Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 459: Die Heilung des blind geborenen Menschen, Teil I.
Begegnung mit dem blind geborenen Mann und die Frage nach Schuld
Wir waren stehen geblieben bei der Stelle, an der sich Jesus vor einem Mob verbergen musste. Johannes Kapitel 9, Verse 1 bis 3: „Und als er vorüberging, sah er einen Menschen, blind von Geburt. Seine Jünger fragten ihn und sagten: ‚Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?‘ Jesus antwortete: ‚Weder dieser hat gesündigt, noch seine Eltern.‘“
Wir befinden uns wahrscheinlich immer noch in der Nähe des Tempels, wo man blinde Bettler sitzen und auf Almosen hoffen sah. Dort sitzt also ein Mann, der von Geburt an blind ist.
Bevor wir weiterlesen, ein Hinweis: Wir sind gedanklich immer noch bei dem Thema „Jesus als das Licht der Welt“. Um körperlich sehen zu können, braucht es zwei Dinge: Augen und Helligkeit. Wenn wir diesen Gedanken auf das Geistliche übertragen, dann hat Jesus sich bereits als der Lichtgeber präsentiert. Seine Worte erleuchten den Menschen und lassen ihn in geistlicher Dunkelheit die Wahrheit erkennen.
Doch um geistlich sehen zu können, braucht es nicht nur das Licht der Wahrheit. Es braucht mehr: geistliche Augen, eine Veränderung im Menschen. Wahrheit allein rettet niemanden, solange wir nicht durch den Glauben an Jesus sehend werden.
Dieser Moment, in dem wir sehend werden – wenn man so will, in dem Gott uns geistliche Augen schenkt – ist der Moment der Bekehrung. Oder mit den Worten des Apostels Paulus, der beschreibt, was ein Heide tun soll, der dem Licht begegnet: Epheser 5,14: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, und Christus wird dir aufleuchten.“
Die jüdische Sicht auf Krankheit und Sünde
Aber kommen wir zurück zu unserem Blindgeborenen. In Johannes 9,2 fragen die Jünger Jesus: „Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?“
Hier sehen wir, wie die Jünger als Juden ihrer Zeit dachten. Krankheit galt als Folge von Sünde. Die Frage ist nicht, ob Sünde vorliegt, sondern wer gesündigt hat: die Eltern oder das ungeborene Kind im Mutterleib. Dabei ist wichtig zu betonen, dass Kinder im Mutterleib noch nicht sündigen können. Deshalb werden Esau und Jakob im Mutterleib als Kinder beschrieben, die „weder Gutes noch Böses getan hatten“.
Zurück zur Frage: Wer ist verantwortlich für die Blindheit? Die Antwort Jesu ist eindeutig: Weder dieser Mann noch seine Eltern haben gesündigt. Diese Aussage ist wichtig, denn sie zeigt, dass wir Krankheit nicht vorschnell mit Sünde gleichsetzen dürfen.
Natürlich gibt es Fälle, in denen Sünde Krankheit hervorbringt. Krankheit kann eine Züchtigung Gottes sein. Paulus schreibt in 1. Korinther 11,30-31.33-34 an die Korinther, die beim Abendmahl nicht aufeinander warten, sodass die Reichen schon angetrunken sind, wenn die Armen zum Brotbrechen erst erscheinen: „Deshalb sind viele unter euch schwach und krank, und ein Gutteil sind entschlafen. Wenn wir uns aber selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet. Daher, meine Brüder, wenn ihr zusammenkommt, um zu essen, so wartet aufeinander; wenn jemand hungert, der esse daheim, damit ihr nicht zum Gericht zusammenkommt.“
Hier werden körperliche Schwäche, Krankheit und Tod von Gemeindegliedern als Gericht Gottes über die Gemeinde verstanden – und das völlig zu Recht. Es lohnt sich also, dass Christen in Zeiten von Schwäche und Krankheit sich durchaus fragen, ob sie gerade von ihrem Vater im Himmel gezüchtigt werden.
Wir sollten uns diese Frage stellen und, wenn uns etwas einfällt, schleunigst Buße tun. Das gilt besonders dann, wenn wir andere Geschwister in der Gemeinde durch unser Verhalten verachten.
Die Heilung als Offenbarung der Werke Gottes
Aber zurück zum Blindgeborenen. Bei ihm liegt der Fall nämlich anders. Johannes 9,2-3: Seine Jünger fragten ihn und sagten: „Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?“ Jesus antwortete: „Weder dieser hat gesündigt, noch seine Eltern, sondern damit die Werke Gottes an ihm offenbart werden.“
Die Krankheit dieses Mannes dient der Offenbarung. Sie macht die Werke Gottes sichtbar. An diesem Mann beziehungsweise an der Heilung, die gleich geschehen wird, sollen Menschen Gottes Handeln erkennen.
Vielleicht ist das ein tröstlicher Gedanke für alle, die krank sind: Unsere Krankheit ist eine Chance, um Gott sichtbar zu machen. Ganz selten geschieht das dadurch, dass wir auf wundersame Weise geheilt werden. Ich schließe das nicht aus, aber es scheint mir die Ausnahme zu sein.
Viel häufiger offenbaren wir Gott durch die Art und Weise, wie wir mit unserer Krankheit umgehen. Wie wir uns im Leid von Gott trösten und aufrichten lassen. Wie wir im Leid nicht verzagen, sondern uns bei Gott bergen. Wie wir unsere Hoffnung gerade nicht auf Ärzte und Medikamente setzen, sondern auf einen Vater im Himmel, der weiß, was er uns zumuten darf und der als guter Hirte die ganze Zeit im Tal des Todesschattens bei uns ausharrt.
Wenn ich 2. Korinther 12,9-10 richtig verstehe, dann sind es gerade die Zeiten der Schwäche in meinem Leben, die es Gott sogar besonders leicht machen, sich in mir und durch mich zu verherrlichen.
Die Dringlichkeit des Wirkens im richtigen Zeitpunkt
Johannes 9,4: Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist. Es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.
Jesus spricht an anderer Stelle ebenfalls davon, dass man nur am Tag wirken kann. Dahinter steht natürlich die Vorstellung, dass der Tag zum Arbeiten da ist, weil man nachts nichts sieht. Der antike Mensch ging nach Sonnenuntergang ins Bett. Nur die Reichen konnten es sich leisten, nachts die Lichter brennen zu lassen.
Wenn es deshalb über die tüchtige Frau in Sprüche 31,18 heißt, sie merkt, dass ihr Erwerb gut ist, auch nachts erlischt ihre Lampe nicht, dann bedeutet das nicht, dass sie die ganze Nacht durchgearbeitet hat. Die Lampe, die nicht erlischt, ist ein Zeichen ihres Reichtums. Diese Frau ist so geschäftstüchtig, dass sie ihrem Haus das Privileg von „nachts brennenden Lampen“ verschaffte.
Wie gesagt, das ist ein Bild für Wohlstand, nicht für Fleiß.
Aber zurück zu Johannes 9: Am Tag wurde gearbeitet, und nachts ging man schlafen. Wenn der Herr Jesus also sagt: „Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist. Es kommt die Nacht, da niemand wirken kann“, dann spricht er nicht wirklich von Tag und Nacht, sondern von guten Gelegenheiten, die sich jetzt bieten, und von Zeiten, in denen man einfach nichts tun kann.
Dieses Prinzip gilt natürlich auch heute noch. Paulus schreibt in Epheser 5,16: „Kauft die rechte Zeit aus, denn die Tage sind böse.“ Oder in Kolosser 4,5: „Wandelt in Weisheit gegenüber denen, die draußen sind, kauft die rechte Zeit aus.“
Das ist derselbe Gedanke, den Jesus formuliert. Wir müssen die Werke tun, mit denen Gott uns beauftragt, und zwar solange dafür Gelegenheit ist. Es kommt vielleicht schneller, als uns lieb ist, eine Zeit, in der uns die Hände gebunden sind – sei es durch die Umstände oder weil wir bereits tot sind.
Persönliche Anwendung und Abschluss
Was könntest du jetzt tun? Denke noch ein wenig darüber nach, was es für dich und deine persönliche Berufung bedeuten könnte, die Zeit auszukaufen.
Das war's für heute. Wenn du für uns beten möchtest, findest du unter "Aktuelle Gebetsanliegen" in der App jeden Monat drei kleine neue Anliegen.
Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und lebe in seinem Frieden. Amen.
