An diesem Morgen begegnet uns Jesus, unser Herr, und er möchte zu uns sprechen und uns erreichen. Er grüßt uns mit dem Wort: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“
Wir singen aus dem Lied 580 den ersten Vers sowie die Verse sechs und sieben.
Wir wollen beten:
Jesus Christus, wir danken dir, dass wir an diesem Morgen vor dir die Stille finden dürfen. Du willst jeden von uns heute Morgen suchen. Du kümmerst dich um das, was uns bewegt – um unsere Sorgen und unsere Nöte. Wir dürfen jetzt bei dir abladen, denn du weißt alles.
Ach ja, uns ist es so leid, dass wir so wenig von deiner Nähe suchen. Deshalb sind wir oft so gehetzt, ohne Geborgenheit und ohne Frieden. Gib uns heute Morgen, dass du uns wirklich ganz verändern kannst. Lass uns deine Gaben wie Kleider anlegen, damit wir von dir geschmückt, verändert und erneuert werden.
Du kannst unser ganzes Leben verändern. Darum bitten wir dich, dass das nicht nur im Herzen bleibt – im Glauben an dich und in der Verbindung mit dir – sondern dass unser ganzes Wesen davon geprägt wird.
Wir wollen dir jetzt in der Stille alles bringen, was uns bedrückt.
Wir beten in der Stille.
„Wer auf dich sieht, wird erquickt, und sein Angesicht wird nicht zuschanden.“ (Psalm 34,6)
Amen.
Begegnung mit Jesus und Einladung zum Gebet
Wir hören jetzt ein La Ghetto von Händel. Mhm, yeah, hm hm.
Ich lese aus Matthäus 9,9-13:
Als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus. Jesus sprach zu ihm: „Folge mir!“ Matthäus stand auf und folgte Jesus.
Es begab sich, als Jesus zu Tisch im Haus saß, kamen viele Zöllner und Sünder und saßen mit Jesus und seinen Jüngern zusammen.
Als die Pharisäer das sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: „Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern?“
Als Jesus das hörte, sprach er: „Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Geht aber hin und lernt, was das heißt.“
Jetzt folgen Zitate aus dem Propheten Hosea:
„Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.“
Und jetzt ein weiteres Zitat:
„Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.“
Wir hören noch das Allegro aus der D-Dur-Sonate von Händel. Mhm, oh ja, nein, nein, nein, du i n g.
Jesu Ruf und Umgang mit Sündern
Wir singen nun das Lied 270. Es fasst das ganze Leben Friedrich Schillers zusammen. Er blieb nicht stehen bei der schweren Krankheit, die ihm seinen Dienst unmöglich machte und ihn aus seinem Beruf warf. Stattdessen entdeckte er das Wunder, dass Gottes Erbarmen ihm galt und sein Leben wertvoll und wichtig machte. Lied 270, wir singen alle fünf Verse.
Was dann? Die Dankbarkeit? Ja, was dann? Nein, was dann? Ich bitte Sie, in Ihrem Bibelbuch den ersten Timotheusbrief, Kapitel 1, aufzuschlagen, 1. Timotheus 1,12-17.
Hier zeigt sich Demut. In den Versen 12 bis 17 legt Paulus ein sehr freimütiges Geständnis von sich selbst ab:
„Ich danke unserem Herrn Christus Jesus, der mich stark gemacht und für treu erachtet hat und in das Amt eingesetzt hat, mich, der ich früher ein Lästerer und Verfolger und Frevler war. Aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich habe es unwissend getan, im Unglauben. Es ist aber desto reicher geworden die Gnade unseres Herrn zusammen mit dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus ist. Das ist gewiss wahr und ein Wort des Glaubens wert: Christus Jesus ist gekommen, um die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin, also der mieseste. Aber darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, dass Christus Jesus an mir als Erstem alle Geduld erweise, zum Vorbild denen, die an ihn glauben sollten zum ewigen Leben. Aber Gott, dem ewigen König, dem unvergänglichen und unsichtbaren, der allein Gott ist, sei Ehre und Preis in Ewigkeit. Amen.“
Paulus ringt mit seinen Minderwertigkeitsgefühlen. Ich habe den Eindruck, das ist bei vielen von uns eine Not. Kein Wunder, so viele Anforderungen liegen auf uns. Wir sind gefordert und spüren auf Schritt und Tritt, dass wir das alles gar nicht schaffen können. Wir sind zu schwach, wir sind nicht begabt genug. Das melden die Schüler in der Schule, das merkt man später im Beruf unter Kollegen. Manche meinen, man merke es selbst nicht, weil man noch so ungeschickt ist. Doch andere sagen es uns dauernd, wo unsere Fehler und Mängel liegen. Immer wieder wird an der alten Wunde gerührt.
Minderwertigkeitsgefühle belasten uns oft so stark, dass wir gar nicht in der Lage sind, mit anderen darüber zu reden. Es wäre ein Zeichen von Stärke, wenn wir darüber reden könnten. Doch weil wir uns so hilflos und schwach sehen, können wir gar nicht darüber sprechen. Es tut uns eben dauernd weh. Minderwertigkeitsgefühle hat eigentlich jeder.
Man kann natürlich auch morgens vor den Spiegel treten und sich sagen: „Schau mal, wie gut ich bin!“ Man kann sich das selbst einreden und sagen: „Du musst nur an dich glauben!“ Aber das ist ein trügerischer Traum und Wahn. Wenn ich das einfach bloß überspielen will mit ein paar Worten, mit ein paar Illusionen, dann ist das nicht ehrlich.
Bei uns allen gibt es auch eine andere, fast unbewusste Reaktion, wenn wir unsere Minderwertigkeit spüren, unser Nicht-Können, unser Versagen, unsere Fehler und Mängel: Wir überspielen das mit Aktivität. Ein Musterbeispiel ist der alte Grieche Demosthenes. Er hat gestottert und hat als junger Mann so darunter gelitten, dass er an den Meeresstrand ging. Dort legte er sich einen Kiesel unter die Zunge und tat sich selbst weh, weil er gegen seine Schwäche und Fehler ankämpfen wollte. Dann hat er gegen die Brandung gebrüllt.
Das wurde oft in der Erziehung uns vorgehalten: „Schau mal, da hat einer was aus seinem Leben gemacht. Da hat einer gegen seine Fehler gekämpft und wurde der größte Volksredner Griechenlands. Du musst mit deinen Fehlern kämpfen, du musst dagegen angehen!“ Das war die Devise.
Aber ich bin nicht so. Ich ringe immer wieder mit meinen Mängeln, mit denen ich mich tagtäglich auseinandersetzen muss, und mit meinen Fehlern. Sie stellen mir eine ganz wichtige und notvolle Frage: Was bin ich eigentlich? Was für einen Wert habe ich? Was für einen Wert habe ich wirklich? Ich kann mir überlegen, wie mich die anderen sehen: Freunde, Feinde, Familie, Kinder. Es ist manchmal richtig schwer, sich selbst so einem kritischen Urteil auszusetzen. Wer bin ich eigentlich?
Manchmal müssen wir sagen: Die anderen beurteilen mich wirklich falsch. Ich habe mich schon in der Schule unverstanden gefühlt von den Lehrern. Jede Benotung war ungerecht, so habe ich es empfunden. Ich bin doch ganz anders, ich wollte anders sein. Aber war ich wirklich anders? Was ist der Wert meines Lebens?
Sicher ist es heute schwierig für uns Menschen, unseren Wert zu bestimmen, uns richtig einzuschätzen. Wir können unsere Gaben und Leistungen überschätzen. Aber es gibt auch den Komplex der Minderwertigkeit, dass man sich gar nichts mehr zutraut. Wer bin ich denn wirklich?
Ich muss Sie darauf hinweisen, dass allein die Bibel uns zu einer ganz nüchternen Einschätzung hilft. In der Bibel wird ein Thema immer wieder behandelt: „Sie haben mein Leben verfehlt, ich bin einer, der keinen Wert mehr hat, ein Sünder.“ Das meint das Wort „Sünder“.
Ich sage das mal ganz einfach, weil viele von Ihnen sich hier mit rührender Hingabe bemühen, anderen gleichgültigen und ungläubigen Menschen heute das Evangelium nahe zu bringen. Sie sind dann ganz frustriert, wenn sie merken, dass die anderen es nicht verstehen, nicht richtig mitbekommen und blockiert sind.
Ich habe den Eindruck, dass man sich als Christ heute gar nicht klar macht, dass das Evangelium für den heutigen Menschen eigentlich gar nicht begriffen werden kann. Wenn wir evangelisieren, sollten wir vielmehr damit rechnen, dass das für den heutigen Menschen ein unmögliches Reden ist.
Wenn wir heute den Menschen sagen: Du bist in den Augen Gottes ein gescheiterter Mensch, ein Gestrandeter, dann versucht doch jeder in der Welt verzweifelt, seinem Leben Wert zu geben, sich hochzustrampeln und etwas zu erreichen.
Ich habe erlebt, wie Eltern mir empört gegenübertraten und sagten: „Wir wollen nicht mehr, dass unsere Tochter in ihren Bibelkreis geht. Das macht diesen jungen Menschen kaputt. Wir bemühen uns, ihr Selbstvertrauen zu geben, und Sie machen mit einem Federstrich alles kaputt.“ Oder sie sagten: „Sie sind ja gar nicht richtig Kirche, Sie sind ja gar nicht richtig Richter.“ Warum? Weil ich die Bibel ernst nehme.
Vielleicht wird heute in der Verkündigung zu sehr dem Denken angepasst und das Thema der Sünde vermieden. Wenn die Bibel von der Sünde spricht, wenn Jesus das Thema anreißt, dann ist das immer wieder die Erkenntnis: Mein Leben ist falsch gelebt, ich habe mein Leben vor Gott verwirkt, es ist alles nicht richtig.
Die biblische Botschaft sorgt dafür, dass der Gottesdienst nicht langweilig wird. Sonst wäre das hier wirklich eine langweilige Kultstätte. Was sollten wir auch hier tun, wenn wir nicht immer wieder dieses Thema verhandeln, das ganz deutlich und scharf aufdeckt, was mein Leben wirklich wert ist?
Darüber muss gesprochen werden. Paulus sagt nicht: „Ich habe in meinem Leben einige Sünden“, sondern: „Das war mein Leben.“ Er war durch und durch einer, der gar nicht mit Gott leben kann, der die Wunschvorstellung Gottes nicht einmal entfernt verwirklichen kann.
Er sagt, dieser Mann Paulus, der so tätig war, so aktiv, der moralisch untadelig war, der ein Leben in Frömmigkeit ganz aufopfernd führte, sagt: „Das war alles verkehrt, alles falsch in den Augen Gottes.“
Aber dann gibt er uns diesen Hinweis, das ist ein teuer wertvolles Wort und aller Annahmewert: Das ist das Herzstück des Evangeliums. Wenn wir irgendwo predigen, reden oder evangelisieren, wollen wir immer auf diesen Punkt zu sprechen kommen.
Wir meinen nicht, wir könnten den Menschen heute das irgendwie erklären oder durch Bilder verdeutlichen. Wir dürfen Menschen einfach so, wie Paulus es von sich erzählt, sagen lassen: „Ich habe das in meinem Leben so entdeckt. Ich bin vor Gott einer, der durch und durch gescheitert ist.“
Wo hat Paulus das entdeckt? Als er Jesus Christus gegenübertrat. Viele halten das für ein Hirngespinst. So geht es vielen, die sagen, christliche Redeweise sei theologisches Gerede.
Paulus hat plötzlich gemerkt: Jesus Christus lebt wirklich, ist Richter am Jüngsten Tag, steht vor mir und kennt mich durch und durch. Dort hat Paulus entdeckt: Mein Leben war verkehrt und falsch gelebt. Ich habe zwar viel Frommes getan, ich habe mit meinem Leben viel Gutes zu erreichen versucht, aber ich habe an Jesus vorbei gelebt.
Dann ist alles verkehrt. Ich kann mein Leben noch so sehr mit Gütern, Werten, Idealen und frommen Leistungen erfüllen, das ist nicht, was Jesus von mir will. Er sucht nur das eine: dass ich ihm diene und ihm gehöre.
Jesus ist gekommen, um uns zu suchen und selig zu machen, auch die, die weit weg sind und von ihm davongelaufen sind.
Was ist der Wert unseres Lebens? Das war die erste Frage. Für viele bricht eine Welt zusammen, wenn sie plötzlich merken, dass sie krank sind, eine Stellung verlieren oder keine Anerkennung und Ehre mehr haben.
Das kommt daher, dass es alles künstliche Werte waren, mit denen wir unser Leben wichtig machen wollten. Den wahren Wert unseres Lebens setzt Jesus, der uns annimmt, hält und trägt.
Jetzt möchte ich noch etwas Zweites sagen: Warum rührt ihr eigentlich immer an den alten Wunden? Das höre ich oft als Vorwurf, wenn wir in der Verkündigung oder im Gespräch immer wieder auf den Punkt unserer Schuld sprechen kommen.
„Warum rührt ihr immer an diese alte Geschichte? Ihr nehmt uns den Mut. Ihr solltet uns vielmehr aufrichten, erbauen, Mut geben. Ihr schuldet uns sagen: Du bist gar nicht so schlecht, wie du meinst. Du darfst dir selbst etwas zutrauen. Du bist schon gut!“
Nein, das wäre Betrug. Es gibt dunkle Nachtstunden, in denen wir aufwachen und uns bewusst wird, was wir im Leben falsch gemacht haben. Dann liegt die Last so schwer auf uns, dass wir die Vergangenheit kaum tragen können.
Es gibt Dinge aus längst vergangenen Tagen, die so schwer auf uns liegen und die wir nicht loswerden. Wir müssen uns entschuldigen und sagen: Ja, damals waren die Verhältnisse und Umstände so, wir konnten nichts anderes. Niemand ist vollkommen.
Aber die Schuld drückt uns nieder, sie steht uns immer vor Augen, und wir kriegen sie nicht weg. Es gibt zu viel unbewältigte Schuld, auch im Leben von Christen.
Es sind Dinge, die wir getan haben: auf allen Gebieten der Schuld, in der Eitelkeit, im Streit, auf sexuellem Gebiet, in bösen Worten, mit Verletzungen.
Plötzlich steht vor uns das wartende Gewissen. Jeder Mensch weiß, was nicht recht ist. Darüber braucht man nicht zu diskutieren.
Man kann als Christ oft nur immer wieder ein paar Beispiele im eigenen Leben erkennen. Dann wird uns verborgen, wie schwer das wiegt.
Deshalb sagt Paulus: Das ist ein teuer wertvolles Wort und aller Annahmewert, das ist ganz gewiss wahr: Jesus ist gekommen, und das war sein einziges Ziel, sein ganzes Wollen, uns zu retten.
Andere können Jesus nicht entdecken, nur Sünder können ihn erkennen. Das ist der Grund, warum viele heute Jesus nicht entdecken. Für sie ist Jesus fremd, vielleicht ein Lehrer, ein Weiser, ein Philosoph oder sonst etwas.
Sie rätseln um ihn herum. Nur die können ihn erkennen, die mit ihrer Schuld hilflos vor Jesus stehen und merken: Ja, das ist wahr, was da steht. Er kann Sünder selig machen.
Ich will Sie einfach zum Kreuz Jesu führen. Dort ist das für alle offenbar geworden. Das war sein Ziel, sein Blut wurde vergossen, damit meine Schuld gebüßt wird.
Da wird doch nicht an alten Wunden gerührt. Im Gegenteil: Wer Vergebung erlangt hat, der braucht nicht einmal mehr daran zu denken. Er vergisst und legt es weg.
Wenn es wieder hochkommt, sagt er: Weg jetzt! Es hat kein Recht mehr, weil Jesus meine Schuld getragen hat.
Paulus sagt: Ich war doch der mieseste von allen. Ich war einer, der sogar gegen Jesus gekämpft hat. Ich wollte die Botschaft von der Vergebung unmöglich machen. Ich habe gleich Protest angemeldet, wo diese bedingungslose Vergebung Jesu gepredigt wurde. Ich war ein Feind des Kreuzes Jesu.
Schlimmer kann man es doch nicht machen. Das ist schlimmer als alle anderen Sünden: gegen die Versöhnung Jesu zu kämpfen.
Und mir ist das deutlich geworden, dass selbst diese Sünden vergeben werden können. Wenn man gegen Jesus lästert, wenn man gegen Jesus kämpft, sogar das kann vergeben werden. Alles kann vergeben werden.
Dann sagt Paulus: Ich bin das Modell, das Urbild, Vorbild für euch alle. Barmherzigkeit ist mir widerfahren, unbegreifliche Barmherzigkeit. Mir sind alle meine Schulden weggetan.
Ich bin so froh, alles ist gebüßt, weggetragen, vergeben und ausgelöscht. Niemand holt sie mehr heraus. Sie sind des Meeres Tiefe versenkt.
Sie brauchen Vergebung. Ich will es Ihnen heute sagen: Sie brauchen heute Bereinigung, Vergebung Ihrer Schuld, total und völlig mit allem Drum und Dran. Bringen Sie es ins Licht Jesu, damit Sie endlich Vergebung haben.
Denn da liegt das: „Von Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ Mein Leben hat einen Wert. Ja, ich habe einen Wert, weil Jesus sich selbst aufopferte für mich. Kein Mensch würde das für mich tun, niemand.
Aber er, der Messias, der Sohn Gottes, hat sich für mich geopfert. Paulus hatte doch keine Minderwertigkeitsgefühle. Im Gegenteil, er war einer, der vor den Philosophen Athens stand und sagte: „Ich kann euch die Wahrheit sagen.“
So hat er Wert und Selbstvertrauen bekommen durch die Vergebung Jesu.
Dort liegt der Grund, warum wir so wenig Selbstvertrauen haben. Durch die Vergebung Jesu bekommen wir Selbstvertrauen. Nicht dieses falsche, bei dem wir uns dauernd selbst loben und einreden, wir seien gut.
Wir können ganz ungeniert vor unseren Kindern und Ehepartnern sagen: Ich bin ein Mensch voller Mängel und leide an mir selbst. Und wir dürfen uns auch in der Gemeinde jedem sagen: Ich sehe viel an mir und an eurer Seite noch mehr von mir. Aber ich weiß, dass mein Leben nicht vergeblich ist, dass Jesus mich dennoch annimmt und mein Leben wertvoll macht.
Bei einer großen Glaubenskonferenz sprach ein Evangelist, den ich oft bewundert habe, wie klar und fest er reden konnte. Aber ich wusste nicht, dass er während seines Studiums tief gefangen war in der Alkoholsucht.
Jetzt hat er plötzlich vor dieser Versammlung offen dargelegt, wie er ganz unten war. Das war so ermutigend. Niemand braucht besondere Gaben, das Herz zählt. Gott holt jeden, auch dich, ganz unten ab.
Jeder, der selig wurde, war ganz unten vor Gott ein Gescheiterter. Anders kann man nicht zu Gott kommen.
Ob es Spannungen in der Ehe gab, Schwierigkeiten im Zusammenleben, ob man mit seinem Willen und seinen Zielen immer wieder zusammengebrochen ist, mit all seinem Idealismus – dann entdeckt man: Jesus macht Gescheiterte selig. Er vergibt.
„Von Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ Nur Gnade, unverdiente Gnade, die ich gar nicht verstehen kann. So ist es auch bei mir.
Wenn Sie viele Ecken und Kanten an mir sehen, soll Sie das trösten: Die Gnade Gottes, die in mir wirkt, gibt mich nicht auf. Jesus ist noch nicht am Ende mit mir und auch bei Ihnen nicht.
Eine letzte Frage: Macht das nicht faul und untätig? Das ist immer wieder ein Einwand, wenn wir an dieses wichtige Zentralstück unseres Glaubens kommen.
Die Leute sagen: „Dann muss man sich ja gar nicht mehr bemühen.“ Ach ja, das ist kein Wunder. Viele bilden sich so viel auf ihr Tun ein.
Sie sagen: „Wir sind doch so tätig, die anderen leben ja bloß von der Vergebung.“ Sie haben nie begriffen, dass das ein Vorrecht, eine Begnadigung ist, wenn ich tätig sein darf.
Jeder will tätig sein. Keiner will untätig auf dem Kanapee liegen. Jeder will noch etwas machen.
Und wenn Jesus mir vergibt, ist das doch eine Chance, jetzt erst recht.
Denken Sie an Paulus. Er ging unermüdlich durch die Welt, trotz seiner schweren Behinderung durch Krankheit, trotz so vieler Widerstände.
Er wollte die Tage, die Gott ihm schenkt, die Wochen und Monate seines Lebens nutzen.
Wir sind doch tätig, nicht um zu beweisen, dass wir gut sind, sondern weil die Gnade in uns wirkt.
Darum sagte Paulus: „Ich danke Gott, der mich stark gemacht hat, der meinem Leben Sinn gegeben hat.“
Ja, ich habe wieder Selbstvertrauen, ein großes Selbstvertrauen.
Die Vergebung der Sünden ist das einzige Heilmittel, um Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen wieder Selbstvertrauen, Mut, Selbstachtung, Eifer und Hingabe zu geben.
Jeder kann etwas, auch wenn er viele Mängel und Fehler hat, auch wenn er schwach oder behindert ist, auch wenn ihm viel im Leben versagt bleibt.
Paulus sagt: „Er hat mich ins Amt gesetzt.“ Welches Amt hat Ihnen Jesus anvertraut? Keine großen Ämter vielleicht, aber ich will treu in dem Amt dienen, wo Gott mich eingesetzt hat.
Treu in dem Amt mit den Menschen, wo ich lebe, in der Gemeinde, in den Aufgaben, wo ich bin.
Er hat mich stark gemacht, diesen Raum auszufüllen, den Gott mir anvertraut hat.
Dann darf ich damit rechnen, dass er durch mein Leben hindurch viel wirkt: in Krankheit, Angst, Konflikten, Nöten.
Ich darf immer mehr auf ihn bauen und mit ihm rechnen.
Ich will gar kein großes Programm mehr haben. Ich will nicht mehr so viel vornehmen, was ich mir in meinem Kopf vorstelle, was mein Leben sein muss.
Wahrscheinlich ist das heute für uns alle eine böse Versuchung: Wir haben so viele Bilder davon, was wir mit unserem Leben alles müssten, könnten und machen müssen, um etwas zu erreichen.
Legen Sie es doch ab. Bringen Sie sich nicht selbst in unnötigen Stress.
Fragen Sie nach dem Amt, das Gott Ihnen anvertraut hat, und sagen Sie: „Ich will stark und treu in dem Amt sein, wo Gott mich eingesetzt hat.“
Dann will ich mit seinen Gaben rechnen und seiner Gnade trauen, dass er da ist, auch wenn meine Kraft am Ende ist, und dass er mich hält, auch wenn ich mich versündige.
Übrigens, die Sünde ist ja gar nicht das Schlimmste im Leben, sondern das Beharren in der Sünde und keine Vergebung. Das ist viel schlimmer als die Sünde selbst.
Ich will von seiner Gnade leben, fröhlich meinen Weg gehen und mich von ihm behütet und bewahrt wissen.
Ich sage: Der Herr wird mir geben, was ich brauche. Er wird mir helfen und wissen, wozu mein Leben sinnvoll ist.
Ich darf mit seinen Wirkungen viel erwarten und Großes in meinem Leben vor mir haben.
Gehen Sie fröhlich Ihren Weg und wissen Sie: Er hat mich für wert geachtet, und ich bin Jesus wichtig.
Das gibt meinem Leben Sicherheit, und das ist der Grund meines Selbstvertrauens.
Gehen Sie fröhlich Ihres Weges, Armin.
Und singen wir nun das Lied „Jesus nimmt die Sünder an“, Nummer 268. Wir singen die Verse 1 bis 3, 6 und 8.
Lied 268, Verse 1 bis 3, 6 und 8.
Herr, du rührst bei uns immer wieder an diese großen Wunden, wo wir dich weggestoßen haben, wo wir im Leben uns versündigt haben in Gedanken, Worten und Werken.
Wir danken dir, dass du uns schon so oft deinen Frieden neu geschenkt hast.
Du hast alles durch dein Blut vergeben und hinweggetan.
Wir sind so froh, dass keine Sünde so groß ist, dass du sie nicht jetzt vergeben könntest.
In deinem Licht wollen wir es bekennen, bereuen und loslassen.
Wir danken dir, dass wir dich darüber ganz neu entdecken dürfen als den, der zu uns kommt, der in unserem Leben Wohnung macht.
Dass wir dir nicht gleichgültig sind, dass du uns nicht verachtest, sondern dass du uns so in deiner Liebe annimmst.
Herr, vergib uns, wenn wir immer wieder diese herrliche Botschaft verschwiegen haben, wenn wir das nicht über die Lippen brachten, anderen gegenüber von uns zu bekennen und zu sagen, dass wir nur von deiner Gnade leben.
Gib doch, dass noch viele Menschen, gebundene, unfreie, abhängige Menschen, die an dir vorbeigehen, die dich nicht kennen, dich entdecken.
Wir möchten dich bitten, dass du unsere so unfertigen Worte benutzt, damit Menschen dich erkennen und Vergebung der Sünden empfangen.
Du hast auch in unsere Hand diese große Vollmacht gelegt, dass wir in Gesprächen anderen deine Vergebung zusprechen dürfen und dass das in diesem Augenblick geschieht.
Wir wollen diese Gaben nutzen und Menschen deinen Frieden bringen.
Wir möchten dich bitten, dass heute noch viele Menschen nicht nur über Gefühle reden, über Enttäuschung und Versagen, sondern dass sie ihr Leben in deinem Licht sehen.
Gib deiner Gemeinde immer wieder das Erkennen, dass das die Mitte ist, von der wir leben.
Dass das unser ganzes Rühmen ist, unser Stolz und unsere Freude, dass du alle Sünden weggenommen hast und dass wir den Himmel offen haben, weil du für uns gestorben bist.
Wir denken jetzt auch an so viele, die angefochten sind, besonders in Krankheiten und auf dem Sterbebett.
Dass sie das doch wieder hören und erfahren, wie dein Trost fröhlich macht und wie gerade in der Beichte vor dir neue Freude kommt.
Dass nichts uns aus deiner Hand reißen kann.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Paulus’ Bekenntnis und Gottes Barmherzigkeit
Also, jedoch schlägt sich ja mit seinen Mikosch Jeromin Minderwertigkeitsgefühlen. Ich habe den Eindruck, dass das bei vielen von uns eine Not ist. Es ist ja auch kein Wunder: So viele Anforderungen liegen auf uns, und wir sind gefordert. Wir spüren auf Schritt und Tritt, dass wir das alles gar nicht schaffen können. Wir sind zu schwach, wir sind nicht begabt genug.
Das melden die Schüler in der Schule, das merkt man später im Beruf unter Kollegen. Und weil manche meinen, man merke das selber nicht, sind sie noch so ungeschickt, dass sie uns auch dauernd sagen, wo unsere Fehler und Mängel liegen. Dann rühren sie immer wieder an der alten Wunde. Die Minderwertigkeitsgefühle belasten uns alle oft so stark, dass wir gar nicht in der Lage sind, mit anderen darüber zu reden.
Es wäre ein Zeichen von Stärke, wenn wir darüber reden könnten. Aber weil wir uns so hilflos und so schwach da sehen, können wir gar nicht darüber reden. Es tut uns eben dauernd weh. Minderwertigkeitsgefühle hat eigentlich jeder. Man kann natürlich auch morgens vor den Spiegel treten und sagen: „Guck mal, wie gut ich bin.“ Man kann sich das selber einreden und sagen: „Du musst nur an dich glauben.“ Aber das ist ein rechter Traum und Wahn, wenn ich das einfach bloß überspielen will mit ein paar Worten, mit ein paar Illusionen.
Es gibt bei uns allen auch eine ganz andere, fast unbewusste Reaktion, wenn wir unsere Minderwertigkeit spüren, unser Nichtkönnen und so Versagen, unsere Fehler und Mängel: dass wir das mit einer Aktivität überspielen. Ein Musterbeispiel ist der alte Grieche Demosthenes. Der hat gestottert und hat als junger Mann so darunter gelitten, dass er hinunterging an den Meeresstrand. Dort legte er sich einen Kiesel unter die Zunge und tat sich selbst weh, weil er gegen seine Schwäche, gegen seine Fehler angehen wollte.
Dann hat er gegen die Brandung gebrüllt. Das ist dann oft in der Erziehung uns vorgehalten worden und gesagt: „Schau mal, da hat einer etwas aus seinem Leben gemacht. Da hat einer gegen seine Fehler gekämpft, und er wurde der größte Volksredner Griechenlands. Du musst mit deinen Fehlern kämpfen, du musst dagegen angehen!“ Das war die Maxime. Aber das bin ich nicht.
Immer wieder sehe ich meine Mängel, mit denen ich tagtäglich mich auseinandersetzen muss, und meine Fehler. Die stellen mir die ganz wichtige, notvolle Frage: Was bin ich eigentlich? Was für einen Wert habe ich? Was für einen Wert habe ich wirklich? Kann ich noch überlegen, wie mich die anderen sehen: die Freunde oder meine Feinde? Wie beurteilen sie mich? Wie sieht meine Familie mich? Wie sehen mich meine Kinder?
Es ist manchmal richtig schwer, sich selbst so einem kritischen Urteil auszusetzen: Wer bin ich eigentlich? Und manchmal müssen wir sagen, die anderen beurteilen mich wirklich falsch. Ich habe mich schon in der Schule unverstanden gefühlt von den Lehrern. Jede Benotung war ungerecht, so habe ich es empfunden. Ich bin doch ganz anders. Ich wollte anders sein. Aber war ich wirklich anders?
Der Kampf mit Minderwertigkeitsgefühlen
Was ist der Wert meines Lebens? Sicher ist es heute für uns Menschen besonders schwierig, unseren Wert zu bestimmen und uns richtig einzuschätzen. Wir können unsere Gaben und Leistungen bewerten, doch es gibt auch diesen Komplex der Minderwertigkeit. Am Ende traut man sich gar nichts mehr zu und fragt sich: Wer bin ich denn wirklich?
Ich muss darauf hinweisen, dass allein die Bibel uns zu einer nüchternen Einschätzung verhilft. Die Bibel, das Wort Gottes, behandelt dieses Thema immer wieder. Es wird überall in der Bibel verhandelt: das Thema, dass man sein Leben verfehlt hat, dass man keinen Wert mehr hat, ein Sünder ist. Das Wort „Sünder“ meine ich jetzt ganz einfach, weil viele sich hier mit rührender Hingabe bemühen, anderen gleichgültigen und ungläubigen Menschen heute das Evangelium nahe zu bringen. Sie sind dann oft frustriert, wenn sie merken, dass die anderen es nicht verstehen, dass sie es irgendwie nicht richtig mitbekommen und blockiert sind.
Ich habe den Eindruck, dass man sich heute als Christ gar nicht richtig klarmacht, dass das Evangelium vom heutigen Menschen eigentlich gar nicht begriffen werden kann. Wenn wir evangelisieren, sollten wir vielmehr damit rechnen, dass das für den heutigen Menschen ein unmögliches Reden ist. Wenn wir dem Menschen sagen: Du bist in den Augen Gottes ein gestrandeter, gescheiterter Mensch, dann trifft das auf viele heute zu. Denn jeder, der heute in der Welt lebt, versucht verzweifelt, seinem Leben Wert zu geben, sich hochzustrampeln und etwas zu erreichen.
Ich habe erlebt, wie Eltern mir empört gegenübertraten und sagten, sie wollten nicht mehr, dass ihre Tochter in ihren Bibelkreis geht, weil das diesen jungen Menschen kaputtmache. Sie bemühen sich als Eltern, ihrer Tochter Selbstvertrauen zu geben, und dann würden die jungen Menschen mit einem Federstrich alles kaputt machen. Oder sie sagen: Sie sind ja gar nicht richtig Kirche, nicht richtig in der Hofackerkirche, sie sind ja gar nicht richtig Richter. Warum? Weil sie nicht die Bibel haben. Ach so, das ist in der Tat so.
Vielleicht wird heute oft überspielt, dass die biblische Botschaft immer wieder das Thema Sünde anspricht. Vielleicht hat man in der Verkündigung zu sehr versucht, sich dem Denken der heutigen Zeit anzupassen und das Thema der Sünde zu vermeiden. Wenn die Bibel von Sünde spricht, wenn Jesus dieses Thema anreißt, dann ist das immer wieder die Erkenntnis: Mein Leben ist falsch gelebt, ich habe mein Leben vor Gott verwirkt, es ist alles nicht richtig.
Die biblische Botschaft macht den Gottesdienst lebendig. Sonst wäre das hier wirklich eine langweilige Kultstätte. Was sollten wir auch hier tun, wenn wir nicht immer wieder dieses Thema verhandeln? Es deckt plötzlich ganz deutlich und scharf auf, was mein Leben wirklich wert ist. Darüber muss gesprochen werden.
Die Herausforderung der biblischen Botschaft heute
Paulus sagt nicht: „Ich habe in meinem Leben einige Sünden, einige Übertretungen begangen.“ Stattdessen sagt er: „Das war mein Leben.“ Er beschreibt sich als jemanden, der durch und durch nicht mit Gott leben kann, der nicht einmal ansatzweise die Wunschvorstellung Gottes verwirklichen kann.
Er sagt, dieser Mensch Paulus, der so tätig war, der so aktiv war und moralisch untadelig schien, der ein Leben in Frömmigkeit führte und sich ganz aufopferte, erkennt: Das war alles verkehrt, alles falsch in den Augen Gottes.
Dann gibt er uns hier einen wichtigen Hinweis. Das ist ein sehr wertvolles Wort, das Herzstück des Evangeliums. Wenn wir irgendwo predigen, reden, evangelisieren oder von Mann zu Mann von unserem Glauben erzählen, sollten wir immer auf diesen Punkt zu sprechen kommen.
Wir können heute den Menschen das nicht einfach erklären oder mit Bildern verdeutlichen. Vielmehr dürfen wir Menschen, so wie Paulus es tut, von uns selbst erzählen und sagen: „Ich habe das in meinem Leben so entdeckt. Haben Sie das auch in Ihrem Leben einmal entdeckt? Ich bin vor Gott einer, der durch und durch gescheitert ist.“
Wo hat Paulus das entdeckt? Als er Jesus Christus, Gott gegenüber, begegnet ist. Viele halten das nur für ein Hirngespinst. So geht es vielen, die sagen, dass eine christliche Redeweise und Theologie nur etwas Theoretisches ist. Paulus aber hat plötzlich erkannt: Jesus Christus lebt wirklich. Er ist Herr und Richter am Jüngsten Tag. Er steht vor mir und kennt mich durch und durch.
Dort hat Paulus entdeckt: Mein Leben war verkehrt und falsch gelebt. Ich habe zwar viel Frommes getan, ich habe mit meinem Leben viel Gutes zu erreichen versucht. Aber ich habe an Jesus vorbei gelebt. Und dann ist alles verkehrt.
Ich kann mein Leben noch so sehr mit Gütern, Werten, Idealen und frommen Leistungen füllen – das ist nicht, was Jesus von mir will. Er sucht nur eines: dass ich ihm diene und ihm gehöre.
Jesus ist gekommen, um uns zu suchen und uns selig zu machen – auch die, die weit weg sind und weit von ihm davongelaufen sind.
Paulus’ Erkenntnis vor Jesus Christus
Was ist der Wert unseres Lebens? Das war die erste Frage.
Für viele bricht eine Welt zusammen, wenn sie plötzlich merken, dass sie krank sind oder eine Stellung verlieren. Viele erleben einen Zusammenbruch, wenn sie letztlich keine Anerkennung oder Ehre mehr haben. Das liegt daran, dass es oft nur künstliche Werte waren, mit denen wir unser Leben wichtig machen wollten.
Den wahren Wert unseres Lebens setzt Jesus. Er ist der Hund, der uns annimmt, der uns hält und der uns trägt.
Jetzt möchte ich noch etwas Zweites ansprechen: Warum rührt ihr eigentlich immer an den alten Wunden? Das höre ich oft als Vorwurf, wenn wir in der Verkündigung oder im Gespräch immer wieder auf den Punkt unserer Schuld zu sprechen kommen.
„Warum rührt ihr immer wieder in dieser alten Geschichte? Ihr nehmt uns den Mut. Ihr solltet uns vielmehr aufrichten, erbauen und Mut geben. Ihr schuldet uns zu sagen: ‚Du bist gar nicht so schlecht, wie du meinst. Du darfst dir selbst etwas zutrauen. Du bist schon gut.‘“
Nein, das wäre Betrug. Es kommen dann diese dunklen Nachtstunden, in denen wir aufwachen und plötzlich bewusst wird, was wir im Leben falsch gemacht haben. Dann liegt die Last so schwer auf uns, dass wir die Vergangenheit kaum tragen können.
Oft ist es eine Sache, die uns so belastet. Wir tragen Dinge aus längst vergangenen Tagen mit uns herum, die so schwer auf uns liegen und die wir nicht loswerden. Wir müssen uns entschuldigen und sagen: „Ja, damals waren die Verhältnisse und Umstände so, und wir konnten damals nichts anderes tun.“ Niemand ist vollkommen.
Aber die Schuld drückt uns nieder. Sie steht uns immer vor Augen, und wir bekommen sie nicht los. Es gibt zu viel unbewältigte Schuld, auch im Leben von Christen. Es sind Dinge der Vergangenheit, die wir getan haben: Fehler in der Eitelkeit, im Streit, auf sexuellem Gebiet, begangene Sünden, verletzende Worte.
Plötzlich steht das Gewissen vor uns. Jeder Mensch weiß, was nicht recht ist. Darüber braucht man nicht zu diskutieren. Man kann als Christ oft nur anhand einiger Beispiele erkennen, was im eigenen Leben falsch läuft. Und dann wird uns vieles verborgen.
Deshalb sagt Paulus ein teures, wertvolles Wort: Es ist ganz gewiss, dass Jesus gekommen ist. Das war sein einziges Ziel und sein ganzes Wollen: uns zu retten.
Andere können Jesus nicht entdecken, nur Sünder. Gerechte nicht. Das ist der Grund, warum viele Jesus heute nicht entdecken. Für sie bleibt Jesus fremd – vielleicht ein Lehrer, ein Weiser, ein Philosoph oder etwas Ähnliches. Sie rätseln um ihn herum.
Nur diejenigen können ihn erkennen, die mit ihrer Schuld hilflos vor Jesus stehen. Die merken plötzlich: Ja, das ist wahr, was da steht. Er kann Sünder selig machen. Er will sie einfach zum Kreuz Jesu führen.
Dort ist für alle offenbar geworden, dass es sein Ziel war. Sein Blut wurde vergossen, damit meine Schuld gebüßt wird. Und dann ist sie weg.
Da wird doch nicht in alten Wunden gerührt. Im Gegenteil: Wer Vergebung erlangt hat, braucht nicht einmal mehr daran zu denken. Er vergisst und legt es weg. Und wenn es wieder hochkommt, sagt er: „Weg jetzt! Es hat kein Recht mehr, denn Jesus hat meine Schuld getragen.“
Paulus sagt: „Ich war doch der mieseste von allen. Ich war doch einer, der sogar gegen Jesus gekämpft hat. Ich wollte die Botschaft der Vergebung unmöglich machen. Ich habe gleich Protest angemeldet, wenn diese bedingungslose Vergebung Jesu gepredigt wurde. Ich war ein Feind des Kreuzes Jesu.“
Schlimmer kann man es doch nicht machen. Das ist noch schlimmer als alle anderen Sünden: gegen die Versöhnung Jesu zu kämpfen. Und doch wurde ihm deutlich, dass selbst diese Sünden vergeben werden können. Wenn man gegen Jesus lästert, gegen ihn kämpft – sogar das kann vergeben werden. Alles kann vergeben werden.
Und dann sagt Paulus: „Ich bin das Modell, das Urbild, das Vorbild für euch alle. Barmherzigkeit ist mir widerfahren – unbegreifliche Barmherzigkeit. Mir wurden alle meine Schulden weggetan. Ich bin so froh: Alles, alles ist gebüßt, weggetragen, vergeben und ausgelöscht. Niemand holt sie mehr hervor. Sie sind in die Tiefe des Meeres versenkt.“
Sie brauchen Vergebung. Ich will es Ihnen heute sagen: Sie brauchen heute Bereinigung, Vergebung Ihrer Schuld, total und völlig. Bringen Sie alle Dinge ins Licht Jesu, damit Sie endlich Vergebung haben.
Denn da liegt die Gnade Gottes: „Durch seine Gnade bin ich, was ich bin.“ Mein Leben hat einen Wert. Ja, ich habe einen Wert, weil Jesus sich selbst für mich aufopferte. Kein Mensch würde das für mich tun – niemand. Aber er, der Messias, der Sohn Gottes, hat sich herzlich für mich geopfert.
Paulus hatte doch keine Mikros, im Gegenteil. Er stand vor den Philosophen in Athen und sagte: „Ich kann euch die Wahrheit sagen.“ So hat er einen Wert und ein Selbstvertrauen bekommen – durch die Vergebung Jesu.
Dort liegt der Grund, warum wir so wenig Selbstvertrauen haben. Durch die Vergebung Jesu bekommen wir Selbstvertrauen. Nicht das falsche, bei dem wir uns dauernd selbst loben und uns einreden, wir seien gut. Sondern das echte Vertrauen, mit dem wir ganz ungeniert vor unseren Kindern und Ehepartnern sagen können: „Ich bin ein Mensch voller Mängel, und ich leide an mir selbst.“
Und wir dürfen uns auch in der Gemeinde jedem sagen: „Ich sehe viel an mir und an deiner Seite noch mehr von mir. Aber ich weiß, dass mein Leben nicht vergeblich ist. Jesus nimmt mich dennoch an und macht mein Leben wertvoll.“
Die Kraft der Vergebung für Selbstwert und Vertrauen
Bei einer großen Glaubenskonferenz sprach ein Evangelist. Ich habe ihn oft bewundert, wie klar und fest er reden konnte. Doch ich wusste nicht, dass er während seines Studiums tief gefangen war in der Alkoholsucht. Plötzlich erzählte er das offen vor der Versammlung. Das war so ermutigend.
Es zeigt, dass es nicht auf besondere Gaben ankommt, sondern dass Gott jemanden wie dich, der ganz unten ist, holen kann. Jeder, der selig wurde, war ganz unten vor Gott – ein Gescheiterter. Anders kann man nicht zu Gott kommen.
Ob es Spannungen in der Ehe gab, Schwierigkeiten im Zusammenleben, Probleme mit dem eigenen Willen oder den eigenen Zielen – man kann immer weitergeben, bis man zusammenbricht, mit all seinem Idealismus. Doch dann entdeckt man: Jesus macht Gescheiterte selig. Er vergibt.
Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin – nur durch unverdiente Gnade, die ich gar nicht verstehen kann. So ist es auch bei mir: lauter Gnade. Wenn Sie viele Ecken und Kanten an mir sehen, soll Sie das trösten. Die Gnade Gottes, die in mir wirkt, gibt mich nicht auf. Jesus ist noch nicht am Ende mit mir – und auch bei Ihnen nicht.
Ermutigung durch Zeugnisse und Gottes Gnade
Noch eine letzte Frage: Macht das nicht faul und untätig? Macht das nicht faul und untätig?
Ja, das ist immer wieder ein Einwand, besonders von denen, die höher stehen, wenn wir an dieses wichtige Zentralstück unseres Glaubens kommen. Die Leute sagen auch oft mit Belegen: „Ich muss mich ja gar nicht mehr bemühen.“
Ach ja, das ist kein Wunder. Viele bilden sich so viel auf ihre Taten ein, auf das, was sie alles wollen und machen. „Ja, wir sind ja so tätig, die anderen leben ja bloß von der Vergebung.“ Sie haben nie begriffen, dass es ein Vorrecht ist, eine Begnadigung, wenn ich tätig sein darf.
Jeder will tätig sein. Keiner will untätig auf dem Kanapee liegen. Jeder will noch etwas machen. Und wenn Jesus mir vergibt, ist das doch eine Chance – jetzt erst recht. Denken Sie mal an Paulus, der wieder durch die Welt gegangen ist, unermüdlich trotz seiner schweren Behinderung durch Krankheit, trotz so vieler Widerstände. Er wollte die Tage, die Gott ihm schenkt, die Wochen, die Monate seines Lebens, fühlen.
Wir sind doch tätig – nicht um zu beweisen, dass wir gut sind, sondern weil die Gnade in mir etwas wirkt. Darum sagte ich: Danke Gott, der mich stark gemacht hat, der meinem Leben einen Sinn gegeben hat. Ja, ich habe wieder ein Selbstvertrauen, ein ganz großes Selbstvertrauen.
Die Vergebung der Sünden ist das einzige Heilmittel, um Menschen mit Minderwertigkeitsgefühl wieder Selbstvertrauen, Mut, Selbstachtung, Eifer und Hingabe zu geben. Jeder kann etwas, auch wenn er viele Mängel und Fehler hat, auch wenn er schwach ist, auch wenn er behindert ist, auch wenn ihm viel im Leben versagt bleibt.
Er hat mich ins Amt gesetzt. Welches Amt hat Ihnen Jesus anvertraut? Es sind keine großen Ämter, aber ich will treu in dem Amt dienen, wo Gott mich eingesetzt hat. Treu in dem Amt mit den Menschen, wo ich lebe, in der Gemeinde, in den Aufgaben, wo ich bin.
Er hat mich stark gemacht, dass ich diesen Raum ausfüllen kann, den Gott mir anvertraut hat. Und dann darf ich damit rechnen, dass er durch mein Leben hindurch viel wirkt – in Krankheit, in Angst, in Konflikten, in Nöten. Ich darf immer mehr auf ihn bauen und mit ihm rechnen.
Ich will gar kein großes Programm mehr haben. Ich will gar nicht mehr viel vornehmen, was ich mir in meinem Kopf denke, was mein Leben sein muss. Wahrscheinlich ist das heute für uns alle eine böse Versuchung, dass wir alle solche vielen Bilder haben, was wir mit unserem Leben alles müssten, könnten und machen müssen, um etwas zu erreichen.
Legen Sie es doch ab! Bringen Sie sich nicht selbst in einen unnötigen Stress. Fragen Sie nach dem Amt, das Gott Ihnen anvertraut hat, und sagen Sie: „Ich will stark und treu in dem Amt sein, wo Gott mich eingesetzt hat.“ Dann will ich mit seinen Gaben rechnen.
Traue seiner Gnade, dass er da ist, auch wenn meine Kraft am Ende ist, und dass er mich hält, auch wenn ich mich versündige. Übrigens: Die Sünde ist ja gar nicht das Schlimmste im Leben, aber das Beharren in der Sünde und keine Vergebung – da liegt das Schlimme. So viel schlimmer als die Sünde selbst.
Dass ich doch von seiner Gnade leben darf, darauf fröhlich meinen Weg gehen darf und mich von ihm behütet und bewahrt weiß. Und sage: „Der Herr wird daher mir geben, was ich brauche. Er wird mir helfen und er wird wissen, wozu mein Leben sinnvoll ist.“
Ich darf mit seinen Wirkungen viel erwarten und Großes in meinem Leben vor mir haben. Gehen Sie fröhlich Ihren Weg und wissen Sie: Er hat mich für wert geachtet und ich bin Jesus wichtig. Das gibt meinem Leben die Sicherheit und ist der Grund meines Selbstvertrauens.
Gehen Sie fröhlich Ihres Weges.
Armin
Leben in der Gnade als Grundlage für Vertrauen und Dienst
Und singen wir dieses Lied: Jesus nimmt die Sünder an, 268.
Da singen wir die Verse eins bis drei und sechs und acht.
Wir wollen beten: Herr, du rührst bei uns immer wieder an diese großen Wunden, wo wir dich weggestoßen haben, wo wir im Leben gesündigt haben – in Gedanken, Worten und Werken.
Wir danken dir, dass du uns schon so oft deinen Frieden neu geschenkt hast. Du hast alles durch dein Blut vergeben und hinweggetan. Wir sind so froh, dass keine Sünde so groß ist, dass du sie nicht jetzt vergeben könntest.
In deinem Licht wollen wir es bekennen, bereuen und loslassen. Wir danken dir, dass wir dich darüber ganz neu entdecken dürfen als den, der zu uns kommt, der in unserem Leben Wohnung macht. Dass wir dir nicht gleichgültig sind, dass du uns nicht verachtest, sondern dass du uns so in deiner Liebe annimmst.
Herr, vergib uns, wenn wir immer wieder diese herrliche Botschaft verschwiegen haben. Wenn wir es nicht über die Lippen brachten, anderen gegenüber von uns zu bekennen und zu sagen, dass wir nur von deiner Gnade leben.
Gib doch, dass das noch viele Menschen entdecken – gebundene, unfreie, abhängige Menschen, die an dir vorbeigehen, die dich nicht kennen.
Wir möchten dich bitten, dass du unsere so unfertigen Worte benutzt, damit Menschen dich darüber erkennen und Vergebung der Sünden empfangen. Du hast auch in unsere Hand diese große Vollmacht gelegt, dass wir in Gesprächen anderen deine Vergebung zusprechen dürfen und dass das in diesem Augenblick dann geschieht.
Wir wollen diese Gaben nutzen und Menschen deinen Frieden bringen.
Wir möchten dich bitten, dass heute noch viele Menschen nicht nur über Gefühle reden, über Enttäuschung und Versagen, sondern dass sie ihr Leben in deinem Licht sehen.
Gib du auch deiner Gemeinde immer wieder das Erkennen, dass das die Mitte ist, von der wir leben. Dass das unser ganzes Rühmen ist, unser Stolz, unsere Freude, dass du alle Sünden weggenommen hast und dass wir den Himmel offen haben, weil du für uns gestorben bist.
Wir denken jetzt auch an so viele, die angefochten sind, besonders auch in den Krankheiten und auf dem Sterbebett. Dass sie das doch wieder hören und erfahren, wie dein Trost fröhlich macht. Und wie gerade in der Beichte vor dir die neue Freude kommt, dass nichts uns aus deiner Hand reißen kann.
Lasst uns gemeinsam beten:
Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.