer der Geschichte, das immer wieder brodelt und aus dem die Untiere aufgestiegen sind.
Das Meer wird nicht mehr sein, und die Tränen werden nicht mehr sein – die Tränen des Abschieds am toten Sonntag, aber auch nicht mehr die Tränen der Freude, wenn dies alles überwunden sein wird.
Und der Tod wird nicht mehr sein, Freunde. Der Tod wird nicht mehr sein.
Unvergesslich jene Fernsehdiskussion, als einer den Christen fragte: „Wollen Sie die Friedhöfe denn abschaffen?“ Und dann sagte er: „Die Friedhöfe werden abgeschafft – das ist doch christliche Hoffnung. Die Friedhöfe werden aufgelassen, eine Welt ohne Gräber und Kreuze und der Schmerz wird nicht mehr sein – das uralte Zeichen dieser Welt.“
„Siehe, ich mache alles, alles, alles neu.“
Um jetzt, wenn mich einer fragt: „Bist du nicht verrückt geworden? Ist das nicht ein Ausbruch ins Leere? Ist das nicht ein Vorstoß ins Nichts?“
Hat Goethe nicht Recht gehabt, wenn er sagte: „Nach drüben ist die Aussicht uns voran, Thor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet, sich über Wolken seinesgleichen dichtet?“
Hat Nietzsche nicht Recht gehabt, wenn er sagte: „Glaub denen nicht, die von überirdischen Hoffnungen reden, Giftmischer sind es, Brüder, bleibt der Erde treu!“
Hat Feuerbach nicht Recht gehabt, wenn er gesagt hat: „Das ist doch die Jenseitskorruption der Frommen.“
Haben sie nicht alle Recht gehabt?
Woher wissen wir denn, dass dies wahr ist?
Ich gebe diese Frage Johannes weiter, und er zeigt mit seinem Finger den, der auf dem Thron saß.
Jesus ist der Garant dafür.
Als die Jünger Jesus sahen, da sahen sie doch schon ein Stück neue Welt. Da sind doch Tote auferstanden, da sind doch Taube, die wieder hören konnten, da konnten Blinde sehen.
Da war schon jene neue Welt, der Brückenkopf der Ewigkeit, und der wird immer größer bis zu jenem Tag, an dem es die ganze Erde umgreifen wird.
Doch siehe, ich mache alles neu!
Und wenn er sagt: „Braucht es denn diese Hoffnung? Zieht es denn eigentlich dann nicht von hier weg? Können wir überhaupt noch morgen etwas tun?“
Dann lassen Sie mich an dem letzten Bild sagen: Sehen Sie, als ich damals drüben in den Vereinigten Staaten war, da ging uns das Geld aus bei einer Reise mit dem Auto.
Und das habe ich in Deutschland gelernt: Wenn das Geld ausgeht, dann geht man immer ins nächste Pfarrhaus – die müssen ja helfen.
So habe ich es auch gemacht und habe gesagt: „Können wir uns da nicht helfen?“ Sie sagten: „Ja, ja, wenn Sie nächsten Sonntag predigen, dann können Sie heute Nacht übernachten.“ Dann sagten wir: „Wir predigen zwei- und dreimal.“ „Gut, dann können Sie bleiben.“
Unvergesslich: Jener Sonntag war in San Francisco, eine Gemeinde mit dem Blick hinaus auf die Golden Gate Bridge, auf dieses blaue Meer.
Und da war eine Frau, die hatte unwahrscheinliches Heimweh, unwahrscheinliches Heimweh.
Ich fragte: „Woher kommen Sie denn?“
Sie sagte: „Ach, ich komme von Untertürkheim, sei auch das noch.“
Und dann sagten wir: „Jetzt wohnen Sie hier in der schönsten Stadt und Sie haben Heimweh nach den Schornsteinen der Mercedes-Werke – verstehe ich überhaupt nicht.“
Und dann sagte sie mir einen Satz, und an dem ist mir das ganze Problem aufgegangen.
Sie sagte: „Wissen Sie, Ihnen gefällt es hier, Sie könnten hier leben, weil Sie auf der Durchfahrt nach der Heimat sind, aber wir haben keine Heimat mehr.“
Freunde, wir können es hier aushalten, wir können morgen wieder an die Arbeit gehen, wir können Freude haben an der Gemeinschaft seiner Leute, weil wir auf der Durchfahrt nach der Heimat sind.
Leben heißt Hoffnung begreifen.
Ich habe in meiner Predigt am letzten Sonntag jenen Vers zitiert, dieses Gottesleugnis Nietzsches, der sagte: „Die Krähen ziehen, schwirren Flugs zur Stadt, bald wird es schneien. Weh dem, der keine Heimat hat!“
Wohin geht ihr Weg? Wohin zielt euer Leben? Worauf geht eure Hoffnung? Wehe dem, der keine Heimat hat!
Wir haben eine Hoffnung durch Jesus, denn Leben heißt nicht Hoffnung begraben, Leben heißt Hoffnung begründen und begreifen.
Gott sei Dank, wir beten:
Großer Gott, himmlischer Vater, du kennst unseren Maulwurfhorizont, in dem wir leben und meinen, das sei so alles, was es gebe.
Und dann stoßen wir uns in unserer Höhle der Verzweiflung und der Depression, und wir sehen nur jenen einen Ausgang, den zum Tode hin.
Herr, reiß du uns einen ganz anderen Horizont auf, gib uns etwas vom Morgenglanz der Ewigkeit, lass uns wissen, dass du, Herr, durch deinen Tod und auch durch dein Wiederkommen uns eine Hoffnung gegeben hast, die nicht trügt.
Wir bitten dich jetzt für den, der entmutigt ist, wir bitten dich für den unter uns, der am hoffnungslosesten ist.
Herr, schenk du neue Schritte zu dir hin! Amen.
Die biblische Alternative: Hoffnung begründen
Liebe Freunde, nur eins: Wenn es mir wieder gelingt – und ich wünsche Ihnen das nicht nur überall herumzuschauen, sondern auch wieder in die Bibel hineinzuschauen – dann finden Sie einen ganz anderen Satz. Er lautet nicht: Leben heißt Hoffnung begraben, sondern: Leben heißt Hoffnung begründen.
Gleich vorne auf den ersten Seiten geht es los mit Noah. Noah, ein Mann, der eines Tages anfängt, mitten auf der grünen Wiese eine Werft zu bauen. Dort legt er einen riesigen Container von einhundertfünfzig Meter Länge auf Kiel. Die Leute haben ihn sicher verspottet und ausgelacht. Sie sagten wohl: „Herr Admiral der Landmarine, wann stechen Sie denn in die Pfützen?“ Diesen überdimensionierten Viehstall mit Ruder und Heck.
Und eines Tages fing es an zu regnen – immer mehr. Die Schleusen des Himmels taten sich auf, und es konnte keiner mehr atmen. Die Menschen sagten, es gäbe keinen Gott, doch alles ertrank in den Fluten. Nur Noah und seine Mannschaft überlebten.
Als die Arche auf dem Ararat strandete und Noah hinausging, fiel er nieder an seinem Altar. Dann sah er über den Himmel gespannt den Regenbogen und hörte eine Stimme, die ihm sagte, dass Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht nicht aufhören sollen.
Und er wusste: Dieser Gott hat Hoffnung für uns. Dieser Gott hat Hoffnung für uns, war Noah.
Oder blättern Sie weiter, gehen Sie zu den Psalmen. Nur ein Vers: „Die Wasserwogen im Meer sind groß, aber der Herr ist größer.“
Hoffnung trotz Flutkatastrophen und persönlichem Leid
Um es zu erklären, möchte ich Sie mitnehmen auf eine Hallig – droben in der Nordsee, auf Hallig Langeneß. Dort saß ich in einem Friesenhaus bei der Bäuerin. Diese Friesin hatte mich eingeladen zu einer Tasse echten Tees.
In diesem schön gedeckten Riedhaus, einem mit Reet gedeckten Bauernhaus, erzählte sie mir von jener schrecklichen Flutkatastrophe damals. Sie sagte: „Wissen Sie, das war schrecklich, die Wasser stiegen immer höher. Ich ging in den ersten Stock, schließlich saß ich auf dem Dachfirst.“ Dann zeigte sie auf ihre Möbel. Man sah ihnen an, dass sie alle neu angeschafft waren. „Dann hat die Flut dies alles weggenommen.“
Ich dachte mir, man muss doch gar nicht auf der Hallig Langeneß sitzen, um so etwas zu erfahren. Man kann mittendrin sitzen, mitten im Saal in Eidlingen, eingekeilt, und ähnlich sagen müssen: Die Wasserströme im Meer sind groß. Es gibt eben nicht nur Wasserströme, es gibt noch ganz andere Ströme. Es gibt zum Beispiel den Strom des Todes. Und wie viele unter uns müssen sagen: Der hat mir die Frau weggenommen, der hat mir die Mutter weggenommen, der hat mir das Kind weggenommen.
Es gibt heute eine Flut der Kritik, und wie viele unter uns werden sagen müssen: Die hat mir den ganzen Glauben weggenommen. Es gibt heute eine Flut der Sexualität, und wie viele junge Leute werden sagen müssen: Die hat mir die ganze Jugend weggenommen. An irgendeiner Stelle unseres Lebens sagen wir es doch: Die Wasserbögen im Meer sind groß.
Doch die Wasserbögen im Meer sind groß, aber der Herr ist größer. Unser Leben ist wie eine Nussschale, mit der die Wellen grausam spielen. Aber wie damals auf dem See Genezareth ist dieser Herr mittendrin. Er hebt seine Hand und schreit: „Schweig und verstumme!“
Nur einmal, einmal hat es ja so ausgesehen, als ob doch die letzte Flut alles wegfegen würde. Aber als diese Sintflut vergangen war, da wussten sie: Dieser Herr hat Hoffnung für uns.
Liebe Freunde, Angst und Not sind groß, aber der Herr ist größer. Not und Probleme sind groß, aber der Herr ist größer. Schuld und Verzweiflung sind groß, aber der Herr ist größer.
In seiner Hand liegt unsere Welt – das ist unsere Weltlage. In seiner Hand liegt mein Leben – das ist meine Lebenslage. Und wenn alles schreit und brüllt und tobt, die Angst ist groß, die Not ist groß, der Krieg ist groß, so weiß ich: Aber der Herr ist größer, aber der Herr ist größer. Das ist unsere Hoffnung, wie es schon in den Psalmen steht.
Die Hoffnung des verlorenen Sohnes und das Gericht Gottes
Und dann nehmen Sie das Neue Testament, nehmen Sie nur diese so wichtige Stelle Lukas 15: für einen, der überhaupt hoffnungslos des Weges daherkam, abgerissen, einer, der durchgebrannt war und der alle Hoffnung eigentlich verspielt hatte und der sich trotzdem aufgemacht hat. Ich sehe ihn, wie er dem heimatlichen Hof näherkommt. Er wusste jetzt gleich: Jetzt gleich wird dieses Tor aufgehen, und dann wird der Vater drinstehen. Dann wird der Vater nach dem Ochsenschwanz greifen und schreien: „Scher dich!“ Aber das Tor ging auf. Und der Vater erschien, legte seine Arme um seinen Hals und sagte: „Mein Sohn ist wiedergefunden worden.“
Freunde, dieser hoffnungslose Fall erhält neue Hoffnung. Das ist die Hoffnung der Christen. Aber wer mehr davon wissen will, der darf die Bibel nicht nur vorne, nicht nur in der Mitte und nicht nur hinten aufschlagen. Er muss dies in der Mitte tun.
Die Mitte der Bibel, die Mitte des Neuen Testaments, ist der Römerbrief. Und die Mitte des Römerbriefs ist das achte Kapitel. Die Mitte des achten Kapitels ist der Satz: „Ist Gott für uns, wer mag denn wider uns sein?“
Sie verstehen diesen Satz nur, wenn Sie an ein Gericht denken. Ich selber bin in einem Amtsgericht aufgewachsen. Unten im ersten Stock waren die Verhandlungen, wo der Vater Gericht gehalten hat. Immer freitags, wenn wir gut unsere Aufgaben gemacht hatten, durften wir bei den Verhandlungen des Vaters zuhören. Wenn wir es gut gemacht hatten, durfte ich manchmal, selten, auch zu den Verhandlungen des Vaters. Diese Bilder sind für mich unvergesslich.
Zum Aufruf kommt der Fall so und so. Der grün befragte Gerichtsdiener mit seinem toten Paragraphengesicht und seiner Nase, so wie ein Stopplicht, brachte den Angeklagten. Dann stand er vor der Schranke. Der Staatsanwalt verlas die Anklageschrift. Danach begann der Vater mit dem Verhör: „Warum hast du das gemacht? Warum bist du darin verwickelt? Wie konnte so etwas in deinem Leben passieren?“ Jede Frage machte den Angeklagten kleiner, erbärmlicher, zitternd – ein Bild von erbärmlicher Hilflosigkeit.
Und das ist das Bild, das sich unsere Generation von Gott zusammenbastelt. Zum Aufruf kommt der Fall „Lieber Gott“. In gebührendem Abstand steht der alte Mann, und dann donnern die Fragen auf ihn ein: „Gott, warum hast du das getan? Gott, warum hast du das zugelassen? Gott, wie konnte dir so etwas passieren? Du bist doch ein Märchenlieber Gott.“ Und mit unseren langen Listen von Tränen kommt er nicht mehr mit.
Aber, liebe Freunde, Gott ist doch nicht der Angeklagte. Wir stehen doch vor der Gerichtsstank. Es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, Herr, nicht alles wüsstest. Gott ist Richter. Gott ist nicht die Gummiwand, die dauernd nachgibt. Gott ist der Richter, der auch über mein Leben Gericht setzen wird.
In meiner Bibel steht nicht nur „Der Herr ist mein Hirte“. In meiner Bibel steht nicht nur „Siehe, in meine Hände habe ich dich gezeichnet“. In meiner Bibel steht auch: „Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“
Eines Tages wird mein Fall aufgerufen: Zum Aufruf kommt der Fall Konrad Eisler, und dann stehe ich. Dann kommen jene Fragen um mein Leben, und ich habe nicht ein einziges zu antworten. Ich weiß nur: Verdammt in alle Ewigkeit – das ist die Urteilsverkündung über mein Leben, das ist die letzte Hoffnungslosigkeit: Verdammt in alle Ewigkeit!
Liebe Freunde, ich stünde nicht hier, wenn ich nicht von der tief begründeten Hoffnung wüsste. Nämlich der, dass einer da ist, einer, der sagt: „Den kenne ich, dessen Platz nehme ich ein, für den sterbe ich.“
Liebe Freunde, der Bannstrahl göttlichen Zorns trifft den Sohn, der stirbt, und ich bin frei. Freispruch nicht mangels Beweisen, sondern Freispruch trotz Beweisen.
Freunde, wenn das keine Hoffnung ist! Als Martin Luther das begriffen hatte, da schrieb er: „Da tat sich mir der ganze Himmel auf.“ Über ihnen mag der Himmel an diesem Nachmittag verhangen sein, sie mögen nur schwarze und dunkle Wolken sehen. Wenn sie das neu begreifen, dann tut sich auch bei ihnen der Himmel auf.
Liebe Freunde, ist Gott nicht mehr gegen uns, was mag eigentlich noch gegen uns sein? Ist Gott für uns, wer mag noch gegen uns sein? Ist Gott für uns, wer mag noch gegen uns kämpfen? Ist Gott für uns, wer mag mich noch verklagen? Ist Gott für uns, der Himmel geht auf.
Freunde, das ist die tiefste Begründung aller Hoffnungen überhaupt.
Die Hoffnung als Perspektive über das Leben hinaus
Leben heißt, Hoffnung zu begründen. Aber gehen Sie mit mir noch einen Schritt weiter: Leben heißt, Hoffnung zu begreifen.
Vielleicht darf ich diesen dritten Teil so einleiten, dass Sie mit mir auf eine Reise gehen – damals nach Schladming. Ich fuhr nicht zum Skifahren dorthin, das kann ich gar nicht. Mit mir fahren Sie immer Schlitten. Sondern mit meinem Freund Ullich Barzani fuhr ich zu einem Jugendtreffen in der großen Tauernhalle.
Unvergesslich ist, dass auch in Österreich so viele junge Christen zusammenkommen. Manche Abende vergisst man nie im Leben, und dazu gehört jener Abend in der Tauernhalle in Schladming. Ich hatte dort das Eröffnungsreferat, die Predigt. Ich weiß nur noch, dass ich, als ich dort predigte, etwa nach der Hälfte meiner Predigt plötzlich bemerkte, wie langsam die Lampen kreisten.
Ich dachte, das sei eine schöne Idee, die Lampen nicht nur hängen zu lassen, sondern sie kreisen zu lassen – echt österreichisch, wienerisch. Aber bald merkte ich, dass nicht nur die Lampen kreisten, sondern auch die Leute sich leicht im Kreis bewegten. Ich dachte, sie hätten wohl den Walzer einfach im Blut, selbst bei der Bibelarbeit.
Dann hielt ich mich am Pult fest und merkte, dass auch dieses kreiste. Schließlich stellte ich fest, dass nicht die Lampen oder Köpfe am Pult kreisten, sondern dass es in mir kreiste. Ich beschloss, meine Rede schnell zu beenden und ging nach hinten raus.
Anscheinend hatten es bestimmte Leute schon bemerkt, wie ich aussah. Ein Täter war da, eine Ärztin auch. Mit Blaulicht ging es ins Krankenhaus. Ich wollte meine Jacke ausziehen, doch man sagte mir: „Bitte keine Bewegung, keine Bewegung.“ Kurz darauf lag ich angeschlossen an vielen Kabeln. Ärzte waren da, alle schauten auf die Diagramme. Ich fühlte mich gar nicht so, aber sie sagten kein Wort.
Nach einiger Zeit, als sie draußen waren, kam ein Arzt, setzte sich auf den Bettrand, schaute mich an und immer wieder auf die Diagramme. Nebenbei fragte er: „Woher kommen Sie?“ Ich sagte: „Ich komme aus Deutschland.“ „Was tun Sie hier?“ fragte er. Ich antwortete: „Ich halte hier eigentlich die Bibelarbeit, ich muss da wieder runtergehen.“
Dann fragte er: „Sind Sie verheiratet?“ Ich antwortete: „Glücklich.“ „Haben Sie Kinder?“ „Sieben!“ „Ach Mann, ruhig, ruhig!“ sagte er. Dann fügte er hinzu: „Wissen Sie, ich bin katholischer Christ, und es freut mich, hier mit Ihnen diese stille Zeit zu haben.“
„Wissen Sie, ich kann Ihnen offen sagen: Es steht ernst bei Ihnen, ernst.“ Er zeigte durch das Fenster hinaus, vom Krankenhaus aus sieht man das hoch aufragende Tauerngebirge. Dann legte er seine Hand auf meine und sagte: „Ach, wissen Sie, wir Christen sehen weiter als die Tauern.“
Plötzlich wurde es um mein Herz ruhig. Wir sehen weiter, wir sehen viel weiter. Dann ist es gleichgültig, ob ich noch einmal eine Elle angesetzt bekomme in meinem Leben oder ob ich jetzt sofort heim darf zu meinem Herrn. Wir sehen weiter bis zum Herrn.
Sie liegen nicht im Schladminger Krankenhaus, aber vor Ihnen türmen sich vielleicht noch ganz andere Gebirge – viel höher als die Tauerngebirge: das Gebirge Ihrer Not, das Gebirge Ihrer Sorge, das Gebirge Ihres Zweifels. Liebe Freunde, Christen sehen weiter als die Tauern, durch alles hindurch bis zu diesem Herrn, der wiederkommen wird und uns an diesem Tag jene gewaltige Hoffnung gibt.
Diese Hoffnung gliedert sich in drei Teile: Er spricht von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, von einem neuen Jerusalem und von neuen Menschen.
Hören Sie noch einmal auf diese Botschaft aus Offenbarung 21: Er lässt uns weitersehen bis zu einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Diese Erde, liebe Freunde, dreht sich nicht ewig nach der Drehorgelmelodie – auf jeden Dezember folgt wieder ein Mai. Diese Erde ist eine Welt auf Zeit, eine Baustelle zum Abbruch.
Gott schafft eine neue Welt, eine neue Welt, die dem entspricht, was am Anfang war: „Siehe, es war sehr gut.“ Diese neue Welt schafft er nicht irgendwo zwischen Jupiter und Spiralnebel, sondern hier, auf dieser Erde.
Unsere Väter wussten von diesem erdhaften Glauben. Diese neue Welt zwischen Eidingen, Böblingen, Stuttgart und Rottweil – das wird neu. Wir mögen sicher beten: „Und wenn du uns nimmst, lass uns in den Himmel kommen.“ Aber die Bibel sagt: Der Himmel kommt zu uns. Das ist christliche Hoffnung – der Himmel kommt zu uns!
Das zweite ist ein neues Jerusalem, das vom Himmel herabkommt wie eine geschmückte Braut. Vom alten Jerusalem wissen wir Bescheid: Es hätte immer Gottes Stadt sein sollen, war es aber nie. Deshalb wurde über diese Stadt geweint wie über keine andere. Der Prophet sagt: „Ich habe nicht genug Tränenwasser, um über Jerusalem zu weinen.“ Jesus steht am Rand und vergießt seine Tränen.
Nicht umsonst steht in dieser Stadt bis heute die Klagemauer. Aber Jerusalem ist Ausdruck für die Kirche, für die Gemeinde Jesu Christi. Liebe Freunde, wer leidet nicht an dieser Gemeinde Jesu Christi?
Als vor Jahren der Stiftskirchenturm einmal von RAF-Sympathisanten besetzt wurde und dort schreckliche Fahnen mit schlimmen Parolen heruntergelassen wurden, stand ich unten mit einem älteren Herrn, der sagte: „Was für eine Verschandlung der Kirche, was für eine Verschandlung der Kirche!“
Ich sagte: „Eigentlich haben Sie Recht. Immer wenn Kirchtürme als Fahnenmasten benutzt werden, für welche Fahnen auch immer, ist immer Gefahr im Verzug.“ Aber die Gemeinde Jesu wird nicht durch irgendwelche Fahnen verschandelt, sondern da müssen Sie ein paar Stockwerke weiter runter.
Wenn von den Kanzeln heute noch behauptet wird, dass Jesus eigentlich gar nicht richtig auferstanden sei, dann ist das eine Verschandlung der Gemeinde. Wenn heute gesagt wird, dass ohnehin mit der Taufe alle selig werden, dann ist das eine Verschandlung der Kirche. Wenn heute gesagt wird, dass das Wort Gottes in der Bibel ist, aber nicht die ganze Bibel Gottes Wort sei, dann ist das eine Verschandlung der Kirche.
Wer leidet nicht an dieser ideologisierten und gespaltenen Kirche und Gemeinde Jesu Christi? Wer leidet nicht daran, dass wir in viele Gruppen aufgeteilt sind? Wir schaffen nichts Neues, auch nicht mit den neuesten Gemeindeaufbauprogrammen.
Aber, Freunde, das ist die Hoffnung der Christen: Einmal kommt ein neues Jerusalem wie eine geschmückte Braut von oben herab. Gott schafft diese unsere Gemeinde neu, so dass wir uns alle darin wohlfühlen, so dass wir alle zusammengehören, so dass wir alle miteinander das große Halleluja singen. Darauf freue ich mich.
Eine neue Gemeinde – und auch das dritte: neue Menschen, neue Menschenfreunde, neue Menschen im Verhältnis zu ihrem Gott zuerst. Hier heißt es ja: „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen“, wörtlich: „Siehe da, das Zelt Gottes bei den Menschen.“
Heute spricht man ja nicht mehr vom Zelten, sondern vom Camping. Man muss ja modern sein, nicht wahr? Man spricht ja auch nicht von der Stadtmitte, sondern man geht in die City. Man arbeitet nicht in Gemeinschaft, wie das klingt, sondern im Team.
So spricht man nicht vom Zelten, sondern vom Camping. Hier ist vom Camping Gottes die Rede. Wenn Gott bei uns campt, was bedeutet das?
Mir ist klar geworden, als ein alter Camper mir einmal zeigte, was er alles besitzt, um irgendwo in Südfrankreich jeden Sommer und jede freie Zeit zu campen. Er zeigte mir eine ganze Stadt zum Aufblasen. Ich fragte: „Was hat das gekostet?“ Er nannte mir eine unglaubliche Summe.
Ich sagte: „Mit dem Geld könnten Sie doch im besten Fünf-Sterne-Hotel an der Costa Brava wohnen. Warum dann in solchen aufblasbaren Betten, die nachts um zwei einen Plattfuß haben?“
Er antwortete: „Richtig, ich lebe hier mitten in der Stadt, zwischen lauter Mauern. Einmal im Jahr lebe ich ohne Mauern, einmal im Jahr, wenn man campt, lebt man ohne Mauern.“
Wissen Sie, wenn Gott bei uns campt, dann lebt man ohne Mauern. Dann sind die Mauern abgetragen. Selbst die große Mauer der Schuld und der Sünde ist nicht wegdiskutiert, sondern sie ist abgetragen, geschleift durch Jesus Christus. Er bei uns und wir bei ihm – siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen.
Dann wird er bei uns sein, und es entsteht ein neues Verhältnis untereinander. Dann wird das Meer nicht mehr sein – dieses Meer der Geschichte, das immer wieder brodelt und aus dem die Untiere aufgestiegen sind. Das Meer wird nicht mehr sein, und die Tränen werden nicht mehr sein – weder die Tränen des Abschieds am toten Sonntag noch die Tränen der Freude, wenn dies alles überwunden sein wird.
Und der Tod wird nicht mehr sein, Freunde, der Tod wird nicht mehr sein. Unvergesslich jene Fernsehdiskussion, als ein Christ gefragt wurde: „Wollen Sie die Friedhöfe denn abschaffen?“ Und er sagte: „Die Friedhöfe werden abgeschafft, das ist doch christliche Hoffnung. Die Friedhöfe werden aufgelassen – eine Welt ohne Gräber und Kreuze, und der Schmerz wird nicht mehr sein, das uralte Zeichen dieser Welt.“
„Siehe, ich mache alles neu, alles, alles neu.“
Zweifel und Bestätigung der Hoffnung durch Christus
Wenn mich jetzt jemand fragt: Bist du nicht verrückt geworden? Ist das nicht ein Ausbruch ins Leere? Ist das nicht ein Vorstoß ins Nichts? Hat Goethe nicht recht gehabt, wenn er sagte: „Nach drüben ist die Aussicht uns voran, Thor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet, sich über Wolken seinesgleichen dichtet?“
Hat Nietzsche nicht Recht gehabt, wenn er sagte: „Glaub denen nicht, die von überirdischen Hoffnungen reden, Giftmischer sind es, Brüder, bleibt der Erde treu!“? Hat Feuerbach nicht Recht gehabt, wenn er sagte: „Das ist doch die Jenseitskorruption der Frommen.“ Haben sie nicht alle Recht gehabt?
Woher wissen wir denn, dass dies wahr ist? Ich gebe diese Frage Johannes weiter, und er zeigt mit seinem Finger auf den, der auf dem Thron saß. Jesus ist der Garant dafür.
Als die Jünger Jesus sahen, da sahen sie doch schon ein Stück neue Welt. Da sind doch Tote auferstanden, da sind doch Taube, die wieder hören konnten, da konnten Blinde sehen. Da war schon jene neue Welt, der Brückenkopf der Ewigkeit, und der wird immer größer, bis zu jenem Tag, an dem er die ganze Erde umgreifen wird.
Doch siehe, ich mache alles neu! Und wenn er sagt: Braucht es denn diese Hoffnung? Zieht es denn eigentlich dann nicht von hier weg? Können wir überhaupt noch morgen etwas tun? Dann lassen Sie mich dies an dem letzten Bild sagen:
Sehen Sie, als ich damals drüben in den Vereinigten Staaten war, da ging uns das Geld aus bei einer Reise mit dem Auto. Und das habe ich in Deutschland gelernt: Wenn das Geld ausgeht, dann geht man immer ins nächste Pfarrhaus, die müssen ja helfen. So habe ich es auch gemacht und habe gesagt: Können wir uns da nicht helfen und so?
Sie sagten: Ja, ja, wenn Sie nächsten Sonntag predigen, dann können Sie heute Nacht übernachten. Dann sagten wir, wir predigen zwei- und dreimal. Gut, dann können Sie bleiben.
Unvergesslich war jener Sonntag in San Francisco, in einer Gemeinde mit dem Blick hinaus auf die Golden-Gate-Brücke, auf dieses blaue Meer. Und da war eine Frau, die hatte unwahrscheinliches Heimweh, unwahrscheinliches Heimweh.
Ich fragte: Woher kommen Sie denn? Sie sagte: Ach, ich komme von Untertürkheim, sei auch das noch. Und dann sagten wir: Jetzt wohnen Sie hier in der schönsten Stadt, und Sie haben Heimweh nach den Schornsteinen der Mercedes-Werke? Das verstehe ich überhaupt nicht.
Und dann sagte sie mir einen Satz, an dem mir das ganze Problem aufging. Sie sagte: Wissen Sie, Ihnen gefällt es hier, Sie könnten hier leben, weil Sie auf der Durchfahrt nach der Heimat sind. Aber wir haben keine Heimat mehr.
Freunde, wir können es hier aushalten, wir können morgen wieder an die Arbeit gehen, wir können Freude haben an der Gemeinschaft seiner Leute, weil wir auf der Durchfahrt nach der Heimat sind. Leben heißt Hoffnung begreifen.
Ich habe in meiner Predigt am letzten Sonntag jenen Vers zitiert, dieses Gottesleugnis Nietzsches, der gesagt hat: „Die Krähen ziehen schwirrend Flugs zur Stadt, bald wird es schneien. Weh dem, der keine Heimat hat.“
Wohin geht euer Weg? Wohin zielt euer Leben? Worauf geht eure Hoffnung? Wehe dem, der keine Heimat hat.
Wir haben eine Hoffnung durch Jesus, denn Leben heißt nicht, Hoffnung begraben, Leben heißt Hoffnung begründen und begreifen. Gott sei Dank, wir beten:
Großer Gott, himmlischer Vater, du kennst unseren Maulwurfhorizont, in dem wir leben und meinen, das sei so alles, was es gebe. Und dann stoßen wir uns in unserer Höhle der Verzweiflung und der Depression und sehen nur jenen einen Ausgang: den zum Tode hin.
Herr, reiß du uns einen ganz anderen Horizont auf, gib uns etwas vom Morgenglanz der Ewigkeit, lass uns wissen, dass du, Herr, durch deinen Tod und auch durch dein Verstehen und durch dein Wiederkommen uns eine Hoffnung gegeben hast, die nicht trügt.
Wir bitten dich jetzt für den, der entmutigt ist, wir bitten dich für den unter uns, der am hoffnungslosesten ist. Herr, schenk du neue Schritte zu dir hin! Amen.