Erfahrungen und Erkenntnisse aus Gefängnisbesuchen
Ich möchte jetzt gern eines versuchen vorzusingen. Ich bin in meinem Leben schon häufig im Knast gewesen, um dort Konzerte zu spielen, und war auch im Jugendgefängnis. Dabei habe ich ganz schnell mitbekommen, dass es nicht nur ein Gefängnis hinter diesen Mauern und Gittern gibt, in denen Menschen für eine gewisse Zeit weggesperrt werden. Es gibt Gefängnisse auch außerhalb.
Ein Gefängnis haben wir eben gehört – das Thema Drogen. Bei anderen ist es vielleicht das Thema Einsamkeit. Der Nächste sagt: Mein Gefängnis, in dem ich drinstecke, ist das Thema Arbeitslosigkeit.
Aus diesen Besuchen heraus habe ich erlebt, dass selbst in den Gefängnismauern, die ich besucht habe, Menschen zum Glauben gekommen sind. Einer hat mir damals gesagt: „Jetzt habe ich endlich begriffen, dass Gott mich nicht wegstößt, wenn ich Mist gebaut habe.“ Das war, als er Christ geworden war. So ist es natürlich auch außerhalb der Gefängnismauern möglich, in diesen sogenannten unsichtbaren Gefängnissen.
Wenn alle deine Briefe schon geöffnet sind, dann bist du angekommen im Knast. Wenn du unselbständig bist wie ein kleines Kind, dann bist du angekommen im Knast. Siehst du den Himmel jeden Tag nur klein kariert, dann bist du angekommen im Knast. Sind die Fenster zum Leben mit Gittern verziert, dann bist du angekommen im Knast.
Wenn an Heiligabend harte Männer weinen, dann bist du angekommen im Knast. Und deine Kinder dir nur in Träumen erscheinen, dann bist du angekommen im Knast. Wenn es nichts tun dich alle Tage mürbe macht, dann bist du angekommen im Knast. Kriegst du kein Auge zu bis weit nach Mitternacht, dann bist du angekommen im Knast. Hm, dann bist du angekommen im Knast.
Wenn du kein Lebensthema hast und einsam bist, dann bist du angekommen im Knast. Musst du spüren, was Schuld ohne Vergebung ist, dann bist du angekommen im Knast. Wer Christus hat, muss nirgendwo mehr einsam sein, denn er ist angekommen im Knast. Nur Christus bringt in jede Zelle Frieden rein. Auch er ist angekommen im Knast. Auch er ist angekommen im Knast.
Familiäre Gespräche und Erfahrungen mit Maulkörben
Seinem Vater platzte deshalb der Kragen, und eines Tages fragte er ihn energisch: „Weißt du eigentlich, was Abraham Lincoln in deinem Alter schon alles geschafft hat?“
Der Sprössling schmunzelte etwas und antwortete: „Nein, das weiß ich nicht. Aber ich weiß genau, dass er in deinem Alter, Papa, schon Präsident der Vereinigten Staaten war.“
Wenn man solche Kinder hat, hegt man manchmal den heimlichen Wunsch, seinem Nachwuchs einen Maulkorb zu verpassen.
Ich selbst bin in einer Diktatur groß geworden. Dort war ein großes Maul nicht lustig, sondern gefährlich. Es gab einen Maulkorb, der allgegenwärtig war. Schon kleine Kinder mussten lernen: Wenn sie zur Schule gingen, durften sie nicht alles sagen, was zu Hause besprochen wurde.
Ab der ersten Klasse, manche sogar schon ab dem Kindergarten, mussten sie unterscheiden können, was sie in der Schule sagen durften und was nicht. Dieser Maulkorb war allgegenwärtig.
Als ich ein ganz kleines Kind war, hatte unser Nachbar eine Antenne auf dem Dach. Es war eine ganz besondere Antenne, mit der man Westfernsehen schauen konnte, zum Beispiel ARD. Das war jedoch verboten.
Diese Antenne auf dem Dach zu haben war verboten, deshalb bekam der Nachbar Besuch. Einer von diesen Besuchern war ein roter Typ, den er von früher kannte. Dieser war nämlich früher bei Adolf dem Verrückten in der Braunpartei gewesen.
Als die Auseinandersetzung so richtig hochkochte, sagte Zert zu dem Typen: „Du hast doch dein Parteiabzeichen nur zum Umwenden dran.“ Das brachte ihm zwei Jahre Gefängnis ein.
Wahrheit, Verfolgung und die ersten Christen
Wer die Wahrheit sagt, liebe Freunde, sollte nicht nur draußen vor der Tür ein schnelles Pferd geparkt haben. Man muss auch damit rechnen, dass man gemobbt wird, gekündigt wird oder sogar eingesperrt wird. Das kann passieren.
Manchmal bekommt man dann auch noch einen Maulkorb verpasst, weil man nicht mehr über die Wahrheit sprechen soll. Die ersten Christen haben das zu spüren bekommen. Herr Petrus geht mit seinem Kollegen Johannes durch die Straßen von Jerusalem. Dort steht der Tempel der Juden, und dorthin wollen sie gehen. So kurz vor dem Kaffee trinken, gegen fünfzehn Uhr, kommen sie also zum Tempeleingang.
Er trägt einen Mann, etwa vierzig Jahre alt. Dieser Mann trinkt aber nicht Kaffee und betet auch nicht, sondern er bettelt. Seit er denken kann, seit seiner Geburt, ist er gelähmt. In der Geschichte, die wir in der Apostelgeschichte Kapitel 3 finden, hat dieser Mann nicht einmal einen Namen. Das bedeutet, jeder von uns kann seinen eigenen Namen dort einsetzen. Das heißt, alle Menschen sind von Geburt an gelähmt.
Der Mensch ist von Anfang an Sünder. Die Beziehung zu Gott ist von Anfang an durch Adam gestört. Aber genau für diese Beziehung zu Gott ist der Mensch geschaffen.
Einer meiner Söhne besitzt ein Aquarium. Er hält es immer schön sauber, und ich staune darüber. Die Fische scheinen sich dort auch ganz wohl zu fühlen. Aber angenommen, eines Tages beschließt einer der Fische: Ich verlasse das Aquarium, ich springe raus. Ich komme als Vater vorbei, sehe das, hole meinen Sohn und sage: „Guck mal, wie gut es dem hier bekommt. Er bewegt sich so schnell, so lebendig, wie er sich in dem Aquarium nie bewegt hat.“
Dann wird mein Sohn zu mir sagen: „Papa, du hast keine Ahnung. Das geht nicht mehr lange gut. Irgendwann ist der hier gelähmt, und dann kriegt er die Kurve.“ Ja, der Fisch ist für das Element Wasser geschaffen, und nur in diesem Element kann er wirklich leben.
Der Mensch ist für ein Element geschaffen, und dieses Element heißt die Beziehung zum lebendigen Gott. Wer aus diesem Element herausspringt, aus dieser Beziehung zum lebendigen Gott, ist dann wie gelähmt. Er hat nur noch den Tod vor sich.
Deshalb sagt die Bibel: Jeder Mensch ist gelähmt, jeder Mensch ist verloren. Jesus will aber nicht, dass das so bleibt. Das ist die frohe Botschaft. Jesus will nicht, dass es so bleibt.
Heilung und Rettung durch Jesus
Das können wir jetzt bei dem Gelähmten vor dem Tempel draußen sehen. Das Botenpersonal von Jesus marschiert an diesem gelähmten Mann vorbei. Ich lese euch das mal vor, Originalton. Das ist schon im Kapitel 3:
Als nun Petrus und Johannes den Gelähmten sahen, der um ein Almosen bat, weil sie in den Tempel hineingehen wollten, sprach Petrus zu ihm. Der Gelähmte sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfing.
Petrus aber sagte: "Silber und Gold haben wir nicht, was ich aber habe, das gebe ich dir. Im Namen Jesu Christi von Nazaret: Steh auf und geh umher!" Er ergriff ihn bei der rechten Hand, richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knochen fest. Er sprang auf, konnte gehen und stehen. Dann ging er mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott.
Also, Jesus macht Beine. Petrus sagte zum Leben: Wir sind nicht die richtige Adresse. Silber und Gold haben wir nicht, aber wir haben etwas anderes: den Namen Jesus Christus. Im Namen von Jesus Christus sollst du aufstehen.
Solche unvorhergesehenen Dinge passieren, wenn Jesus in das Leben von Menschen eingreift. Der gelähmte Bettler bekam keine Spende, er bekam Gesundheit. Heute bekommt die gelähmte Menschheit mehr als Gesundheit: Sie bekommt Rettung durch Jesus. Und das ist die Botschaft der Christen bis heute geblieben.
Auch wenn viele sich im neuen Jahr wünschen, vor allem gesund zu bleiben, sieht Jesus das anders. Bei Jesus heißt der Wunsch und die Botschaft: Hauptsache gerettet. Dass Gesundheit die Hauptsache ist, ist ein gefährlicher Irrtum. Ebenso ist die Vorstellung, dass jeder nach seiner Art selig werden kann, eine gefährliche Irrlehre.
Wahrheit, Mission und Widerstand
Weißt du, Irrtümer und Irrlehren können zu Tausenden friedlich nebeneinander leben. Wenn aber einer kommt und die Wahrheit sagt, dann ist in der Regel der Teufel los.
Der Teufel ist nicht los, weil irgendein religiöser Spinner daherkommt und sagt: „Ich habe das richtige Glaubensbekenntnis, ich habe die Wahrheit für mich gepachtet.“ Nein, der Teufel ist deshalb los, weil wir von Jesus, dem Sohn Gottes, reden. Und weil Jesus gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zu Gott außer durch mich.“
Herr Christ, wir behaupten doch nicht arrogant, dass wir die Wahrheit für uns gepachtet haben. Wir predigen, dass Jesus Christus die Wahrheit ist und dass nur er Rettung bringt. Genau das macht jetzt Petrus. Er nutzt nämlich die Gelegenheit, die Jesus schafft, um anderen vom Retter Jesus zu erzählen.
Die Menschenmenge möchte am liebsten Petrus und den Geheilten zu Helden des Tages oder Christen des Jahres machen. Man will sie fotografieren. Petrus kann nur sagen: „Ihr fotografiert in die falsche Richtung. Nicht mich, auch nicht den Geheilten, ihr müsst Jesus in die Nachrichten bringen. Ihr müsst Jesus groß rausbringen.“
Er lenkt von sich ab und zeigt auf Jesus. Weißt du, genau das ist missionarischer Lebensstil. Wir müssen nicht verkrampfen, wenn wir von Jesus reden wollen. Wir brauchen Jesus nur zu bitten: „Herr, bitte schaffe du Gelegenheiten, dass ich von dir weitersagen kann.“
Das ist übrigens ein ganz gefährliches Gebet. Ich befürchte, dass viele Christen dieses Gebet meiden, weil sie ganz genau wissen, dass Jesus dieses Gebet – „Herr, bitte schaffe du Gelegenheiten, dass ich anderen von dir erzählen kann“ – zu hundert Prozent erhört.
Zeugnis trotz Einschränkungen und Herausforderungen
Ich kenne einen Mann, der seit seiner Geburt im Rollstuhl sitzt. Er ist ein guter Freund von mir und gelähmt. Einmal sagte er in einer Sitzung: „Vielleicht sind wir kaputten Menschen auch dazu gemacht, damit andere Gott dafür dankbar werden, wie gut es ihnen geht.“ Das klingt doch verrückt.
Mein Freund nutzt seine Situation im Rollstuhl und sagt: „Das, was Gott mir hier gegeben hat, auch mit meinen Begrenzungen, das will ich dazu nutzen, um andere auf Jesus hinzuweisen.“ Er wünscht sich sehr, dass andere dankbar werden für das, was Gott ihnen gegeben hat, und dadurch Jesus erkennen.
Herr Petrus erlebt nun die Heilung durch den gelähmten Mann mit und empfängt den Heiligen Geist. Das bedeutet, er hat den Geist bereits empfangen. Von diesem bekommt er eine Idee. Diese Idee lautet: Rede jetzt von der Heilung, die jeder Mensch braucht.
Petrus macht also die Wende von der körperlichen zur geistlichen Gesundheit. Während Petrus in seiner Predigt richtig in Fahrt kommt, taucht die religiöse Elite auf. Sie sagen: „Nehmt Petrus und Johannes erst einmal weg!“
Hier können wir erkennen: Wenn der Heilige Geist wirkt, kann es auch sehr ungemütlich werden. Der Heilige Geist kann uns Christen zwei Dinge bringen: Zuspruch und Widerspruch. Das ist die Reaktion auf die Botschaft von Jesus.
Die einen werden Christen, und die anderen reagieren verrückt. Damit sollten wir immer rechnen, wenn wir singen: „O komm, du Geist der Wahrheit“ und wenn wir immer mehr von dir singen.
Verfolgung und Gebet in der frühen Gemeinde
Gleich nach Pfingsten, nach der Heilung des Gelähmten, führen der Heilige Geist Petrus und Johannes ins Gefängnis. Petrus wusste am Morgen noch nicht, dass er am Abend im Gefängnis sitzen würde und dass er am nächsten Tag der Elite Israels eine Predigt halten würde.
In dieser Predigt sagt er der Elite Israels, dass Jesus Christus und sonst niemand die Rettung bringen kann. Auf der ganzen Welt hat Gott keinen anderen Namen bekannt gemacht, durch den wir gerettet werden können.
Liebe Freunde, es gibt also keinen humanistischen, keinen muslimischen und keinen esoterischen Weg zu Gott. Es gibt nur einen Codenamen, um in den Himmel zu kommen – und dieser Code heißt nicht Rumpelstilzchen, heißt auch nicht Simsalabim, sondern Jesus Christus.
Und das hat Folgen, wenn du das predigst und weiter sagst. Kurz nachdem die Christen den Heiligen Geist empfangen hatten, wurden sie verhört, unter Redeverbot gestellt und bekamen einen Maulkorb verpasst. Man gebot ihnen, keinesfalls im Namen von Jesus zu reden oder zu lehren.
Dann wurde noch eine richtige Drohung nachgeschoben – eine Einschüchterung. Wer die Botschaft von der Rettung bringt, bekommt Gegenwind und einen Maulkorb verpasst. Der auferstandene Jesus soll totgeschwiegen werden.
Das ist heute ähnlich. Bei uns gibt es keine staatlichen Gesetze, die das Predigen verbieten oder das Reden von Jesus untersagen. Aber es gibt andere Maulkorbgesetze, die uns verbieten, die Botschaft von Jesus weiterzusagen – zum Beispiel das Dreckheitsgesetz oder das Gesetz des Pluralismus.
Vielleicht kennst du den Pluralismus: Er will dir verbieten, von Jesus so deutlich zu sagen, dass nur er der Retter ist. Der Pluralismus sagt, jeder könne glauben, was er will, alles sei richtig, und die Frage nach der Wahrheit dürfe nicht gestellt werden.
Der Zeitgeist verbietet dann zu sagen, Jesus bringt dir Rettung und er ist der einzige Weg, um in den Himmel zu kommen, um zu Gott zu gelangen. Aber gerade diesen Auftrag haben wir ja bekommen: ihn weiterzusagen.
Deshalb müssen wir Christen den Pluralismus ablehnen. Pluralismus darf aber nicht mit Toleranz verwechselt werden, denn für Toleranz treten wir Christen ja gerade ein.
Wer tolerant ist, sagt, was er glaubt und für welche Werte er steht. Gleichzeitig lässt er dem anderen, der anders glaubt, der für andere Werte steht und sein Leben ganz anders gestaltet, sein Leben und sein Lebensrecht.
Wenn ich mit einem Moslem im Gespräch bin, werde ich sein Gebet nicht stören – das ist Toleranz. Aber ich werde ihm im Gespräch sagen, dass Jesus der einzige Weg zur Rettung ist.
Herausforderungen durch moderne Konzepte und Methoden
Toleranz ist etwas völlig anderes als Pluralismus. Ein weiterer Begriff, den ich in unserem breiten Umfeld kennengelernt habe, heißt Weltethos. Diesen Begriff möchte der römisch-katholische Theologe Hans Küng den Christen aufzwingen.
Vor etwa einem Monat stellte ein Anhänger von Hans Küng bei einer kirchlichen Weiterbildung das Projekt Weltethos vor. Dabei wird versucht, die ethischen Gemeinsamkeiten aller Weltreligionen zusammenzuführen. Das Ziel dieses Projekts ist, dass alle Religionen friedlich nebeneinander leben und den gemeinsamen ethischen Grundforderungen zustimmen. Das bedeutet, jeder soll auch weiterhin das bleiben, was er ist: Ein Christ soll Christ bleiben, ein Moslem soll Moslem bleiben und ein Jude soll Jude bleiben.
Bei einer Frage am Mittagstisch an den Referenten, wie es denn mit Evangelisationen wie proChrist aussieht, antwortete dieser: „Es ist erlaubt, wenn es den Frieden nicht stört.“ Liebe Freunde, Mission stört den Frieden jedoch gewaltig. Mission stört den Frieden. Das ist ein Maulkorb, den man uns auferlegen will – nämlich, dass wir nicht mehr mit der Klarheit von Jesus reden dürfen.
Ein weiterer Maulkorb in unseren Breitengraden ist ein oft zitierter Spruch, der auch als missionarisches Konzept ausgegeben wird: „Wir leben so lange unser Christsein vor, bis sie uns fragen.“ Ich bin fest davon überzeugt, dass das Christentum nicht nur als Pantomime dargestellt werden kann. Wir müssen es auch weitersagen und artikulieren.
Ich traue mir, liebe Freunde, nicht zu, allein durch mein Vorleben zu wirken. Denn jeder von uns weiß doch ganz genau: Ich lebe auch mein Sündersein vor. Und ob dann jemand auf die Idee kommt, nachzufragen? Das muss ich dann kommentieren – mit dem Hinweis auf den Gekreuzigten und Auferstandenen, der mir als Christ immer wieder einen Neuanfang schenkt.
Ein Bischof, Wolfgang Huber, hat einmal gesagt: „Wir haben vielfältige Aufgaben entwickelt, ohne deutlich zu machen, wie das mit unserem christlichen Glauben zusammenhängt.“ Wir können viel tun und viel vorleben, aber wir müssen auch sagen, warum wir das tun.
An dieser Stelle, wenn wir dann gefragt werden und ins Gespräch kommen, können wir eben nicht den Mund halten. Denn sonst kommt es, wie ein Pfarrer einmal frustriert sagte: „Jetzt habe ich zwanzig Jahre lang vorgelebt, und niemand hat gefragt.“
Missionarische Haltung und Gebet als Grundlage
Ich möchte bei den Malkörben weitermachen. Es gibt auch einen Methodenmalkorb. In Deutschland haben wir zurzeit viele Methoden, Modelle und Möglichkeiten, wie wir Christen missionieren können und sollen. Es gibt tolle Bücher, Seminare und Kongresse, die angeboten werden. Manche verlassen sich dann auf einzelne Methoden.
Wir brauchen aber nicht zuerst irgendwelche Missionsmethoden. Wir brauchen Christen, denen klar ist, dass nur Jesus Menschen in den Himmel bringen kann. Bei unserer Mission geht es zuallererst um eine Herzenshaltung, nämlich die Herzenshaltung jedes einzelnen Christen.
Ich sehe bei unserer Mission eine Lähmung. Wir glauben nicht, dass es die Hölle gibt. Wir glauben nicht, dass der Friedhof einen doppelten Ausgang hat. Bis in evangelikale Kreise hinein hört man es nicht mehr gern, wenn von Himmel und Hölle gepredigt wird. Man will ja nicht mittelalterlich wirken. Dabei ist das gar nicht mittelalterlich. Jesus hat doch nicht im Mittelalter gelebt, sondern vor zweitausend Jahren zur Zeitenwende. Und dort, zur Zeitenwende, hat er für jeden Menschen die Lebenswende möglich gemacht, sodass das Leben in die Beziehung zu Gott und in den Himmel führen kann.
In Jerusalem war jetzt das Predigen per staatlichem Maulkorb verboten. Der Name Jesus durfte nicht mehr genannt werden. Diese neue Situation, das Maulkorbgesetz, muss nun den Christen vor Ort mitgeteilt werden. Also traben Petrus und Johannes in die christliche Gemeinde.
Was tut man eigentlich als Erstes in dieser ausweglosen Situation? Ich würde als Erstes einen gepfefferten Brief schreiben, eine Beschwerde oder eine Demo organisieren: „Das könnt ihr mit uns nicht machen!“ Was tun die ersten Christen? Sie beraten nicht, sie hauen nicht ab, sie fliehen nicht, sie demonstrieren nicht, sie rebellieren nicht. Sie beten. Sie beten.
Sie waren kräftig im Bekenntnis und kräftig im Gebet. Das gehört zusammen: Beten und Arbeiten, Aktion und Gebetsgemeinschaft – das gehört bei christlicher Mission zusammen. Ohne die Verbindung zum Auftraggeber kann der Auftrag nicht wirklich ausgeführt werden.
Seit dem Missionsbefehl, liebe Freunde, sind wir Christen alle Unternehmer. Wir müssen etwas unternehmen. Viele Christen müssten eigentlich „Unterlasser“ heißen, und manche kirchlichen Mitarbeiter tun sich als Verhinderer hervor. Ich vermute aber, dass heute überwiegend Unternehmer hier sind, sonst wärt ihr ja nicht zur Jumiko gekommen.
Als Unternehmer stehen wir jedoch in einer ganz besonderen Gefahr. Wir können uns im missionarischen Aktionismus verlieren. Der Teufel ist sehr daran interessiert, dass wir nicht zur Ruhe kommen, dass die Verbindung zum Auftraggeber abreißt. Er ist sehr daran interessiert, dass wir nicht mehr beten.
Das Gebet ist bei Evangelisation kein Zusatz, sondern Grundsatz. Wir können den Missionsbefehl nicht ausführen, wenn die Verbindung zum Auftraggeber nicht mehr da ist.
Die erste Gebetsgemeinschaft und ihre Anliegen
Zurück nach Jerusalem. An dieser Stelle der Kirchengeschichte wird uns die erste uns bekannte Gebetsgemeinschaft vorgestellt. Diese Gebetsgemeinschaft hat drei interessante Gebetsanliegen.
Das erste Gebetsanliegen findest du in Vers 29: „Nun herrsche sie an ihrem Thron.“ Ansehen heißt in der Bibel auch, gnädig ansehen. Die Christen sehen nicht auf ihre eigene Sicherheit. Sie schielen nicht nach Rettungsmöglichkeiten, wie sie das Maulkorbgesetz noch irgendwie umgehen könnten. Stattdessen sehen sie, wie jämmerlich ihre Feinde dastehen.
Meine Feinde sehe ich auch, wenn ich Gegenwind bekomme. Dann könnte ich am liebsten einen Rachepsalm beten. Da könnte ich Dinge beten, die jeden Rachepsalm noch in den Schatten stellen würden. Aber die Christen in Jerusalem beten keinen Rachepsalm. Sie beten Psalm 2. So wie manche die Bibel einfach aufschlagen und dann lesen, was da steht, so betet die kleine Gebetsgemeinschaft zuerst Psalm 2 auswendig, weil sie ihn kannte.
So reagiert Gott auf das Redegebot der Machthaber. Er gibt der kleinen Gebetsgemeinschaft den Gedanken: Beginnt nun laut Psalm 2 zu beten. Also erhoben sie einmütig die Stimme und sprachen zu Gott:
„Herr, du hast Himmel und Erde und das Meer und alles, was darin ist, gemacht. Du hast durch den Heiligen Geist, durch den Mund unseres Vaters David, seines Knechtes, gesagt:
Warum toben die Heiden und die Völker nehmen sich vor, was umsonst ist?
Die Könige der Erde treten zusammen, und die Fürsten versammeln sich gegen den Herrn und seinen Christus.“
Damit lädt Gott die kleine Gemeinde, die Christen, ein, mit ihm erst einmal herzlich zu lachen. Gott verharmlost nichts; die Feinde bleiben weiterhin gefährlich. Aber im Himmel, wo Gott wohnt, da lacht man über sie. Die Christen sollen erst einmal mitlachen.
Wer nichts zu lachen hat, der kann wieder lachen, wenn er Psalm 2 liest. Gott ist größer als die Mächte, die uns hier mit dem Maulkorberlass binden wollen.
Dann kommt die erste Bitte: Gott soll die Feinde von ihrem blinden Toben und starresinnigen Wüten erlösen. Das Erste, was sie beten, ist: Die Feinde brauchen Jesus, damit sie gerettet werden.
Hier wird das Wort von Jesus im Leben umgesetzt, wo er sagt: „Liebt eure Feinde, segnet, die euch fluchen, bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen, tut wohl denen, die euch hassen.“
Ich muss feststellen: Im Vergleich zu den ersten Christen bin ich ein Christenzwerklein. Ich frage mich natürlich, ob die ersten Christen humanistischer veranlagt waren als ich. Waren sie so viel besser? Vielleicht waren sie das. Aber aus eigener Kraft waren sie es bestimmt nicht, um die Feindesliebe irgendwie doch noch in die Reihe zu kriegen.
Das kann ihnen nur Jesus schenken, und das kann dir und mir nur Jesus schenken. Das kann nur jemand, der auch vor dem Maulkorberlass schon gebetet hat. Sie beten für die, die ihnen den Maulkorb verpasst haben.
Persönliche Erfahrungen und Herausforderungen im Umgang mit Kritik
Weißt du, ich muss noch viel lernen, denn ab und zu kann ich zum Beispiel den Mund nicht halten. Letztes Jahr, als in der Kirche manche Sauerei lief, hat mir irgendein Obergeistlicher aus dem Landeskirchenamt einen Maulkorb verpasst. Ab diesem Augenblick sollte ich ohne kirchliche Genehmigung nichts mehr veröffentlichen.
Was habe ich als Erstes getan? Ich habe meinen Rechtsanwalt prüfen lassen. Danach habe ich den Maulkorb, weil er rechtlich nicht haltbar war, ans Landeskirchenamt zurückgeschickt. Ich habe also nicht zuerst für meine Gegner gebetet oder sie an ihr Treiben erinnert, sondern ich habe erst gehandelt.
Weißt du, das unterscheidet mich oft von den ersten Christen. Ich vermute, dass ich damit nicht allein bin. Vielleicht sind heute einige hier, denen es ähnlich geht: Wenn es Probleme gibt, was tun wir zuerst?
Bei Krankheiten rennen wir von einem Arzt zum anderen, was ja auch wichtig ist. Aber in der Regel fangen wir erst dann an, die Hände zu falten und zu beten, wenn keiner mehr weiterweiß – auch die Ärzte nicht mehr weiterwissen.
Wir müssen die Reihenfolge beachten.
Das zweite Gebetsanliegen: Mut und Kraft zum Zeugnis
Die zweite Bitte kommt jetzt in der kleinen Gebetsgemeinschaft. Sie bitten nun für sich, aber nicht darum, am Leben zu bleiben. Auch das Lieblingsgebet der Christenheit, „Herr, bewahre mich vor Krankheit und Unfall“, sprechen sie nicht.
Manche gehen mit Gott um, als wäre er ein Maskottchen, das für unser Wohlergehen zuständig ist. Ein Maskottchen ist ein Gott? Nein, so beten sie nicht. Sie bitten vielmehr um Erlaubnis, gefährlich leben zu dürfen. Sie wollen den Maulkorb wegwerfen.
„Gib uns deinen Dienern die Kraft, deine Botschaft mutig und entschlossen zu verkündigen“ – das ist ihr Gebetsanliegen. Sie bitten um die Erlaubnis, das Redeverbot der Obrigkeit ignorieren zu dürfen.
Das heißt im Klartext: Die ersten Christen bitten darum, ins Gefängnis zu müssen, gefoltert zu werden und getötet zu werden. Sorry, das ist eine ganz andere Blickrichtung.
Hier entdecke ich die Einstellung: Wenn wir sterben müssen, dann ist das nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist, wenn wir anderen die Botschaft von Jesus vorenthalten.
Das dritte Gebetsanliegen: Gottes Wirken und Wunder
Jetzt kommt die dritte Bitte: Sie geben alles in Gottes Hand.
Vers: Strecke deine Hand aus, damit Heilung, Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines lieben Knechtes Jesus.
Jesus soll derjenige sein, der handelt. Das größte Wunder ist nicht die Heilung des Gelähmten. Das größte Wunder ist auch nicht das Erdbeben, das sich dann anschließt. Das größte Wunder ist auch nicht, dass hier ein paar tausend junge Leute in Stuttgart zur Jumiko kommen. Das größte Wunder ist immer wieder, wenn ein Mensch zu Jesus kommt, also Christ wird.
Bei den Jerusalemer Christen gibt es aus menschlicher Sicht keine Hoffnung. Jetzt hilft nur noch ein Wunder. Und das Wunder geschieht: Gott greift ein. Da sie gebetet hatten, bewegte sich die Stätte, da sie versammelt waren.
Liebe Freunde, warum bewegt sich heute bei uns so wenig? Warum bleibt bei uns alles so berechenbar? Warum bleibt alles so geordnet? Sind unsere Gebete vielleicht zu jämmerlich gemessen an dem, was die ersten Christen hier in ihrer Gebetsgemeinschaft gebetet haben?
Gemeinschaft und Herausforderungen in der heutigen Kirche
Und wie sieht es eigentlich mit dem Zusammenhalt und der Gemeinschaft der Christen bei uns aus? In den Biergärten und Kneipen prostet man sich zu, man grüßt sich. Wenn du jedoch in manche Kirche kommst, kannst du im Mittelgang Schlittschuh laufen, so kalt ist es dort. Du bekommst nicht einmal ein Willkommen von deinem Banknachbarn.
Warum bewegt sich bei uns nichts? Wir predigen und hören Predigten. Brauchen wir vielleicht wieder ein Redeverbot, um beten und predigen zu lernen? Brauchen wir vielleicht mehr Gegenwind, damit die Botschaft wieder hochkommt und deutlich wird?
Viele Christen wünschen sich Rückenwind. Manchmal wird das auch lautstark gesungen. Mein Kollege ist hobbymäßig Gleitschirmflieger. Er hat sogar einen kleinen Motor dazu, damit er schneller unterwegs ist. Er sagt einmal: Wenn ich Rückenwind habe, fliege ich auf die Nase. Ich brauche Gegenwind, um den Gleitschirm ordentlich in die Luft zu bekommen.
Ist heute vielleicht wieder ein Redeverbot nötig, weil wir Christen uns selbst jahrelang einen Maulkorb umgebunden haben? Wir merken diesen Maulkorb, den wir uns natürlich freiwillig angelegt haben, gar nicht mehr. So wie wir die Brille auf der Nase haben und sie nicht mehr wahrnehmen, so haben wir diesen Maulkorb an. Wir haben uns gefährlich daran gewöhnt, nichts mehr von Jesus zu sagen.
Ich kann es nur als Warnung sagen, was Luther einmal betont hat: Wer das Evangelium nicht weitergibt, der wird es verlieren. Damit gefährden wir auch unseren eigenen Glauben.
Freiheit im Glauben und Herausforderungen im Leben
Wisst ihr, an der Schule unseres Sohnes hat ein Lehrer den schönen Namen „Freies Leben“. Zu Hause wurde dieser Schüler zu Beginn des Schuljahres von allen seinen Eltern gefragt: „Wie heißt denn nun euer Klassenlehrer?“ Doch der Junge kam nicht mehr auf den Namen „Freies Leben“. Nach einer Weile Nachdenken sagte er: „Unser Lehrer heißt ‚Schöne Ferien‘.“
Herr Präsident, dass unser Leben als Christen ein freies Leben ist, wird ja jeder bestätigen, der als Christ unterwegs ist und zu Jesus gehört. Aber dass wir unser Christenleben mit „schönen Ferien“ übersetzen können, das hat uns niemand versprochen. Und das findest du auch nicht in der Bibel, dass dir das versprochen ist – dass du ein Christenleben mit „schönen Ferien“ übersetzen kannst.
Wir brauchen nur in die jüngere Missionsgeschichte zu sehen. Zum Beispiel wurden im letzten Jahr christliche Missionare einfach abgeschlachtet. Da war nichts mit „schönen Ferien“. Und am Beginn der frühen Christenheit war es auch nichts mit „schönen Ferien“. Da war es nicht anders, obwohl man im Gefängnis auch ein freier Christenmensch sein kann.
Aber eins wird noch deutlich: Wer in der Krise ist und nur Berge vor sich sieht, der sollte sich an den wenden, der die ganze Welt geschaffen hat. Das machen die in ihrer Gebetsgemeinschaft hier. Als sie das hörten, erhoben sie ihre Stimme einmütig zu Gott und sprachen: „Herr, du hast Himmel und Erde und das Meer und alles, was darin ist, gemacht.“
Weißt du, die Not der Christen ist groß, die Not wird bald noch größer. Aber die Not wird niemals größer sein als der lebendige Gott, der Himmel und Erde gemacht hat. Die Christen bekommen einen anderen Blick, sie bekommen Mut – trotz Redeverbot. Diese Geschichte macht Mut, dennoch an Jesus festzuhalten, auch wenn du Gegenwind bekommst.
Du kannst dennoch deine Gebete zu Gott schicken, auch wenn du keine Hoffnung mehr spürst. Wo soll es denn Hoffnung geben? Weißt du, die Hoffnung ist ein Anker. Wenn du den Anker auswirfst, brauchst du einen Grund, in dem der Anker auch Halt findet. Genauso brauchst du einen Grund für deine Hoffnung im Leben und im Sterben.
Bei Petrus in der kleinen Gebetsgemeinschaft ist die Hoffnung der Grund für diese Hoffnung Jesus.
Perspektivenwechsel und Ausblick für Christen
Das sind ganz ungewöhnliche Perspektiven, die Gott hier seinen Leuten schenkt. Wer sein Leben aus dem Blickwinkel Gottes betrachtet, sieht immer mehr als andere Menschen.
Normalerweise haben wir doch eher die Froschperspektive. Dem Frosch wurde erzählt, dass hinter der Gartenmauer die Welt noch weitergeht. Dann springt er hoch und knallt gegen die Gartenmauer. Wenn der „Knallfrosch“ sich sein Breitmal dreimal eingerannt hat, sagt er: Die haben mich alle verklapst, mit der Mauer ist die Welt zu Ende, dahinter gibt es nichts mehr.
Oben am Himmel kreist der Adler. Wenn er das Gehupste des Frosches da unten sieht, bekommt er einen Lachkrampf, weil er die Vogelperspektive hat. Da kann man mit Udo Lindenberg singen: „Hinterm Horizont geht’s weiter.“
Für Christen ist es niemals kurz vor zwölf. Wir leben auch nicht einer untergehenden Welt entgegen. Wer zu Jesus gehört, für den ist Mitternacht schon gewesen. Mitternacht war nämlich, als Jesus am Kreuz gestorben ist. Da hat sich die Welt verfinstert. Die Erde wurde erschüttert. Für alle, die zu Jesus gehören, liegt Mitternacht hinter uns. Wir gehen dem Morgenglanz der Ewigkeit entgegen.
Alles, was wir an Krisen und Katastrophen vielleicht noch erleben werden, ist im Vergleich zu dem, was im Himmel in der Ewigkeit kommt, nichts weiter als die Schatten einer zu Ende gehenden Nacht. Das ist keine bloße Vertröstung auf die Ewigkeit, sondern es gibt uns jetzt und hier Mut, die Probleme mit Gottvertrauen anzupacken und den Mund von Jesus aufzumachen.
Petrus war ein Mensch mit einer weiten Perspektive. Sein Blick umfasste die gesamte Welt – das war global. „Geht hin in alle Welt“, hat Jesus gesagt. Petrus hat es geglaubt und getan. Deshalb hat er den Mahlkorb weggeschmissen. Deshalb lassen wir uns auch keinen Mahlkorb verpassen. Wir reden von Jesus.
Das kann ich nur sagen: Auf geht’s!
