Einführung und biblischer Ausgangspunkt
Das Schriftwort, das wir heute zur Predigt haben, ist uns nach der Ordnung der Kirche gegeben. Wir sind dankbar für dieses Wort, denn gerade in unserer jetzigen Lage wird es uns die Augen öffnen.
Lukas 13,31-35: Zur selben Stunde kamen etliche Pharisäer und sprachen zu Jesus: „Geh fort und sieh von hier weg, denn Herodes will dich töten.“ Jesus sprach zu ihnen: „Geht hin und sagt diesem Fuchs“ – das ist ein liebevolles Wort. Jesus hat nie ein böses Wort über Politiker gesagt, auch nicht über Diktatoren, niemals. Dieses Wort zeigt Respekt vor der Schlauheit des Herodes.
In der Erklärungsbibel steht die nette Anmerkung dazu, dass dies auch die Bedeutungslosigkeit dieses Mannes zeigt. Jesus gibt sich mit Wölfen ab, aber nicht mit Füchsen.
Dann sagt er: „Diesem Fuchs treibe ich böse Geister aus und mache gesund – heute und morgen und am dritten Tag werde ich am Ziel sein. Doch muss ich heute und morgen und am Tag danach noch wandern, denn es geht nicht an, dass ein Prophet umkomme außerhalb von Jerusalem.“
„Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt werden! Wie oft habe ich gewollt, deine Kinder zu versammeln wie eine Henne ihr Nest unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt! Seht, euer Haus soll euch wüst gelassen werden, denn ich sage euch: Ihr werdet mich nicht sehen, bis die Zeit komme, da ihr sagen werdet: Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn.“
Herr, jetzt rede auch zu uns durch dieses Wort. Amen.
Vorbereitung und Motivation für den missionarischen Einsatz
Im Gemeindehaus sitzen jetzt 140 Mitarbeiter, die fleißig für einen großen missionarischen Einsatz trainieren. Dieser soll im August nach den großen Schulpfingsten in unserer Innenstadt stattfinden. Das ist eine wunderbare Mannschaft. Sie fehlt nur noch als Krone.
Sonst hätten sie ihren Spaß daran, wenn sie dorthin blicken würden. Denn das macht Freude und lockt dazu, bei so einer wichtigen Aufgabe mitzuarbeiten: in unserer Stadt das Evangelium von Jesus weiterzusagen.
Was ich gerade gesagt habe, war auch so ein Satz: „Das lockt und macht Spaß.“ Haben Sie schon einmal bemerkt, wie das lockt? Wie hat es bei Ihnen gelockt? Wenn wir jetzt die Leute dort drüben fragen würden: „Hat es euch gelockt?“, dann würden sie vielleicht sagen: „Nein, das Mittagessen lockt uns. Wir riechen schon den Duft aus der Küche von der guten Suppe. Aber eigentlich haben wir Bauchweh vor dem Einsatz.“
Es gibt ja immer noch einige Christen, die meinen, das sei nur bei ihnen so, dass sie Bauchweh haben. Sie haben noch nie bemerkt, dass unser Herr und Meister, bevor er in Jerusalem evangelisierte, sagte: Wir können niemanden gebrauchen, der nicht weiß, welche Schlacht geschlagen werden muss.
Und da kann niemand im Vollgefühl seiner Kräfte hinstehen und sagen: „Das werde ich schon schaffen.“ Es ist gut, dass man das weiß. Da sitzen unsere Studenten, die in der Mensa ihren Büchertisch aufbauen. Ihnen ist doch bang zum Sterben, bang, dort zu stehen.
Warum tun wir es dann? Weil Jesus befohlen hat: „Geht!“ Er hat nicht gesagt: „Überlegt das mal.“ Er hat gesagt: „Geht, geht!“
Das ist eine große Not bei uns Christen heute in Deutschland. Wir haben uns in unsere Kirchen zurückgezogen. Ein Glück, dass wir so laute Glocken haben. Die schallen ja so schön über unsere schlafende Stadt hinweg. Das macht uns große Freude, wie wir Missionare sind und wie wir doch die Menschen erreichen – wenn dann wenigstens noch mit dem Glockenschall.
Aber Jesus war anderer Meinung. Er meinte: „Geht hin!“ Und es ist gut so, dass die Kirche danach ausgeht und nicht hier nächtigen kann, sondern hinausgeht. Dort, wo sie Menschen in der Woche trifft, genau dorthin sendet Jesus sie. Genau dort braucht er sie.
Ihnen ist bang? Gut so, dass euch bang ist. Das geht allen so. Aber es ist ein Befehl des Herrn, und wir müssen seine Zeugen sein – draußen in der Welt, draußen für ihn und für seine Sache.
Jesus auf dem Weg nach Jerusalem – die Herausforderung des Evangeliums
Und heute sehen wir in unserem Predigtabschnitt Jesus vor uns auf dem Weg nach Jerusalem. Jesus krempelte nicht die Ärmel hoch und sagte: „Nun gut, ich gehe.“ Er wusste, dass die Welt das Wort von Jesus nicht ertragen kann.
Das haben Sie oft aus meinem Mund gehört: Dass heute überzeugte Marxisten das Wort des Evangeliums unerträglich finden und schon den Gedanken an Gott als eine Beleidigung empfinden. Ich war in der vergangenen Woche in einer linken Buchhandlung in Stuttgart und fragte: „Geben Sie mir doch mal ein Buch gegen das Christentum, aus marxistischer Sicht.“ Die Verkäuferin sagte: „Ach, ich weiß nicht, ob es da etwas gibt.“ Dann schlug sie im großen Sortimentskatalog nach und sagte schließlich: „Doch, ich habe etwas. Aus dem Herder Verlag.“ Das ist aber wieder ein christlicher Verlag. Ich bat sie, mir etwas Atheistisches in die Hand zu geben. Sie rief im Verlag an und sagte, es gibt nichts.
In Deutschland gibt es kaum atheistische Literatur. Aber weltweit, dort wo der Marxismus herrscht, gibt es nur noch atheistische Literatur. Das müssen Sie wissen, damit Sie sich nicht täuschen lassen. Das haben Sie oft gehört. Aber Sie müssen wissen: Nicht nur im Marxismus ist das so. Genau so ist im Grunde auch das Denken vieler biederen Bürger. Sie sind so auf Feindschaft gegen Gott eingestellt, dass es eine unerhörte Anmaßung und Herausforderung ist, wenn wir die Botschaft des Evangeliums einem Menschen glaubwürdig bezeugen.
Und Jesus sagt: „Es muss sein, ich muss gehen.“ Ich möchte drei Dinge aus diesem Abschnitt herausgreifen.
Unaufhaltsamkeit des Rufes Gottes
Das Erste
Keiner kann dieses Rufen Gottes, dieses evangelistische Rufen Gottes, aufhalten. Damals stellten sich Menschen Jesus in den Weg.
Wenn Sie ein Zeichen geben, dass Sie gut hören, zum Beispiel mit einem Hörapparat, und es funktioniert nicht, dann sagen Sie es bitte. Manchmal ist die Kirche zu leer, manchmal ist sie sehr voll. Helfen Sie mit, dass Sie gut hören können. Es ist schade, wenn Sie später sagen: „Ich habe kein Wort verstanden.“ Sagen Sie es lieber vorher und geben Sie ein Zeichen.
Damals traten die Pharisäer zu Jesus und sagten: „Pass auf, Herr, Herodes will dich töten.“ Ich habe lange darüber nachgedacht, was sie damit meinten. Waren die Pharisäer plötzlich Jesus freundlich gesinnt und wollten ihn ehrlich warnen? Vielleicht waren es nette Menschen, die ihm einen Tipp geben wollten, wie ein heißer Tipp aus der Unterwelt. So gibt es einen heißen Tipp aus dem Regierungslager: „Geh weg, versteck dich!“
Es kann natürlich auch sein, dass es eine Drohgebärde war: „Wir haben Vollmacht von Herodes, dich zu schnappen. Verschwinde bloß von hier und lass dich nicht mehr hier blicken!“ Das kennen wir auch bei der Evangeliumsverkündigung. Solche Drohgebärden bringen die Menschen oft dazu, den Mund nicht mehr aufzutun. Dann schweigen wir schnell.
Aber jetzt sehen wir Jesus in seiner Größe. Er sagt: „Ich muss hinauf nach Jerusalem, ich gehe nach Jerusalem. Und wenn sie mit dem Schwert dastehen, muss ich hindurch, weil das Wort des Herrn gesagt werden muss, allen Völkern zum Zeugnis.“
Das ist Evangelisationsgesinnung: „Ich muss das sagen, ob ich Lust habe oder keine Lust, ob es passt oder nicht. Der Herr sendet mich zu dieser Aufgabe, und ich bin dafür brauchbar.“
Verbindung mit der weltweiten Christenheit und aktueller Kontext
Wir sind heute natürlich mit unseren Brüdern und Schwestern in Kampala und in ganz Uganda verbunden. Gerade in den letzten Wochen ist diese Verbindung durch unsere vielen Paketsendungen noch enger geworden. Dafür haben wir so herzliche Dankbriefe erhalten.
Es war geplant, dass heute die große Trauerfeier stattfinden sollte. Diese kann jedoch nicht abgehalten werden, weil die Leichname vermutlich verbrannt wurden und die Kirche nicht genutzt werden darf. Das macht uns die Situation sehr deutlich.
Wir wussten das bisher gar nicht. Wir kannten nur die Probleme in islamischen Ländern mit der Verkündigung des Evangeliums, in marxistischen Gebieten, in Russland, in China, in der Tschechoslowakei und anderen Orten. Wir kannten Prüsewitz und andere kurze, markante Zeichen. Doch nun bricht es plötzlich an der nächsten Stelle der Welt auf. Warum?
Es ist der gemeinste und hässlichste Trick, dass ausgerechnet diesem Erzbischof vorgeworfen wird, er sei an einem Umsturz zur Revolution beteiligt gewesen. Sie müssen wissen, dass gerade dieser Erzbischof der Präsident des großen Paklakongresses war, der vor zwei Monaten in Nairobi stattfand. Dort kamen 700 Delegierte aus allen Wirtschafts- und Kulturbereichen Afrikas sowie aus allen Staaten zusammen.
Dieser Kongress geriet in Streit mit den ökumenischen Kirchen Afrikas. Warum? Weil die Kirchen von Luwum, also von diesem nun ermordeten Erzbischof, für strikte Gewaltlosigkeit eintraten. Ein Christ kann nie an einer Befreiungsbewegung mitwirken. Das geht nicht, denn er muss von der versöhnenden Kraft der Liebe Jesu sprechen.
Dieser Erzbischof war der Erste, der an die Wand gestellt wurde und zwischen die Fronten geriet – in einem diktatorischen Regime. Dort hatten sich die Delegierten noch im Dezember, wenige Tage vor Weihnachten, auf das Gelöbnis festgelegt: Wir wollen allen Methoden widerstehen, auch den christlichen, die die Liebe Gottes auf Golgatha und den friedfertigen Weg des Kreuzes Jesu verletzen. Nur friedfertig, nur gewaltlos, nur in der Liebe dürfen wir wirken.
Gerade in diesem Geist ist einst diese große Gemeinde in Uganda entstanden. Heute gehören 80 Prozent der Bevölkerung Ugandas christlichen Gemeinden an. Im Juni feiern sie die Hundertjahrfeier und möchten, dass ich an diesen Feiern teilnehme.
Dort erinnern wir uns an die Entstehung der Gemeinden in Uganda. Diese wurde mitbedingt durch den schwäbischen Missionsmann und zwei weitere Schwaben, Rebmann und Krapff. Der eine stammte aus deren Gegend, der andere aus Korntal. Sie waren Wissenschaftler, richtige schwäbische Bauernbuben mit Köpfchen. Sie schufen sechs Wörterbücher und Grammatiken.
Ich habe Ihnen oft erzählt, dass von Krapff die Frau starb, kaum dass er in Mombasa gelandet war. Er schrieb an ein englisches Missionskomitee: „Sagen Sie dem Komitee, dass an der ostafrikanischen Küste ein einsames Missionsgrab liegt. Es erinnert die Christen in England an die Aufgabe, die auf diesem Kontinent noch getan werden muss. Die Siege Jesu werden über den Gräbern ihrer Streiter errungen.“ Das war dem Grab wichtig: Weiter, vorwärts!
Sieben Jahre nach den ersten Missionaren, die 1877 im Königreich Buganda missionierten, kam diese furchtbare Verfolgung. Das weiß jeder ugandische Christ. Festo Kivenschere hat uns hier bei seiner Anwesenheit in Stuttgart im kleinsten Kreis erzählt, wie die Pagen des Königs ihrem Herrn einen sündigen, abscheulichen Dienst verweigerten – um ihres Glaubens willen. Sie alle wurden auf den Scheiterhaufen geführt.
Jahre später sagte der Scharfrichter zum König: „Ich habe in diesem Land noch nie Menschen so sterben sehen. Sie haben noch in den Flammen zu ihrem Gott gebetet und Lieder gesungen.“ Dieser Scharfrichter war später einer der Ersten, die wieder getauft wurden – und zwar vom Sohn des ermordeten Missionsbischofs Hamilton.
So baut Jesus seine Gemeinde. Wir denken immer, er hätte andere Aufgaben für uns bereit. Jesus sagt: Die Türen sind offen, aber geh! Über den Gräbern der Opfer dieses Missionsfeldzuges unseres Herrn baut er sein Reich.
Die politische Dimension christlichen Handelns
In diesen Tagen wird oft darüber diskutiert, was die wichtigste Aufgabe der Christen ist. Häufig sitzen wir in Theologenkreisen zusammen, und dann heißt es, das wirklich Interessante beginne erst, wenn die Kirche eine politische Stellungnahme abgibt.
Ach, wissen Sie, die Stellungnahmen haben oft nicht den Stein ins Rollen gebracht, obwohl es gut ist, was unsere Bischöfe zu Brokdorf und zur Frage der Atomenergie gesagt haben. Dennoch ist das Problem dadurch nicht gelöst. Wir Christen haben oft kein politisches Wort.
Dabei wird uns deutlich, dass Jesus sagt: „Ich setze mich nicht mit den Herrschaftsstrukturen des Herodes auseinander.“ Wir bauen das Reich Gottes in dieser Welt.
Ähnlich ist es bei den russischen Christen, die oft nicht einmal in der Bürgerrechtsbewegung mitwirken. Sie sagen, sie kämpfen nicht gegen den Staat, sondern wollen das Reich Jesu ausbreiten. Wenn sie ins Gefängnis kommen, dann immer wieder, weil sie mit der Staatsmacht zusammenstoßen.
Ganz ähnlich ist es bei den ugandischen Christen, vor denen viele gesagt haben, sie würden alles in dem Regime Idi Amins dulden und nur kuschen. Doch plötzlich merkt man, dass die Herren dieser Welt vor der gewaltlosen Predigt der versöhnenden Kraft der Liebe Jesu zittern – vor der Erweckungsbotschaft dieser Christen.
Die Bedeutung von Mission und Zeugnis
Wissen Sie überhaupt, was Mission bedeutet? Lassen Sie sich nicht verunsichern von ein paar widersprüchlichen Meinungen, die Ihnen ins Ohr dringen. Manchmal tritt jemand Ihnen entgegen, setzt Sie unter Druck oder schmäht Sie sogar.
Sagen Sie das Wort – es ist das Mächtige in unserer Zeit. Wenn nicht zuletzt die vielen Menschen, die heute zum Glauben kommen, davon zeugen würden, wäre die Kampfsituation nicht so groß.
Wir müssen reden, wir müssen den Ruf Gottes weitergeben. Dazu sendet uns der Herr.
Das war mein erster Punkt: Niemand kann den Ruf Gottes aufhalten.
Unvermeidbarkeit des Leidens und die Kraft der Liebe
Zweiter Punkt: Keiner kann Gottes Ruf zum Schweigen bringen. Das war ja der Plan: „Geh nicht hinauf nach Jerusalem.“ Doch Jesus sagt: „Ihr habt Recht, in Jerusalem werden Propheten getötet, hingerichtet. Jerusalem, du tötest die Propheten.“
Und dann fügt Jesus hinzu: „Und trotzdem werde ich hinaufgehen.“
Warum ist es nötig, dass Jesus nach Jerusalem hinaufgeht? Weil die Menschen dieser Welt die Liebe erfahren müssen, die Jesus hatte.
Ich stelle mir das immer anders vor – ich spreche das jetzt auch im Gedanken an Sie aus. Sie können sich vorstellen, dass wir alle große Pläne haben. Wir wollen Gewaltiges für Jesus in der Welt bewirken, Großes leisten. Wir wollen alle Mitmenschen erreichen. Aber das geht nicht anders als durch das Opfer unseres Lebens.
Unsere Mitmenschen kommen nur durch die letzte Hingabe der Liebe zum Glauben. Jesus selbst hat, als er von der Liebe sprach, nur ein Zeichen der Liebe gegeben: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab.“ Dieses Zeichen der Liebe Jesu ist das größte Evangelisationssymbol, das wir haben – die größte Botschaft dieser Welt.
Nun sehen Sie, dass es die Aufgabe der Christen nicht nur ist, mit Staatsmännern Abendessen zu feiern und große Gespräche zu führen, sondern ihren Leib zu opfern, um die Liebe für die Mitmenschen zu bezeugen – die Liebe, die Jesus hat, die versöhnende Liebe.
Zeugnis aus Uganda und die Herausforderung der Gewaltlosigkeit
Bischof Louwoum hatte mich 1975 eingeladen, nach Uganda zu kommen, weil es ihm wichtig war, dass die Christen Afrikas vom Martyrium der russischen Christen erfahren. Es war zum Beispiel sehr schwierig, öffentlich zu reden. Deshalb wählten wir die Form einer geschlossenen Veranstaltung für Pastoren in einer Kirche. Er sagte damals noch: „Sie dürfen wissen, hier versteht jeder jedes Wort, wenn es ums Martyrium geht.“
Obwohl die Bedrängnis damals nur politischer Natur war, waren wohl schon zweihunderttausend Menschen umgebracht worden. Aber nicht aus Glaubensgründen. In dieser Kirche sprachen wir davon, dass Jesus seine Jünger sendet – das, was in der vergangenen Woche in der Bibellese dran war –, wie Schafe mitten unter die Wölfe.
Jesus kann die Wölfe, diese reißenden, zerreißenden Wüstentiere, noch nicht loslassen. Er will sie in seiner Liebe erreichen. Dafür wählt er ein Mittel: Er schickt Schafe, Schafe, die auf die Wölfe zugehen – in Liebe.
Ich merke immer wieder, wie Christen bei uns das gar nicht verstehen. Sie können nur in politischen Kampfstrukturen denken, weil sie die Rettung durch die Liebe Jesu nicht begreifen. Dabei ist genau das die Aufgabe der Christen in den politischen Kämpfen unserer Zeit.
Vielleicht hat einer von Ihnen im Neukirchener Kalender meine Geschichte gelesen, die ich gerade zu diesem Thema dort veröffentlicht habe. Es war ein Mitarbeiter aus unserem Jugendkreis, der damals im Pfarrhaus in Uganda war. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er kam und uns ein Plakätchen brachte, das er vom schwarzen Brett seiner Schule abgenommen hatte. Darauf war eine Karikatur über die Superfrommen, die in der Schule einen Gebetskreis hatten – die „Pietkong“ und so weiter. Da standen ein paar gemeine Dinge drin.
Er legte das Plakat hin und sagte: „Na ja, Spott muss man ertragen.“ Aber dann sah ich, was ihn wirklich drückte. Er war reifer in der Heiligung als ich. Ich hätte wahrscheinlich zugeschlagen. Er aber hatte mich vorher gefragt, ob er zuschlagen dürfe. Das war groß.
Er sagte: „Darf ich mich rächen? Ich weiß, wer es war.“ Das ist eine Versuchung – auch nur für eine Minute mal Wolf zu sein und dann züchtig zuzubeißen. Für Christen ist das gar nicht so leicht, besonders in Kabale. Dort gehen in der christlichen Schule sogar Kinder des Staatspräsidenten zur Schule, während der eigene Erzbischof wie ein Gangster abgeschossen wird.
Das ist Liebe: „Darf ich mich nicht rächen!“ Diese Frage hat die Hugenotten in Frankreich umgetrieben. Über hundert Jahre durften sie nicht das Schwert nehmen. Nach hundert Jahren nahmen sie es doch und kamen damit um. Doch dort, wo sie das Schwert nicht nahmen – wo eine Million Menschen hingerichtet und wie der letzte Dreck weggeführt wurden –, wurde ihr Zeugnis gehört. Die Gemeinde wuchs, statt kleiner zu werden.
Wir wollen für diese Christen in Uganda beten. Nicht dass sie befreit werden oder ein unangefochtenes Leben bekommen. Das hat Jesus nie bewegt. Er wollte nicht, dass sie jeden Tag herrliche Freuden erleben. Nein, er wollte, dass sie in dieser Lage stehen und lieben.
Die Kraft der Versöhnung und die Erweckungsbewegung in Afrika
Dieses Wort der Versöhnung sagen zu können – dieses Wort, das die Welt aufwühlt, weil es völlig unbegreiflich ist –, das ist der Machtkampf des Hasses, auch in Afrika.
Es war für diese ostafrikanische Erweckungsbewegung eine ganze Neuentdeckung. Sie begann im Jahr 1928, als einige Menschen erkannten: Wenn Jesus uns den Heiligen Geist gibt, schenkt er uns eine ganz neue Liebe zum Bruder.
Die Konferenz von 1975, die nur alle zehn Jahre stattfindet, hatte das Thema „Die Liebe Jesu versöhnt“. Dort wurde darüber gesprochen, wie dieses Dunkle in Afrika hell werden kann, wenn Menschen der Liebe Jesu begegnen. Ebenso wurde diskutiert, wie das Grausame ein Ende finden kann, wo Afrikaner Afrikaner töten.
Es wurde berichtet, dass ein Bischof in Gegenwart des Gouverneurs sprach, der selbst im Stadion dieser Stadt Menschen erschießen ließ. Ich dachte immer, wie kann man so etwas sagen? Doch er sagte es: Bischof Hesto Kivenschere, den Sie vom Gemeindetag kennen, betonte, wir müssen das Wort sagen, das nur Jesu Liebe versöhnt.
Sie baten uns, das Gebet, das sie vortrugen, weiterzugeben. Im Grunde lassen sich ihre Worte nur schwer wiedergeben: Sie beten, dass der Staatschef zum Glauben kommt. Einer hier sagte: „Das ist ein dicker Hund!“ Doch Christen denken so: Wölfe müssen gerettet werden.
Und das Zeugnis kann nicht verstummen – das Zeugnis der versöhnenden Liebe Jesu. Es ist mir manchmal so unheimlich, wie wir auf ungläubige Menschen zugehen, fast wie Fanatiker, und sie gleichsam zwingen wollen. Wenn sie nicht das Parteibuch unterzeichnen und Christ werden, dann haben wir sie auf dem Kopf – und dann bist du verloren.
Die Liebe Jesu wirbt um Menschen. Sie wirbt! Und das ist die Hingabe des Lebens bis zum Letzten.
Wenn Sie fragen: Warum erlebe ich das nicht? Ich besuche schon so lange einen Menschen, und er wird kein erneuerter Mensch durch das Evangelium – dann gilt: Jesus meint, dass Evangeliumsdienst und Einsatz in seiner Mission das Leben fordern.
Ob in der Weise, wie der Kugelhagel am Mittwochabend um 18 Uhr in Kampala, oder auf ganz andere Weise, wo man so viel Schmach und Spott erfährt. Mancher von ihnen steht ganz allein im Bekanntenkreis, isoliert und unter Feuer genommen – und doch ist er einer, der in der größten Bewegung mitarbeitet, an der Predigt der versöhnenden Liebe Jesu.
Gottes Ruf will Menschen retten
Noch ein letzter Punkt: Gottes Ruf will Menschen retten. Es geht darum, von diesem Rufen Gottes zu sprechen – von diesem evangelistischen Rufen, Einladen und Evangelisieren. Dieser Ruf kann nicht aufgehalten werden, er kann nicht verstummen, denn Liebe redet sogar noch am Grab. Und dieser Ruf will Menschen retten.
Jesus spricht deutlich davon, warum er nach Jerusalem hinaufgeht. Er möchte diese Menschen sammeln, wie eine Henne ihre Küken versammelt. Gleichzeitig warnt er, dass diese Stadt wüst werden wird. Jesus hat keinen einzigen Stein aus dem Tempel herausgebrochen, er hat ihn nicht zerstört und auch keine Türklinke im Tempel umgebogen. Er hat ihn ganz intakt gelassen. Doch er sagt: Ihr müsst wissen, all das, was in dieser Welt groß und schön ist, zerbricht – das Reich des Herodes und der Tempel.
Auch unsere Kirchenorganisationen zerbrechen. Das sollten Sie wissen. Darauf können Sie sich nicht verlassen. Ihre Taufscheine verschimmeln ebenfalls. Die Staatsregierungen wechseln, die Reiche der Welt wechseln, und alles wird umgestoßen und umgestürzt.
Darum hätte Jesus so gerne Menschen ewige Geborgenheit gegeben. Das ist das Ziel seiner Mission. Darum geht es in diesem Wort, das wir zu sagen haben. Auch wenn wir in diesem Sommer diese große Evangelisationskampagne planen, geht es darum, in unserem Stuttgart Menschen noch einmal anzubieten, was ihrem Frieden dient: diese große Erneuerung und Heilung ihrer Nöte in der Begegnung mit dem Gott, der sie geschaffen hat und der diese Welt geschaffen hat. Dort wird alles heil, was sie belastet und bedrückt.
Diese großen Bewegungen sendet uns der Herr. Wenn die ostafrikanischen Christen von Versöhnung reden, meinen sie nicht einfach Partnerschaft oder nett zueinander zu sein, wie wir das heute sagen. Sie wissen, dass Versöhnung viel mehr bedeutet. Wenn ich von dem heiligen Gott angenommen bin, dann geht das nur, wenn die alte Schuld meines Lebens ausgeräumt wird. Von dieser Versöhnung sprechen sie.
Beachten Sie, dass diese geschehene Versöhnung mich gleichzeitig demütig zum Bruder macht, weil ich weiß, wie mich Gott gerettet hat. Und dann bin ich Botschafter dieser Versöhnung in der Welt.
Schlussgedanken und Gebet
Ich habe heute viel vom Martyrium eines Menschen sprechen müssen. Vielleicht haben Sie bemerkt, dass in seinem Leben das Thema Jesus angeschnitten wurde. Es geht um das Thema, dass sich jemand für die größte Aufgabe hingibt, zu der uns Jesus berufen hat: Bote seiner Liebe zu sein.
Dieser Tod war keinesfalls vergeblich. Er ist vielmehr ein großes, aufgerichtetes Mahnmal und Zeichen. Der Apostel Paulus sagt einmal: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht predige – das herrliche, befreiende, lösende und erquickende Evangelium! Weh mir!“ Amen.
Wir wollen beten:
Herr, wir wollen dir nachfolgen, doch oft wählen wir nur den bequemen Weg, obwohl wir für dich unbrauchbar sind. Du hast uns berufen, dir auf deinem Passionsweg zu folgen. Verzeih uns, wenn wir so oft über die Widerstände und Leiden klagen, die du uns auferlegst, über die Schmerzen, die wir zu tragen haben.
Du willst uns ganz neu groß machen und in deiner Liebe überwinden lassen. Wir danken dir, dass du uns die Kraft schenkst, die wir selbst nicht haben: die Kraft zum Überwinden, die Kraft zum Lieben, die Kraft zum Tragen.
Herr, segne jetzt die Vorbereitung der Mitarbeiterschulung, die zur gleichen Zeit in unserem Gemeindehaus stattfindet. Segne die Evangelisation. Segne auch in dieser Stunde die Christen in Uganda. Lass sie nur in deiner Liebe stehen.
Überwinde bei ihnen alle Gedanken der Bitterkeit, des Hasses und des Aufruhrs. Mach sie zu Boten, die segnen können, wo ihnen geflucht wird, und die Böses mit Gutem überwinden. Lass diese ostafrikanische Erweckungsbewegung vielen Menschen zum Segen werden.
Wir bitten dich auch für die Frauen und Kinder von Erzbischof Louwoum sowie alle, die in den Unruhen der letzten Tage ums Leben gekommen sind.
Herr, du baust dein Reich, auch wenn deine Zeugen weggenommen werden. Lass unser Leben ein Saatkorn sein, das in die Erde fällt und stirbt, aber viel Frucht für dich bringt.
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Wir bitten um deinen Segen:
Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.