Die Frage nach der lebendigen Erfahrung mit Jesus
Wann hast du Jesus das letzte Mal wirklich erlebt? Wann hast du gemerkt: Wow, Gott hat mein Leben tatsächlich verändert? Oder wann hattest du den Eindruck, dass Jesus jetzt ganz konkret in dein Leben spricht und dir sagt, dass du etwas lassen solltest? Oder hast du trotz allem, was gerade schiefläuft, gespürt, dass der Herr da ist und dir die Kraft gibt, weiter mit ihm zu gehen?
Wie lange ist es her, dass du Jesus so konkret in deinem Leben erlebt hast? Zwei Jahre? Fünf Jahre? Lebst du vielleicht nur noch von alten Geschichten, was Gott früher in deinem Leben getan hat, weil du keine neuen Erlebnisse mehr hast?
In Israel gab es oft Situationen, in denen Gott sich von seinem Volk entfernte. Das lesen wir zum Beispiel im Buch Hesekiel. Dort, in Kapitel 10 und 11, verlässt Gott den Tempel. Seine Gegenwart ist nicht mehr im Tempel. Weißt du was? Die Juden haben das gar nicht bemerkt. Der Gottesdienst lief ganz normal weiter. Die Opfer wurden weiterhin dargebracht, die Lieder wurden gesungen – alles wie immer.
Würde es dir auffallen, wenn Gott mit seiner Gegenwart in deinem Leben nicht mehr da ist? Du liest noch deine Bibel, du betest noch – aber ist Gott wirklich da? Woran würdest du das merken?
Der Bibeltext aus dem Markus-Evangelium, den wir diese Woche im Rahmen der Gemeinde gelesen haben, liegt zwar etwas vor den Kapiteln, die wir gerade gelesen haben, aber er kann dir vielleicht helfen, Jesus ganz neu zu erleben. Dieser Text steht in Markus 8, Verse 31 bis 38. Es ist ein sehr bekannter Abschnitt.
Ich lese ihn zunächst einmal vor:
„Und er fing an, sie zu lehren: Der Sohn des Menschen muss vieles leiden, verworfen werden von den Ältesten, den Hohenpriestern und Schriftgelehrten, und getötet werden. Nach drei Tagen aber wird er auferstehen.“
Jesus sprach offen über dieses Wort. Petrus nahm ihn beiseite und begann, ihn zu tadeln. Doch Jesus wandte sich um, sah seine Jünger an und tadelte Petrus:
„Geh weg hinter mich, Satan! Du denkst nicht an das, was Gott will, sondern an das, was Menschen wollen.“
Dann rief Jesus die Volksmenge und seine Jünger herbei und sagte zu ihnen:
„Wenn jemand mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, wird es retten.
Was nützt es einem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen, wenn er dabei sein Leben verliert? Was könnte ein Mensch als Lösegeld für sein Leben geben?
Wer sich meiner und meiner Worte schämt vor diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Sohn des Menschen schämen, wenn er kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.“
Nachfolge als Weg und Ziel
Der Herr Jesus spricht hier von Nachfolge. Ich folge ja niemandem nach, außer ihm. Das macht Sinn, denn Nachfolge bedeutet, einem bestimmten Ziel zu folgen.
Wenn ich einem Bergführer nachfolge, laufe ich ihm nicht einfach hinterher, weil er Bergführer ist oder eine gelbe Jacke trägt. Ich folge ihm, weil ich ein Ziel erreichen möchte. Ich weiß, dass dieser Mann mich letztlich an dieses Ziel bringen kann.
Auch dem Herrn Jesus folge ich natürlich zu einem Ziel nach. Doch ich folge ihm nicht nur aus diesem Grund, sondern auch, weil ich mit ihm leben möchte. Um es mit den Worten der Predigt zu sagen: Ich möchte ihn erleben.
Aus diesem Gedanken heraus gibt uns unser Text drei zentrale Möglichkeiten, wie ich Jesus nachfolgen und ihn erleben kann. Diese drei Möglichkeiten sind:
- Erlebe Jesus, indem du für ihn leidest.
- Erlebe Jesus, indem du dich selbst verleugnest.
- Erlebe Jesus, indem du zu seinem Wort stehst.
Wenn du diese drei Überschriften liest, merkst du sofort: Das wird keine Wohlfühlpredigt. Aber ich wiederhole nur, was wir im Text gelesen haben – was der Herr Jesus selbst gesagt hat und auch uns heute Morgen sagen möchte.
Zunächst also: Erlebe Jesus, indem du für ihn leidest.
Jesus erleben durch Leiden
In den Versen 31 bis 33 geht es um die Frage: Erlebe Jesus, indem du für ihn leidest. Zunächst stellt sich der Herr Jesus hier als Sohn des Menschen vor. Das ist ein Ehrentitel, der aus Daniel 7,13 stammt. Dort wird dem Sohn des Menschen Herrschaft gegeben, ihm wird Ehre zuteil, Königtum über alle Völker, Nationen und Sprachen. Seine Herrschaft wird eine ewige sein, und sein Königtum wird nicht zerstört werden.
Über den Sohn des Menschen wird also gesagt, dass er der Messias ist, auf den die Juden jahrhundertelang gewartet haben. Er ist der Herrscher, der jeden Feind besiegen wird. Dieses Bild zeichnet zum Beispiel auch die Offenbarung von Jesus: Er ist der König aller Könige, der Herr aller Herren. Das ist gut so und entspricht der Wahrheit. Darüber darf ich jubeln.
Deshalb finde ich es wichtig, im Gottesdienst auch Zeiten der Anbetung zu haben, in denen ich mich auf Gott konzentriere und sage: Ja, das ist wirklich der Sohn des Menschen. Wenn ich damals bei dem Kreis gestanden hätte, der Jesus zuhört, bei den Jüngern, und Jesus diesen Satz mit „der Sohn des Menschen“ beginnt, dann hätte ich wahrscheinlich gewusst, wie es weitergeht. Wahrscheinlich hätte ich gedacht: „Der Sohn des Menschen wird herrschen, der Sohn des Menschen wird uns von der Herrschaft der Römer befreien.“ Das sind alles Sätze, die zum Sohn des Menschen passen.
Aber Jesus fährt hier unerwartet fort, wenn er sagt, der Sohn des Menschen müsse vieles leiden und verworfen werden. Das passt bis heute nicht in den Kopf eines religiösen Juden. Ein leidender Messias steht nicht im jüdischen Drehbuch. Im Judentum gibt es das Konzept von zwei Söhnen: den Sohn Josephs und den Sohn Davids. Der Sohn Davids ist der Messias in Herrschaft, der Sohn Josephs ist ein Märtyrer, der gegen Joch und Margo kämpft und als Märtyrer fällt. Erst durch ihn wird dem Sohn des Davids die Herrschaft ermöglicht.
Jesus ist für sie ein Betrüger. Dieses Bild kommt in ihrem Denken überhaupt nicht vor. Deshalb ist der Satz, den Jesus dem Sohn des Menschen hier anheftet, völlig unerwartet. Niemand hätte erwartet, dass Jesus das sagt. Als Christen wissen wir, dass es stimmt, was Jesus hier sagt: Gottes Messias wird leiden, bevor er von den Toten aufersteht und herrscht.
Kurz vorher hat Petrus dieses Bekenntnis abgegeben, das wir vorhin im Lied gesungen haben: „Ja, wohin sollen wir gehen? Du bist Christus!“ Als Antwort darauf folgt die Passage, die Jesus hier spricht. Ja, wir wissen: Jesus ist der leidende Messias. Aber was uns oft nicht klar ist, ist, dass Jesus gesagt hat: „Wenn die Welt euch hasst, erinnert euch daran, sie hat mich vor euch gehasst.“ Wir haben gelesen, dass Jesus verworfen wurde.
Das ist spannend: Jesus wurde verworfen, aber wir wollen so gern die Mitte der Gesellschaft bilden. Christen sollten die Mitte der Gesellschaft sein. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir gar nicht ernst nehmen, was Jesus hier sagt. Das geht einerseits rein, andererseits aber auch wieder raus.
Petrus bestätigt es noch einmal in 1. Petrus 2: „Du bist dazu berufen worden.“ Und wir würden es gerne so verstehen: „Ja, zu herrschen.“ Nein, da steht „zu leiden“, genau wie Jesus es hier sagt. Leiden ist nie schön, aber wenn ich damit rechne, kann ich besser damit umgehen, wenn es tatsächlich kommt.
Wir sehen in der Apostelgeschichte, dass die Jünger tatsächlich mit Leiden gerechnet haben. Als dieses Leiden dann kam, zum Beispiel in Apostelgeschichte 5, lesen wir, dass die Apostel, nachdem sie geschlagen wurden, voller Freude aus dem Hohen Rat gingen, weil sie würdig befunden wurden, für den Herrn Jesus Schmach zu leiden. Sie waren darauf vorbereitet, es hat sie nicht überrascht.
Leiden für Jesus gehört zu Gottes Programm – auch für mich. Deshalb sollte ich nicht überrascht sein. Manchmal haben wir hier vorne ein Plädoyer, gerade für unsere Geschwister, die in diesem Moment leiden. Und das sind Millionen, weil sie Christ sind. Sie leiden, weil sie zu Jesus gehören.
Ich las vorletzte Woche bei Francis Chan, dass jemand aus einer Hauskirche im Iran ihm erzählt hat: Wenn du unserer Kirche beitreten willst, musst du eine schriftliche Erklärung abgeben. Bei uns ist das nicht so, eine schriftliche Erklärung abzugeben. Aber sehr spannend ist, was in dieser Erklärung steht. Dort steht, dass du damit einverstanden bist, deinen Besitz zu verlieren, ins Gefängnis geworfen oder gefoltert zu werden, wenn du für deinen Glauben leidest. Wenn du diesen Gottesdienst besuchst, kann dir das passieren, und darüber bist du informiert.
Jesus hat das gesagt, und er hat es auch in unserem Text gesagt, den wir gelesen haben. Für die Gemeinde im Iran ist das Realität, für uns oft noch Theorie. Aber auch in Europa kann mir manches passieren, wenn ich mit Jesus unterwegs bin.
Ich habe eine Schweizerin kennengelernt, die im B-Kader der Schweizer Olympiamannschaft im Ski war. Sie kam aus einer sehr vermögenden Familie und bekehrte sich zu Jesus. Ihr Vater sagte, er wolle sie nicht wiedersehen. Sie durfte nicht mehr nach Hause kommen. Das war nicht irgendwo, das war in der Schweiz. Es ist bitter, wenn deine Eltern oder Freunde dich ablehnen, weil du mit Jesus unterwegs bist. Sei nicht überrascht!
Jesus redet hier auch davon, dass er nicht von den Heiden verfolgt wurde, wie man vermuten könnte. Man könnte denken, dass die römischen Soldaten ihm zugesetzt haben. Aber er wurde verfolgt von den Hohenpriestern, von den Ältesten und Schriftgelehrten, die Gottes Wort kannten. Das waren Leute, die mit der Bibel durch die Gegend liefen. Manchmal wirst du das auch erleben: Es sind religiöse Menschen, die dir schlaflose Nächte bereiten.
Dabei muss klar sein: Ich leide hier, weil ich mit Jesus unterwegs bin, nicht weil ich mich wie ein Elefant im Porzellanladen benommen habe oder meinen Dickkopf durchsetzen will. Es gibt auch Christen, die leiden um des Leidens willen – darum geht es nicht.
Ich liebe nicht das Leiden, ich liebe den Herrn. Weil ich mit ihm unterwegs bin, wird das Leiden mich erwischen, denn Leiden hat ihn sein Leben lang begleitet. Wenn ich mit ihm unterwegs bin, wird es mich auch treffen.
Wir sind ja gerade dabei, Jesus zu erleben. Gerade im Leiden kann ich ihn erleben. Ich kann das erleben, was Paulus in 2. Korinther 1 beschreibt: Gott tröstet uns in der Bedrängnis, also im Leiden, damit wir die trösten können, die auch leiden. Gott gibt mir seinen Trost, und ich darf diesen Trost weitergeben. So hat Paulus das erlebt.
Sein Leid hatte einen tiefen Sinn, auch wenn er das zunächst gar nicht so sehen konnte. Es sind ganz tiefe Erfahrungen, die ich mit Jesus mache, wenn ich für ihn leide. Diese Erfahrungen prägen mich und bringen mich näher zu Gott. Leid ist oft der Weg, den Gott benutzt, damit ich ihn tiefer kennenlerne.
Deshalb tadelt Jesus hier Petrus. Petrus schlägt ihm vor – eine Parallelstelle finden wir in Matthäus 16, wo es noch ausführlicher steht –, dass Leiden nicht zu Jesu Programm gehören soll. Jesus schaut Petrus sehr intensiv an. Man erkennt in seinem Gesicht die Fratze Satans. Das ist, was hier steht.
Jesus sagt zu Petrus: „Satan, dich erkenne ich bei dem, was du sagst.“ Wow, ist das krass! Stell dir vor, Jesus redet dich so an: Er sagt „Satan!“ Du redest, was typisch menschlich ist, aber du sagst nicht, was Gottes ist.
Satan wollte verhindern, dass Jesus den Weg des Leidens geht, um sein Leben als Lösegeld zu geben. Und Satan will auch verhindern, dass du leidest, dass ich leide, weil Jesus es mir wert ist. Auf jeden Fall will Satan mir die Erfahrung nicht gönnen, Gott gerade im Leiden zu erleben.
Denn neben dem Trost, von dem Paulus spricht, werde ich im Leiden auch die Kraft erleben, die Gott mir gibt, um überhaupt leiden zu können. Leiden ist keine Leistung meiner Disziplin. In der Realität ist Leiden ein ängstliches, aber sehr bewusstes Festhalten an Jesus, der mir die Kraft schenkt, für ihn zu leiden.
Natürlich fällt uns Leiden als Menschen schwer. Leiden will keiner. Dass wir das im Westen überhaupt nicht auf dem Zettel haben, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass der Himmel für uns gar nicht mehr so real ist. Der Himmel ist kein Ziel, auf das wir uns freuen, auf das wir zugehen. Wir sind lieber hier unten auf der Erde und verlängern unseren Weg.
Aber wenn der Himmel für uns realer wäre, dann würde er auch zu einem Ziel, auf das wir uns freuen und das uns hilft, manches Leiden auszuhalten, weil es uns nahe bei Jesus halten kann.
Leiden ist sicher ein Weg, um Jesus zu erleben.
Jesus erleben durch Selbstverleugnung
Ein zweiter Gedanke, den Jesus hier bringt: Erlebe Jesus, indem du dich selbst verleugnest (Vers 34 bis Vers 37).
Nachdem Jesus zu seinen Jüngern gesprochen hat, insbesondere zu Petrus, redet er in diesem Abschnitt zur Volksmenge und zu den Jüngern. Das bedeutet, dass sich das Publikum leicht verändert. Petrus sagt: Wenn du mir nachfolgen willst, musst du dich verleugnen.
Wenn ich meinen Chef verleugne – was ich eigentlich nicht tun sollte – heißt das, ich sage, er sei nicht da, obwohl eine wichtige Persönlichkeit vor mir sitzt. Wenn ich mich selbst verleugne, dann sage ich: „Der Thomas ist nicht da.“ Dabei geht es nicht um den Thomas an sich, der ist gar nicht wichtig. Es bedeutet, dass ich mich selbst verleugne.
Wenn ich Jesus nachfolge, werde ich das immer wieder sagen müssen: Es geht nicht um meine Wünsche, obwohl ich sie habe, sondern um Gottes Willen. Genau darin kann ich Gottes Kraft erleben, Nein sagen zu können. Wenn ich Ja zu Jesus sage, muss ich zu manchen anderen Dingen einfach Nein sagen.
Du weißt es aus eigener Erfahrung: Das kann ein innerer Kampf sein. Das schüttelt man sich nicht einfach so aus dem Ärmel. Vielleicht muss ich in einer Firma Nein sagen zu einer Aufgabe, in die man mich hineinpressen will, und die verlangt, dass ich es mit der Wahrheit nicht so genau nehme. Zum Beispiel, dass wir unser Produkt nicht ganz ehrlich verkaufen. Dann sage ich: Nein, das werde ich nicht machen.
Oder ich sage Nein zu einer Beziehung mit einem potenziellen Ehepartner, der kein Christ ist – das kann bitter sein. Oder ich sage Nein zur Schwarzarbeit, obwohl sie viel billiger ist. Ich werde Nein sagen, mich nicht an einem Komplott hinter dem Rücken anderer zu beteiligen, zum Beispiel mit Arbeitskollegen. Ich werde Nein sagen, meine Karriere nicht vor meine Kinder zu stellen.
Diese Neins können mich viel kosten. Sie haben alle mit Selbstverleugnung zu tun.
Jesus erklärt, was er mit dem Kreuz meint. Er sagt: „Nimm dein Kreuz auf dich!“ Es gibt eine verbreitete evangelikale Auslegung dazu: Das Kreuz kann zum Beispiel mein Ischias sein, der sehr schmerzt. Aber das ist nicht das Kreuz, von dem Jesus spricht. Oder man sagt, es sei eine schwere Lebenssituation, unter der man fast zerbricht. Aber das ist ebenfalls nicht das Kreuz.
Wenn jemand damals das Kreuz auf sich genommen hat, war klar: Er geht jetzt in den Tod. Wenn du jemanden auf der Straße mit dem Querbalken des Kreuzes laufen sahst, wusstest du, dass er zum Kreuzigungstod geführt wird.
„Nimm dein Kreuz auf dich“ heißt: Gehe freiwillig in den Tod. Im Grunde sind wir hier bei Römer 8,28. Dort heißt es: „Denen, die Gott lieben, dienen alle Dinge zum Guten mit.“ Was das Gute ist, wird oft ausgelassen. Es steht in Vers 29: „Damit er der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei.“ Das Ziel ist, Jesus ähnlich zu werden, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein. Darauf bin ich unterwegs.
Als Zielkontrolle könnte ich zum Beispiel Galater 5,22 personalisieren. Ich könnte sagen: Thomas (oder setze deinen Namen ein) strahlt Liebe aus. Er hat eine tiefe Freude und fällt durch seine Langmut, also Geduld, auf. Seine Freundlichkeit tut mir gut, ebenso wie seine Güte und seine Treue mir gegenüber. Das ist Galater 5,22 personalisiert.
Oder das Ziel, auf das ich zugehe, könnte auch 1. Korinther 13,4 sein: Thomas (oder setze deinen Namen wieder ein) ist nicht neidisch. Er stellt sich nicht in den Mittelpunkt, benimmt sich nicht unanständig und sucht nicht das Seine.
Ich weiß nicht, wie es dir geht, wenn du diese Bibelverse liest. Ich merke, da ist noch viel Luft nach oben. Wer es nicht glaubt, kann meine Frau fragen – sie kann sicher einiges dazu sagen. Das sind viele Herausforderungen, sich selbst zu verleugnen.
Verleugnung beginnt damit, dass ich sage: „Herr Jesus, bitte hilf du mir, dir ähnlicher zu werden.“ Dazu braucht man mutige Gebete.
Ich habe kürzlich einige Bitten gelesen, die von jemandem stammen könnten, der begriffen hat, wie wichtig es ist, sich selbst zu verleugnen. Ich las diese Bitten und dachte: Wow, da muss ich mal prüfen, ob ich das wage, nachzusprechen.
Zum Beispiel stand da: „Herr, mach mich geduldiger, indem du Situationen schickst, die mich nerven.“ Würdest du das beten? Was hat das mit Selbstverleugnung zu tun?
Oder: „Befreie mich von der ständigen Sucht nach Anerkennung.“ Das wird im Alltag konkret, wenn ich erlebe, was Jesus erlebt hat, nämlich dass man ihn nicht anerkannt hat.
Oder: „Hilf mir, andere mehr verstehen zu wollen, als selbst verstanden zu werden.“ Dabei rede ich doch so gerne.
Oder noch so eine Bitte: „Lass Leute in mein Leben treten, die mich auf meine blinden Flecken hinweisen.“ Will ich das wirklich beten?
Überlege für dich selbst, in welchem Bereich deines Lebens du geistlich wachsen möchtest. Ist es konkret die Geduld, die Freundlichkeit oder ein anderes Wohlwollen? All das hat mit Verleugnung zu tun.
Schreib dir vielleicht solche Gebete auf, die dieses Ziel im Auge haben. Vielleicht klingen sie ähnlich wie die, die ich eben vorgelesen habe.
Sprich regelmäßig mit Jesus darüber und rechne damit, dass er dir die Kraft geben will, anders leben zu können. Das kann ich nicht aus mir selbst heraus, aber er will mir die Kraft schenken, mich zu verleugnen.
Das ist es, was Jesus hier sagt: „Wenn du hinter mir herlaufen willst, dann ist das schon mal gesetzt.“ Das muss seine Grundeinstellung sein. Deshalb ist Selbstverleugnung auf dem Weg der Nachfolge auch die Möglichkeit, Jesus ganz praktisch im Alltag zu erleben.
Jesus unterstreicht hier noch einmal, wie wichtig es ihm ist, dass sein Evangelium und seine Handschrift in meinem Leben zu seiner Ehre sichtbar werden.
Jesus sagt: Wenn ich mein egoistisches Leben verliere um seines Willen, dann werde ich es retten. Dass Jesus mein Leben prägt, ist viel wertvoller. Das ist ein herausfordernder Satz hier, mehr wert als alles in dieser Welt zu besitzen.
Das lesen wir oft zu schnell. Was heißt das?
Stell dir vor, du fliegst in ein anderes Land, natürlich mit deiner Fluglinie. Der Pilot, die Stewardess – sie alle werden von dir bezahlt, sie stehen alle auf deiner Payroll. Dann verbringst du Zeit in einem Hotel, auf dessen Tür natürlich dein Name steht, wie bei allen anderen Hotels in diesem Land. Es gibt keine Hotels, auf denen dein Name nicht steht.
Dir gehört die ganze Welt. Das ist, was Jesus hier sagt.
Und weil du einfach mal ein bisschen Freizeit brauchst, fährst du mit deiner Yacht. Natürlich wird diese Yacht von deiner Firma hergestellt, wie alle anderen Yachten, die du siehst.
Wenn du in dein Aktienportfolio schaust, siehst du, wie viel Gewinn deine Firmen machen. Die Leute können zwar mit ihren Aktien spielen, aber am Ende landet alles auf deinem Konto.
Das ist ein kleiner Ausschnitt dessen, was es heißt: Ich gewinne die ganze Welt, mir gehört die ganze Welt.
Jesus sagt: Es ist wichtiger, dass das Evangelium dein Leben erfasst und bestimmt, als dass die ganze Welt dir gehört.
Der erste Schritt, um eine Beziehung mit Gott zu bekommen, ist, das Lösegeld anzunehmen, von dem Jesus redet – das Jesus für mich gezahlt hat, das kein anderer zahlen will und zahlen kann. So sagt Jesus es hier.
Wenn ich Jesus nicht kenne, bin ich wie eine Geisel in den Tunneln von Gaza. Ich bin durch einen solchen Tunnel gelaufen. Normalerweise habe ich keine Chance, da rauszukommen. Ich konnte durchlaufen und wieder herausgehen.
Aber das Lösegeld in Gottes Geschichte, von dem Jesus hier redet, ist: Jesus sagt, du sitzt in diesen Tunneln fest, du kommst nie wieder raus. Und was er macht, ist, dass er sein Leben für deins gibt. Er lässt sich für dich in diesen Tunneln anketten und stirbt, damit du freikommst. Er tauscht deinen Platz, wird zur Geisel des Todes, und du kommst frei.
Ich habe noch ein Bild gesehen und fotografiert, das ihr gleich noch einmal seht. Es ist in Tel Aviv, ein festlich gedeckter Tisch. Auf jedem Stuhl steht der konkrete Name einer Geisel.
Im Himmel gibt es auch so einen Tisch und einen Stuhl, an dem dein Name steht. Du wirst erwartet.
Aber leider sagen wir als Geiseln der Sünde oft: „Ich will gar nicht, dass Jesus mich rauslöst. Ich will getrennt von Gott bleiben. Ich will, um es mit unserem Bibelvers zu sagen, diese Welt gewinnen.“
„Jage Zielen nach, die wie Seifenblasen zerplatzen, wenn ich von dieser Erde gehen muss.“
Gott wird mich nicht mit Gewalt aus diesem Tunnel herauslösen. Ich muss meine Sünde ihm selbst bekennen und damit rechnen, dass das Lösegeld, das der Herr Jesus gezahlt hat – sein eigenes Leben –, für mich gilt. Nur deshalb kann ich erlöst werden.
Aber ich muss zu ihm kommen, im Gebet, ihn um Vergebung bitten für meine Sünde.
Das ist der Weg, wie ich eine Beziehung zu Gott bekomme und meinen reservierten Platz im Himmel auch wirklich nutze.
Ich möchte bitten: Lasst diese Reservierung nicht verfallen.
Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wird nach dem Gottesdienst hier vorne ein Gebetsteam sein. Du kannst auf sie zugehen und sie fragen: Wie bekomme ich diese Beziehung zu Gott?
Jesus sagt: Du kannst kein Lösegeld selbst zahlen, aber es ist bezahlt worden, und du darfst es in Anspruch nehmen.
Die Beziehung zu Gott bekomme ich, wenn ich seiner Güte glaube, dass er mir seine Vergebung schenken will. Und wenn ich zugebe: Ich bin ein Gefangener in den Tunneln, ich bin ein Sünder und brauche Vergebung.
Für alle, die schon eine Beziehung haben, ist dieses Wort, das Jesus hier spricht, auch eine ernste Warnung: Was nützt es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen?
Du musst alles zurücklassen – alles. Du kannst nichts mitnehmen.
Deshalb beschäftige dich in deinem Leben mit ewigen Zielen.
Klar, wir müssen uns auch mit irdischen Zielen beschäftigen, sonst würden wir verhungern, wenn wir nicht kochen oder Ähnliches. Aber lass dich nicht vereinnahmen, lass dich nicht ablenken.
Frag dich jeden Tag: Wie kann ich heute zur Ehre Gottes leben?
Lass dein Leben bestimmt sein von diesem tiefen Vertrauen zu Gott, von einer leidenschaftlichen Liebe zu Gott und von einer Hoffnung, die sich nicht von der Tagesschau und schlechten Nachrichten kleinreden lässt.
Ich glaube, eine Maßnahme könnte sein, mehr Zeit mit Gottes Wort zu verbringen als mit politischen Themen und sozialen Netzwerken.
Schau doch mal, wie viel Zeit du wofür konkret einsetzt.
Ich glaube, das hilft, einen schärferen Blick für Gottes Anliegen in dieser Welt zu bekommen, wenn ich mich mit Gottes Wort beschäftige.
Wenn ich Gottes Sache an die erste Stelle setze und mich selbst an die zweite, dann verleugne ich mich – und dann kann ich aus Erfahrung sagen: Ich erlebe Jesus gerade darin, wie er mir seine Kraft schenkt, mich selbst zu verleugnen.
Das ist ein Prozess, aber auch konkrete Entscheidungen, bei denen ich seine Hilfe brauche.
Jesus erleben durch Treue zu seinem Wort
Als Letztes erlebe Jesus, indem du zu seinem Wort stehst. Das Evangelium kam in die römische Welt wie eine Botschaft von einem anderen Stern. Das haben wir oft gar nicht vor Augen.
Eheliche Treue – was ist das denn? Wozu soll das gut sein? Altenpflege, hast du gesagt? Also, wenn unsere alten Leute nicht mehr können, stoßen wir sie einfach in den Tiber. Da haben wir das schon immer so gemacht, machen wir auch so.
Es waren Christen, die dadurch auffielen, dass sie die ausgesetzten Babys nachts von der Straße holten, bevor sie von den Hunden aufgefressen wurden, und sie in ihre Familie aufnahmen, damit sie nicht umkamen. Das war Rom, als das Evangelium hineinkam. Julian Apostata sagte als Kaiser dann sinngemäß, dass die Christen sich um ihre Leute kümmern – das verstehe ich noch –, aber dass sie sich auch um unsere Leute kümmern, das war für ihn völlig unverständlich. Er sah darin auch eine Gefahr: Dass nämlich Christen auf diese Weise einen stärkeren Einfluss in der Gesellschaft gewinnen könnten. Deshalb war ihm wichtig, dass die heidnischen Priester auch sozial sein sollten. Das war eher dieses Vordergründige.
Die Christen haben sich ja nicht selbst Christen genannt. Das wissen wir aus der Apostelgeschichte – genauer: Apostelgeschichte 11. Die Bezeichnung „Christ“ haben ihnen die Heiden gegeben. Warum wohl? Weil sie Jesus in ihnen sahen. Sie sahen etwas von Christus in ihnen. Das war auch ein spannender Gedanke. Warum sollte dein Nachbar dich Christ nennen? Was sieht er in dir, das Jesus ähnlich ist? So sehr, dass er zu Recht sagen könnte: „Ich glaube, das ist ein Christ.“
Der Jesus ermutigt mich, seine Kraft in Anspruch zu nehmen, um ein Leben zu führen, das sich von dem eines Normalbürgers unterscheidet. Ein Leben, das im Kontrast zu unserer Gesellschaft steht – in der Liebe zu Gott und zu unseren Mitmenschen, aber auch in der Konsequenz gegenüber einem gottlosen Lebensstil unserer Zeit.
Wir als Christen brauchen Mut, nicht die Antworten zu geben, die die Leute um uns herum hören wollen, sondern die Antworten aus dem Wort Gottes, die wirklich weiterhelfen. Wir brauchen Mut, heute dazuzustehen und zu sagen: Es gibt zwei Geschlechter und nicht mehr. So hat Gott das geplant. Punkt.
Wir brauchen Mut, deutlich zu machen: Abtreibung ist das Töten eines Menschen. Wir leben in einer Zeit, in der Abtreibung tatsächlich mit dem Ziehen eines Zahnes verglichen wird. Wer die Bundestagsdebatte zu diesem Thema verfolgt hat, weiß, dass manche sagen, es sei ein Menschenrecht, einen Menschen zu töten.
Ich habe gestern gehört, dass jemand vor einer Abtreibungspraxis still für sich gebetet hat – nur gestanden in England – und daraufhin verhaftet wurde. Da sind wir noch nicht ganz. Aber wir sind auf dem Weg dahin. Es braucht Mut.
Wir brauchen auch Mut zu sagen: Ein bürgerliches, unbescholtenes Leben bringt mich nicht in den Himmel, wenn ich mich anstrenge. In den Himmel komme ich nur, wenn ich mich von Gottes Gnade beschenken lasse. Meine religiösen Anstrengungen werden mir vor Gott nichts bringen. Auch das ist wichtig, immer wieder zu betonen.
Ebenso, dass Gott absolute Gerechtigkeit herstellen wird. Die Bibel sagt, er wird diese absolute Gerechtigkeit auch durch die Hölle darstellen. Jeder bekommt, was er verdient – außer die, die zu einem Leben mit Gott umgekehrt sind. Die bekommen das, was sie nicht verdienen: eine Beziehung zu Gott.
David Platt hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Counterkultur gegen Kultur“. Sehr herausfordernd. Er spricht Themen an wie Homosexualität, Sexsklaverei – Stuttgart ist sehr hoch gelistet –, Rassismus, Reichtum auf Kosten der Armen, Pornografie. Das sind alles Themen, zu denen Christen etwas zu sagen haben und die uns als Christen natürlich im Leben herausfordern.
Wir brauchen Kraft, hier anders zu leben und anders zu reden. Ihr merkt, es ist so leicht, sich für das zu schämen, was Jesus gesagt hat, falls es so anders ist als das, was ihr in eurem Alltag hört. Aber gerade wenn wir den Mund aufmachen oder andere Werte leben, dann werden wir auffallen. Und das sollen wir.
Es ist so krass: Wenn Jesus hier sagt, wenn du dich schämst, mein Wort zu sagen, weißt du, was dann passiert? Ich werde kommen. Es gibt den Tag, an dem ich wiederkomme. Und weißt du, wie meine Reaktion sein wird? Ich werde dich sehen – oder ich werde mich woanders hindrehen und sagen: „Es ist peinlich, dich zu sehen. Ich werde mich schämen, dich zu sehen, weil du dich meines Wortes geschämt hast.“
Wow! Ich habe euch gesagt, es ist keine Wohlfühlpredigt. Und wir sollten über diese Texte auch nicht so schnell hinweglesen, sondern uns vergegenwärtigen, was das heißt. Jesus schämt sich, wenn er mich sieht, weil ich mich geschämt habe, zu seinem Wort zu stehen.
Ich kann mir vorstellen, dass dem Apostel Johannes, der ja dabei stand, als Jesus das gesagt hat, dieses Wort absolut in die Knochen gefahren ist. Jahre später schreibt er in 1. Johannes 2,28: „Kinder, bleibt in ihm, damit, wenn Jesus offenbar wird, wir Freimütigkeit haben und nicht beschämt werden bei seiner Ankunft.“ Also da siehst du, da ist die Verbindung zu dem, was Jesus hier gesagt hat.
Aber ihr habt es sicher schon erlebt: Wenn wir zu seinem Wort stehen, trotz Gegenwind, dann erleben wir, wie Jesus uns die Kraft gibt. Manchmal kenne ich Situationen, da heilst du dann trotzdem. Du weißt dich irgendwie getragen, hast eine innere Freude: „Hey, ich konnte das sagen, und es war auch der Platz dafür, das zu sagen, was Jesus sagen würde.“
Und wenn du das sagst, dann vergiss nicht die mutmachende Perspektive, die Jesus hier zeigt. Weißt du, wovor wir Angst haben? Wir haben Angst, dass wir blöd in den Augen der Welt dastehen. Und es ist so. Darüber freut man sich nicht, oder? Ich freue mich darüber jedenfalls nicht. Aber das ist kurzfristig, und das sollten wir nicht aus den Augen verlieren.
Am Ende wird Jesus wiederkommen. Wir haben es hier gelesen: in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln. Wenn ich das im Blick behalte, dann lebe ich wirklich nachhaltig. Wir wollen ja heute immer einen nachhaltigen Lebensstil. Ich weiß dann: „Ja, Herr, das ist die langfristige Perspektive, die du mir gibst. Das ist der Tag, auf den ich zugehe, der Tag, von dem Jesus hier redet, an dem ich mich riesig freuen darf.“
Das ist der Siegestag, an dem klar wird: Alles Leiden, alle Selbstverleugnung und aller erlebte Widerstand hat sich gelohnt, weil ich Jesus freudig entgegengehen kann.
Zu Gottes Wort zu stehen, ist eine große Möglichkeit, Jesus zu erleben. Denn gerade dann erlebst du: Hey, er steht an meiner Seite. Sein Geist gibt mir den Rückenwind, den ich brauche, um vorwärtszugehen und auch um geistlich zu wachsen. Das sind so die Situationen, in denen ich auch geistlich wachse.
Zusammenfassung und Einladung zur Nachfolge
Jetzt bin ich schon bei der letzten Folie. Es ging um die Frage, wie ich Jesus in meinem Alltag erlebe.
In unserem Text machte Jesus einige sehr herausfordernde Aussagen darüber, was es bedeutet, ihm nachzufolgen. Gleichzeitig bieten diese Situationen auch Möglichkeiten, Jesus im Alltag zu erleben.
Deshalb lohnt es sich, sich darauf einzulassen und Jesus zu erleben, indem man für ihn leidet. Erlebe Jesus, indem du dich selbst verleugnest, und erlebe Jesus, indem du zu seinem Wort stehst. Amen.