Ich möchte anknüpfen an das, was Bruder Deitbeck eben sagte: Die Weltleute haben auch ihre Marastunden.
Heute Morgen, kurz bevor ich losging, warf ich einen Blick auf die Zeitung. Die Überschrift lautete: „Mutter hat sich mit zwei Kindern ertränkt.“ Ich zitiere nur die Überschrift. Das ist erschütternd. Das ist eine Marastunde, wenn eine Frau in solche Verzweiflung gerät, dass sie sich und ihre beiden Kinder umbringt.
Solche Nachrichten erscheinen eigentlich jeden Tag in der Zeitung: Menschen, die sich mit Gas vergiften, sich in der Verzweiflung selbst oder andere töten.
Da wird einem bewusst, wie der Weltmensch in seinen Marastunden leidet, wenn plötzlich in der Wüste des Lebens noch eine Enttäuschung hinzukommt. Wissen Sie, das ist wie ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Man ist durch die Wüste gegangen, hat nach Wasser gesucht, doch selbst wenn man Wasser findet, ist es nichts wert. Das bringt das Fass zum Überlaufen.
Der Weltmensch kann in solchen Marastunden nur verzweifeln. Und es gibt viel Verzweiflung in der Welt.
Die Verzweiflung der Welt und der Trost der Gemeinde
Und ihr sollt sehen, heißt es dem Propheten Maleachi, welchen Unterschied es gibt zwischen denen, die den Herrn fürchten, und denen, die ihn nicht fürchten.
Der Herr zeigte ihm einen Baum. Die Gemeinde des Herrn erhält Trost und Hilfe.
Manchmal möchten wir uns gehen lassen, als wollten wir verzweifeln und hätten sogar ein Recht dazu. Doch das ist eine Absage an den lebendigen Gott und an den, in dem er sich offenbart hat: an unseren Herrn Jesus.
Er heißt Heiland, das heißt Helfer und selig machend.
Die Welt bewegt sich im Grunde immer am Rand der Verzweiflung.
Für uns gilt ganz einfach: Ich bin der Herr, dein Arzt!
Das Schreien des Herzens als Ausdruck tiefster Not
Es ist schön, dass es hier heißt: Mose schrie zum Herrn. Unser näherer Bruder, Rektor Habeck, wies darauf hin, dass das kein liturgisches Gebet war, sondern ein Schreien. Mich hat dieses Wort eigentlich nicht mehr losgelassen – dass Mose wirklich geschrien hat, weil er da auch physisch, leiblich gebrüllt hat: „Herr, ich kann nicht mehr, jetzt greife ein!“ Jedenfalls war es ein Schreien des Herzens.
Sehen Sie, das Wort „Schreien“ kenne ich sonst nur von kleinen Kindern. Kleine Kinder schreien. Ich habe zwar nicht viele Enkel, aber die schreien auch oft. Und ich muss sagen, man hat es nicht gern, wenn Kinder so schreien, so ungezogen. Das mag man nicht. Kinder sollen also nicht schreien. Ich meine nicht die Babys, bei denen ist das ja normal. Aber heranwachsende Kinder, wenn sie hemmungslos losschreien, dann sind die Mütter oft böse und sagen, das soll man nicht tun.
Kinder dürfen nicht schreien, aber Kinder Gottes dürfen schreien – das ist wunderbar. Kinder Gottes dürfen schreien, hemmungslos, unartikuliert, aus tiefer Not heraus. Ich muss gestehen, dass ich in meinem Leben manchmal so geschrien habe: „Herr, ich werfe dir jetzt die ganzen Trockenheiten meines Lebens und meiner Arbeit vor die Füße. Ich kann nicht weiter!“ Das ist wundervoll.
Man könnte ja auch sagen: „Benimm dich doch, komm, komm, es gibt so schöne Liturgien.“ Sag mir mal ein liturgisches Gebet, hier! Das wäre viel einfacher. Nein, Kinder Gottes dürfen schreien, das ist herrlich. Daher erhört er das Schreien des Moses und auch unser Schreien.
Der Herr als Arzt und die Einladung zur Heilung
Nun möchte ich noch ein Wort sagen, zu dem ich bin, der Herr, dein Arzt, lassen mich die alte Geschichte noch einmal erzählen:
Ein Krankenpfleger, ein Masseur, hat einmal Folgendes erlebt: Er musste einem Mann, der ein Bein gebrochen hatte, massieren, damit dieser wieder laufen konnte. Dem Mann tat das Massieren so schrecklich weh, dass er wochenlang schlauerweise das gesunde Bein hingestreckt hat und sich an diesem das Massieren erlaubte. Das tat nicht so weh.
Ich könnte mir vorstellen, dass richtige Ärzte damit zu tun haben, dass der Kranke ihnen etwas erzählt, was gar nicht so ist. Eigentlich ist das schwierig. Bei Ihnen wird es wohl so sein, dass der Kranke das gesunde Bein hinstreckt, nicht das kranke. Aber wenn es heißt: "Ich bin der Herr, dein Arzt", meine lieben Geschwister, dann heißt das, wir wollen unser krankes Bein hinstrecken.
Vor meiner Seele steht eine liebe alte Frau, die unendlich darum gerungen hat, um die Verwilderung der heutigen Jugend. Doch sie hat nicht gesehen, dass sie ihrer eigenen Schwiegertochter gegenüber einfach abscheulich gehandelt hat, einfach widerlich war. Das war ja nicht aufgedeckt, und sie hat nicht einmal zum Herrn gesagt: "Lass mich diese Schwiegertochter auch lieb haben."
Das wäre das kranke Bein hinstrecken, nicht? Versteht ihr, dass man – und nun ist jeder hier – ganz bestimmte Sünden und ganz bestimmte Probleme hat? Wollen wir diese nicht dem Herrn nennen? Wollen wir ihm hier das kranke Bein zeigen? Ihr versteht, wie ich meine: Wenn der Herr unser Arzt ist, dann muss ihm die Krankheit unseres Lebens auch wirklich gezeigt werden.
Gebet um Heilung und Gemeinschaft
Nun wollen wir noch beten. Wir bleiben sitzen.
Herr, unser Heiland, wir danken dir für diesen Morgen und dafür, dass du bist, dass du da bist. Herr Jesus, wir danken dir, dass du unser Arzt geworden bist und dass dein Kreuz das Holz ist, das bitteres Wasser trinkbar macht.
Nun haben wir uns hier um dein Kreuz versammelt, Herr. Lass uns dort stehenbleiben und verbinde uns zu einer lebendigen Gemeinschaft.
Ach Herr, kümmere dich um deine Gemeinde und erbaue dein Reich. Amen.