Einführung in die Offenbarung und ihre Bedeutung
Zu Beginn möchte ich uns noch einmal einige grundsätzliche Dinge über die Offenbarung vor Augen führen. Ich gehe davon aus, dass die meisten das bereits wissen. Wer am Sonntag dabei war, hat auch schon einiges verstanden. Dennoch halte ich es für gut, zu Beginn einer Predigtserie noch einmal klarzustellen, worum es eigentlich geht.
Am Sonntag habe ich bereits drei Kapitel gepredigt. Deshalb bin ich auf die typischen Einleitungsfragen, die man vielleicht behandeln würde, wenn man nur drei Verse predigt, nicht weiter eingegangen. Das möchte ich heute Abend nachholen. Axel, wenn du mir die Folien gibst – oder vielleicht sind sie ja schon da – dann nehme ich die gleich mit dazu.
Über allem steht für mich Offenbarung 1,3: "Selig ist der, der liest, und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist; denn die Zeit ist nah." Ich muss ehrlich sagen, dieser Vers hat einen großen Anteil daran, dass ich beschlossen habe, die Offenbarung in einer Predigtserie zu behandeln. Ehrlich gesagt gehöre ich zu der Gruppe, die die Offenbarung meist eher stiefmütterlich behandelt hat.
Ich glaube, es gibt grundsätzlich zwei Gruppen: Die einen sind die "Offenbarungsfreaks". Die können dir genau sagen, du kannst sie nachts um drei anrufen und fragen: Was war noch mal das siebte Siegel, die fünfte Posaune oder die dritte Zornesschale? Die wissen sofort Bescheid. Sie können auch genau sagen, wann in der Kirchengeschichte das eingetreten ist oder eintreten wird. Diese Gruppe hat meist sehr klare Meinungen dazu.
Dann gibt es die anderen, die sagen: Offenbarung? Seltsam. Zum Glück haben wir noch 65 andere Bücher in der Bibel. Bis wir die nicht auswendig können, gehen wir nicht zur Offenbarung. Ich gehöre eher zu dieser zweiten Gruppe. Natürlich habe ich die Offenbarung schon oft gelesen und mir viele Gedanken dazu gemacht. Aber ich weiß, wie umstritten sie ist. In gewisser Weise habe ich mich gefragt: Matthias, brauchst du eigentlich mal wieder einen Konflikt in der Gemeinde? Warum machst du das?
Ich brauche keinen Konflikt in der Gemeinde. Im Gegenteil, ich wünsche mir Einheit und Liebe. Ich wünsche mir, dass wir gut miteinander auskommen, und ich hoffe, dass uns das heute gelingt.
Deshalb möchte ich gerade diejenigen ansprechen, die eine ganz starke Überzeugung haben, dass die Offenbarung nur auf eine bestimmte Weise zu lesen ist und alles andere nicht bibeltreu sei: Entspannt euch heute ein bisschen, ertragt mich für eine Weile, und dann geht nach Hause und wisst es einfach besser. Das ist okay. Vielleicht wisst ihr es ja wirklich besser, das kann gut sein. Das will ich überhaupt nicht ausschließen.
Selig ist also, wer sich grundsätzlich mit der Offenbarung beschäftigt. Das sollte uns klar sein und uns alle einen. Denn die große Botschaft der Offenbarung ist völlig unbestritten: Gott hat alles im Griff. Ja, es werden schwere Zeiten kommen, aber Gott hat alles unter Kontrolle. Diese schweren Zeiten werden ein definitives Ende haben.
Dann wird Jesus herrschen für alle Ewigkeit. Wir, die wir im Glauben zu ihm gehören, werden diese Zeit für alle Ewigkeit genießen – weit über das hinaus, was wir uns heute vorstellen können.
Das heißt, die Offenbarung ist ein unheimlich frohes Buch. Ein Buch, das Hoffnung gibt über alles Leiden hinaus. Es gibt uns die Gewissheit, dass Gott nicht nur die Vergangenheit gut geregelt hat und die Gegenwart im Griff hat, sondern auch die Zukunft. Und dass er alles zu einem guten Ende bringen wird.
Wenn wir uns darauf einigen können, dann haben wir eigentlich das Wesentlichste verstanden. Darum geht es in der Offenbarung. Sie will uns Mut und Zuversicht geben. Sie will uns helfen, die Dinge der Zukunft einordnen zu können.
So werden wir, wenn wir plötzlich hören, dass irgendwo Terroranschläge stattfinden, nicht denken, dass Gott die Welt nicht mehr im Griff hat. Gott hat die Welt im Griff. Die Offenbarung macht das sehr deutlich.
Hintergrund und Entstehung der Offenbarung
Einige einleitende Bemerkungen zur Offenbarung sind interessant, besonders wenn man die Herkunft der Offenbarung betrachtet, die gleich zu Beginn vorgestellt wird. Es heißt in den ersten Worten: „Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen soll.“ Gott, der Vater, hat sie Jesus Christus gegeben, damit sie zu seinen Knechten kommt.
Doch wie gelangt sie zu den Knechten? Er hat sie durch seinen Engel gesandt und seinem Knecht Johannes kundgetan. Johannes bezeugt das Wort Gottes und das Zeugnis von Jesus Christus, alles, was er gesehen hat. Es entsteht also eine Kette: Gott, der Vater, offenbart Jesus Christus Dinge, die dieser durch einen Engel an Johannes weitergibt, damit sie durch ihn zu den Knechten Gottes gelangen – das heißt zu den Gläubigen.
Primär richtet sich die Offenbarung an sieben Gemeinden, die in Kapitel 1, Vers 4 erwähnt werden: „Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien.“ Diese sieben Gemeinden sind die ursprünglichen Empfänger der Offenbarung. Die Sendschreiben, also konkrete Briefe, die in den Kapiteln 2 und 3 der Offenbarung genannt werden, sind an diese Gemeinden gerichtet. Es handelt sich um die Gemeinden in Ephesus, Smyrna, Thyatira, Pergamum, Sardes, Philadelphia und Laodizea.
Die Offenbarung wurde von der Insel Patmos aus geschrieben. Dort war Johannes, der Apostel, verbannt worden, vermutlich wegen seines Glaubenszeugnisses. Er hatte Widerstand erlebt. Von Patmos aus sandte er diese Briefe, wahrscheinlich mit einem Boten, der das ganze Buch mitnahm. Die einzelnen Briefe wurden dann in den Gemeinden vorgelesen.
Am Sonntag nach dem Gottesdienst wurde ich gefragt, wer denn diese Engel der Gemeinden seien. In dieser Predigt wird das Thema immer wieder auftauchen. Ich werde vieles nicht sagen, was ebenfalls interessant wäre, da ich es letztlich auch nicht genau weiß. Meine Vermutung ist jedoch, dass die Engel der Gemeinden die Pastoren oder Prediger der Gemeinde sind.
Es könnten auch einfach Botschafter sein, die das Schriftstück in die Gemeinde brachten. Ein Engel ist zunächst ein Bote. Es könnten auch Schutzengel sein. Da der Brief an einen Engel der Gemeinde gerichtet ist, also an einen Boten der Gemeinde, und dieser Brief gleichzeitig die ganze Gemeinde anspricht, liegt meine Vermutung nahe, dass derjenige, der den Brief empfängt – der Bote der Gemeinde – ihn vorliest. Die Gemeinde hört dann zu.
Es heißt ja gleich zu Beginn: „Selig ist, der da liest, und die da hören.“ Meine Vermutung ist, dass der Engel der Gemeinde mit dem Empfänger des Briefes identisch ist, der ihn weitergibt. So kann der Empfänger mit dem Inhalt machen, was er will. Dies nur, um die Frage vom Sonntag zu beantworten, die mehrfach gestellt wurde.
So gelangt dieser Brief auf jeden Fall an die sieben Gemeinden, wahrscheinlich gegen Ende des ersten Jahrhunderts. Ein frühchristliches Zeugnis von Irenäus berichtet, dass Johannes die Offenbarung empfangen und weitergegeben hat, und zwar gegen Ende der Regierungszeit von Kaiser Domitian. Domitian starb im Jahr 96 nach Christi Geburt. Das bedeutet, dass das Jahr 95 eine gute Schätzung für die Abfassung der Offenbarung ist. Johannes war zu diesem Zeitpunkt schon sehr alt.
Er schrieb also diese Offenbarung nieder, die Gott, der Vater, Jesus Christus gegeben hat und die durch einen Engel Johannes offenbart wurde.
Schriftgattung und literarische Besonderheiten
Die Schriftgattung der Offenbarung ist kompliziert, und das macht das Lesen und Verstehen der Offenbarung schwierig. Zum einen finden wir in der Offenbarung Epistelbriefe. Das bedeutet, dass man gewisse Teile der Offenbarung ähnlich wie die Paulusbriefe lesen kann. Wer zum Beispiel Kapitel zwei und drei liest, sieht dort Briefe, die an Gemeinden geschrieben sind. Diese Briefe sprechen direkt in eine bestimmte Gemeindesituation hinein. Das ist oft relativ leicht zu verstehen, da die Aussagen klar und direkt sind.
Andere Teile der Offenbarung sind prophetische Rede. Prophetische Rede bedeutet nicht nur, in die Zukunft zu schauen. Prophetie ist vielmehr, dass Gott in eine Situation hineinspricht und seine Wahrheit offenbart. Wenn wir wissen, was die Propheten getan haben, sehen wir, dass sie zwar manches vorausgesagt haben, was in der Zukunft geschehen wird. Oft haben sie aber auch einfach in konkrete Situationen hineingesprochen. Sie haben dem Volk Israel und Juda offenbart, was bei ihnen falsch läuft und wie Gott das sieht. Das sehen wir auch in der Offenbarung: Es wird in die jeweilige Situation hineingesprochen, aber auch zukünftige Dinge werden aufgezeigt.
Daneben finden wir in der Offenbarung manches, das sehr eindeutig apokalyptisch ist. Apokalyptisch bedeutet letztendlich „Enthüllung“, „Offenlegen“ oder „Offenbarung“. Es handelt sich dabei um eine besondere Schriftgattung, die sich auch in manchen alttestamentlichen Büchern findet, zum Beispiel beim Propheten Hesekiel, Daniel oder Sacharja. Auch in Matthäus 24, der Endzeitrede Jesu, finden wir apokalyptische Elemente.
Apokalyptische Literatur zeichnet sich dadurch aus, dass wir dort typischerweise sehr dramatische Visionen erhalten. Sie bieten einen Blick auf Gott und die himmlische Region und sind oft mit vielen symbolischen Darstellungen versehen. Deshalb ist gerade die apokalyptische Literatur nicht leicht auszulegen.
Schon allein diese Vielfalt macht das Lesen und Verstehen der Offenbarung etwas kompliziert. So viel erst einmal zum Hintergrund der Offenbarung.
Aufbau und Struktur des Buches
Dann ein paar Worte zur Struktur des Buches. Eigentlich ist sie ganz praktisch. Das Buch hat eine Einleitung, einen Hauptteil und einen Schluss, so wie das in den meisten Bibelbüchern der Fall ist. Die Einleitung und der Schluss sind leicht zu identifizieren.
Der Prolog und Epilog befinden sich in Kapitel 1, Verse 1 bis 8. Ab Vers 9 beginnt die erste Vision. Im Schluss, Kapitel 22, Verse 6 bis 21, sehen wir ziemlich offensichtlich eine Schlussrede. Jeweils ein Engel Gottes zeigt Johannes, dem Diener Gottes, was geschehen wird. Das ist einfach zu verstehen.
Schwierig ist jedoch der Hauptteil, der fast das ganze Buch umfasst. Wie dieser Hauptteil aufzuteilen und zu strukturieren ist, ist hochgradig umstritten. Für die Predigtserie haben wir uns an der hier dargestellten Struktur orientiert. Wer sich gut auskennt, weiß schon: Oh je, okay, die haben wohl eine bestimmte Position, und das ist ja ganz kritisch.
Aber das ist die Struktur, wie wir sie hier haben. Wir haben auch ein bisschen hin und her überlegt, was Sinn macht. John Michael und ich haben die Titel gemeinsam überlegt, und da sind wir immer wieder zu dieser Struktur gelangt.
Ihr könnt natürlich eure eigene Meinung dazu haben. Ich habe das hier nur hingeschrieben, weil hinten die Flyer ausliegen. Wer also noch nicht den Flyer zur Predigtserie hat, ist herzlich eingeladen, ihn nachher mitzunehmen. So könnt ihr einfach wissen, was in der kommenden Woche dran ist.
Ich befürchte nämlich, wenn ich drei bis vier Kapitel pro Woche predige, werdet ihr das nicht so gut verstehen, wenn ihr euch vorher nicht mit dem Text beschäftigt habt. Denn ich kann nicht alles im Detail erklären, ich kann nicht alles lesen, und ich werde manches als bekannt voraussetzen müssen.
In gewisser Weise ist das, was wir da vorhaben, eine Überforderung für die Gemeinde und ganz sicher auch für den Prediger. Deshalb bin ich dankbar für jedes Gebet, auch für das Predigtschreiben in den nächsten Wochen.
Ich bin gerade an Predigt Nummer zwei dran und habe festgestellt, dass es nicht so einfach ist, vier Kapitel in eine Predigt unterzubringen. So viel erstmal zur Struktur.
Kernbotschaft und Thema der Offenbarung
Das Thema habe ich bereits angesprochen. Letztendlich erhalten wir eine Kernbotschaft: Gott hat alles im Griff. Schwierigkeiten und Leid werden kommen. Es wird eine Zeit geben, in der vieles für die Christen sehr schwer wird. Doch letztendlich hat Gott alles unter Kontrolle und führt alles zu einem guten Ende.
Das bedeutet, dass wir immer wieder einen kosmischen Konflikt zwischen Gott und Jesus Christus, dem Lamm, sehen werden. Jesus ist letztendlich siegreich. Dem gegenüber stehen Satan und sein Gefolge. Dieser Konflikt betrifft uns alle und nimmt uns mit. Niemand bleibt davon unberührt.
Damit kommen wir zu den wirklich spannenden Fragen. Die Offenbarung enthält viele Bilder und viel Symbolik. Ich glaube, eines können wir festhalten, wenn wir gleich in die verschiedenen Positionen einsteigen: Symbolik auszulegen ist einfach schwierig, und es kann zu unterschiedlichen Erkenntnissen kommen.
Grundsätzlich sollte man anerkennen, dass viel Symbolik enthalten ist. Wir sollten nicht alles zwingend wortwörtlich auslegen. Besonders bei den Zahlen gibt es vieles, das eine tiefere Bedeutung hat. Wenn wir diese nur wortwörtlich nehmen, führt uns das in eine Sackgasse.
Zum Beispiel die Zahl 144. Ich glaube nicht, dass der Himmel dann einfach voll ist und dass sich danach kein Jude mehr bekehren darf. Falls jemand das glaubt, möchte ich dazu ermutigen, diese Position zu überdenken. Genauso verhält es sich mit manchen Bildern.
Ich halte es nicht für hilfreich, die Bilder einfach wortwörtlich zu nehmen. Das habe ich am Sonntag schon gesagt. Es geht nicht darum zu denken, dass aus Jesu Mund tatsächlich ein Schwert kommt. Oder dass er in Kapitel 4 plötzlich kein Mann mit weißem Wollgewand, Hahn und Schwertzunge und Goldfüßen mehr ist, sondern ein geschlachtetes Lamm mit sieben Hörnern.
Dahinter steckt viel Symbolik. Es geht nicht darum zu sagen: So sieht er aus. Ich hoffe, wir können uns darauf einigen, auch wenn es bei anderen Punkten vielleicht unterschiedliche Meinungen gibt.
Verschiedene Auslegungsansätze der Offenbarung
Zwei große Fragen wollen wir heute noch betrachten, und wir werden uns länger damit beschäftigen. Zum einen geht es um Auslegungsansätze: Wie kann man die Offenbarung überhaupt unterschiedlich lesen? Das hat viel damit zu tun, auf was sich die Prophetien beziehen, wann sie sich erfüllen oder bereits erfüllt haben. Wir werden vier unterschiedliche Ansätze betrachten.
Zum anderen geht es um die Endzeitmodelle, von denen es drei bis vier wirklich verbreitete gibt. Bevor ich diese vorstelle, möchte ich eine Sache mit uns tun: Ich möchte uns an etwas erinnern, das wir uns als Gemeinde gemeinsam vorgenommen haben. Wer kennt dieses Dokument? Okay, relativ viele Hände, aber nicht alle.
Die "Theologischen Grundlagen der Freien Evangelischen Gemeinde München" sollten alle Mitglieder bekommen haben, entweder damals, als wir es publiziert haben, wenn sie bei einer Mitgliederversammlung dabei waren, oder später im Mitgliedsprozess. Wir geben es typischerweise zusammen mit der Satzung heraus.
Darin definieren wir ganz kurz und knapp ein paar Dinge. Es ist kein Glaubensbekenntnis, das jeder unterschreiben muss, sondern es sind Leitplanken für Leitung und Lehre in der Gemeinde. Das heißt, der Ältestenkreis hat gesagt: Das ist unser Konsens, und daran wollen wir uns orientieren. Es sind ein paar Dinge, die uns wichtig sind.
Als wir das Dokument verfasst haben, hatten wir übrigens eine Grundlage: das Glaubensbekenntnis der Freien Evangelischen Gemeinden aus den USA, der Evangelical Free Church of America. Wir haben uns also nicht einfach ein eigenes Ding gemacht, sondern uns an unserem Schwesterbund orientiert. Damals hat Jörg Zagray das übersetzt.
Wir stellten fest, dass die Grundlagen sehr offen und relativ weit gefasst sind. Allerdings vertraten sie in der Endzeit eine ganz spezifische Position. Das war der einzige Punkt, den wir damals herausgestrichen haben, weil wir ihn nicht für hilfreich hielten. Wir haben nicht darüber diskutiert, wie wir das sehen oder ob wir abweichende Meinungen haben. Wir haben einfach grundsätzlich gesagt: Uns in der Endzeit festzulegen, erscheint uns nicht weise. Die Gemeinde ist viel zu bunt, und alles andere wird relativ breit gehalten. Hier aber wurde es plötzlich sehr eng – das passt nicht, und darum haben wir es rausgestrichen.
Das heißt, was über die Zukunft in diesem Dokument steht, kann hoffentlich jeder unterschreiben, egal welche Position er vertritt. Aber wir haben noch etwas Wichtiges geschrieben: über den Umgang mit unterschiedlichen theologischen Überzeugungen. Vielleicht ist heute ein guter Abend, uns daran zu erinnern.
Die in den theologischen Grundlagen benannten Positionen bilden die Leitplanken für Leitung und Lehre in der FG München-Mitte. Darüber hinaus gibt es theologische Themen, zu denen es in unserer Gemeinde teilweise unterschiedliche Überzeugungen gibt. Zu nennen wären hier unter anderem Aspekte der Lehre über die Endzeit, zum Beispiel im Hinblick auf die Natur und Abfolge des tausendjährigen Reichs und der Trübsalszeit.
Wenngleich wir uns zur Lehre von der Klarheit der Schrift bekennen – das heißt, wir glauben nicht, dass drei verschiedene Positionen gleich richtig sein können. Sie können bestenfalls gleich falsch sein. Wir glauben, die Schrift ist klar. Uns ist bewusst, dass unsere Erkenntnis, und das trifft heute auf mich in ganz besonderer Weise zu, immer nur Stückwerk ist.
Wir wollen in Demut und Liebe die unterschiedlichen Positionen, die über unsere gemeinsamen theologischen Grundlagen hinausgehen, in der Gemeinde respektieren. Theologisch unterschiedliche Positionen sollen und dürfen uns nicht von unserem gemeinsamen großen Auftrag nach Matthäus 28,19 ablenken. Wir wollen daher die Gemeinsamkeiten herausstellen und uns in Dienst und Verkündigung um Einigkeit und Einmütigkeit nach Kräften bemühen.
Wir respektieren die Meinung und Position des Anderen und vermeiden polarisierende oder ausgrenzende Stellungnahmen. In unserem Dienst wollen wir offen für Wachstum in der Erkenntnis von Gottes Wort sein und anerkennen, dass unsere Erkenntnis Stückwerk ist und bleibt, bis der Herr wiederkommt.
Zu den Themen, zu denen es unterschiedliche Überzeugungen gibt, wollen wir uns um eine differenzierte Verkündigung und Lehre in der Gemeinde bemühen. Das ist mir heute ganz persönlich wichtig. Ihr dürft mich daran erinnern oder zurechtweisen, wenn ihr denkt, ich habe das nicht ordentlich gemacht.
Wenn also jemand eine Position vertritt und denkt, ich habe ihn nicht respektiert oder mit seiner Position veralbert, dann sagt mir das bitte direkt und weist mich zu Recht. Gleichzeitig möchte ich dafür werben, wenn wir nachher Diskussionen öffnen, dass wir auch in dieser Weise Fragen stellen und, wenn überhaupt nötig, Statements abgeben – also in Demut und Liebe und selbst belehrsam sein.
Es gibt Leute, die haben ihre Meinung so fest, dass sie nur darauf warten, mir das nachher zu sagen. Das weiß ich jetzt schon, ich kenne mein eigenes Herz.
Kommen wir zu den Auslegungsansätzen. Wir haben vier: präteristisch, historisch, futuristisch und idealistisch. Große Worte, aber eigentlich ganz einfach.
Der präteristische Ansatz kommt vom Wort Präteritum, also Dinge der Vergangenheit betreffend. Das heißt, in diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass der Großteil der Offenbarung schon geschehen ist.
Leider habe ich die Bilder nur auf Englisch gefunden, aber ich glaube, man kann es verstehen: Kapitel 1 bis 3, 4 bis 7, 12 bis 19. Die präteristische Position sagt letztendlich, dass die ersten drei Kapitel, die wir am Sonntag betrachtet haben, im ersten Jahrhundert geschrieben wurden. Johannes schrieb in die aktuelle Gemeindesituation hinein.
Was dann kommt, ist wahrscheinlich schon ganz früh geschehen. Die meisten Vertreter des präteristischen Ansatzes denken, dass Johannes die Offenbarung früher geschrieben hat, als ich es vorhin postuliert habe. Sie sagen, er schrieb sie vielleicht in den sechziger Jahren nach Christi Geburt. Relativ schnell kam dann der Fall Jerusalems, der unter anderem durch die Siegel und Posaunen beschrieben wird.
Im weiteren Verlauf sieht man einen relativ klaren Bruch zwischen Kapitel 11 und 12. Ab Kapitel 12 bis 19 ist eventuell der Fall des Römischen Reichs beschrieben – also letztendlich auch schon lange in der Vergangenheit.
Der Charme dieses Ansatzes liegt darin, dass er die Aussage vom Beginn des Briefes ernst nimmt, wenn Johannes schreibt, dass diese Dinge in Kürze geschehen müssen und die Zeit nahe ist. Die Vertreter dieses Ansatzes sagen: Genau!
Worauf wir jetzt nur noch warten, je nach Endzeitposition, ist eventuell ein noch bevorstehendes Millennium, ein tausendjähriges Reich. Und dann, da sind sich alle einig, steht auf jeden Fall noch bevor: der neue Himmel, die neue Erde, also das Endgericht und die sichtbare Wiederkehr Jesu Christi.
Wer das nicht vertritt, bewegt sich außerhalb dessen, was wir hier als orthodoxe Lehre anerkennen können. Aber ich glaube, wir sind uns alle einig, dass Jesus noch nicht wiedergekommen ist, das Endgericht noch bevorsteht und die Umgestaltung in neuen Himmel und neuer Erde noch bevorsteht.
Der präteristische Ansatz sagt also, man kann diese Dinge historisch zuordnen, und grob fallen sie in die ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt.
Was daran schwierig ist, sind manche kosmischen Phänomene, die beschrieben werden. Man fragt sich, ob die wirklich schon geschehen sind. Die präteristischen Vertreter sagen, es ist symbolische Sprache, die man nicht überbewerten sollte, und es ist schon geschehen.
Der historische Ansatz vertritt, dass die Kapitel 4 bis 19, also das, was wir am Sonntag betrachtet haben, etwas beschreibt, das sich in der Kirchengeschichte entwickelt.
Kapitel 4 bis 19 liegen zwischen dem ersten und zweiten Kommen von Jesus Christus. Der historische Ansatz sieht hier eine chronologische Beschreibung. Das heißt, jeden Punkt, jedes Siegel, jede Trompete, jede Schale kann man einem bestimmten Zeitpunkt in der Kirchengeschichte zuordnen.
Sehr umstritten ist, wann diese verschiedenen Dinge geschehen sind. Ob sich zum Beispiel das zweite Siegel auf Hitler bezieht oder vielleicht schon im zweiten Jahrhundert war – da gibt es ganz unterschiedliche Positionen. Es wird viel spekuliert.
Man geht davon aus, dass diese Dinge nacheinander im Laufe der Kirchengeschichte geschehen, irgendwann alle geschehen sind, dann eine große Endschlacht kommt und am Ende dieser Zeit das tausendjährige Reich folgt.
Das ist der historische Ansatz, der viel vertreten wird. Er hat den Charme, dass das, was ab Kapitel 4 beschrieben ist, tatsächlich Dinge sind, die in Kürze anfangen und nahe bevorstehen.
Der Anfang vom "in Kürze" hat begonnen, es geht immer noch weiter. Johannes oder Gott sagen nicht, dass die Dinge in Kürze abgeschlossen sind, sondern dass es Dinge sind, die in Kürze geschehen werden.
Daher kann man nachvollziehen, wie das dazu passt. Es umfasst die ganze Zeitspanne. Der Vorteil ist, dass wir heute nicht sagen müssen, die Offenbarung sei für uns nicht relevant, wie es beim präteristischen Ansatz eventuell der Fall wäre, weil der Großteil Vergangenheit ist und der Rest weit in der Zukunft liegt.
Wir können sagen: Nein, wir sind schon irgendwo mittendrin. Wo genau, darüber kann man sich streiten. Das macht das Buch viel relevanter für uns.
Der futuristische Ansatz ist relativ klar: Die Dinge liegen größtenteils in der Zukunft. Typischerweise werden die ersten drei Kapitel dem ersten Jahrhundert zugeordnet.
Auf den Schaubildern habe ich es so gezeichnet, dass es in jeder Position Leute gibt, die das ein bisschen anders sehen. Zum Beispiel verstehen manche die Sendschreiben nicht als historische Gemeinden, sondern als symbolische Darstellungen verschiedener Epochen oder als zeitlose Botschaften an Gemeinden.
Grundsätzlich sind sich die meisten einig, dass es historische Gemeinden waren.
Im futuristischen Ansatz geht man davon aus, dass alles, was ab Kapitel 4 kommt, oder spätestens ab Kapitel 6, also die Öffnung der Siegel, ein Blick in den Himmel ist.
Kapitel 4 und 5 zeigen Gott auf seinem Thron, angebetet von 24 Ältesten und vier Kreaturen, wahrscheinlich Cherubim. Kapitel 5 zeigt Jesus, der allein würdig ist, die Siegel zu öffnen, das Lamm Gottes.
Da es eine zusammenhängende Vision ist, die bis Kapitel 8, Vers 1 reicht, sagen die meisten: Wenn die Siegel geöffnet werden, muss das alles eine Vision sein und historisch noch nicht geschehen.
Das, was in den Siegeln beschrieben wird, liegt noch in der Zukunft, nämlich in der Zeit der sogenannten Trübsal. Es gibt also eine große Pause zwischen Kapitel 3 und 4, und wir leben in dieser Pause.
Das heißt, was in Offenbarung 4 und folgenden beschrieben wird, liegt noch in der Zukunft. Zu allen Zeiten haben Vertreter dieses Ansatzes gesagt, dass es in sehr naher Zukunft liegt, aber bisher noch nicht eingetreten ist.
Das ist der futuristische Ansatz. Man kann nachvollziehen, dass Kapitel 1 bis 3 in der Vergangenheit liegen und ab Kapitel 6 die Siegel geöffnet werden. Beim sechsten Siegel kracht quasi das ganze Universum zusammen, Sterne fallen auf die Erde wie Feigen von einem Baum. So etwas haben wir wohl noch nicht erlebt.
Viele mit brüdergemeindlichem Hintergrund vertreten diesen Ansatz. Ich kann das gut nachvollziehen und finde, er hat einen gewissen Charme.
Schließlich gibt es den idealistischen Ansatz, der sich von den anderen dreien wesentlich unterscheidet. Er geht nicht davon aus, dass Kapitel 4 bis 19 chronologisch zu lesen sind.
Im idealistischen Ansatz wird angenommen, dass die verschiedenen Visionen eigentlich immer relativ dasselbe aus unterschiedlichen Blickwinkeln beschreiben.
Das heißt, das, worüber ich an diesem Sonntag predigen werde (Kapitel 4 bis 8,1), und worüber ich in der Woche danach predigen werde (Kapitel 8, Vers 2 und folgende) sowie in der Woche danach, beschreibt jeweils die Epoche vom ersten bis zum zweiten Kommen Jesu.
Das ist der idealistische Ansatz: unterschiedliche Blickwinkel auf die gleichen Geschehnisse. Eine historische Zuordnung ist nicht notwendig, weil symbolisch von Dingen die Rede ist, die nicht eindeutig zuordenbar sind.
Zum Beispiel beschreiben die ersten vier Siegel, über die ich am Sonntag sprechen werde, die Reiter, die ausziehen. Diese beschreiben Ereignisse, die sich über die gesamte Kirchengeschichte erstrecken.
Der idealistische Ansatz hat eine große Attraktivität, weil das, was nahe ist und kürzer geschieht, hier als bereits vorhanden verstanden wird. Es geschieht immer weiter und immer wieder.
Gleichzeitig wird argumentiert, dass es eine gewisse Entwicklung gibt: Die ersten Visionen betonen stärker die Dinge nahe der Gegenwart, die letzten Visionen betonen stärker die Dinge, die noch weiter in der Zukunft liegen.
Wir bekommen also ein Panorama beschrieben: Erstes Kommen Jesu, zweites Kommen Jesu. Die ersten Visionen beschreiben das intensiv, die letzten nur kurz.
Das sind die vier Ansätze. Habt ihr diese verstanden? Gibt es Verständnisfragen zu den verschiedenen Ansätzen? Bitte keine Detailfragen wie zur fünften Posaune, sondern reine Verständnisfragen zu den Ansätzen.
Samuel hat ein Mikrofon. Wenn jemand eine Frage hat, einfach die Hand heben.
Lukas Wittchen meldet sich: "Ich frage mich manchmal, hat es irgendeine praktische Auswirkung auf mein Glaubensleben, welchen Ansatz ich verfolge? Wie relevant ist das überhaupt?"
Das ist eine sehr gute Frage. Wenn ich sagen würde, es hat null Relevanz, dann würde ich sagen: Licht aus, Strom sparen, nach Hause gehen. Andererseits: Wenn es enorme Relevanz hätte, würden wir uns heute nicht mit unterschiedlichen Meinungen auseinander setzen.
Welche Relevanz hat es also? Ich glaube, je nachdem, wie ich die Offenbarung verstehe, ordne ich mein Leben in Bezug auf Gott ein.
Vertrete ich zum Beispiel den historischen Ansatz, ist es interessant zu fragen: Wo sind wir gerade? Das hilft zu wissen, was als Nächstes zu erwarten ist.
Das kann konkret helfen, sich vorzubereiten.
Wenn ich den präteristischen Ansatz vertrete und denke, alles sei schon geschehen, sehne ich mich nur noch danach, dass endlich das Millennium beginnt.
Vertrete ich den futuristischen Ansatz, habe ich diese Hoffnung nicht, sondern glaube, mich darauf vorbereiten zu müssen, dass die Zeiten schwerer werden.
Ich schaue also unterschiedlich in die Zukunft.
Ist die Relevanz enorm groß? Nein, sonst müssten wir uns heute alle festlegen.
Ist es hilfreich, sich zu positionieren und ein Gefühl dafür zu bekommen, was jetzt eigentlich schon kommt? Ja.
Es hat auch eine große Bedeutung, wenn ich weiß, dass Gottes Wort nütze ist, dann will ich es verstehen. Dazu muss ich mich orientieren.
Ich kann mich nicht positionieren, wenn ich denke: Einerseits glaube ich, das ist alles schon geschehen, andererseits noch nicht, aber wir leben mittendrin. Das führt zu Verwirrung.
Gibt es sonst Fragen? Das kommt jetzt auf den Ansatz an. Vertrete ich den futuristischen Ansatz, kommt alles erst noch.
Ich werde noch sagen, welchen Ansatz ich in der Predigtserie vertreten werde. Ich wollte aber erst einmal sicherstellen, dass jeder anerkennt: Die Positionen sind so dargestellt, dass niemand blöd gemacht wird. Alle Positionen sind argumentierbar.
Gibt es sonst Verständnisfragen? Wenn nicht, oute ich mich jetzt.
Als ich das heute im Seniorenkreis kurz angerissen habe, hat mich Manfred Jablonski ganz entgeistert angeschaut. Das werdet ihr jetzt auch tun.
Um es kurz zu machen: Ich vertrete den idealistischen Ansatz. Ich will das kurz erklären, nicht um euch zu überzeugen, sondern damit ihr versteht, warum ich in den nächsten Predigten so vorgehe.
Ich glaube, dass wir vor große Probleme gestellt werden, wenn wir die Offenbarung chronologisch lesen.
Ich glaube, wir sehen Zyklen.
Am Sonntag, wenn ich durch die Siegel gehe, werde ich sagen: Wenn wir das sechste Siegel sehen, wie alles zusammenkracht, und dann das siebte Siegel, wenn nur noch Schweigen im Himmel ist, glaube ich, dass im sechsten Siegel etwas beschrieben wird, das noch in der Zukunft liegt: das große Gericht Gottes.
In Kapitel 7, wenn der Zorn Gottes ausgegossen wird, herrscht Stille im Himmel. Niemand jubiliert mehr, sondern staunt nur noch.
Das ist meine Überzeugung.
Woran mache ich das fest? Zum Beispiel daran, dass im sechsten Siegel (Kapitel 6, Verse 12 und 13) die Sterne alle auf die Erde fallen.
Bei der vierten Posaune in Kapitel 8, Verse 12 und 13 wird der dritte Teil der Sterne geschlagen und fällt auf die Erde.
Ich glaube nicht, dass zwischen Kapitel 6 und Kapitel 8 jemand die Sterne wieder an den Himmel hängt.
Mir ist klar, dass das symbolische Sprache ist und dass hier vielleicht verschiedene kosmische Phänomene beschrieben werden: einmal alles zusammenkracht, später nochmal etwas anderes.
Ich schließe andere Positionen nicht aus, halte das aber für plausibel.
Außerdem sehe ich, dass Posaunen und Zornesschalen aus unterschiedlichen Blickwinkeln dasselbe beschreiben.
Sie spielen sich jeweils im gleichen Raum ab.
Die erste Posaune und die erste Schale betreffen jeweils die Erde, die zweite Posaune und die zweite Schale den See, die dritte die Flüsse, die vierte die Sonne.
Die fünfte Posaune und die fünfte Schale betreffen jeweils den Abgrund beziehungsweise den Thron des Tieres, des Feindes Gottes.
Die sechste Posaune und die sechste Schale betreffen den Euphrat.
Die siebte Posaune und die siebte Schale Jesus.
Ich glaube, hier kommt alles zu einem Ende.
Wir sehen auch bestimmte Dinge wie die dreieinhalb Jahre in Kapitel 11 und 12 in unterschiedlichen Visionen.
Ich glaube, sie beschreiben letztlich denselben Zeitraum.
Ich sehe in Kapitel 12, Vers 5, wo ein Kind von einer Frau geboren wird, das erste Kommen Jesu, das in Kapitel 12 beschrieben wird.
Das ist keine chronologische Einordnung, sondern der Beginn des gleichen Zyklus.
Ich sehe in Kapitel 12, vor allem in Versen 9 bis 12, vieles, was sehr parallel klingt zu Offenbarung 20, Verse 1 bis 7.
Meine persönliche Position ist, dass wir in einem Zyklus mehr oder weniger die gleichen Dinge beschrieben bekommen, nämlich was zwischen dem ersten und zweiten Kommen Jesu geschieht.
Das ist der idealistische Ansatz.
Viel tiefer will ich nicht darauf eingehen.
Viele Ausleger kombinieren Auslegungsansätze, zum Beispiel lässt sich der idealistische Ansatz gut mit dem präteristischen Ansatz verbinden.
Man könnte sagen, dass bestimmte Dinge, die in den verschiedenen Zyklen erwähnt werden, schon geschehen sind und sich historisch zuordnen lassen.
Ich persönlich tue mich schwer, Dinge klar zuzuordnen.
Am Sonntag werde ich das kurz andeuten, wenn die vier Reiter am Anfang von Kapitel 6 kommen.
Ich glaube nicht, dass sie nacheinander kommen.
Ich glaube auch nicht, dass man ein Buch so lesen kann, dass man ein Siegel öffnet, ein bisschen liest, dann das nächste Siegel öffnet.
Ich glaube, man muss alle Siegel öffnen, um das Buch zu verstehen.
Die ersten vier Siegel beschreiben vier parallel laufende Phänomene, die sich über die gesamte Kirchengeschichte erstrecken: Kriege, Hungersnöte, Tod.
Das erste Siegel ist spannend: Ist es Christus oder der Antichrist? Darüber können wir am Sonntag diskutieren. Ich bin mir noch nicht ganz sicher.
Ich glaube, es gibt beides: Christus, dessen Wort sich über die ganze Zeit ausbreitet, und den Antichristen, der falsche Lehre streut.
Mehr weiß ich dazu nicht. Meine Erkenntnis ist offensichtlich Stückwerk. Vielleicht habt ihr mehr Erkenntnis. Ich versuche, es so gut wie möglich darzustellen.
Macht das Sinn? Nachvollziehbar? Ich meine nicht, ob ihr das alle so seht – das ist mir nicht so wichtig.
Karola, bitte.
Samuel kommt mit dem Mikrofon.
Karola fragt: Beim historischen Ansatz verstehe ich, dass alles hintereinander gesehen wird: erst die Siegel, dann die Posaunen, dann die Schalen.
Beim idealistischen Ansatz dachte ich, dass alle Siegel, Posaunen und Schalen quasi parallel gesehen werden – erstes Siegel, zweites Siegel, drittes, viertes, fünftes, sechstes, siebtes und die Schalen usw.
Siehst du das innerhalb trotzdem nicht chronologisch? Siehst du das erste Siegel, die erste Posaune und so weiter als historische Ereignisse, die vielleicht schon waren oder bei der dritten Schale, dem dritten Siegel? Oder siehst du das nicht unbedingt so?
Sehr gute Frage.
Erstens würde ich nicht behaupten, dass das erste Siegel immer parallel zur ersten Posaune und ersten Schale ist.
Ich glaube nicht, dass sie alle parallel sind.
Ich glaube, dass das, was in verschiedenen Visionen beschrieben wird, denselben Zeitraum beschreibt.
Ich kann mir gut vorstellen, dass das, was im sechsten Siegel beschrieben wird, aufgegriffen wird und dass das sechste und siebte Siegel letztlich das sind, was in allen sieben Zornesschalen beschrieben wird.
Es gibt keine eins-zu-eins-Zuordnung.
Zweitens glaube ich, dass wir die Abläufe nicht zwingend auch innerhalb der einzelnen Visionen chronologisch sehen können.
Das werden wir in den Predigten noch genauer betrachten.
Manches ist aber ziemlich offensichtlich chronologisch, zum Beispiel, dass das sechste Siegel auf die ersten vier folgt.
Die ersten vier Siegel laufen meines Erachtens parallel, das fünfte ist etwas anders: Es sind die Märtyrer, die fragen, wie lange sie noch warten müssen, bis das Endgericht kommt.
Ich glaube, der Ruf der Märtyrer ist ein symbolisches Bild, das über einen längeren Zeitraum gilt und vielleicht parallel zu den ersten vier Siegeln läuft.
Das fünfte Siegel kommt wirklich erst danach.
Nicht alles ist chronologisch innerhalb der Vision, aber teilweise schon.
Ganz schön kompliziert, oder?
Ich glaube, wenn wir die Offenbarung so lesen, macht das manche Dinge einfacher, weil wir nicht die Schwierigkeit haben, die Sterne wieder an den Himmel hängen zu müssen.
Ich habe diesen Ansatz nicht immer vertreten und habe gerungen, bibeltreu zu bleiben und alles chronologisch passend zu machen.
Es gibt Kommentare, die Antworten geben.
Als ich den idealistischen Ansatz zum ersten Mal erfuhr, dachte ich: Okay, das kann ich gut nachvollziehen.
Man kann es auch anders sehen.
Sigrid, bitte.
Dann Kilian.
Wir sind durch Bilder geprägt vom Fernsehen und so weiter.
Gibt es nicht eine Tabelle oder etwas Ähnliches zu den unterschiedlichen Ansätzen? Fakten sind schön, aber wenn man die vier Dinge entbildet, hätte man nicht so viele Fragen zu beantworten.
Sigrid, wenn du mir die finden könntest, wäre ich dir zu großem Dank verpflichtet.
Ich habe im Internet gesucht, wo man Darstellungen findet.
Das Problem ist, dass in den meisten Darstellungen eine Position so klar vertreten wird, dass ich keine faire Darstellung der anderen Positionen gefunden habe.
Meistens wird die eine Position sehr gut beschrieben, die anderen so, dass sie nicht richtig sein können.
Das ist die Problematik.
Die Bilder habe ich aus der ESV Study Bible genommen, die ich sehr fair fand. Sie stellt die Modelle gegenüber.
Eine sehr gute Darstellung der Endzeitmodelle und Auslegungsvarianten findet sich bei Wayne Grudem in seiner biblischen Dogmatik.
Das Buch kann ich jedem Christen empfehlen. Es kostet zwar 50 Euro, aber dafür bekommt man auch zwei Seiten.
Was mich an dem Buch fasziniert, ist, dass man einzelne Kapitel isoliert lesen kann.
Das Kapitel zu den Endzeitmodellen ist super geschrieben und klar beschrieben.
Was mich am meisten beeindruckt hat: Wayne Grudem vertritt ein Endzeitmodell, das ich nicht vertrete, und hat es so fair dargestellt, dass ich seine Argumente unterstreichen konnte.
Das ist ein Mann, der unterschiedliche Positionen fair und biblisch gut begründet darstellt.
Das Buch gibt es bestimmt bei Sepp am Büchertisch.
Kilian von Pyrrha, unser Gast aus Wiesn und Theologiestudent, hat eine Frage.
Er fragt, wie sich eventuell der dritte und vierte Ansatz verbinden lassen könnten.
Würdest du sagen, dass verschiedene Dinge schon passiert sind oder dass alles dasselbe beschreibt, also idealistisch ist, aber alles noch in der Zukunft liegt?
Man könnte das wahrscheinlich machen.
Man könnte versuchen, die jeweiligen Dinge auseinanderzunehmen, sodass ein Hauptaspekt, die Trübsal, noch nachgelagert ist.
Es gibt Ausleger, die vermischen verschiedene Ansätze, was das Lesen verrückter macht, aber nicht zwingend falsch sein muss.
Die Frage ist legitim.
Es gibt Ansätze, wo Dinge vermischt werden.
Aber ich sage: Wenn du nicht einmal eine klare Entscheidung triffst, wie du die Offenbarung lesen willst, warum soll ich dir folgen?
Das wirkt auf mich extrem beliebig.
Ich habe solche Kommentare gelesen und fand es schwierig, ihnen zu folgen.
Sonst noch Fragen?
Manfred Jablonski hat den ganzen Nachmittag nachgedacht und sagt: Ich gehe jetzt ein paar Jahrhunderte zurück, zu Luthers Zeiten.
In dieser Form vermute ich, dass Luther die Ansätze nicht so thematisiert hat, wie wir sie heute kennen.
Aus seinen Schriften kann man vielleicht entnehmen, welche er vertreten hat.
Ganz sicher bin ich mir nicht.
Luther war entweder Idealist oder Historizist.
Er hätte auf jeden Fall nicht den futuristischen Ansatz vertreten, weil er überzeugt war, dass der Papst schon mitten dabei war.
Deshalb auch nicht den präteristischen Ansatz, weil der Papst noch aktiv war.
Ich nehme an, Luther war eher historisch oder idealistisch.
Genau weiß ich es nicht.
Wer es weiß, kann es gern sagen.
Ich bin Lutherfan und habe die gleichen Initialen, mehr nicht.
Ich weiß, dass Luther die Offenbarung allgemein nicht für so wichtig hielt.
In seiner ersten Ausgabe hat er negative Kommentare dazu verfasst, so nach dem Motto: Das braucht man nicht so genau lesen.
Das ist mein Kenntnisstand.
Deshalb hat er sich wohl nicht festgelegt.
Luther interessierte vor allem das Evangelium.
Später, als er sich mit dem Papst und der katholischen Kirche auseinandersetzte, hat er mehr dazu gesagt.
Ute ergänzt: Meines Wissens hat Luther das tausendjährige Reich ignoriert und sich mit den Prophetien zurückgehalten.
Ich kann nur sagen: Ich bin auch Lutherfan und an seinem Tauftag geboren. Aber Luther war nur ein Mensch, hatte Fehler und gewann Einsichten nach und nach.
Er kann ein Beispiel für uns sein.
Amen, Schwester Ute.
Rein technische Zwischenfrage: Was heißt "Harlott"?
"Harlott" ist eine Hure, um die es in der Offenbarung geht.
An dem Tag werden wir hier Einlasskontrollen machen.
Interessant ist, dass in der Kirchengeschichte jeder versucht hat, den Antichristen abzubilden: Nero, Papst, Hitler, Obama.
Das passt zum idealistischen Ansatz, weil der immer relevant ist.
So haben alle Recht.
Das macht es einfacher als beim historischen Ansatz, wo man sich festlegen muss.
Okay, soweit?
Ich sehe keine Wortmeldungen mehr.
Dann zum nächsten kontroversen Punkt.
Ach doch, Entschuldigung, Alex Chinel.
Kurze Frage: Mir fällt ein Vers ein, wo Jesus gefragt wird, wann das sein wird. Er sagt, es ist nicht eure Sache, Zeitpunkte zu wissen.
Könnte das auch für uns und die Offenbarung relevant sein?
Definitiv.
Wir können nicht ausrechnen, wann wir durch sind und wann Jesus wiederkommt.
Das wissen wir nicht.
Jetzt wollen alle was dazu sagen.
Ich hoffe, keiner sagt: Ich weiß es aber.
Ich möchte noch sagen, was Gott zu Daniel sagte: Wenn die Zeit reif ist, werden die, die zu ihm gehören, es verstehen.
Jetzt sollen wir es hören, lesen und behalten.
Amen.
Das werde ich gleich auch aufgreifen, bevor wir zu den Endzeitmodellen kommen.
Hier gibt es noch eine Wortmeldung.
Herr Brenz wird uns jetzt noch einmal die Welt erklären.
Ein weiterer Bibelgeist sagt: Seid bereit, denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.
Was sollen wir dann streiten?
Naja, jetzt nicht alle wieder neu melden.
Wir wollen die Zeit in der Zeit erkennen.
Deshalb wollen wir wachsam sein.
Ich wollte mich nicht gering schätzend über den Bibeltext äußern; ich nehme ihn sehr ernst.
Überblick über die Endzeitmodelle
Kommen wir nun zu den Endzeitmodellen. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die Gefahr schon bei den Auslegungsmodellen besteht, aber noch größer ist sie bei den Endzeitmodellen. Die Gefahr besteht darin, dass wir uns ein bestimmtes Modell aussuchen und es dann in eine ganz geschlossene Hand nehmen.
Ich möchte uns kurz daran erinnern, dass die Juden zur Zeit Jesu ein Problem hatten. Sie hatten nämlich ein festes Modell davon, wie es sein würde, wenn der Messias kommt. Dieses Modell basierte auf den Propheten. Sie hatten ihr Modell festgelegt und abgeschlossen, und Jesus passte nicht hinein. Deshalb konnte und durfte er nicht der Messias sein, und sie erkannten ihn nicht.
Unser Auftrag ist es, wachsam und vorbereitet zu sein. Es ist etwas Seligmachendes, die Botschaft zu hören und zu behalten. Aber wir sollten sie nicht in ein Modell einschließen, das so festgefügt ist, dass kein Raum mehr bleibt, dass Gott es vielleicht anders machen könnte, als es in unserem Modell dargestellt ist. Dafür möchte ich sehr werben.
Ich werde später sagen, dass ich mich leicht für ein Modell outen werde. Ich möchte einfach, dass ihr wisst, wohin die Predigtserie geht, damit niemand am vierten Advent überrascht ist oder zusammenzuckt. Aber ich halte dieses Modell in einer offenen Hand. Ich bin gerne bereit, es fallen zu lassen. Und ich habe gute Gründe dafür.
Wie ich eben beschrieben habe, erkenne ich in den vier Ansätzen jeweils eine gewisse biblische Logik. Meine Welt würde nicht zusammenbrechen, wenn Jesus morgen wiederkäme. Mir sei Matthias genannt, der mit seinem idealistischen Ansatz völlig danebenlag. Aber okay, Jesus, du bist Herr, dein Modell machen wir so, wie du willst.
Ich glaube, wenn wir das Modell offen halten, können wir die Zeichen der Zeit erkennen. Wenn es dann geschieht und wir es in unserem Modell haben, können wir sagen: „Ah, so war das gemeint, jetzt verstehe ich es.“
Kommen wir zu den Endzeitmodellen. Ich gebe zuerst eine kurze Übersicht über vier Endzeitmodelle. Ich habe das etwas lang gestreckt, ich weiß, es sieht jetzt vielleicht ein bisschen komisch aus, aber unsere Folien sind ja im weiten Querformat.
Grundsätzlich gibt es vier Modelle: den klassischen Prämillennialismus oder auch den historischen Prämillennialismus, dann den dispensationalistischen Prämillennialismus, auch prätribulationistischer Prämillennialismus genannt. Die Begriffe werde ich am Ende abfragen, also ich hoffe, ihr merkt sie euch gut. „Prä“ bedeutet immer „vor“, also vor der Trübsal, vor dem Millennium. Es bezieht sich immer auf das Wiederkommen von Jesus.
Eine Variante sagt, Jesus kommt vor dem Millennium wieder, dann folgt das Millennium. Der zweite Ansatz sagt, Jesus kommt nicht nur vor dem Millennium wieder, sondern sogar schon einmal vor der großen Trübsal sichtbar zurück und dann noch einmal vor dem Millennium. Das ist der dispensationalistische oder prätribulationistische Prämillennialismus.
Dann gibt es den Postmillennialismus, der sagt, Jesus kommt nach dem Millennium wieder. Hier gibt es ein ganz anderes Verständnis davon, was das Millennium ist.
Und schließlich gibt es den Amillennialismus, der kein zukünftiges Millennium annimmt. Das heißt, das Millennium, das tausendjährige Reich, wird symbolisch als jetzt verstanden. Jesus kommt wieder, und dann endet alles, und die Ewigkeit beginnt.
Das sind die vier Ansätze. Diese Darstellung habe ich auch im Internet gefunden. Ich weiß nicht, ob die besser ist, Sigrid, aber ich habe mich bemüht, etwas Passendes zu finden. Viel mehr habe ich nicht gefunden. Außerdem habe ich aus Wayne Grudems Werken, per Raubkopie, aber bitte nicht weitersagen, einige Bilder genommen, damit wir jeweils ein kleines Schaubild haben.
Ich möchte also diese vier Sichtweisen vorstellen und uns helfen, sie so gut wie möglich zu verstehen.
Klassischer Prämillennianismus
Der Prämillennialismus besagt, dass Jesus Christus vor dem Millennium, also vor dem tausendjährigen Reich, wiederkommt. Im klassischen Prämillennialismus geht man davon aus, dass wir uns derzeit im Gemeindezeitalter befinden. Am Ende dieses Gemeindezeitalters folgt eine Zeit der Trübsal.
Die spannende Frage ist, wie diese Trübsalzeit zu verstehen ist. Hier gibt es unterschiedliche Auslegungsmodelle. Entweder ist die gesamte Zeit bereits eine Trübsal, wie es beispielsweise in der historischen oder idealistischen Auslegung gesehen wird. In diesem Fall wäre diese Trübsal einfach Teil der aktuellen Zeitspanne, und irgendwann kommt Jesus wieder.
Im klassischen Prämillennialismus hingegen folgt auf diese Zeit eine Entrückung. Diese Entrückung wird als das Entgegenrücken des siegreichen Königs Jesus verstanden, der auf die Erde kommt. Die Gläubigen, sein Volk, begegnen ihm quasi an den Toren der Stadt. Dieses Bild lehnt sich an die historische Praxis in Israel an, bei der der König nach einem Sieg von seinem Volk an den Stadttoren empfangen wurde. Gemeinsam kehrten sie dann in die Stadt zurück und feierten ein großes Fest.
So wird hier verstanden, dass die Gläubigen Jesus entgegenkommen und mit ihm auf die Erde zurückkehren, um dort für tausend Jahre zu leben. Es handelt sich um einen unmittelbaren Prozess. In diesem Zusammenhang gibt es die Auferstehung der Gläubigen. Sowohl die Gläubigen, die noch auf der Erde leben, als auch die bereits Verstorbenen werden auferstehen. Sie erhalten einen erneuerten, auferstandenen Leib und werden zusammen mit Jesus für tausend Jahre auf der Erde leben.
Dies ist das Verständnis des historischen, klassischen Prämillennialismus. Er besagt, dass alles, was ab diesem Punkt beschrieben wird, also bis Kapitel 19 der Offenbarung, abgeschlossen ist. Ab Kapitel 20 beginnt dann die Beschreibung des Millennium. Dort heißt es: "Ich sah einen Engel vom Himmel herabfahren, der hatte den Schlüssel zum Abgrund und eine große Kette in seiner Hand. Er ergriff den Drachen, die alte Schlange, das ist der Teufel und Satan, fesselte ihn für tausend Jahre und warf ihn in den Abgrund. Dann verschloss er ihn und setzte ein Siegel oben darauf, damit er die Völker nicht mehr verführen sollte, bis die tausend Jahre vollendet wären."
Danach muss Satan für eine kurze Zeit losgelassen werden. Das bedeutet, dass die tausend Jahre Satan gebunden ist, gefolgt von einer kurzen Zeit des großen Aufruhrs auf der Erde. Während dieser Zeit herrscht Jesus sichtbar auf der Erde zusammen mit den Gläubigen. Viele Menschen werden in dieser Zeit noch zum Glauben kommen, einige werden jedoch ungläubig bleiben. Es wird weiterhin Sünder und Ungläubige geben, aber ihre Zahl wird begrenzt sein. Dieses Leben wird sich deutlich von unserem heutigen Leben auf der Erde unterscheiden.
Es handelt sich jedoch noch nicht um den ewigen Zustand. Diese Sichtweise versteht die tausend Jahre als ein herrliches Reich, das aber noch nicht die volle Herrlichkeit der Ewigkeit besitzt. Am Ende dieser Zeit erfolgt die Auferstehung der Ungläubigen und das Gericht. Danach findet die Endschlacht statt, in der Satan endgültig besiegt wird. Anschließend folgen der neue Himmel, die neue Erde und die Ewigkeit.
Was spricht für dieses Modell? Zum einen die Beschreibung des tausendjährigen Reiches in Offenbarung 20,1-6. Die Vertreter dieser Position verweisen auch auf weitere Stellen, insbesondere im Alten Testament, die auf ein solches Reich hinweisen. Zum Beispiel Jesaja 65, aber auch Jesaja 11 und Jesaja 14, in denen jeweils Zustände beschrieben werden, die ganz anders sind als das, was wir heute auf der Erde erleben, aber noch nicht Ewigkeit sind.
So heißt es beispielsweise, dass jemand, der mit hundert Jahren stirbt, als wahrer Jüngling gilt. Der Tod existiert also noch, aber die Menschen werden deutlich älter. Es gibt einen neuen Frieden, wie ihn bisher noch nicht gegeben hat. Die prophetischen Aussagen deuten darauf hin, dass es eine Phase geben wird, die nicht mehr unser heutiger Zustand auf der Erde ist, aber auch noch nicht die Ewigkeit darstellt.
Vor allem aber stützt sich dieses Modell auf Offenbarung 20. Das ist die klassische Sichtweise des Prämillennialismus.
Prätribulationistischer Prämillennianismus
In der Kirchengeschichte hat sich später eine etwas andere Lesart des Prämillennialismus stark verbreitet, nämlich der prätribulationistische Prämillennialismus, den wir bereits kurz angesprochen haben. Diese Sicht geht davon aus, dass Jesus vor der Trübsal wiederkommt. Dieses Modell funktioniert nur in Verbindung mit dem Futurismus, was, glaube ich, klar ist. Das bedeutet, die Trübsal beginnt erst nach der Entrückung.
Vorausgesetzt, dass wir nicht das Pech haben, diese Zeit zu erleben und nicht dabei sind, kann erst danach, also ab Offenbarung Kapitel 4, das Geschehen beginnen. Das heißt, wir müssen uns eigentlich gar nicht so viele Gedanken über die Trübsalzeit machen. Vielleicht ist das auch eine Antwort auf deine Frage, Lukas: Wenn wir an Jesus glauben, werden wir nicht mehr in der Trübsalzeit sein, weil wir vorher entrückt werden.
Es gibt auch Lesarten, die sagen, die Entrückung könnte erst in der Mitte der Trübsalzeit stattfinden. Ich möchte es hier aber nicht zu kompliziert machen. Die Entrückung vor der Trübsal beruht auf derselben Textstelle, nämlich 1. Thessalonicher 4,16-17. Ich möchte diese Stelle einfach vorlesen, weil sie eine ernst zu nehmende Bibelstelle ist:
„Denn der Herr selbst wird, wenn der Befehl ergeht und die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallt, vom Himmel herabkommen. Die Toten in Christus werden zuerst auferstehen, danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zusammen mit ihm entrückt werden in Wolken, zur Begegnung mit dem Herrn in der Luft.“
Diese Stelle wird so verstanden, dass das tatsächlich geschieht. Es gibt auch Stellen in der Offenbarung, die so gelesen werden können, dass die Gläubigen vor den schlimmsten Ereignissen der Trübsal bewahrt werden, also herausgelöst werden.
Während dieser sieben Jahre wird es auf der Erde eine große Sammlung des jüdischen Volkes geben. Es wird eine große Erweckung unter den Juden geben, die erkennen, dass Christus der Messias ist, und zum Glauben kommen. Am Ende der Trübsalzeit kommt Jesus dann mit den Gläubigen zurück auf die Erde. Er wird im Tausendjährigen Reich herrschen, genauso wie im klassischen Prämillennialismus.
Am Ende dieser Zeit wird Satan noch einmal freigelassen. Es kommt zur großen Endschlacht, danach folgen der neue Himmel, die neue Erde, die Auferstehung der Toten und so weiter. Diese Sicht wird oft als dispensationalistischer Prämillennialismus bezeichnet und ist einer bestimmten theologischen Schule zuzuordnen. In Deutschland ist sie besonders in brüdergemeindlichen Kreisen sehr ausgeprägt.
Wer also einen brüdergemeindlichen Hintergrund hat oder einen Pastor, der brüdergemeindlich geprägt war, wird oft diese Position vertreten. Der Charme dieser Position – und hierher kommt auch der Dispensationalismus – liegt darin, dass es im 18. und frühen 19. Jahrhundert eine Reaktion auf den Liberalismus gab. Damals wurde die Bibel sehr analogisch gelesen, sodass man nichts wirklich ernst oder wörtlich nehmen konnte.
Es entstand eine Bibelbewegung, die forderte, die Bibel wieder ernst zu nehmen, also wörtlich zu lesen. Aus diesem Verlangen entstand eine Position, die auch die Prophetien aus dem Alten Testament wieder wörtlich verstehen wollte. Das heißt, wenn wir Jesaja 65 lesen, müssen wir wörtlich erkennen, dass es eine Zeitspanne gibt, die anders ist. Das ist grundsätzlich erst einmal prämillennialistisch.
Dann gibt es bestimmte Aussagen, die zu sagen scheinen, dass Christen vor oder aus der Trübsal gerettet werden, zum Beispiel beim Propheten Daniel und anderen Stellen. Das ist also der dispensationalistische Prämillennialismus.
Postmillennianismus
Drittens: Postmillenialismus
Das Reich Gottes breitet sich auf Erden langsam aus. Das Evangelium verbreitet sich, immer mehr Menschen werden gläubig, und der christliche Glaube prägt zunehmend die Gesellschaft. Bis eines Tages der Einfluss Satans so weit zurückgedrängt ist, dass er quasi gebunden ist und die Millenniumszeit, dieses tausendjährige Reich, beginnt.
In diesem tausendjährigen Reich herrscht Christus jedoch im Himmel; er ist noch nicht zurückgekommen. Das ist die Sicht der Postmillenialisten.
Auch sie führen Bibelstellen an, zum Beispiel sagt Jesus am Ende des Matthäusevangeliums: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden; darum geht hin und macht zu Jüngern alle Völker.“ Das heißt, das Evangelium breitet sich unter den Völkern aus und mehr und mehr wird die ganze Welt evangelisiert.
Vor allem werden die Gleichnisse vom Himmelreich aus Matthäus 13 angeführt. Zum Beispiel: „Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinem Acker säte. Es ist das kleinste unter allen Samenkörnern, doch wenn es gewachsen ist, ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, sodass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen.“ Das bedeutet, das Evangelium beginnt ganz klein, breitet sich aus und wird irgendwann das Größte. Die Welt wird quasi ziemlich christlich.
Ein zweites Gleichnis lautet: Das Himmelreich gleicht einem Sauerteig – wiederum das gleiche Prinzip. Es beginnt klein und breitet sich aus. Das ist der Postmillenialismus.
Ich würde fast schätzen, dass das, was im englischen Sprachgebrauch als Amillennialismus bezeichnet wird, im amerikanischen und deutschen Sprachgebrauch manchmal Postmillenialismus genannt wird. Das macht auch ein bisschen Sinn, aber darauf gehen wir jetzt nicht tiefer ein. Wer englisch geprägt ist, würde vielleicht sagen, er ist Postmillenialist, aber das passe nicht ganz hier.
Ich nehme an, dass dieses Modell in der Gemeinde wahrscheinlich wenige oder gar keine Anhänger findet. Dieses Modell hatte in der Kirchengeschichte immer dann viele Anhänger, wenn es große Erweckungszeiten gab. Der Eindruck war: „Jetzt geht es voran, und die Welt wird immer christlicher.“
Es hat im Moment ein bisschen Konjunktur. Kilian wird das in Gießen vielleicht mitbekommen oder Alex auch. Es gibt bestimmte theologische Prägungen, die reinkommen, wo man sagt, dass das Reich Gottes hier auf Erden jetzt gebaut wird. Man geht also davon aus, dass das Schlimmste fast hinter uns liegt und wir kurz davor sind.
Es gibt schöne Wörter wie „redeem the culture“ – „Wir erlösen jetzt die Kultur von säkularem Einfluss, es wird alles immer christlicher.“ Nicht alle, die diese Worte benutzen, sind Postmillenialisten, also nicht falsch verstehen. Aber manchmal geht das Denken in diese Richtung. Es ist eine sehr optimistische Sicht, würde ich sagen.
Und wie gesagt, ein völlig anderes Verständnis vom tausendjährigen Reich.
Letztendlich ist die Trübsal in diesem Sinne einfach im Gemeindezeitalter zu verorten. Wir erleben hier Trübsal. Das lässt sich gut vereinbaren mit einer idealistischen Lesart, einer historischen Lesart und auch mit einer präteristischen Lesart. Das heißt, die Trübsal war schon im ersten, zweiten, dritten Jahrhundert oder so.
Wir sind jetzt quasi schon durch die ersten neunzehn Kapitel der Offenbarung durch und befinden uns kurz vor Kapitel zwanzig. Das Millennium steht unmittelbar bevor. So wäre die Lesart hier.
Sie würden nicht sagen, es gibt keine Trübsalzeit. Sie argumentieren, dass Johannes sich selbst in Offenbarung 1,9 beschreibt und die Luther-Übersetzung sagt, er sei jemand, der in der Bedrängnis ist, an die Brüder in der Bedrängnis. Die Übersetzung lässt erkennen, dass da eine gewisse theologische Überzeugung dahintersteckt.
Das Wort, das dort steht, ist „Trübsal“. Es gibt nur dieses eine Wort für bedrängende Trübsal, das gleiche griechische Wort. In der Luther-Übersetzung werden witzigerweise zwei unterschiedliche Worte gebraucht, aber es ist dasselbe griechische Wort.
Die Argumentation ist gut nachvollziehbar: Die Bedrängnis war schon da, die Trübsal war schon da, als Johannes auf Patmos war. Und sie ist dann schon vorbei oder fast vorbei, und dann beginnt hier bald das Millennium.
Das ist der Postmillenialismus. Man kann ihn biblisch durchaus argumentieren.
Jetzt gibt es dazu eine Frage von Kilian von Bibra, Herr Freiherr:
„Ich habe noch eine Frage. Es gibt ja auch die Ansicht, wir müssen die ganze Welt missionieren, weil Jesus erst wiederkommt, wenn alle das Evangelium gehört haben. Würde das auch in dieses Endzeitmodell hineinpassen? Oder würdest du das irgendwo anders einordnen?“
Das könnte ich, glaube ich, überall einordnen. Ich glaube, wir sollten allen Völkern das Evangelium bringen, weil ich glaube, im Himmel werden Menschen aus allen Völkern, Stämmen und Nationen sein. Das heißt, wir sollten es tun, egal welches Modell wir vertreten.
Hier ist noch eine Wortmeldung – oder sind es zwei? Nein, es sind zwei: Herr und Ute.
Für mich ganz wichtig: Zweiter Timotheus Kapitel 3, dort heißt es, in der Endzeit werde die Liebe unter den Menschen verloren gehen und erkalten. Der Mensch werde Gott über alles stellen und so weiter.
Wie weit ist diese Endzeitstimmung aus Timotheus mit der Offenbarung von Johannes zu vergleichen? Gibt es da eine Verbindung?
Ja, natürlich gibt es Verbindungen, ganz offensichtlich. Manche würden sagen, das ist genau das, was Johannes zum Beispiel der Gemeinde in Pergam schreibt. Andere sagen, das kommt erst noch. Aber das hängt davon ab, wie man es einordnet.
Ganz sicher gehört das in diese Zeit.
Ute hat noch eine grundlegende Frage auch zu den vorherigen Modellen:
„Wo kann man erkennen, dass die Regierungszeit von Christus mit den entrückten Gläubigen, wie es die anderen beiden Modelle sagen, auf Erden stattfindet? Das habe ich so noch nie gelesen. Ich habe immer nur gelesen, man werde gemeinsam mit ihm regieren, aber der Ort der Regierung ist mir nicht bekannt.“
Das kommt immer auf die Lesart von Offenbarung 20 an. Wir werden Offenbarung 20 noch gemeinsam anschauen. Das ist eine sehr legitime Frage und führt uns direkt zum letzten Endzeitmodell. Danach sind wir weitestgehend durch.
Aber da hinten ist noch eine Wortmeldung von Sigrid:
„Wir haben das Beispiel in den Evangelien, dass die Jungfrauen eingeschärft sind. Man könnte alle vier Modelle hernehmen. Welche von diesen vier Modellen bewahrt uns am meisten davor, einzuschlafen?“
Wäre es nicht schön, wenn wir einfach Modelle an die Wand hängen könnten und dann passiert es nicht?
Ich glaube, der Heilige Geist bewahrt uns davor, und wir sind dazu berufen, einander davor zu bewahren. Genau.
Gut, jetzt zum letzten Modell, damit wir durch sind:
Der Amillennialismus
Der Amillennialismus argumentiert, dass es kein zukünftiges Millennium gibt. Er sagt, der Einfluss Satans über die Völker ist jetzt schon stark begrenzt.
Als Jesus gekommen ist, hat er schon seine Macht im Himmel und auf Erden bekommen und richtet sie aus.
Hier wird argumentiert, dass Jesus im Prinzip angedeutet hat, dass Satan schon gefallen ist. Lukas 10,18: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.“
Das heißt, es wird argumentiert, Satan ist in gewisser Weise in seinem Einfluss schon beschränkt. Das Evangelium breitet sich aus, wir sind im Gemeindezeitalter.
Was in diesem Gemeindezeitalter geschieht, ist das, was als Millennium in Offenbarung 20 beschrieben wird – parallel zur Trübsal.
Trübsal und Millennium sind nicht zwei nacheinander folgende Dinge, sondern gleichzeitig.
Während sich das Reich Gottes unter der himmlischen Herrschaft Jesu ausbreitet, herrscht er mit den Gläubigen, die, wenn sie sterben, noch nicht im Leib, aber in der Seele bei ihm sind.
Zur gleichen Zeit gibt es auf Erden auch Bedrängnis.
Das heißt, das Reich Gottes breitet sich aus, während der Widerstand immer stärker wird.
Am Ende kommt Jesus wieder, es gibt die große Endschlacht, und dann die Auferstehung der Gläubigen und Ungläubigen.
Das führt zum neuen Himmel und zur neuen Erde.
Biblische Argumente dafür sind zum einen die gleichzeitige Auferstehung der Gerechten und der Ungerechten, die in diesem Modell klar vorhanden ist.
Im Prämillennialismus ist das nicht so, denn dort auferstehen die Gläubigen, dann folgt das tausendjährige Reich, und erst danach auferstehen die Ungläubigen, weil das Gericht erst mit dem Kommen von neuem Himmel und neuer Erde erfolgt.
Das ist ziemlich unstrittig.
Zum Beispiel Daniel 12: „Und viele, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur ewigen Schmach und Schande.“
Das scheint ein Ereignis zu sein.
Johannes 5,28: „Wundert euch nicht darüber, denn es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und hervorgehen werden: die einen zur Auferstehung des Lebens, die anderen zur Auferstehung des Gerichts.“
Wiederum: Es kommt eine Stunde, in der alle seine Stimme hören; die einen stehen auf zum Leben, die anderen zum Gericht.
Oder Apostelgeschichte 24,15: „Ich habe die Hoffnung zu Gott, die auch sie selbst haben, nämlich dass es eine Auferstehung der Gerechten wie der Ungerechten geben wird.“
Paulus sagt in seiner Verteidigungsrede, dass er diese Hoffnung hat.
Das ist ein Argument für die gleichzeitige Auferstehung.
Zum anderen wird argumentiert, die Trübsal sei schon da, denn Johannes sagt in Offenbarung 1,9, dass die Trübsal schon da ist.
Dritte Argumente sind weniger direkt biblisch belegbar und eher abgeleitet.
Man sagt, wenn Jesus wiederkommt und im tausendjährigen Reich herrscht, wie der Prämillennialismus sagt, ist es kaum vorstellbar, dass in der Gegenwart Jesu die Sünde noch Raum haben kann und Sünder noch leben.
Es ist antiklimaktisch gegenüber allem, was die Bibel zu sagen scheint, dass Menschen, die durch den Tod erlöst sind und im Geist beim Herrn sind, dann noch einmal zurückkehren müssen in eine Welt, die nicht vollkommen ist, in der es noch Sünde, Tod und Leid gibt – wenn auch eingeschränkt.
Aus der Gegenwart Jesu noch einmal zurück in die Welt für tausend Jahre – das erscheint den Vertretern des Amillennialismus schwer möglich.
Was spricht gegen den Amillennialismus?
Das habe ich bei den anderen Positionen weggelassen, aber hier sage ich es jetzt.
Zum einen gibt es Stellen in der Bibel, die ziemlich deutlich sagen, dass Satan sehr präsent ist, wie ein hungriger Löwe, und gleichzeitig soll er gebunden sein – das ist schwierig.
Zum anderen ist Offenbarung 20 das Hauptproblem.
Offenbarung beschreibt eine Bindung Satans, die Fragen aufwirft: Wie kann dann gleichzeitig hier ein Millennium sein?
Ich denke, wir lesen das einfach mal:
„Ich sah einen Engel vom Himmel herabfahren, der hatte den Schlüssel zum Abgrund und eine große Kette in seiner Hand. Und er ergriff den Drachen, die alte Schlange, das ist der Teufel und Satan, und fesselte ihn für tausend Jahre. Und warf ihn in den Abgrund, verschloss ihn und setzte ein Siegel oben darauf, damit er die Völker nicht mehr verführen sollte, bis die tausend Jahre vollendet sind. Danach muss er losgelassen werden für eine kleine Zeit.“
Das ist die Bibelstelle, die mich zögern lässt, mich mit dem Amillennialismus zu verpflichten.
Ein zukünftiges tausendjähriges Reich passt nach allem, was ich sonst in der Bibel lese, eigentlich nicht rein.
Nur das macht mir Sorgen.
Deshalb tendiere ich immer wieder zum Prämillennialismus, und zwar zum historischen Prämillennialismus.
Ich glaube, wir werden Trübsal erleben, sie wird uns nicht komplett erspart bleiben.
Das lässt mich zögern.
Aber warum kann ich mich dann doch zum Amillennialismus bekennen?
Weil ich glaube, dass die ganze Offenbarung stark mit symbolischer Sprache arbeitet und wir das so lesen müssen.
Wir müssen erkennen, was die Bindung Satans bedeutet und was ihr Zweck ist.
Jesus hat gesagt, er habe Satan fallen sehen.
Was ist der Zweck der Bindung?
Damit er die Völker nicht mehr verführen kann.
Etwas, das Satan bis dahin getan hatte, tut er jetzt nicht mehr.
Wann wurde das geschrieben? Im ersten Jahrhundert oder hundert Jahre nach Christi Geburt.
Was war bis dahin geschehen?
Das Evangelium beziehungsweise der Glaube an Gott war verbreitet unter den Juden, dem Volk Israel.
Die ganze Kirchengeschichte bis zu Jesus war das Volk Israel die Gläubigen, der Rest waren die Heiden draußen.
Es gab einzelne, die kamen mal dazu, aber die Völker waren nicht bei Gott.
Dann kommt Jesus, sieht Satan fallen und sendet Leute aus mit der Botschaft: „Jetzt geht das Evangelium zu allen Völkern.“
Eine Sache, die Satan bis dahin getan hatte, nämlich die Völker zu verführen und von Gott fernzuhalten, tut er auf einmal nicht mehr in gleicher Form.
Das Evangelium breitet sich seitdem aus.
Das heißt, im Amillennialismus bekommen wir ein Bild, dass das, was Satan bisher in der Kirchengeschichte getan hat, nicht mehr in gleicher Weise möglich ist, weil Gott seinen Einfluss stark begrenzt hat.
So breitet sich das Evangelium aus, wie ein Senfkorn, das zu einem großen Baum wird.
Das Evangelium breitet sich zu den Völkern aus.
Das kleine Volk Israel ist heute sehr klein, aber der christliche Glaube ist eine Weltreligion.
Ein Drittel der Welt bekennt sich zumindest als Christen.
Das sollte zumindest Fragen aufwerfen.
Das zweite Argument betrifft die Verse 4 bis 6:
Ute, das kommt zu deinem Punkt: Wo ist das tausendjährige Reich? Wo herrscht Jesus?
„Und ich sah Throne, und sie setzten sich darauf, und ihnen wurde das Gericht übergeben. Und ich sah die Seelen derer, die enthauptet wurden um des Zeugnisses von Jesus und um des Wortes Gottes willen. Die nicht das Tier und sein Bild angebetet hatten und sein Zeichen nicht angenommen hatten an Stirn und Hand. Diese wurden lebendig und regierten mit Christus tausend Jahre.“
Wer wurde lebendig? Johannes sieht die Seelen auf Throne sitzen.
Wo sind sie? Nirgendwo steht, dass sie auf Erden sind.
Das heißt, das, was hier beschrieben wird, kann unterschiedlich gelesen werden.
Ich werbe nicht dafür, dass man eine bestimmte Lesart einnehmen muss.
Ich will nur sagen: Man kann auch mit einer amillennialistischen Sicht sagen, dass es eine erste Auferstehung gibt.
Das ist die geistliche Auferstehung: Wenn wir sterben, sind wir nicht komplett tot, sondern unsere Seelen sind beim Herrn.
Die, die im Glauben gestorben sind, werden bei ihm sein.
Jesus richtet sein Reich jetzt schon auf.
Er regiert jetzt schon, sitzt auf dem Thron, und die Gläubigen regieren mit ihm.
Nach amillennialistischer Sicht ist die Herrschaft Jesu im tausendjährigen Reich die Herrschaft Jesu im Hier und Jetzt in den himmlischen Regionen.
Von dort wird er kommen, um die Lebenden und die Toten zu richten.
Ich erwarte nicht, dass heute Abend jemand eine dieser Positionen übernimmt.
Ich wollte nur die Positionen erklären.
Das sind die vier Positionen, die es gibt.
Ich selbst schwanke zwischen hier und dort, je nachdem, wie mein Frühstück geschmeckt hat.
Für die Predigtserie tendiere ich stark zum Prämillennialismus, mein Frühstück schmeckt fast immer.
Für die Predigtserie haben wir gesagt, der letzte Zyklus umfasst Offenbarung 1 bis 22.
Ich unterstelle, dass Offenbarung 20 uns genau das zeigt, was beim ersten Kommen Jesu geschieht und uns wie in allen anderen Zyklen bis zur Wiederkehr Jesu, dem Endgericht und der Ewigkeit führt.
Im letzten Zyklus steht vor allem die Ewigkeit im Zentrum.
Das, was davor geschieht, wird in zehn Versen in Offenbarung 20,1-10 beschrieben.
So, jetzt sind alle geschockt, was für einen „heretischen“ Pastor Sie hier haben – oder auch nicht.
Gibt es Fragen und Anmerkungen dazu?
Daniela Michnik hier vorne:
„Ich habe eine Verständnisfrage zum Amillennialismus. Du hast gesagt, einer der wichtigen Punkte ist, dass die Auferstehung von Gläubigen und Ungläubigen gleichzeitig erfolgt. Aber wenn das Millennium jetzt schon ist und die Seelen der verstorbenen Gläubigen mit Jesus mitregieren, widerspricht sich das für mich irgendwie.“
Ja, genau.
Die Bibel spricht von zwei Auferstehungen.
In Offenbarung 20 sehen wir, dass es scheinbar zwei Auferstehungen gibt.
Die erste, nach amillennialistischer Lesart, ist die geistliche Auferstehung.
Das heißt, wir sterben und leben; wir sind nicht tot, sondern beim Herrn.
Die zweite ist die körperliche Auferstehung.
Das ist die leibliche Auferstehung, von der Paulus auch in Apostelgeschichte 24 spricht.
Diese findet zeitgleich statt, bei Gläubigen und Ungläubigen.
Das geht einher mit dem Gericht.
Das ist eine gute Frage, danke.
Ute, du hast ausnahmsweise auch mal eine Frage – schieß los!
Danke für dein Vertrauen.
Wenn Jesus sagt: „Ich sah den Satan zur Erde fallen“, habe ich immer im Kopf, dass Jesus bei der Schöpfung Vater und Sohn beisammen war.
Ich habe das immer so verstanden, dass der Fall Satans der Rauswurf aus dem Himmel war und dass erst danach der Sündenfall kam.
Ich verstehe die Aussage von Jesus so, dass es noch vor dem Sündenfall war und nicht zu der Zeit, die hier beschrieben wird.
Ja, ich glaube, wenn du Lukas 10 liest, spricht er das im Kontext der Aussendung der Siebzig oder Zweiundsiebzig (je nach Textfassung).
Sie kommen zurück und jubilieren über das, was sie tun konnten, und dann sagt er das.
Es klingt, als wenn das tatsächlich zu der Zeit ist.
Er sagt, das habe ich jetzt gesehen, und nicht: „Liebe Freunde, das habe ich schon vor Beginn der Welt gesehen.“
Es klingt, als sagt Jesus das zu Lebzeiten.
Das passt auch dazu, dass er sagt, das Reich Gottes ist jetzt da – durch ihn.
Er hat vorher gesehen, dass Satan gefallen ist.
Als er im Himmel war, wurde Satan rausgeschmissen.
Für mich hat der Fall Satans unter dieser Sicht diese Bedeutung.
Dann bekommt auch die Bindung Satans für tausend Jahre Sinn.
So wie messianische Juden sagen, wird die tätige Sünde nicht mehr getan, aber sie kann noch in den Herzen regieren während des tausendjährigen Reiches.
Ja, genau.
Ich will noch einmal deutlich sagen: Man kann bibeltreu alle vier Positionen argumentieren.
Das ist genau der Weg.
Jeder muss für sich selbst lesen.
Ich verstehe es so: Jesus sprach zu den Jüngern: „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Seht, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, Macht über alle Gewalt des Feindes, und nichts wird euch schaden.“
So verstehe ich das.
Aber ich verstehe auch deine Argumentation, dass das hier in die konkrete Situation hineingesprochen ist und nicht nur Rückschau auf etwas Vergangenes hält.
Ich kenne die Argumente und habe Respekt dafür.
Man kann die Bibel auch so lesen.
Ich möchte etwas ganz Persönliches sagen.
Ich danke Ihnen, Herr Pastor Lohmann, für Ihre Ausführungen.
Ich fand es sehr informativ.
Vor allem habe ich den Eindruck, Sie sind mit großer Demut an das Thema herangegangen.
Das kann uns als Gemeinde helfen zu lernen.
Wir müssen lernen, unterschiedliche Sichten zu hören und stehen zu lassen.
Das ist nicht einfach, gerade bei diesem Thema.
Ich möchte noch etwas zu mir sagen:
Ich bin seit 56 Jahren Christ und habe von Anfang an immer wieder mit der Offenbarung zu tun gehabt.
Ich habe Theologie studiert und mich mit den verschiedenen Sichtweisen auseinandergesetzt.
Manche Sachen machen mir Angst in der Offenbarung, manche liebe ich.
Ich freue mich darauf, wenn ich den Herrn Jesus einmal sehen werde.
Ich möchte das zusammenfassen:
Ich denke nicht, dass der Herr mich fragen wird, welches Anschauungsmodell ich hatte.
Sondern ob ich mich ganz auf ihn verlasse.
Ich lebe besonders seit dem Tod meines Mannes und meiner eigenen Krankheit so, dass ich jeden Tag und jeden Moment bereit sein möchte, vor dem Herrn zu treten.
Das ist mir ganz wichtig.
Wir wissen nicht, ob wir heute Abend noch nach Hause kommen.
Deshalb sollten wir bereit sein, vor unserem wunderbaren Herrn zu treten.
Dann wird alles ganz anders aussehen, denn wir sehen das jetzt aus menschlicher Perspektive.
Das wollte ich sagen.
Amen, Schwester Rump.
Amen!
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Lassen Sie uns aufstehen und zum Abschluss noch singen: „Es ist Jesus.“