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Der Sieg am Kreuz

01.04.1988Lukas 23,46

Dankbarkeit in der Gegenwart Jesu Christi

Wir wollen heute in unserem Gottesdienst unserem Herrn Jesus für seine große Liebe danken. Wenn wir uns hier versammeln – und ich freue mich, dass Sie an unserem Gottesdienst teilnehmen – grüßen wir auch diejenigen, die über die Kassetten in der Ferne mit uns verbunden sind. Dies tun wir in der Gegenwart Jesu Christi.

Wir sind alle sündige Menschen und mangeln am Ruhm, den wir bei Gott haben sollen. Dennoch werden wir ohne Verdienst gerecht durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Das ist der Grund unserer Dankbarkeit und unserer Freude heute.

Wir wollen jetzt miteinander das Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ singen, Nummer 63. Wir singen die Verse 1, dann 3, 4 und 6.

Anschließend wollen wir beten:

Herr Jesus Christus, du Lamm Gottes, das du die Sünde der Welt trägst: Du willst heute nicht unser Mitleid, du willst nicht unsere Tränen über dich und deinen Leidensweg. Du hast dich vielmehr um uns gesorgt – um unsere Gottverlassenheit, um unsere Sünde, die uns vom Vater im Himmel trennt.

Darum bitten wir dich, Herr, dass wir heute auch ganz neu erkennen, wie verloren wir ohne dich sind. Selbst in dem besten Leben, selbst mit allen Errungenschaften können wir uns nicht aus dem Tod lösen – ohne dich.

Ach Herr, gib uns diesen klaren Blick, damit wir uns heute trennen von dem Leben, das nicht taugt. Lass uns heraustreten aus all dem, was vor dir nicht recht ist, und ein Leben in deinem Licht beginnen.

Wir wollen dir danken, dass heute Gnadenzeit ist, in der du deine Gnade allen zuteilwerden lässt. Wir dürfen die Fülle empfangen, die wir brauchen.

Heute Morgen wollen wir auch bei dir niederlegen, was uns bedrückt, belastet und beschwert. So vieles, wo wir gegen dich gesündigt haben, wo wir Unrecht getan haben. Herr, vergib uns um deines Kreuzestodes willen. Dein Blut kann uns ganz rein machen.

Darüber sei dir Dank. Jetzt wollen wir dir in der Stille all das bringen, was uns beschwert.

Wir beten in der Stille.

Wir danken dir, dass ganz frei ist, wen du befreist. Amen!

Die Weissagung vom Leiden des Messias

Wir lesen die Weissagung über den Kreuzesweg Jesu in Jesaja 53. Wer glaubt dem, was uns verkündigt wurde? Und wem ist der Arm des Herrn offenbart?

Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und keine Hoheit. Wir sahen ihn, doch da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte.

Er war der allerverachtetste und unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. So sehr war er verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg. Darum haben wir ihn für nichts geachtet.

Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.

Aber er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe lag auf ihm, damit wir Frieden hätten. Durch seine Wunden sind wir geheilt.

Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen eigenen Weg. Doch der Herr warf unser aller Sünde auf ihn.

Als er gemartert wurde, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.

Er wurde aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen?

Denn er wurde aus dem Land der Lebendigen weggerissen, weil er für die Missetat meines Volkes geplagt war. Man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern.

Als er gestorben war, hatte er niemandem Unrecht getan, und kein Betrug war in seinem Munde. So wollte ihn der Herr zerschlagen mit Krankheit.

Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und lange leben. Das Vorhaben des Herrn wird durch seine Hand gelingen.

Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und in Fülle leben. Durch seine Erkenntnis wird er mein Knecht sein, der Gerechte, der vielen Gerechtigkeit schafft, denn er trägt ihre Sünden.

Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben, und er soll die Starken zum Raub haben. Dafür, dass er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist.

Er hat die Sünde der Vielen getragen und für die Übeltäter gebeten.

Das Bekenntnis zum Gekreuzigten

Wir wollen jetzt noch einmal das Passionslied aus unseren Tagen singen. Es steht im Roten Liedheft unter Nummer 29. Es ist das Lied von Fritz von Bodelschwing mit dem Titel „Nun gehören unsere Herzen ganz dem Mann von Golgatha“.

Viele von Ihnen kennen dieses Lied, das wir seit vielen Jahren immer bei den großen Hofhackerkonferenzen singen. Es verbindet uns dort als ein Bekenntnis in unsere Zeit hinein. Wir wollen dem Gekreuzigten gehören, und das ist unser Siegeszeichen.

In dieser Passionswoche haben wir vom Palmsonntag an über die Worte Jesu am Kreuz nachgedacht. Dabei ist uns aufgefallen, wie Jesus nicht einfach still das Geschehen an sich vorüberziehen lässt. Vielmehr handelt Jesus und macht gerade durch sein Wort deutlich, was sein Sterben bedeutet.

Heute haben wir das letzte dieser Worte betrachtet, und zwar Lukas 23, Vers 46:
„Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände. Und als er das gesagt hatte, verschied er.“

Herr, deute uns dein Wort! Amen!

Das Leiden in der heutigen Welt und die Bedeutung des Kreuzes

Leiden ist immer unerträglich schwer. Am liebsten würde ich Ihnen jetzt von dem Leiden in unseren Tagen erzählen. Oft sitze ich an Krankenbetten, und dabei fühle ich mich so hilflos, denn ich kann nichts tun. Was soll man auch sagen? Welchen Trost kann man einem Menschen zusprechen – sei es bei einer furchtbar bösartigen Krankheit oder bei einer scheinbar endlos langen Krankenzeit?

Ein Siegtum ist es, wenn man dieses Leiden schon im Leben der Kinder sieht. Jedes einzelne Leiden ist so schwer, dass man es im Grunde überhaupt nicht erträgt.

Wenn wir heute über das Leiden Jesu nachdenken, mag uns besonders bedrücken, dass es nicht durch eine unabwendbare Krankheit verursacht wurde. Bei Krankheiten müssen oft die ganzen Fähigkeiten der Menschen versagen, weil wir kein Heilmittel haben und keine Kunst kennen, um dagegen anzukämpfen. Aber das war keine Krankheit; das Leiden Jesu wurde von Menschen gezielt und bewusst verursacht.

Jetzt tritt noch dieses unendliche Leiden in den Blick, das Menschen anderen zufügen. Manchmal scheint es so, als benutze der Mensch seine ganze Intelligenz nur dazu, anderen Böses zu tun. Vielleicht ist der ganze Fortschritt der Technik und der Wissenschaften zuerst dazu angewandt worden, Waffen gegen den anderen zu schmieden.

So ist der Mensch: Er ist dauernd gegen den anderen eingestellt – Leiden. Ich verstehe, dass viele an diesem Karfreitag sagen: Wir müssen jetzt von diesem Unsinn des Leidens in der Welt sprechen, von einer kranken Welt, in der einer dem anderen Leid zufügt und so viel sinnloses Leiden geschieht.

Wenn wir das hier tun würden, hätten wir den Karfreitag auf den Kopf gestellt. Dann hätten wir den Karfreitag verfälscht. Wir würden ein ganz schlimmes Betrugsmanöver durchführen, denn das, was hier vom Leiden Jesu steht, ist nicht bedrückend, sondern voller Trost. Es ist ermutigend, es gibt uns Hoffnung und Zuversicht.

Jetzt müssen Sie aufpassen, dass Sie nicht vor dem Leiden Jesu stehen und nur sagen: „Das bedrückt mich.“ Sie müssen im Glauben durchschauen und sagen: „Ich verstehe erst, was mir das bedeutet. Das ist für mich eine Hilfe, das ist mein Trost.“

Trost im Kreuz und die Kraft des Glaubens

Vergessen Sie nicht ein treues Gemeindeglied aus unserer Gemeinde, das vor Jahren heimgegangen ist und eine schwere Leidenszeit durchmachte. Diese Frau hat den Wunsch geäußert, dass eine liebe Verstorbene einen Kruzifix bekommen möge. Sie möchte diesen im Sterbezimmer aufstellen, um stets den Blick darauf zu richten.

Nun wissen Sie, dass wir in unserem Christenleben nicht großen Wert auf Symbole legen. Zuerst habe ich überlegt, wo ich einen Kruzifix herbekommen könnte. Dann fand ich in der Sakristei, im Schrank, eines. Dieses habe ich in das Krankenzimmer gestellt.

Plötzlich konnte ich miterleben, wie eine Frau in ihren letzten Tagen, trotz großer Schwachheit, zum Kreuz aufblickte. Durch seine Wunden sind wir geheilt. Das wollte ich heute auch für Sie erreichen: Dass Sie sagen, jedes Wort des Leidensweges Jesu ist Trost, Erquickung und Freude für Sie. Es ficht Sie nicht an, es ist kein Elend für Sie und drückt Sie nicht nieder.

Unsere jungen Leute haben in ihren Religionsbüchern, die ihnen offiziell in der Schule gegeben werden, ein modernes Glaubensbekenntnis gedruckt. In diesem modernen Glaubensbekenntnis steht, und die meisten von Ihnen kennen es auch auswendig, dass Jesus gescheitert sei. Dann wäre unsere Karfreitagsfeier tatsächlich schlimm.

Weiter heißt es dort, Jesus sei an der Veränderung der Zustände dieser Welt zugrunde gegangen. Dass das modern klingt, will ich nicht bezweifeln. Trotzdem ist es die Sprache des Unglaubens, die sich nicht im Geringsten mit der Bibel deckt.

Wo hat Jesus denn überhaupt die Veränderung der Zustände dieser Welt gewollt? Welche Zustände? Wollte er das Steuerrecht reformieren? Das wäre wichtig gewesen, denn die Steuern erdrückten damals viele Menschen. Wollte er die politische Kultur erneuern, die damals auch ganz mies war? Wollte er das menschliche Zusammenleben oder die Eheberatung verbessern? Was wollte er denn?

Wissen Sie, was er wollte? Er wollte den Menschen den Zugang zum ewigen Gott eröffnen. Das war Jesu Ziel. Und das wissen Sie: Niemand ist der Mittler zwischen Gott und den Menschen außer ihm allein. Es gibt keinen anderen Weg zu Gott als allein durch Jesus.

Wenn Jesus am Kreuz starb, dann starb er nicht, weil er die Veränderung der Umstände dieser Welt wollte. Kein Zweifel, das ist gut und wichtig. Es gibt viele wichtige Aufgaben in dieser Welt, aber Jesus hat sich einer noch wichtigeren Aufgabe gestellt: Menschen Erlösung zu schaffen und die Todesfrage für uns zu lösen.

Das vergessen moderne Menschen heute so gerne: Die Todesfrage ist die aktuellste Not, die wir haben. Dann sagen wir aber, viel wichtiger sei doch, wie die Steuerreform ausgehe oder wie es mit der Gesundheit weitergehe. Ob Larven im Fisch sind oder nicht – es gibt so viele aktuelle Probleme, die uns beschäftigen. Darf ich die Wurst essen oder nicht? Nein, nein, Jesus hat sich um ganz andere Fragen gekümmert.

Von dem, was Jesus bringt und tut, fällt auch Licht auf unsere Fragen. Aber die brennendste Frage bleibt für Sie alle: Wo werden Sie einmal Ihre Ewigkeit verbringen? Die Zeit ist gar nicht so fern, in der das die einzige und bedrängendste Frage Ihres Lebens sein wird.

Wer kann Sie aus dem Tod retten? Darum ist Jesus gekommen: um Erlösung zu schaffen. Ach, legen Sie doch diese dummen modernen Bekenntnisse heute beiseite. Hören Sie nicht darauf, wenn Sie solche Worte in unseren Tagen wieder hören. Hören Sie auf das Wort Gottes in der Bibel, und dann werden Sie staunen, was uns Jesus dort sagt.

Die Vaterliebe Gottes im Leiden Jesu

Wir wollen auf sein Wort hören, wie Jesus sterbend am Kreuz betet: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“

Da sind wir also umgeben von der Vatergüte Gottes, sodass einer sagen kann: Ich verstehe das nicht, aber für mich ist es ganz klar. Wenn wir heute solch ein Wort predigen, müssen Sie im Grunde mit dem Kopf schütteln und fragen: Wie kann Jesus so etwas sagen? Das ist unerhört! Der Glaube ist für unser Denken unfassbar, ja sogar widersinnig. Wie kann Jesus behaupten, dass wir von der Vatergüte Gottes umgeben sind?

Wir kommen schnell dazu zu sagen: „Aber lieber Gott, wir haben in unserem Leben so viel Böses zu tragen.“ Sie brauchen das Jesus gar nicht erzählen. Er steckt ja in diesem Augenblick, als er dies sagt, selbst mittendrin in den Schmerzen. Die Dornenkrone ist ihm in die Stirn gedrückt, aus seinen Händen und Wunden quillt das Blut, der Körper ist in Todesqualen. Wie kann man da von der Vatergüte Gottes sprechen?

Nicht erst wegen Stalingrad und nicht erst wegen Auschwitz, sondern wegen Golgatha ist das die große Frage: Darf man überhaupt noch von der Liebe Gottes sprechen? Wo ist denn der liebe Gott, wenn es so schreckliches Leiden gibt? Wenn Menschen durch diese ganze Not hindurchgehen – ersparen Sie mir jetzt, das im Einzelnen aufzuführen, was Menschen durchleiden. Manchmal macht es mich als Seelsorger schon fertig, wenn ich das mittragen muss.

Ich weiß es doch von Ihnen, was Sie alles an Schwerem durchleiden müssen, das gar nicht mehr getragen werden kann. Und dann spricht Jesus: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Auf einmal wird klar: Da ist doch der barmherzige, gnädige Gott in einer unheimlichen Welt da, auch wenn wir ihn nicht sehen. Das hat uns Jesus gesagt.

Ich muss es gar nicht sehen können. Meine Augen sehen das Gegenteil. Es kann sein, dass wir in unserer Welt noch so viel sehen, wo uns das Grausame entgegentritt. Das sagt uns Jesus. Sie müssen hinhören, was er sagt. Mein Glaube lebt von den Worten Jesu, nicht vom Sehen, nicht von der Erfahrung und nicht vom Gefühl, nicht von dem Eindruck, den ich habe, sondern mein Glaube lebt aus den Worten Jesu. Daran halte ich mich.

Was Jesus da spricht, sind ja Bibelworte. Das ist ein Zitat aus dem Psalm 31: „In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöst, du treuer Gott.“ Jesus konnte exzellent formulieren. Und wir haben im Neuen Testament festgehalten, dass, wenn Jesus sprach, die Leute vor Begeisterung weg waren. Er redete gewaltig und nicht wie die Schriftgelehrten, also wir Pfarrer und so. Jesus redete gewaltig. Oder ein anderes Mal sagten sie: So hat noch nie ein Mensch geredet.

Und doch ist es verwunderlich: In dieser letzten großen Not und Dunkelheit des Sterbens Jesu spricht Jesus keine eigenformulierten Worte, obwohl er über eine Redegabe verfügte wie keiner von uns. Er gebraucht Bibelworte. Warum gebraucht eigentlich sogar Jesus Bibelworte? Sie müssen wissen, dass in den Bibelworten Gottes Geist liegt.

Es ist heute wieder eine große Frage: Wo finde ich den Geist Gottes? Wo redet Gottes Geist? Durch sein Wort. Und darum hat Jesus mit Vorliebe in den dunkelsten Stunden seines Lebens Bibelworte benutzt, weil sie inspiriert sind, von Gottes Geist durchhaucht. Das heißt, inspiriert – da redet Gott und stärkt unseren Glauben.

Darum hat Jesus auch in all der Dunkelheit und Anfechtung, auch übrigens bei der Versuchung, gerne Bibelworte benutzt. Das sollen Sie genauso tun. Wir haben ja den Brauch, wenn wir Sterbende begleiten in ihrer letzten Stunde, dass wir dann dort am Sterbebett Bibelworte sagen. Lassen Sie nie Menschen allein ohne Gottesworte.

Sie brauchen nicht mehr Ihre eigenformulierten Worte sagen, sagen Sie Gottesworte! In diesen Gottesworten steckt so viel Kraft und Ermutigung. Die ganz einfachen Gottesworte, die Sie jetzt auswendig lernen müssen: „Und ob ich schon wanderte durchs Finstertal, fürchte ich kein Unglück, du bist bei mir.“ Und dann merken Sie, wie diese Gottesworte voll Kraft und Leben sind.

Nur an einer Stelle hat Jesus dieses Wort Davids aus dem Psalm 31 verändert. Er sagt nicht „du treuer Gott“, obwohl er das ja wirklich auch sagen will und ausdrücken will. Er sagt das noch viel wunderbarer: Er sagt „Vater“. Dass wir zum ewigen Gott Vater sagen dürfen, macht Jesus dort deutlich.

Und in dieser Dunkelheit, wo wir in unserem menschlichen Temperament gegen Gott die Faust ballen wollten und sagten: „Gott, warum lässt du das zu?“, da sagt Jesus: „Vater, ja Vater, ja von Herzensgrund, wohl an, ich will es tragen.“ Ganz geborgen ist Jesus im Vater.

Verstehen Sie, warum wir keine modernen Glaubensbekenntnisse brauchen? Wir halten uns an Bibelworte. Da tritt der Trost des Evangeliums uns vor Augen. Und wenn in Ihrem Leben alles zusammenbricht, wenn kein Mensch Sie mehr versteht und wenn Sie sagen: „Ich weiß gar nicht mehr, wie das weitergehen soll“, wenn Sie sich vor Schmerzen nicht mehr retten können, dann rufen Sie diese Gottesworte oder bitten Sie jemanden, der Ihnen laut sagt: „Ja, Vater, Vater!“

Das ist der Glaube, der durch alles hindurchdringt, was er sieht. Und jetzt verstehen Sie auch wieder durch Gefühle: Da ist mein Herz ganz ungestüm, da merke ich nichts vom Frieden Gottes, und doch darf ich im Glauben durchdringen.

Das Unausweichliche des Todes und das bewusste Sterben

Ich bin froh, dass in der Leidensgeschichte Jesu ganz deutlich wird, wie unheimlich der Tod ist. Er hat über uns Menschen sehr viel Gewalt, weil wir alle Menschen sind, die sich an diese sichtbare Welt geklammert haben. Es ist Folge unserer Gottesferne, unserer Sünde und all unserer Taten, dass wir uns nicht von dieser Welt lösen können. Wir hängen an den letzten Phasen des Lebens so lange noch daran und können uns nicht lösen, bis wir sagen: Ja, Vater, ich gebe mein Leben hin in den Rachen des Todes. Nein, ich lege mein Leben in deine Hände. Du bist da, du bist da.

Ich will nicht mehr diese weißen Wände im Krankenhauszimmer sehen und auch nicht an die medizinischen Instrumente denken, die mich umgeben, oder an das, was auf der Pflegestation ist, die lieben Menschen. „Ich will nur dich sehen, Vater!“ So hat Jesus die Welt verändert. Jetzt sind wir am Punkt: Er hat sie verändert – nicht indem er ein paar politische Ratschläge gegeben hat, welche Partei man wählen soll, welche Regierung man einsetzen oder absetzen soll. Jesus hat die Welt verändert, indem er uns den Blick gab, dass die Güte des Vaters uns umgibt und dass er in der größten Todesverlassenheit da ist – der Vater, der mich hält und der mich trägt.

Jetzt kann jemand kommen und sagen: Das ist ein Hirngespinst. Ja, oder es ist wahr. Entweder ist das, was Jesus sagt, verlogen, oder es ist ein Betrug. Dann werfen sie es weg. Oder sie halten sich daran und sagen: Ich bin ein Christ, ich lebe in den Fußspuren Jesu und glaube. Aber dazwischen gibt es nichts mehr. Vertraue dich ihm an – das ist mir jetzt wichtig. Wir haben vom Vater gesprochen, den uns Jesus zeigt: Vertraue dich ihm an.

Kein Wort steht da, wie das Sterben eigentlich geschehen ist. Uns hätte das interessiert: Was passiert im Sterbengeschehen? Plötzlich hört der Atem auf. Plötzlich schlägt das Herz nicht mehr. Was ist das Sterben überhaupt? Ach, sagen viele, das Sterben ist Natur, man kann es nicht mehr hören. Wenn man nur mal nachfragt: Was ist Natur? Nun, was für eine Natur? Da kommt die große Unwissenheit zutage. Dieser Natur kann ich mich nicht anvertrauen. Ich will nicht so sterben wie Katzen und Hunde, und wie die Tiere im Schlachthaus sterben. Ich will in die Hände des Vaters fallen.

Dabei fällt mir auf, dass Jesus aktiv stirbt, nicht passiv, sondern aktiv. Bevor er hinscheidet – ein schönes Wort – ein Abschied, ein Weggehen. Das kann man ja nur von gläubigen Leuten sagen: ein Heimgehen. Es gibt Sterben und es gibt ein Heimgehen. Auf Leute, die keine Heimat haben, gibt es auch kein Heimgehen, da gibt es nur Sterben. Bevor Jesus verschied, gab er seinen Geist in Gottes Hände.

Dann nimmt Jesus seinen Geist und deponiert ihn in den Händen des Vaters, ganz bewusst. Vielleicht haben Sie schon einmal Wertsachen irgendwo zur Aufbewahrung gegeben. Haben Sie sich überlegt, wem Sie das anvertrauen können? Oder lassen Sie es in einen Safe einschließen, damit es nicht geklaut wird? Das ist kostbar. So nimmt Jesus seinen Geist als einen kostbaren Besitz und lässt ihn nicht einfach in den Tod hineingerissen werden. Er gibt ihn ganz bewusst in die Hände des Vaters!

Wir lesen auch im Neuen Testament, dass die ersten Christen das genauso gehalten haben. Selbst im ganzen Trubel einer schrecklichen Hinrichtung bei Stephanus, als die Menschen ihn mit Steinen zu Tode warfen, tat er in seinen Todesqualen genau das Gleiche: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Das sollen sie lernen: bewusst zu sterben.

Das ist in unserer Zeit etwas ganz Fremdes. Man versucht heute eigentlich, den Menschen gar nicht mehr bewusst zu machen, dass sie sterben. Man sagt: Pass auf, wird alles schön. Möglichst stellt man noch einen Fernseher ans Bett, damit man bis zur letzten Minute abgelenkt ist. Man redet über alle nichtigen Dinge mit den Sterbenden. Und wenn dann der Sterbende selber fragt: Muss ich sterben? sagt man: Nein, nein, nein, ach, bald kommst du wieder nach Hause, und es ist alles gut. Man meint, wir könnten es dem Sterbenden nicht zumuten.

Glauben Sie, es gäbe einen Sterbenden, der nicht wüsste, wie Ernstes um ihn steht? Da spüren doch Kranke viel besser als Gesunde. Aber oft haben sie nicht die Körperkraft, mit uns darüber zu reden und unsere oberflächlichen Beiträge wegzuschieben. Sprechen Sie doch wieder mit den Sterbenden darüber, was ist, wenn wir sterben. Dass man zuerst sein Leben bereinigt.

Gerade vor ein paar Tagen habe ich noch einmal mit zwei meiner Töchter in meinen Unterlagen geblättert und bin auf den Brief gestoßen, den mein Vater hier im Katarinenhospital vor seinem Tod geschrieben hat, vor einer Operation. Es ist eigentlich schön, wenn da einer sagt: Ich möchte das noch in Ordnung bringen. Da war mit Menschen Spannung, und ich möchte sterben, ohne mit einem Menschen im Streit zu sein. Ich will mit Menschen alles vergeben haben und möchte auch Vergebung erlangen.

Es ist doch schön, wenn sie bewusst sterben und dann, wenn sie ihren Geist in Gottes Hände befehlen. Das heißt doch, dass das Sterben uns gar nicht mehr treffen kann.

Die Hoffnung auf das ewige Leben

Ich habe in den letzten Tagen auch in den Passionsandachten an verschiedenen Stellen daran erinnert, wie viele Worte Jesu ganz deutlich sagen, dass glaubende Menschen im Augenblick des Todes nicht in den Tod gehen. Vor allem gehen sie nicht in den Schlaf, sondern sie treten zum Leben ein.

Jesus sagt: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ oder „Wer an mich glaubt, der wird den Tod nicht schmecken“. Tun Sie das doch ganz bewusst mit Ihrer letzten Kraft und sagen: „Vater, jetzt soll der Tod nicht das Letzte sein, sondern Du.“ Legen Sie ganz bewusst den kostbaren Schatz, Ihren Geist, in die starken Hände Gottes.

Sterben ist ein aktiver Prozess, aber wir dürfen das aktive Leben nicht vergessen. Wenn Sie Ihren Geist in der Todesstunde in die Hände Gottes legen, dann ist er dort sicher aufgehoben. Hoffentlich wollen Sie heute auch ganz bewusst Ihren Geist in die Hände des Vaters legen und sagen: „Vater, ich befehle meinen Geist in Deine Hände.“

Dieses Gebet sollte das erste Wort beim Aufstehen sein und auch beim Einschlafen in der Nacht. „Vater, ich befehle meinen Geist in Deine Hände.“ Achten Sie darauf, dass Sie nicht mehr den alten Lesestoff haben, der Ihren Geist nachher mit wirren Träumen erfüllt. Passen Sie darauf auf, dass Sie Ihren Geist bewahren!

Leben Sie dann jeden Tag, den Ihnen Gott schenkt, ganz bewusst vor ihm. Es ist ein großes Geschenk, dass Gott uns durch dieses Leben führt. Wir wollen heute nicht nur vom Sterben sprechen, sondern auch vom Leben.

Vertrauen Sie sich ihm, dem Vater, an. Vertrauen Sie sich ihm, dem Vater, an – und dann kommen auch die irdischen Dinge wieder zu ihrem Recht.

Glaubensstärke in schwierigen Lebenssituationen

Was wird jetzt mit der Politik und was wird mit meinen Wirtschaftssorgen? Ich bin fest davon überzeugt, dass dann auch ganz konkrete, mutige Entscheidungen getroffen werden können.

Vor ein paar Tagen haben wir einen Brief von einem Schreiner bekommen, den wir nach Äthiopien geschickt haben. Eine unserer Mitarbeiterinnen sagte dazu: „Das ist Wahnsinn.“ Dieser junge Mann wohnte in einer schlechten Hütte, in der sogar die Ratten husten. Es war eine kleine Krankenbaracke, und man gab ihm einen Raum, in dem eine sterbende Äthiopierin lag.

Dieser junge Mann hatte natürlich keine Erfahrung mit Kranken. Trotzdem war er der Einzige, der nachts bei der Frau blieb, als sie starb. Am Morgen wollten sie sie direkt neben der Hütte beerdigen. Er schrieb, dass man manchmal kaum ertragen kann, was einem zugemutet wird. Doch da, wo der Geist in den Händen des Vaters bewahrt wird, kann man auch Schweres ertragen.

Ich erzähle Ihnen das nur, weil Sie wissen, wie sich das jetzt umsetzen lässt – in Ihrer Lebenslage. Nein, die Welt ist durch das Kreuz Jesu verändert. Ich kann mein Kreuz jetzt willig tragen und gerne annehmen.

Ich weiß auch, dass ich in der Welt Angst habe, viel Angst. Aber dennoch kann ich getrost sein, weil Jesus diese Welt durch sein Kreuz überwunden hat. Das Kreuz ist das Siegeszeichen.

Durch das Kreuz erhalten wir Vergebung unserer Schuld, ewiges Leben und werden in der Vaterliebe Gottes bewahrt. Woher weiß ich das? Das ist mir im Kreuz Jesu fest zugesagt. Es ist das Pfand, an das ich mich halten kann.

Dort finde ich Frieden und Ruhe, auch wenn um mich herum noch so stürmisch zugeht. Amen.

Abschlusslied und Gebet

Ach, mein Herr Jesu, wenn ich dich nicht hätte. Vierhundertzwanzig, wir singen dieses Lied mit allen vier Strophen. Wir wollen beten.

Du, unser Herr Jesus Christus, über deinem Leiden machst du uns die Vaterliebe Gottes so groß. Und doch lassen wir uns immer wieder anfechten von dem Schweren, das uns widerfährt, von dem Leid, das uns niederdrückt.

Danke, dass du uns den Weg zeigst, dass wir in aller Not unser Herz vor dem ewigen Vater ausschütten dürfen wie die Kinder. Du weißt, was uns bewegt und bedrückt. Wir sind es nicht wert und können auch nicht auf unsere Verdienste pochen, sondern wir dürfen mit deiner Gnade beharrlich bitten.

Da öffnet sich die Tür. Darüber wollen wir dir danken, dass dein Kreuz das große Hoffnungszeichen in aller Not der Welt ist.

Herr, vergib uns unseren Unglauben, vergib uns unsere Zweifel deinem Wort gegenüber. Ruf uns immer wieder neu zu einer Umkehr, damit wir dir viel fester vertrauen, viel brennender lieben und viel mutiger unser Leben wagen für dich.

Du hast davon gesprochen, dass wir uns selbst verleugnen sollten, dass wir nicht so viel nach unseren Gefühlen und nach unserem Ich fragen. Erhilf uns jetzt auch da, wo du uns in dein Leiden hineinreißt, wo du willst, dass wir etwas mittragen von den Schmerzen der Welt und im Glauben an dich überwinden.

Wir wollen dich da bitten für alle, die ins Leiden geführt sind, auch aus unserer Mitte. Sei ihnen jetzt nahe und stärke sie. Gib du ihnen deinen großen ewigen Trost.

Wir bitten dich für alle, die sich auf ihr Sterben vorbereiten. Lass ihnen dein Licht leuchten. Hilf uns, dass wir unseren Dienst an diesen Menschen tun können, auch an all denen, die verzweifelt und ohne Hoffnung sind. Lass uns ihnen das Geheimnis deines Kreuzes groß machen, in dem allein Hoffnung und Trost ist für die ganze Welt.

Lasst uns gemeinsam beten:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen,
denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Lied und Ausblick auf Ostern

Wir singen noch vom Lied 66 den dritten Vers: „Dein Kampf ist unser Sieg, dein Tod ist unser Leben.“

In diesem Vers ist schön zusammengefasst, wie der Sieg unseres Glaubens durch Jesus am Kreuz offenbar wird. Am Ostertag tritt dann nur noch ins Licht, was an Karfreitag, am Sieg, geschehen ist. Ostern ist sichtbar, Karfreitag ist geschehen. Es ist Sühne geschehen, Menschen sind erlöst, haben Vergebung erlangt, und der Himmel steht ihnen offen. Der Tod ist besiegt.

Ich darf Sie einladen zu den Ostergottesdiensten. Wir haben ja zwei, obwohl Schulferien sind. Sie nehmen den Notizenzettel mit, dann sind Sie über alle unsere Veranstaltungen informiert.

Da liegt auch noch der grüne Zettel mit unseren Kreisen. Außerdem, da hinten, liegen die Schriften, die wir für wichtig ansehen. Das sind die Prospekte der Freizeiten unserer jungen Leute. Dort ist auch das Heft der Ludwig-Hofhacker-Vereinigung und manches andere Wichtige. Sie können das alles anschauen.

Auch dieser Brief von der Versöhnungsarbeit in Soweto, die wir in den Passionsandachten unterstützt haben, liegt dort aus. Wenn Sie möchten, können Sie ihn mitnehmen.

Unser Opfer heute ist von der Kirchenleitung bestimmt für den Wiederaufbau in der DDR, für die Arbeiterkirchen dort und konkret für den Wiederaufbau einer Kindertagesstätte in Gera.

Segensbitte zum Abschluss

Nun wollen wir Gott um seinen Segen bitten.

Herr, segne uns und behüte uns.
Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig.
Erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden!