Einführung und biblischer Ausgangspunkt
Ich darf einen kurzen alttestamentlichen Text vorlesen. Es handelt sich um den Propheten Hesekiel. Ich glaube, ich habe noch nie über Hesekiel gepredigt und kann mich auch nicht erinnern, dass das in den letzten dreieinhalb Jahren der Fall war.
Der Text stammt aus dem Alten Testament, Hesekiel, Kapitel 33, Verse 10 und 11. Wer gerne eine Bibel zum Mitlesen möchte, kann sich gerne eine von Brigitte holen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich immer wieder ermutigen, die eigene Bibel mitzubringen. In der eigenen Bibel kann man Notizen machen, etwas unterstreichen oder markieren. Das ist bei den Gemeindebibeln nicht unbedingt angebracht.
Hesekiel 33,10-11 lautet:
"Und nun, du Menschenkind, sage dem Haus Israel: Ihr sprecht, unsere Sünden und Missetaten liegen auf uns, dass wir darunter vergehen. Wie können wir denn leben? So spricht zu ihnen, so wahr ich lebe, spricht Gott der Herr: Ich habe keinen Gefallen am Tod des Gottlosen, sondern dass der Gottlose umkehre von seinem Weg und lebe. So kehrt nun um von euren bösen Wegen."
Die Faszination Eugen Drewermanns und seine These zur Angst
Es gibt in unserem Land einen Mann, der, wenn er irgendwo spricht oder predigt, die Menschenmengen förmlich anzieht. Er heißt Eugen Drewermann. Manche verdrehen die Augen, wenn sie diesen Namen hören, während andere hell begeistert sind.
Eugen Drewermann ist katholischer Theologe aus Paderborn. Inzwischen besitzt er keine Lehrbefugnis mehr bei der katholischen Kirche, doch das stört ihn nicht. Ein Buch folgt dem anderen, und die Säle sind oft zu klein. Wenn ein Kirchentag stattfindet und Eugen Drewermann in derselben Stadt spricht, dann sind mehr Menschen bei ihm als bei anderen Rednern.
Was macht diesen Mann so populär? Was zieht die Massen an ihm wie ein Magnet? Nun, er hat die tiefenpsychologische Bibelauslegung entdeckt oder neu propagiert. Er legt die Bibel tiefenpsychologisch aus.
Sein geistiger Vater in dieser Richtung ist Carl Gustav Jung, der Schweizer Psychologe und Psychoanalytiker. Eugen Drewermann hat viel von ihm übernommen. Seine These im Blick auf das Christentum und den Glauben lautet: Der Motor des Glaubens ist die Angst. Menschen glauben nur, weil sie Angst haben.
Angst vor einem Gott, der sie strafen könnte. Angst vor dem Verlorengehen. Angst vor sonstigen Unannehmlichkeiten schon in diesem Leben. Der Motor des Glaubens ist die Angst. Wenn die Angst nicht wäre, würde kein Mensch glauben.
Drewermann sagt, Glaube sei nur eine Erziehungshilfe für Kinder, eine Krücke für Versager, eine Sterbehilfe für Alte und vor allem eine Lebenshilfe für Ängstliche. Ein Pülverchen zur Daseinsbewältigung. Leute, die so nicht zurechtkommen, müssten sich halt an den Strohhalm des Glaubens klammern, damit sie irgendwie über die Runden kommen – eine Beruhigungspille für die Angst.
Solche Sätze tun weh, solche Aussagen schmerzen. Aber wir müssen uns schon fragen lassen, warum wir eigentlich glauben, warum wir uns zu Gott wenden und nach seinen Prinzipien leben wollen. Dann müssen wir uns auch fragen lassen, was unsere Motive sind.
Ob der Glaube wirklich nur aus Angst entsteht oder ob es vielleicht auch noch andere Beweggründe geben könnte?
Motive der Bekehrung: Eine Einladung zur Selbstprüfung
Wir wollen uns heute Morgen mit den Motiven der Bekehrung beschäftigen. Diejenigen unter uns, die sicher wissen, dass sie eine biblische Umkehr zu Gott erlebt haben, bitte ich, heute Morgen zu prüfen: Was war eigentlich mein Motiv, mich zu Gott hinzuwenden? Was war mein Antriebsgrund? Was hat mich zu Gott getrieben?
Sollte jemand unter uns sein, der weiß, dass er noch nicht bekehrt ist oder dem das in den nächsten zwanzig Minuten klar werden sollte, möchte ich fragen: Was hält ihn eigentlich von einer klaren Bekehrung ab? Ich denke, wir sind heute Morgen alle angesprochen, wenn wir uns mit den Motiven der Bekehrung beschäftigen wollen.
Schaut: Wenn irgendwo auf dieser Erde Menschen zu Gott umkehren, dann ist das Motiv in den meisten Fällen unbefriedigte Bedürfnisse. Und zwar erstens unbefriedigte körperliche Bedürfnisse wie Hunger, Durst, Kleidung und Wohnung. Das ist vor allem in Ländern der Fall, die von Kriegen und Katastrophen betroffen sind – nach Erdbeben, nach Kriegen, wie das bei uns zum Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg war.
Damals gab es einen landesweiten Aufbruch, eine Frage nach Gott. Der Nationalsozialismus war verflogen wie ein Gespenst, und plötzlich war ein Vakuum da. Die Menschen hatten eine Ideologie gehabt, der sie mehr oder weniger gefolgt waren. Auf einmal war alles weg, geplatzt wie eine Seifenblase. In dieses Vakuum hinein konnte die Botschaft des Evangeliums, die Botschaft der Bibel, viele erreichen. Da war einfach ein Fragen bei vielen Menschen.
Nach dem Krieg waren die Kirchen voll, und die Schaufenster waren leer. Viele Leute sagten: „Wenn die Schaufenster wieder voll wären, dann wollten wir auch glauben.“ Heute sind die Schaufenster voller denn je, aber die Kirchen sind leer. Was für eine Tragik! Hier sehen wir, wie der Mensch offen werden kann und nach Antworten sucht, wenn unbefriedigte Bedürfnisse da sind: Hunger, Durst, keine Wohnung, keine Kleidung, Flüchtlinge unterwegs – alles im Fluss.
Das ist für das Evangelium oft eine bessere Zeit als Zeiten des Wohlstands und der Ersättigung. Wenn man alles hat, wird die Seele oft sehr träge und macht sich kaum auf, den lebendigen Gott zu suchen. Wir sehen das heute im ehemaligen Jugoslawien, wo wieder ein Hunger da ist. Jahrzehntelang war Jugoslawien völlig verschlossen für das Evangelium.
Silvia und ich haben das fast am eigenen Leib erlebt, als man uns Steine nachgeworfen hat, weil wir Traktate in Kroatien verteilt haben. Heute reißen viele Menschen dort die Schriften, die Bibeln, das Evangelium förmlich aus den Händen, wenn es hingebracht wird – oft gekoppelt mit Nahrung, Kleidung, Medikamenten und anderen Dingen.
Die Heilsarmee hat Recht: Einem hungrigen Magen kann man sehr schlecht predigen. Das geht nicht. Auch unser Herr Jesus hat sich der äußeren Nöte der Menschen angenommen. Er hat Hungrige gespeist und Kranke geheilt, aber er hat es nicht dabei belassen. Er kümmerte sich nicht nur um den äußeren Menschen, um den Körper, sondern predigte die Liebe Gottes, lebte sie vor und rief die Menschen zur Umkehr.
Hilfe ohne Evangelium wäre blanke Sozialarbeit, die zwar ihren Sinn hat. Aber Christen sollten Hilfe und Evangelium miteinander verbinden. Wenn das Hand in Hand geht, erreicht das viele Herzen in Gebieten der Not.
Psychische und seelische Bedürfnisse als Beweggründe
Ich komme zu einem zweiten Bereich unbefriedigter Bedürfnisse auf psychisch-seelischem Gebiet. Viele Menschen haben das Bedürfnis nach Stillung, nach Heilung ihrer Angst und Depression. Wir leben in einer Welt der Angst. Erst vor einem Monat haben wir uns intensiv damit beschäftigt. Jemand hat einmal gesagt: Die Geschichte eines Menschen ist die Geschichte seiner Ängste.
Ich möchte heute Morgen nicht wieder alle Ängste aufzählen, die es unter den Menschen gibt. Das wissen wir, denke ich, auch so. Manchmal kommen tatsächlich Menschen zu Jesus, weil sie erkennen, dass er ihre Ängste stillen kann. Wie damals bei den Jüngern im Sturm auf dem tobenden See, als er in ihre Ängste hinein sagte: „Schweig und verstumme!“ – und es wurde ruhig.
Es ist legitim, wenn Menschen mit ihren Ängsten zu Jesus kommen. Man darf mit Lebensangst, mit Zukunftsangst zu ihm kommen. Wir dürfen mit unseren Ängsten und Depressionen zu ihm kommen, zu dem Einzigen, der die Angst an der Wurzel packen kann. Und die Wurzel aller Ängste, das haben wir damals miteinander besprochen, ist immer die Ungeborgenheit. Das ist mein nächstes Stichwort.
Seelische Bedürfnisse können sich auch darin äußern, dass man das Bedürfnis nach Gemeinschaft, nach Zugehörigkeit, nach Geborgenheit und Liebe hat. Schaut, wir wollen von Natur aus keine Außenseiter sein. Niemand ist gerne Außenseiter. Wir möchten gerne von anderen Menschen angenommen werden. Wir möchten dazugehören und richtig dabei sein können.
Das ist das Geheimnis. Das ist der Grund, warum es in unserem Land so viele Vereine gibt. Ich glaube, es gibt nirgendwo auf der Welt so viele Vereine wie in Baden-Württemberg. Ich kenne das gar nicht aus meiner Heimat Baden-Württemberg. Wenn man die Telefonbücher aufschlägt unter Vereinen, staune ich jedes Mal. Das ist das Bedürfnis des Menschen, dazuzugehören und ganz anerkannt integriert zu sein.
Wenn Menschen das in weltlichen Vereinen und Gruppen nicht gefunden haben – dieses wirklich brutto angenommensein und geliebt werden – dann klopfen sie eines Tages an unsere Tür. Und dann hoffentlich finden sie es bei uns. Hoffentlich finden sie diese herzliche Liebe und dieses Angenommensein, dieses Nicht-auf-Äußeres-Schauen, sondern den Menschen zu sehen, der mit seiner Not kommt.
Die erste Gemeinde, die es hier auf dieser Erde gab, die erste neutestamentliche Gemeinde in Jerusalem, hatte eine ganz faszinierende Anziehungskraft. Ich glaube unter anderem auch deswegen, weil sie das Bedürfnis der Menschen auf diesem Gebiet gestillt hat. Wenn wir Apostelgeschichte 2,44 lesen, sehen wir, wie genau das dort beschrieben wird – wie Gott auch in der Gemeinde diese natürlichen Bedürfnisse des Menschen auf seelischem Gebiet stillen will und kann.
Apostelgeschichte 2,44: „Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Auch verkauften sie Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem einer in Not war. Sie waren täglich und stets beieinander, einmütig im Tempel, und brachen das Brot hin und her in den Häusern und nahmen die Speise mit Freuden und lauterem Herzen. Lobten Gott und hatten Gnade bei dem ganzen Volk.“
Und dann sehen wir das Ergebnis: „Der Herr aber tat hinzu täglich die, die gerettet wurden, zu der Gemeinde.“ Natürlich ist das Gottes souveränes Wirken gewesen. Aber es hängt auch damit zusammen, dass die Gemeinde in der Gestalt da war, dass sie auch die Bedürfnisse der Menschen auf diesem seelischen Gebiet füllen konnte.
Geistliche Bedürfnisse: Sinn und Vergebung
Ich möchte nun zu einem dritten Punkt kommen und geistliche Bedürfnisse ansprechen. Wir Menschen haben ein tiefes Bedürfnis nach Sinnerfüllung. Es gibt einen Wiener Psychologen namens Viktor Frankl, der im hohen Alter lebt. Ich kann nicht alles von dem, was er gesagt, gelehrt und geschrieben hat, annehmen. Aber eines hat er ganz neu entdeckt: Menschen können Depressionen bekommen, weil sie die Sinnfrage nicht geklärt haben. Er nennt das „noogene Depression“.
Man muss sich diesen Fachbegriff nicht unbedingt merken, aber er hängt mit dem griechischen Wort „nous“ zusammen, das für „Denken“, „Verstand“ und „Sinn“ steht. Menschen, die keinen Sinn in ihrem Leben gefunden haben, erleben oft eine Sinnkrise. Ihr Alltag besteht aus Aufstehen, Arbeiten, Essen, ein bisschen Vergnügen, Schlafen und wieder von vorne. Sie finden keinen Sinn darin und geraten in Sinnkrisen, die zu Depressionen führen können. Dabei lässt sich bei ihnen keine körperliche Ursache finden. Der Grund liegt viel tiefer: Es fehlt die letzte Sinnerfüllung.
Wir Menschen gleichen oft einer Glühbirne. Ich möchte das kurz demonstrieren: Diese Birne hier wurde irgendwann von einer Firma gebaut und liegt jetzt schon lange in unserer Schublade. Sie hat ihren eigentlichen Sinn bisher noch nicht erfüllt. Sie ist nicht dafür gemacht, in der Schublade zu liegen. Sie wird ihren Sinn erst erfüllen, wenn sie in eine Fassung eingeschraubt wird und der Schalter betätigt wird, sodass Strom fließt und sie leuchtet. Dafür ist sie gebaut.
Genauso hat Gott uns nicht dafür gemacht, dass wir wie abgeschnittene Blumen in einer Vase stehen und kein Leben haben oder wie eine Birne in der Schublade liegen und nicht leuchten. Die Bibel sagt uns, dass wir Menschen von Gott und für Gott geschaffen sind. Wir erfüllen unsere Sinnbestimmung erst dann wirklich, wenn der Geist Gottes in uns wohnt. Wenn wir Christen geworden sind und mit und für Gott leben, dann leben wir unsere Bestimmung. Es geht nicht darum, hier ein möglichst angenehmes Leben für ein paar Jahre zu führen oder dass unser Name auf einem großen Grabstein steht. Das ist nicht der Sinn des Lebens. Wir sollen für den Herrn in dieser Welt leuchten.
So finden wir Lebens- und Sinnerfüllung erst in der Gemeinschaft, in der Lebensgemeinschaft mit unserem Gott. Wenn wir zudem verstanden haben, dass die menschliche, rein innerweltliche Sinngebung immer an der Schallmauer des Todes zerbricht, dann öffnet sich ein weiterer Horizont. Menschen, die nur einen innerweltlichen Sinn suchen, verlieren beim Tod alles. Nur das Evangelium trägt die Botschaft von Auferstehung, ewigem Leben und Transzendenz – dass es weitergeht. Wenn Menschen das verstehen, öffnen sie sich für das Evangelium und kehren zu ihrem Schöpfer und Gott zurück.
Wir haben also ein geistliches Bedürfnis nach Sinnerfüllung. Darüber hinaus haben wir auch ein Bedürfnis nach Vergebung der Schuld. Viele Menschen verdrängen ihre Schuld. Ich selbst habe das jahrelang getan. Die moderne Psychologie unterstützt das oft, indem sie es leicht macht, Schuld zu verdrängen. Es heißt dann: Alle sind schuld – die Erziehung, vor allem die Eltern, die bösen Eltern, die angeblich hauptverantwortlich sind für die Probleme im Leben. Auch die Religion, die Schulen, die Politiker und andere werden verantwortlich gemacht – nur ich nicht. So klingt der Tenor der modernen Psychologie. Ich habe das vereinfacht dargestellt, aber die Richtung stimmt.
Es gibt jedoch auch Menschen mit einem funktionierenden Gewissen. Menschen, die ehrlich sind und sich selbst nichts vormachen. Die es aushalten, wirklich ehrlich vor sich selbst zu sein – ohne zu beschönigen, zu beschwichtigen oder zu verniedlichen. Sie können klar und ungeschminkt sagen: So steht es um mich und mein Leben.
Manchmal kommt ein Mensch zu der Bibel und sieht, dass sie den Menschen genauso ehrlich darstellt – ungeschminkt und offen vor Gott. Wenn diese Menschen dann der Bibel glauben, besonders zwei Dinge, geschieht etwas Entscheidendes: Erstens, sie erkennen, dass sie vor diesem heiligen Gott, der keine Sünde dulden kann, verloren sind mit ihrem bisherigen Leben. Sie können nicht vor ihm bestehen. Wenn sie vor Gott in der Ewigkeit stehen, wird er sie richten und wegen ihrer Sünden verurteilen müssen.
Es braucht viel, bis ein Mensch das bejahen kann. Dafür muss die größte Kraft des Universums tätig werden – der Heilige Geist. Er führt den Menschen dahin, dass er sagen kann: So schlimm steht es um mich. Ich bin vollkommen verloren vor einem heiligen Gott.
Zweitens muss dieser Mensch annehmen, dass er sich in dieser ausweglosen Lage nicht selbst helfen kann. Er kann sich nicht anstrengen oder sich wie Münchhausen aus dem eigenen Sumpf ziehen. Das geht nicht. Wenn er das erkennt, ist er schon halb gerettet. Dann fällt es ihm nicht mehr schwer, zum Glauben an Jesus zu kommen.
Diese beiden Bedingungen sind unabdingbar: Ich muss vor einem heiligen Gott an den Punkt gekommen sein, an dem ich mit mir selbst bankrott bin, keine Kraft mehr zum Guten in mir finde. Der Heilige Geist verbindet sich nur mit Bankrotteuren. Außerdem muss ich erkennen, dass ich mir selbst nicht helfen kann.
Neulich las ich einen erschütternden Bericht über eine Gerichtsverhandlung in Hamburg. Ein Schiff war gesunken, zwanzig Menschen starben. Der Kapitän stand vor Gericht. Der Richter fragte ihn: „Warum haben Sie nicht SOS gefunkt?“ Es herrschte atemlose Stille im Saal. Dann antwortete der Kapitän: „Wir dachten, wir könnten uns selbst helfen.“ Genau das ist das Problem: Wir dachten, wir könnten uns selbst helfen – zwanzig Tote.
So leben wir Menschen von Natur aus. Wir glauben, wir könnten uns selbst helfen. Bis wir an den Punkt kommen, an dem wir wirklich begreifen: Nein, wir können uns nicht selbst helfen. Nur einer kann wirklich helfen.
Es gibt ein Buch mit dem Titel „Nur einer kann helfen“. Vielleicht spüren einige heute Morgen, dass es vor Gott nicht reicht, so wie sie bisher gelebt haben. Sie wollten sich selbst helfen, mehr beten, mehr Bibel lesen, öfter den Gottesdienst besuchen, mehr opfern, mehr anderen Menschen helfen. Aber hör auf damit! Das bringt dich nicht weiter und führt nicht zum Frieden mit deinem Gott.
In unserem Text, den wir gelesen haben, sagt der Prophet Hesekiel schon vor langer Zeit: „So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr, ich habe keinen Gefallen am Tod des Gottlosen, sondern dass der Gottlose umkehre, sich bekehre von seinem Wege und lebe.“ Der Weg ist Umkehr – um hundertachtzig Grad – und das ganze Vertrauen auf Jesus setzen.
Selbstbezogene Motive und die Gefahr des Stillstands
Schaut, wir sprechen über die Beweggründe, die uns dazu bringen, zu Gott aufzubrechen. Meistens sind es unbefriedigte Bedürfnisse: körperliche, seelische und geistliche. All das ist berechtigt.
Ist euch aufgefallen, dass all diese Motive selbst- oder gruppenbezogen sind? Sie sind also selbstbezogen. Der Mensch mit seinen Bedürfnissen steht im Mittelpunkt – anthropozentrisch. „Ich will“, „ich brauche“, „ich muss haben“ – der Mensch steht mit diesen Bedürfnissen im Vordergrund.
Ich sage noch einmal: So darf es beginnen. Ein Mensch hat Hunger und erkennt, dass der Herr ihm helfen kann. Ein Mensch hat Angst, und Jesus kann helfen. Ein Mensch steckt in einer Sinnkrise – bei dem Herrn ist die Hilfe. Ein Mensch ist in einer Schuldkrise, und nur er kann vergeben. Das Bedürfnis nach Gemeinschaft, nach Geborgenheit, nach Sinnerfüllung und Vergebung kann bei Gott gestillt werden.
Es ist berechtigt, dass wir so zu Gott kommen. Aber jetzt möchte ich etwas sehr Wichtiges sagen: Wenn ich nur aus selbstbezogenen Motiven zu Gott komme, dann reicht das nicht aus. Das ist zu wenig.
Dabei sollte es nicht bleiben. Man merkt einem Menschen noch Jahre oder Jahrzehnte später an, wenn er nur aus selbstbezogenen Motiven zu Gott gekommen ist und dabei stehen geblieben ist. Dann wird auch später die Nachfolge, das Christenleben, sehr stark selbstbezogen sein.
Man will Gott als den großen Problemlöser haben, der immer segnet, tröstet, hilft und aufrichtet. Ihr versteht, das will Gott. Aber wenn ich Gott nur haben will, damit er alle meine Probleme löst und immer alle Dinge für mich regelt, dann ist das nicht das richtige biblische Verhältnis zu Gott.
Dabei sollte es nicht bleiben.
Vom selbstbezogenen zum gottbezogenen Motiv
Und darum möchte ich mich jetzt ganz gezielt an diejenigen unter uns wenden, die zu Gott bekehrt sind, die umgekehrt sind, die diese Erfahrung gemacht haben. Danke deinem Gott, wenn er deine unbefriedigten Bedürfnisse gebraucht hat, um dich zu ihm zu ziehen.
Mein Bekehrungsmotiv war auch nicht edler. Ich glaube nicht, dass sich ein Mensch aus edlen Motiven zu Gott bekehrt, weil er will, dass Gott die Ehre bekommt. Wer bekehrt sich aus solchen edlen Motiven? Wir alle kehren uns aus rein menschlichen, unbefriedigten Bedürfnissen heraus zu Gott. Und wir dürfen so zu ihm kommen, sonst würde gar keiner zu ihm kommen. Aber es sollte nicht dabei stehenbleiben.
Prüfe dich doch einmal: Bist du da stehengeblieben? Ich will dir deine Errettung nicht absprechen, aber es wäre doch zu mager und zu armselig, wenn sich immer alles nur um mich dreht – auch in meinem Glaubensleben. Ich möchte einfach zeugnishaft sagen: Es gibt ein gottbezogenes Motiv.
Der Herr kann uns immer mehr zeigen, dass sein Wort die Wahrheit ist, dass ich ihm Recht geben muss in seinem Wort und dass ich ihm die Ehre geben darf. Ihm, ihm geht es doch um ihn. Vielleicht kann Susanne gerade die Folie zeigen: Es geht um ihn.
Dort sehen wir bei all den Bedürfnissen, die wir durchgesprochen haben – körperliche, seelische oder auch geistliche Bedürfnisse –, bis hin zu selbst- und gruppenbezogenen Motiven, die anthropozentrisch sind. Aber ganz unten haben wir das gottbezogene Motiv: weil Gottes Wort Wahrheit ist, weil ich ihm Recht gebe und weil ich ihm die Ehre geben will.
Wenn mich heute ein Mensch fragt, warum ich mich zu Gott gewendet habe, dann sage ich: Es waren rein menschliche Bedürfnisse zunächst. Ich wollte Vergebung, ich wollte Sinnerfüllung. Ich habe all das gesucht – Angenommensein, Geborgenheit und Liebe. All das hat bei meiner Hinwendung zu Gott mitgespielt, und all das war gut und berechtigt.
Aber ich darf heute sagen: Es ist nicht dabei stehengeblieben. Wenn mich heute ein Mensch fragt, warum ich glaube, dann sage ich: Weil Gottes Wort Wahrheit ist, weil ich es erkennen durfte; es ist die Wahrheit. Und er ist die einzige Wirklichkeit in dieser Welt, mit der es sich lohnt zu leben.
Ich wollte ihm Recht geben in seinem Wort, und ich möchte ihm die Ehre geben. Die Sinnerfüllung meines Lebens ist, dass ich nur in der Lebensgemeinschaft mit ihm leuchten kann und wirklich meine Bestimmung erfüllen kann. Das habe ich verstanden. So wollte ich ihm Recht geben.
In Lukas 7,29 steht: „Und das ganze Volk, das zuhörte, und die Zöllner gaben Gott Recht.“ Das habe ich mir dick unterstrichen: Sie gaben Gott Recht und sagten: „Ja, Gott, du bist der Schöpfer der ganzen Welt, und du hast auch unser Leben geschaffen. Ich will dir Recht geben, dein Recht geben. Du hast ein Anrecht auf mich, du hast mich geschaffen, und du hast mich erlöst – ein doppeltes Recht auf mich.“
Sie gaben Gott Recht. Darum geht es: dass ich mich gegen mich selbst auf seine Seite stelle und mich unter sein Urteil beuge. Ich bin verloren, aber ich glaube seinem Evangelium. Ganz aus Gnaden bin ich errettet, weil Jesus alles für mich getan hat.
Aufruf zur Entscheidung und Gebet
Ihr lieben Brüder und Schwestern, wir haben uns alle aus selbstsüchtigen Motiven heraus Gott zugewandt, und es war gut so. Wir, die wir das erlebt haben, wissen, dass es gut war. Aber Gott hat gnädig darüber hinweggesehen. Nur sollten wir nicht bei diesem Punkt stehen bleiben, sonst behält Eugen Drewermann Recht. Das wäre jämmerlich, wenn er Recht behalten würde, dass man sich nur aus Angst und nur damit es einem besser geht, zu Gott bekehrt. Dann behält er Recht, und er soll nicht Recht behalten.
Wir wollen dahin wachsen, dass wir aus Überzeugung sagen können: Ich glaube, weil Gottes Wort Wahrheit ist. Ich glaube um Gottes Willen, theozentrisch auf ihn gerichtet. Ich glaube nicht nur, weil ich meine Bedürfnisse gestillt und meine Probleme gelöst haben wollte. Das wäre zu wenig.
Lasst mich zum Schluss kommen und noch einmal die unter uns ansprechen. Vielleicht den einen, die eine, die heute noch nicht sagen kann, dass sie wirklich zu Gott hin bekehrt ist. Vielleicht auch die Jüngeren unter uns, vielleicht die Älteren unter uns, vielleicht die Gäste unter uns, vielleicht die, die schon lange hier sitzen – ich weiß es nicht, Gott weiß es. Ich möchte einfach mal fragen: Warst du eigentlich in deinem Leben schon einmal hundertprozentig verloren? Warst du wirklich schon einmal verloren in deinem Leben?
Wenn du sagst, ich war noch nie verloren, das kenne ich gar nicht, das Bewusstsein verloren zu sein, dann kann ich dir schriftlich geben, mit Brief und Siegel, dass du auch noch nicht errettet bist. Errettet kann nur der sein, der schon einmal verloren war, der wirklich Gottes Zorn und Gericht über sich gefühlt, gespürt und gewusst hat: Ich kann nicht bestehen vor diesem Gott. Aber ich darf so, wie ich bin, kommen und seine Gnade und seine Vergebung in Jesus Christus annehmen.
Das ist meine zweite Frage: Hast du dein Leben schon einmal hundertprozentig an Jesus abgegeben? Hundertprozentig! Wenn du jetzt sagst, fünfundneunzigprozentig, dann sage ich dir: Mit fünfundneunzig Prozent gehst du in die Hölle. Fünfundneunzig Prozent genügt nicht. Hast du dein Leben hundertprozentig Jesus gegeben – mit Vergangenheit, mit Gegenwart und mit Zukunft –, dann bist du errettet, dann gehörst du wirklich ihm.
Er hat sich nicht nur 95 Prozent für uns gegeben. Was meinst du, wenn er am Karfreitag um halb drei Uhr nachmittags vom Kreuz gestiegen wäre und gesagt hätte: Das reicht, ich habe genug gelitten? Er ist hängen geblieben am Kreuz bis um drei Uhr, bis um fünfzehn Uhr. Dann hat er gerufen: Es ist vollbracht.
Er hat uns hundertprozentig erlöst und hundertprozentig bezahlt mit seinem teuren Blut. Darum möchte er auch eine hundertprozentige Umkehr zu ihm und ein hundertprozentiges Vertrauen allein auf ihn und auf sein Erlösungswerk. Alles andere zählt nicht.
Er ist auferstanden, er lebt. Einem Lebendigen kann man begegnen, und das merkt man einem Menschen an, ob er dem lebendigen Christus begegnet ist oder nur einem frommen Menschen, nur einer frommen Gruppe. Ob er nur christlich erzogen wurde, ob alles aufgeklebt ist wie ein Etikett auf die Flasche – das merkt man sehr wohl einem Menschen an.
Bist du Christus begegnet, ihm, dem Lebendigen, und hat er dich zu sich gezogen? Oder musst du sagen, ich bin mit einem Bein im Reich Gottes, mit einem Bein noch draußen? Dann sage ich dir: Zieh doch das andere Bein nach und mach eine ganze Sache. Geh mit zwei Beinen den Weg der Nachfolge.
Ich kann heute Morgen niemandem versprechen, dass er seinen Rheuma oder seine Gallensteine verliert, das kann ich nicht versprechen. Aber ich kann jedem versprechen, dass er seine Schuld verlieren kann, abgeben kann – heute Morgen hier in diesem Raum – an Jesus, an den Gekreuzigten und Auferstandenen.
Du kannst das auch heute Nachmittag tun, heute Abend. Dir eine stille Ecke suchen und ganz allein mit deinem Gott über dein Leben sprechen. Komm mit deinem gelebten Leben zu dem Gekreuzigten und Auferstandenen, bekenne ihm deine Schuld und dann gib Christus die Herrschaft über dein Leben. Vertraue dich ihm hundertprozentig an, dann wirst du hundertprozentig errettet sein.
Abschluss mit Gebet und Segensbitte
Zum Schluss noch einmal die Worte aus dem Propheten Ezechiel: Wie können wir denn leben? Wie können wir mit unserem Leben zurechtkommen?
So wahr ich lebe, spricht Gott, so lautet die göttliche Antwort: Ich habe keinen Gefallen am Tod des Gottlosen, sondern dass der Gottlose umkehre von seinem Wege und lebe.
Wir wollen aufstehen und zusammen beten: Herr, unser Gott und Vater, du heiliger Gott, wir treten vor dich, vor dein Angesicht, vor deinen Thron. Durch Jesus Christus kommen wir zu dir.
Wir danken dir, dass du solch ein Gott bist, der die Menschen nicht in die Irre laufen lassen will. Du hast keine Freude daran, wenn wir durch unser selbstgelebtes Leben zugrunde gehen. Unter unserer eigenen Regie leidest du, wenn wir ohne dich in unser Unglück laufen. Du leidest und hast alles getan, damit wir umkehren können. Du hast alles für alle getan. Das Kreuz ist der Wendepunkt für alle.
Ich möchte dir danken für jeden von uns, der eine biblische Umkehr erlebt hat. Welche Motive uns auch immer dahin gebracht haben, es waren sicher menschliche, oft selbstsüchtige Motive.
Wir wollen nun beten, dass es nicht dabei bleibt, sondern dass wir immer tiefer erkennen, dass wir glauben dürfen, weil du die Wahrheit bist, weil dein Wort die Wahrheit ist und weil es die einzige Möglichkeit ist, wirklich sinnvoll zu leben.
Herr, wir wollen dich bitten: Wenn ein einziger unter uns ist, der das noch nicht erlebt hat, dass er Christus begegnet, dem lebendigen Christus, unserem Herrn Jesus, der ein Menschenleben so reich machen kann, dann schenke ihm diese Begegnung. Danke, Herr, dass du diese Begegnung durch dein lebendiges Wort schenkst.
Wir bitten dich, dass dein Wort so mit uns gehen darf in unser weiteres Leben hinein. Amen.
