Ich begrüße euch, liebe Christusgemeinde hier in Emmendingen, aber auch in Laar. Ich freue mich, dass wir gemeinsam mit dem einundzwanzigsten Kapitel des Matthäusevangeliums durchstarten können.
Gerade haben wir in der Lesung die sehr bekannte Geschichte von der sogenannten Tempelreinigung gehört. Darin geht Jesus in den Tempel und sorgt dort für mächtige Unruhe – oder bringt Ruhe in diese Unruhe.
Die Herausforderung der christlichen Willkommenskultur
Bevor wir in den Vers hineingehen, möchte ich etwas vorwegnehmen. Christen sind eigentlich nicht für solche Szenen bekannt, wie wir sie in Matthäus 21 gelesen haben. Es ist nicht die Regel, dass wir hier Leute hinauswerfen. Im Gegenteil: Wir heißen Menschen willkommen.
Christen sollten zumindest dafür bekannt sein, jeden Menschen gleichermassen willkommen zu heißen. Unsere Tür ist offen für jeden – egal, ob du so denkst wie ich, ob du so glaubst wie ich, ob du so riechst wie ich oder aussiehst wie ich. Wir machen keinen Unterschied, sondern heißen jeden willkommen, damit jeder in den Genuss des Wortes Gottes kommt und eine lebendige Begegnung mit Jesus Christus erleben kann.
Darum steht auch auf unserer Internetseite ein markantes Wort: „Bei uns ist ausnahmslos jeder willkommen.“ Tatsächlich wurde mir einmal aus der Gemeinde heraus die Frage gestellt, ob wir das wirklich ernst meinen. Nicht, weil die Person Probleme mit dem Satz hatte, sondern weil sie wissen wollte: Ist unsere Gemeinde wirklich so, dass ausnahmslos jeder willkommen ist? Was ist, wenn Menschen ganz anders sind?
Das fand ich sehr interessant, dass einem so etwas auffällt und dass dieser Satz „Bei uns ist ausnahmslos jeder willkommen“ mal relevant werden kann. Das haben wir spätestens in der Corona-Zeit erlebt. Es ist schon eine Weile her. Deutschland feiert quasi Jubiläum, könnte man meinen, wenn man in die Nachrichten schaut – „Hey, es ist fünf Jahre her!“ Dort haben wir Dynamiken erlebt, bei denen dieser Grundsatz, der Christen ausmacht – dass jeder willkommen ist – bei einigen ins Wanken geraten ist.
Ist jetzt ausgerechnet wirklich jeder willkommen? Ich zitiere aus einer Predigt vom November 2021. Ich weiß, ihr kennt das alles aus dem Effeff, aber ich wiederhole es trotzdem: Dort sind wir schon durch das Matthäusevangelium gegangen, und ich habe folgendes an euch gerichtet: Gottes Evangelium zu feiern mit der Vorgabe, eine spezifische Gruppe auszusondern, ist für uns wirklich eine christliche Unmöglichkeit. Zu Jesus dürfen alle kommen – ganz ohne Bedingung und erst recht ohne medizinische Voraussetzung.
Versteht mich nicht falsch: Ich möchte hier keine Coronapolitik noch einmal aufrollen. Aber ich denke schon, dass diese Fragestellung, ob wirklich jeder willkommen ist, in dieser Zeit bei einigen einen Bruch verursacht hat. Ist es wirklich so?
Ich bin Gott sehr dankbar, dass er uns die Gnade und Weisheit gegeben hat, uns durch diese Zeit zu navigieren, damit wir dem Evangelium treu bleiben und eben nicht Menschen ausschließen – auch wenn sie vielleicht deine oder meine Überzeugungen nicht teilen. Denn diese Dinge einen uns hier nicht.
Auch der ganz andere kann kommen. Auch der ganz andere ist willkommen und soll in eine lebendige Beziehung und Begegnung mit Jesus Christus kommen.
Unter uns gibt es manche Erfahrungen, dass diese Selbstverständlichkeit nicht immer erlebt wurde. Und an dieser Stelle – obwohl es schon fünf Jahre her ist – muss man solche Dinge manchmal noch einmal in Erinnerung rufen. Sollten wir festgestellt haben, im individuellen Leben oder weil ich Verantwortung für eine Gruppe oder sogar für eine Gemeinde habe, und ich habe Zweifel, ob dieser Grundsatz wirklich unsere Überzeugung ist, und habe Menschen aufgrund ihrer Überzeugungen ausgegrenzt, dann sind wir aufgefordert, Buße zu tun. Wir sind aufgefordert, umzukehren.
Nur die Hoffnung zu haben, „Na ja, es ist jetzt schon so lange her, das tut doch nichts zur Sache“, reicht nicht aus. In der Seelsorge wirst du erleben: Es ist egal, wie lange eine Sache her ist. Wenn sie eine tiefe Verletzung verursacht hat, wächst da kein Gras drüber. Es tut weh.
Deshalb sollten wir, wenn wir in dieser Art und Weise unterwegs waren, um Verzeihung bitten – dort, wo wir es gemacht haben, dass wir eben nicht alle willkommen geheißen haben. Und das wäre auch mein Appell an viele Gemeinden und Prediger und Pastoren: Sie müssen umkehren und sich auch öffentlich entschuldigen, wenn dieser Grundsatz fehlte.
Das ist eigentlich, denke ich, common sense, allgemeines Gedankengut: Christen sind offen für jedermann. Umso verwunderlicher ist das, was Jesus in Matthäus 21 tut.
Jesus führt dort keine Corona-Maßnahmen ein, aber Maßnahmen, die auf einmal andere ausschließen aus der Mitte der Gläubigen. Auf einmal scheint es so, als heiße Jesus doch nicht mehr alle willkommen.
Was ist eigentlich passiert?
Jesu Einzug und die Tempelreinigung als Wendepunkt
Im einundzwanzigsten Kapitel haben wir uns zuletzt im Matthäusevangelium damit beschäftigt, dass Jesus endlich nach Jerusalem kommt. Er kommt nicht einfach zum Spaß nach Jerusalem, sondern um zu sterben und anschließend aufzuerstehen – also um seine Mission zu erfüllen.
Dabei kommt er nicht einfach irgendwie nach Jerusalem, sondern in Übereinstimmung mit alter biblischer Prophetie, die wir im Alten Testament finden. Jesus reitet auf einem Esel in die Stadt hinein und wird als König Israels gefeiert und gehuldigt. Alle rufen ihm zu: Hosanna, Hosanna – ein Lobpreisruf, der so viel bedeutet wie „Herr, hilf doch“ oder „Bei Gott ist Hilfe“. „Hosanna dem Sohn Davids“, also dem versprochenen König Israels.
Nach dieser ganzen Feierlaune kommen wir plötzlich zu unserer Passage in Vers zwölf und lesen Folgendes: „Und Jesus trat in den Tempel ein und trieb alle hinaus. Die im Tempel verkauften und kauften und die Tische der Wechsler und die Sitze der Taubenverkäufer stieß er um.“
Ich finde diese Dynamik irgendwie beeindruckend. Jesus kommt herein und schmeißt Leute raus. Das entspricht nicht meiner Erwartungshaltung, wenn ich für den Gottesdienst bete: „Herr, zieh bei uns ein, wir suchen dich, komm zu uns.“ Meine Erwartung ist nicht, dass, wenn der Herr mit Macht kommt, er plötzlich Leute aus dem Raum, aus dem Tempel, hinauswirft.
Was ist das für eine Bewegung? Jesus kommt herein, und andere müssen raus. Natürlich sind damit nicht ausnahmslos alle gemeint. Nicht alle müssen gehen, sondern eine spezifische Gruppe – nämlich die, die im Tempel verkaufen und kaufen.
Wir sehen hier eine sehr sonderbare Situation, die im Leben von Jesus nahezu einmalig ist. Zumindest erleben wir nicht so häufig, dass Jesus mit seiner Autorität und seinem Hausrecht kommt und plötzlich nicht jeder in Gottes Gegenwart willkommen ist. Einige werden explizit ausgeladen – und zwar nicht nur mit Blicken oder Worten, sondern mit handgreiflichen Taten.
Es ist nicht so wie bei einem Besuch, der bei dir zu Hause ist und einfach nicht gehen möchte, und du dann denkst: „Mann, wie können wir dem klarmachen, dass jetzt Zeit ist zu gehen?“ Wer kennt diese Situation? Okay, wahrscheinlich nur wenige, denn die meisten bleiben gerne und lange.
Wir sind heute auch bei jemandem eingeladen. Mal schauen, ob wir die Zeichen der Zeit erkennen. Den Menschen geht es so gut, sie fühlen sich zu wohl, zu sehr zu Hause. Jesus zeigt ihnen sehr deutlich: Ihr seid so nicht willkommen. Ich will euch hier nicht bei mir haben – dort, wo Gott Wohnung genommen hat, wo er gesagt hat: „Hier ist mein Platz, hier offenbare ich mich, hier möchte ich mit den Gläubigen im Austausch sein.“ Dort möchte ich euch so nicht haben.
Die Einzigartigkeit von Jesu Zorn im Tempel
Und wann hast du Jesus schon einmal so im Matthäusevangelium gesehen? Eigentlich ist es ja nicht so, wie ich es in der Einleitung gesagt habe, was uns im November 2021 beschäftigte. Dort sind nicht einmal alle willkommen. Alle sollen zu Jesus kommen, niemand ist ausgeschlossen. Es herrscht eine absolut uneingeschränkte Willkommenskultur bei Jesus. Aber hier ist es absolut einmalig, wie Jesus im Matthäusevangelium reagiert. Deshalb ist diese Szene auch so populär: Jesus eskaliert komplett und stellt alles auf den Kopf, was nicht sein darf.
Das ist eine große Irritation für die Gläubigen der damaligen Tage, die im Tempel sind. Beachte: Wir sind nicht auf irgendeinem Marktplatz, wo Leute unterwegs sind, die das eine glauben, die anderen jenes. Nein, wir sind im Tempel. Die Leute haben einen Grund, warum sie dort sind.
Heute bist du vielleicht in einem Gottesdienst, und auch du hast wahrscheinlich einen Grund, warum du hier bist. Wahrscheinlich nicht, weil du Gott aus tiefstem Herzen ablehnst. Und wenn das so sein sollte, umso besser, dass du da bist. Aber die allermeisten, die jetzt hier in Ermending und in Laar sind, sind irgendwie zusammengekommen, weil sie eine Erwartungshaltung haben. Sie wollen in Verbindung treten mit Gott, mit dem Allmächtigen.
Die Gläubigen damals wussten: Jesus ist okay, wenn er aggressiv wird. Jesus ist okay, wenn er eskaliert. Sie hatten auch die Erwartung, dass er als Messias, als versprochener König Israels, eskalieren würde – aber nicht im Tempel. Dort draußen gibt es den großen Pakt mit den Römern. Alle Asterix-Fans können das vielleicht nachvollziehen: Die Römer müssen aus unserem Land raus! Wir verteilen jetzt mal den Zaubertank, damit wir sie in die Flucht schlagen. Bist du Asterix-Fan? Ja? Großartig!
Das war ein großes Dilemma für die Juden damals. Wir können uns heute kaum vorstellen, wie es ist, in einem Land zu leben, in dem eine fremde Macht ständig patrouilliert und bestimmt, wo links und rechts ist, was gut und schlecht ist, was erlaubt ist und was nicht. Das muss sehr belastend sein. Stell dir vor, eine fremde Macht wäre hier in unserem Land. Würdest du nicht wollen, dass sie weggeht?
Die Erwartung war, dass der Messias kommen und dem ein Ende bereiten würde. Er sollte die Römer aus dem Land jagen, ihre Tische umstoßen und ihnen ihre Daseinsberechtigung entziehen. Er sollte sagen: „Tschüss, Ade! Bei uns habt ihr keinen Platz mehr. Bitte geht zurück, wo ihr hergekommen seid! Ausländer raus, Römer raus!“
Jesus setzt zur Attacke an, aber seine Attacke richtet sich nicht gegen die Feinde der Gläubigen. Seine Attacke richtet sich gegen die Zentrale des jüdischen Gottesdienstes. Hier eskaliert Jesus im Matthäusevangelium derart heftig – und ausgerechnet in dem Setting, in dem die Gläubigen zusammenkommen, Gottesdienst feiern, fromm sein und Gott nahe sein wollen.
Dort entscheidet der Messias, zu eskalieren und die Leute in die Flucht zu schlagen. Man könnte fragen: Jesus, gibt es da draußen nicht mehr Probleme? Lass uns doch mal vergleichen. Hier ist nicht alles perfekt, aber draußen gibt es viel mehr Gesetzlosigkeit. Dort gibt es viel mehr Perversion. Warum gehst du nicht nach draußen und machst dort Rabatz?
Es mag zwar sein, dass draußen mehr los ist. Aber der Tempel ist heilig. Der Tempel ist der Ort, an dem Gott sich entschieden hat, sich zu offenbaren. Hier richtet Gott seine Königsherrschaft auf. Hier möchte er die Menschen prägen, ihnen begegnen und sie verändern. Hier möchte er Zugriff auf ihre Herzen nehmen.
Dieser Ort ist heilig, und deshalb setzt Gott hier sein Hausrecht durch. Er macht seinen legitimen Anspruch geltend. Hier ist es anders als dort. Hier sollte es anders sein als draußen. Deshalb eskaliert Jesus an diesem Ort und nicht dort.
Denn draußen hat er nicht die Erwartung, dass seine Werte widergespiegelt werden. Aber hier hat er diese Erwartung, weil hier sein Name ausgerufen worden ist. Und ihr denkt zumindest, ihr verkündet lautstark, dass ihr hier ihm begegnen wollt und eure Treue und Liebe zum Ausdruck bringt.
Hier herrscht eine Erwartungshaltung – und diese hat Jesus nicht in der gleichen Weise wie draußen.
Die wahre Ursache der Tempelreinigung
Aber man könnte schon fragen: Was ist eigentlich das Problem? Es ist ja witzig. Die Leute, die lange dabei sind und viel Gemeinderfahrung haben, können jetzt vielleicht verstehen, worauf ich hinaus möchte.
Dieser Bibeltext wurde von manchen so interpretiert: Kennt ihr Gemeinden, in denen es einen Büchertisch gibt, wo man Bücher im Gemeindehaus kaufen kann? Dann lesen Christen Matthäus 21 und sagen: „Wir dürfen keine Bücher verkaufen in unserem Haus, weil wir ja keine Geschäfte machen dürfen.“ Wer kennt diese Diskussion? Ich kenne sie noch. Hey, ich bin gar nicht so alt, aber von Kindheitstagen an kenne ich diese Diskussion.
Dann sagt man: Ja, okay, man darf halt kein Geld ausgeben und kein Geld einnehmen im Haus Gottes. Es ist sowieso der Witz, dass man den Tempel mit dem Gemeindehaus gleichsetzt und sagt, jetzt würden wir hier keinen Büchertisch haben. Das ist ja nicht der Punkt.
Deswegen könnte man fragen: Was ist überhaupt das Problem von Jesus hier in Wahrheit? Wenn wir jetzt die Zeit hätten und in 5. Mose 14 hineingehen würden, würden wir sehen: Das ist überhaupt kein großes Thema, dass im Tempel Opfertiere verkauft werden, um den Opfergottesdienst auch zu tun.
Damals hat man Tiere geschlachtet und so weiter, das ganze Opfersystem. Dazu hat man Tiere bereitgestellt, damit, wenn jemand – ein Pilger – von weit her nach Jerusalem gekommen ist, zum Passafest, er nicht sein ganzes Tier den weiten Weg mitnehmen musste. Stattdessen nahm er Geld mit, das ist kleiner, und tauschte es dort ein. Dann hatte er das Tier und konnte den Gottesdienst zelebrieren.
Das war sogar eine Anordnung im fünften Buch Mose, dass das passiert. Also: Kaufen und verkaufen im Tempel Gottes ist jetzt nicht das große Problem.
Aber was ist denn das Problem von Jesus? Tun sie nicht einfach das, was Gott angeordnet hat zu tun? Ich denke, das Problem von Jesus ist nicht, was sie getan haben, sondern wie sie es getan haben.
Nicht dass sie Tiere verkauft haben für Geld ist das Problem – das hat Gott sogar angeordnet –, sondern in welcher Art und Weise sie diese Dinge ausgeübt haben, wie sie das Gebot Gottes umgesetzt haben.
Die Verordnung, die Gott gegeben hat, erfüllen sie, aber in einer Art und Weise, dass jetzt auf einmal nicht mehr die Anbetung Gottes im Zentrum steht. Was jetzt im Zentrum stand, war Kommerz und Gewinn.
Es wurde ein wirtschaftliches Spiel getrieben im Tempel, sodass die Menschen nicht mehr freigekommen sind und relativ problemlos entsprechend der Ordnung Gottes ein Tier gekauft haben, um sich auf die Anbetung zu konzentrieren.
Was die Menschen getrieben hat, während sie Gottes Wort erfüllt haben, war: Wie kommen wir zu mehr Moneten? Wie können wir Menschen über den Tisch ziehen? Wie können wir uns bereichern an denen, die jetzt unbedingt hier einkaufen wollen?
Rein äußerlich erfüllen sie das Wort Gottes, rein äußerlich stimmen sie mit dem Gebot Gottes überein. Aber die Haltung, wie sie es tun, macht die Anbetung mehr als fragwürdig, verpestet und verseucht die Anbetungshaltung der Gläubigen und all derer, die anwesend sind in diesem Tempel.
Jesus sieht das und denkt sich nicht: Ich ziehe jetzt mal die „Ich bin der Liebe Jesus“-Karte.
Sondern Jesus eskaliert maximal, wenn er sieht, dass man das Wort Gottes zwar verwendet, aber auf eine Art und Weise, um sich selber zu bereichern und den Fokus der Anbetung Gottes zu verschieben.
Sanftmut und entschlossener Zorn Jesu
Da könnte jetzt der eine oder andere vielleicht denken: Haben wir nicht das 21. Kapitel des Matthäusevangeliums begonnen, in dem Jesus auf einem Esel reitend einhergeht? Vielleicht erinnert ihr euch noch daran, dass wir davon sprachen, dass Jesus nicht einfach irgendein König ist, sondern der sanftmütige König.
Könnt ihr euch an diese Diskussion über Sanftmut erinnern? Dass er nicht auf einem prächtigen Pferd daherreitet, sondern auf einem Esel? Das soll zeigen, dass er sanftmütig ist, demütig, dass er sich klein macht, nicht mit Prunk auftritt und seine Macht nicht zur Schau stellt. Er ist ein sanftmütiger König.
Aber wo ist hier seine Sanftmut? Ist Jesus jetzt doch kein sanftmütiger König mehr? Ich hatte beim letzten Mal schon versucht zu erklären, dass Sanftmut nicht Weichheit bedeutet. Sanftmut ist kontrollierte Stärke. Sanftmütige Menschen wissen, was sie wollen, und sie verfolgen ihr Ziel. Sie sind bereit, zu konfrontieren und auch in harte Debatten einzusteigen – aber mit einem liebenden Herzen.
Nicht grenzenloser Zorn, sondern konzentrierte Aktion zeichnet sanftmütige Menschen aus. Und Jesus ist hier mächtig sauer. Als sanftmütiger König. Nur weil wir ein Bild von Jesus als den lieben Herrn gezeichnet haben, heißt das nicht, dass er nicht auch hart zupacken kann und richtig Rambazamba machen kann in seinem Haus, wo er Hausrecht hat.
Jesus macht da keinen Spaß. Irgendwann ist genug, und dann gibt es ein heftiges Machtwort. Dabei interessiert es ihn keine Sekunde, ob er die Gefühle derjenigen verletzt, denen die Tische gehören. Unsere alltägliche Debatte ist oft belastet von Aussagen wie: „Du hast meine Gefühle verletzt“ oder „Ich bin betroffen von dem, was du gerade sagst oder tust.“
Jesus ist das völlig egal, ob deine Gefühle gerade unter die Räder kommen. Denn dein Gefühl steht im Vergleich zu dem, was mit der Ehre Gottes gerade angestellt wird, überhaupt nicht im Verhältnis. Was setzt du hier eigentlich überhaupt ins Verhältnis? Was versuchst du hier ins Spiel zu bringen? Deine Gefühle interessieren nicht. Schau, was hier passiert. Schau, was mit dem Namen Gottes angestellt wird.
Und da macht Jesus kurzen Prozess. Er tut das nicht heimlich in einer versteckten Kammer, sondern sucht sich die Primetime Jerusalems aus, kurz vor dem Passafest, als die Stadt voll war von Juden. Alle waren in einer Stimmung wie zu Weihnachten, mit großer Erwartungshaltung.
Ausgerechnet in dieser Primetime, wenn alle Konzentration und der Fokus auf diese Tage gelenkt sind, schreitet Jesus ein und eskaliert maximal. Er will zeigen: Ich bin nicht der Kuscheltier-Jesus, der einfach nur süß ist.
Es ist eigentlich interessant: Jesus hat das an den prominentesten Zeitpunkt seines ganzen Dienstes gestellt, vermutlich auch um zu kommunizieren: Kommt ja nicht auf die Idee, dass ich einfach der süße kleine Jesus bin. Trotzdem haben wir aus ihm einen gemacht, der mit allem immer okay ist.
Wenn Jesus lieb ist, dann wird er auch immer sagen: „Ist gut, was du tust, ist gut, was du denkst. Ich bestätige dich in allem, was du tust.“ Jesus ist nicht so. Ja, Jesus ist voller Liebe, aber die Liebe zeigt sich nicht darin, immer jedem ein gutes Gefühl zu geben, dass man auf dem richtigen Trichter ist, den richtigen Weg geht, die richtigen Gedanken denkt oder den richtigen Lifestyle lebt.
Jesus kommt gar nicht auf die Idee, dass das Liebe ist. Liebe bedeutet auch Sanftmut, aber Entschiedenheit, die Dinge so umzukehren, wie es Gott gefällt – und nicht, wie die Menschen es daraus gemacht haben. Und wenn das bedeutet, hart zuzugreifen, dann ist Jesus damit einverstanden, weil er es selbst vorlebt.
Die Grenzen der Seelsorge und die Notwendigkeit radikaler Reinigung
Und ich habe mich schon gefragt: Jesus, es ist inzwischen drei Kapitel her, dass du über Matthäus 18 gesprochen hast. Matthäus 18 – bei jedem klingelt es, oder auch nicht. Dort hast du gesagt: Wenn du deinen Bruder sündigen siehst, was tust du dann? Hängst du es an die große Glocke und machst es allen sichtbar? Nein, du gehst erst einmal alleine zu ihm hin und versuchst, ihn im persönlichen Gespräch zu gewinnen.
Das ist ein sehr, sehr wichtiges Seelsorgeprinzip, übrigens. Wenn du ein Problem mit irgendjemandem hast, dann ist nicht deine beste Freundin die erste Adressatin dieses Problems, sondern die Person selbst. Klär das in Ruhe, klär das im Privaten. Erst wenn es da nicht weitergeht, nach einiger Zeit, kannst du dir Hilfe holen – aber eskalier nicht sofort.
Jesus, Matthäus 21, hast du gehört, was du in Matthäus 18 gepredigt hast? So merken wir vielleicht auch: Ja, das ist ein Grundsatz, den Jesus in Matthäus 18 darlegt. Aber es bedeutet nicht, dass es nicht Situationen geben könnte, in denen diese langwierigen Prozesse einfach fehl am Platz wären, wenn wir sie ausüben würden.
Anscheinend gibt es so eine Art Gefahrenverzug, wo es Nulltoleranz gibt und Jesus kräftig durchgreifen muss. Das ist besonders der Fall, wenn es um die freche Verachtung der Ehre Gottes geht und vor allem auch um die Verfälschung des Glaubens. Diese Dinge erregen den Zorn von Jesus wie nichts anderes.
Wenn die Ehre Gottes so mutwillig mit Füßen getreten wird und Menschen ein falsches Glaubensdenken eingepflanzt bekommen, dann wird Jesus scharf in seinen Handlungen. Dort geht es nicht darum, mühevolle, langsame Gespräche zu führen, sondern hier muss radikal reformiert werden. Radikal zurückgebracht werden das, was Wahrheit ist und was Gott heilig ist.
Und dieser heilige Zorn, den Jesus hier hat, treibt ihn an, entschlossen das Heilige zu verteidigen und gegen falsche Lehre unter den Gläubigen vorzugehen. Denn mit all diesen Taten, die diese Glaubensmenschen tun, lehren sie etwas. Sie verkörpern etwas, was anscheinend Gott will, was anscheinend Gott tut.
Man nimmt das als gegeben an und denkt, das sei Gottes Verordnung, so miteinander umzugehen. Unser Umgang miteinander lehrt uns etwas. Wir denken, das ist gut so. Man denkt, es ist gut so, Kommerz aus dem Evangelium, aus der Botschaft Gottes zu machen. Es ist in Ordnung so. Ich bin darin aufgewachsen, und das muss Wahrheit sein.
Es ist krass, wie viele Lügen in unseren Köpfen sind, aufgrund dessen, was wir gelernt haben in unserem Glaubensleben – und wir haben nie gecheckt, ob das auch wirklich so ist. Faktencheck ist ja sehr beliebt, um zu überprüfen, ob es sich auch so verhält.
Die Bedeutung des Tempels heute und die Heiligkeit unseres Lebens
Was hat das mit uns zu tun? Inwiefern ist das relevant für uns? Wir haben hier keine Opfertiere. Und wenn du eines mitgebracht hast, kannst du es doch wieder mit nach Hause nehmen. Wir haben hier auch keine Geldwechsler. Und erst recht – und das kann jeder sehen – ist das hier kein Tempel.
In 1. Korinther 3,16-17 heißt es: Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verderbt, den wird Gott verderben, denn der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr.
Wenn du denkst: „Ach, das ist so weit weg, das, was wir in Matthäus 21 lesen, hat mit meinem persönlichen Leben wenig zu tun“, dann sage ich dir: Die Sache mit dem Tempel Gottes war noch nie so nah wie zu der Zeit, seitdem wir Christen sind.
Die damaligen Gläubigen waren nur punktuell im Tempel, wenn sie konnten. Sonst hatten sie mit dem Tempel kaum etwas zu tun – außer sie lebten in Jerusalem. Mit Jesus Christus hat jedoch eine neue Ära begonnen. Er hat gesagt, dass das Tempelgeschehen nicht mehr an ein Gebäude gebunden ist, sondern dort stattfindet, wo Menschen sich ihm anvertrauen und Christ werden. Das bedeutet, Jesus Christus nachzufolgen.
Wenn du das über dein Leben sagen kannst, herzlichen Glückwunsch! Dann bist du dieser Tempel. Wir sind der Tempel Gottes, weil Gottes Geist jetzt in uns persönlich wohnt – eine Realität, die die Juden im Alten Testament so nicht erlebt haben. Es ist eine Qualität der Verbindung zu Gott, die einmalig und unbeschreiblich ist. Für den alttestamentlichen Juden ist das unvorstellbar! Und wir leben in dieser Realität.
Deshalb spricht das, was Jesus hier mit dem Tempel macht, auch zu uns. Paulus sagt im 1. Korintherbrief: Pass gut auf, was du mit dem Tempel tust, denn er gehört nicht dir, sondern Gott. Gott hat Hausrecht und erhebt Anspruch darauf, was mit diesem Tempel geschieht.
Wenn er sieht, dass in unserem Leben Korruption stattfindet, dass wir zwar Dinge von Gott nehmen und irgendwie fromm leben, aber das Ganze sich noch mit anderen Dingen vermischt, dann hat Jesus ein gewaltiges Problem damit. Dann ist das nicht der liebende Jesus, sondern der Jesus, wie wir ihn in Matthäus 21, Vers 12 sehen: Er geht hinein, spricht ein Machtwort und hat keine Geduld für unsere dummen Kompromisse, von denen wir meinen, sie eingehen zu können, obwohl niemand uns dazu legitimiert hat.
In 1. Petrus 4,17 spricht der Apostel Petrus zu den Gläubigen: Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfängt beim Haus Gottes. Das Gericht beginnt nicht dort draußen, nicht an dem Ort, wo wir sagen: Dort ist die Perversion, dort ist die Gesetzlosigkeit, dort ist die Gottlosigkeit. Das Gericht Gottes fängt in seinem Haus an.
Denn die anderen sind nicht heilig gesprochen durch den Namen Jesu Christi, sondern diejenigen, die sagen: Wir gehören Jesus Christus. Diese sind heilig gesprochen, und Jesus hat den Anspruch, dass unser Leben sich in dieser Heiligkeit entfaltet.
Es geht nicht um Perfektionismus – versteht mich bitte nicht falsch. Es geht nicht darum, ein makelloses Leben zu führen, in dem niemand ein Problem erkennen könnte. Es geht vielmehr darum, ein Verhalten an den Tag zu legen, bei dem wir nicht Kompromisse geschlossen haben, die wir mit Gott verheiratet haben. Kompromisse, bei denen wir sagen: Das gehört zu mir, das ist mein Lifestyle, und Gott ist schon gut damit.
Darum geht es: Dinge vor dem Thron Gottes zu rechtfertigen. Ich mache jeden Tag Fehler – viel zu viele. Aber ich will sie nicht vor dem Thron Gottes rechtfertigen. Ich will mich nicht vor Gott für mein Leben entschuldigen, sondern ich bekenne: Herr, du bist heilig, und du hast mich heilig gesprochen. Darum möchte ich auch heilig sein, wie du heilig bist.
Vergib mir, reinige mich, und dort, wo ich Kompromisse mit Sünde geschlossen habe, komm du in diesen Raum. So wie in Matthäus 21, mach es deutlich, was du aus meinem Leben hinaustreiben möchtest, damit auch ich, der ich manchmal dumm bin, es verstehe.
Wenn das nötig ist, dann tu es, um Gottes Willen! Denn ich möchte, dass dieser Tempel ein reiner Tempel ist, in dem du gerne Platz hast. Ein Ort, an dem du dich ausbreitest und sagen kannst: In jedem Lebensbereich dieses Tempels breitet sich die Königsherrschaft von Jesus aus. Und immer mehr spiegelt dieses Leben das Leben von Jesus in dieser Welt wider.
Jesu Wort und Lehre als Grundlage der Reinigung
Ich erkenne mit Erschrecken, dass wir erst in Vers zwölf, Vers dreizehn sind, und Jesus spricht zu ihnen: „Es steht geschrieben: 'Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden, ihr aber macht es zu einer Räuberhöhle.'“
Ich finde das großartig, was Jesus hier tut. Er räumt erst einmal richtig auf und zeigt deutlich, dass er nicht einverstanden ist mit dem, wie es hier aussieht. Und was macht Jesus dann? Er holt seine Bibel heraus – natürlich nicht so, wie wir das heute tun. Sondern er zitiert aus dem Wort Gottes.
Hier ist das Wort Gottes direkt präsent, und Jesus gibt den Gläubigen sofort Orientierung. Er zeigt ihnen, warum diese Dinge geschehen und was die eigentliche Schwierigkeit ist. Ihr sollt nicht einfach nur einen heiligen Zornausbruch erleben, sondern vom Wort Gottes lernen, worum es hier gerade geht.
Der Evangelist Markus, der ebenfalls darüber schreibt, sagt, dass Jesus die Anwesenden mit diesen Worten lehrte. Markus betont, dass sie über seine Lehre außer sich gerieten. Der Evangelist Lukas berichtet sogar, dass Jesus täglich mit dieser Passage im Tempel lehrte und das ganze Volk an ihm hing und auf ihn hörte.
Wir sehen hier, dass das Mittel, damit unsere Anbetung wieder in Heiligkeit zurückkehrt und einen klaren Fokus bekommt, von biblischer Lehre abhängt. Wir müssen uns den Worten Gottes widmen, ihm lauschen und von seinem Wort lernen, was Jesus denkt und will. Nur so wird das zu unserem Denken und unserem Willen.
Wo keine Lehre stattfindet, wo wir uns nicht tief in das Wort Gottes hineingraben, ist es nur eine Frage der Zeit, bis aus dem Gebetshaus eine Räuberhöhle wird. Die Menschen sind in Mechanismen geraten, in falsche Vorstellungen von Gott und Glauben. Sie glauben, dass man das irgendwie mit privaten Ambitionen und Business vermischen kann.
All diese Dinge sind passiert, weil es keine biblische Lehre gab. Die biblische Lehre hat nicht die Gedanken erfüllt, damit sie ihr Herz prüfen konnten. Sie konnten nicht hinterfragen, warum sie so sind, wie sie sind, und warum sie tun, was sie tun.
Ob unsere Anbetung heilig oder verdorben ist, hängt maßgeblich davon ab, ob du und ich Lehre lieben. Liebst du Lehre? Liebst du es, von Gott unterwiesen zu werden? Liebst du es, Gottes Gedanken entfaltet zu sehen und darin einen Transformationsprozess deines Herzens zu erleben?
Ich weiß, der Begriff „biblische Lehre“ klingt für viele unglaublich trocken, tut mir leid. Aber trocken ist da gar nichts. Ihr seht ja, wie Jesus handelt, legitimiert durch biblische Lehre – Halleluja! Liebst du das? Viele Gläubige tun es nicht, und deshalb sieht unsere kirchliche Landschaft oft so aus, wie sie aussieht.
Wir müssen zurück zur biblischen Lehre. Nicht ohne Grund bringt Matthäus diese Aussagen, und auch die anderen Evangelisten sprechen davon: Jesus lehrte sie, er lehrte sie, er lehrte sie.
Ihr müsst wissen, liebe Leser, dass dies die Medizin ist, damit unsere Anbetung rein, heilig und fokussiert wird. Darum lasst uns gut fragen: Wohin führt das alles? Wohin führt das, was wir hier Woche für Woche, Tag für Tag tun? Welches Ziel verfolgen wir eigentlich?
Geht es darum, Gott zu begegnen, oder wollen wir Gott begegnen und gleichzeitig noch andere Ziele erreichen – vielleicht private Ambitionen erfüllen? Worum geht es hier eigentlich?
Wir müssen uns selbst fragen, was heute unsere Räuberhöhlen sind. Ja, wir verkaufen hier vielleicht nicht die dicken Tiere, aber wir müssen uns fragen, wo radikale Reinigung nötig ist, damit unsere Räuberhöhlen verschwinden.
Ein Zweig der Christenheit hat schon mit dem ganzen Verkaufsthema ein Problem: mit dem Wohlstandsevangelium, mit dem Spenden in der Erwartung, dass dann der Segen Gottes ausgegossen wird. Dieser Virus steckt in so vielen Köpfen, er ist widerlich und eklig.
Und es geht die ganze Zeit nur um Geld, Geld, Geld, Profit, Profit, Profit – alles immer unter einem vermeintlich biblisch-frommen Deckmantel. Die Leute geben und geben, weil sie den Segen Gottes wollen. Und wenn der Prediger es sagt, dann geben sie auch.
Ich habe nichts gegen das Geben. Es ist eigentlich sehr klug, dass wir die Kollekte schon vorher einsammeln, damit das, was ich jetzt sage, nicht verdächtig ist. Wenn du gerne geben möchtest, weiß ich, wohin du es geben kannst.
Aber vielleicht versteht ihr, was ich meine: Worum geht es eigentlich? Was wollen wir vor allem? Wollen wir Profit machen, groß rauskommen oder wollen wir Gott begegnen?
So manche Gemeinde ist getrieben davon, populär zu werden – einfach populär, einen guten Namen und Ruf zu haben. Sie schließen jeden Kompromiss, Hauptsache, der Ruf ist gut. Hauptsache, die Leute reden gut über uns. Hauptsache, die Bürgermeister dieser Welt freuen sich, wenn sie in unserer ersten Reihe sitzen.
Ich freue mich, wenn Staatsleute zu uns kommen – ja, selbstverständlich. Aber nicht, weil sie etwas Besonderes wären, sondern damit sie genauso wie wir Gottes Wort hören, von ihm lernen und seine Liebe kennenlernen. Es wird ihnen Nutzen für ihre Seele bringen, aber auch für ihr Dienen.
Ach, und so könnten wir viele Räuberhöhlen aufzählen, die wir haben: Traditionen, die wir lieben, anstatt radikale Nachfolge zu leben.
Ich könnte noch lange darüber nachdenken, wo die Räuberhöhlen in unserem Leben sind und wo wir Kompromisse gemacht haben.
Heilung und Kraft im Bethaus
Vers 14: Und es traten Blinde und Lahme dem Tempel zu ihm und er erhielt sie. Das finde ich außerordentlich.
Dieser Vers muss hier eigentlich nicht stehen, damit die Geschichte funktioniert. Gleich wird es um etwas ganz anderes gehen: dass schreiende Kinder auch Hosanna dem Sohn Davids rufen. Die Schriftgelehrten kommen dann und fragen, was hier eigentlich passiert. Jesus liest ihnen daraufhin nochmal die Leviten.
Auf einmal steht dieser Satz da: „Und es traten Blinde und Lahme in dem Tempel zu ihm und er erhielt sie.“ Jesus hat eben gerade aufgeräumt und klargemacht, was die Agenda im Tempel ist. Der Tempel ist ein Bethaus, und wir sind ein Bethaus.
Welche Bilder entstehen jetzt in deinem inneren Auge, wenn du das Wort Bethaus hörst? Ich weiß nicht, was in deinem Kopf für Bilder auftauchen, aber ich finde, der Text zeigt uns etwas, das schnell übersehen werden kann.
Ein Bethaus ist nicht einfach nur ein ruhiger, geselliger Ort, an dem ich eine persönliche Andacht habe und zu meinem Herrn Jesus bete. Ein Bethaus bedeutet auf jeden Fall Konzentration auf Gott, ihn im Gebet zu suchen und anzurufen. Später werden das übrigens auch die Kinder tun, die sich im Tempel wiederfinden.
Das ist sicherlich eine Facette: Gott wird im Gebet gesucht. Aber eine weitere Facette haben wir eben gerade angeschaut: Was Jesus im Bethaus gemacht hat – das Wort Gottes dick platzieren, damit die biblische Lehre unser Denken füllt.
Doch ich glaube, dass eine Facette, die wir hier finden, häufig nicht mit dem Bethaus in Verbindung gebracht wird: Dass Leidende kommen und ihnen in der Kraft des Heiligen Geistes gedient wird.
Ist es nicht interessant, dass das natürliche Resultat der Lehre von Jesus über das Bethaus ist, dass Kranke sagen: „Dorthin gehe ich hin, und dort erwarte ich die Kraft des allmächtigen Gottes“?
Oft wird daraus eine Vorstellung gemacht, dass Leute sitzen, wie hier schön in den Reihen, die ganze Zeit nach vorne fokussiert sind und einfach nur hören, was wichtig ist. Aber ich finde es spannend, inwiefern unsere Bethäuser – also dort, wo Gott mitten unter uns ist – genau das genauso widerspiegeln.
Wir sagen nicht nur: „Hey, Gebet ist wichtig, das Wort Gottes ist wichtig“, sondern auch die Demonstration der Kraft des Heiligen Geistes ist ebenso notwendig. Das ist das direkte Resultat, als Jesus gerade gelehrt hat, dass Kranke kommen und ihnen geholfen wird.
Ich wiederhole mich hier: Nein, wir haben nicht den Knopf, auf den wir drücken, damit Kranke gesund werden. Aber wir sehnen uns nach dieser Kraftausrüstung durch den Heiligen Geist.
Ich glaube, dass Matthäus nicht aus Spaß das einfach hier hinschreibt, insbesondere deswegen nicht, weil er schon ständig gesagt hat, dass Jesus Kranke geheilt hat. Diesen Vers braucht es nicht unbedingt, damit diese Passage funktioniert.
Er möchte uns etwas kommunizieren: Das Nebengebet, das Wort Gottes und das Suchen nach der Kraft des Heiligen Geistes sind wesentliche Bestandteile, wenn ein Haus ein Bethaus sein will.
Darum sagt, glaube ich, auch Paulus in 1. Korinther 2,4-5: „Und meine Rede und meine Predigt bestanden nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung – man kann auch übersetzen mit Demonstration – des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft beruht.“
Paulus wünscht sich, dass, wenn die Gläubigen zusammenkommen, sie natürlich Predigt und Lehre hören. Paulus war durch und durch Lehrer. Im Leben wäre er nicht darauf gekommen zu sagen: „Ja, das mit der Lehre und mit der Predigt ist nicht so wichtig.“ Er ist Lehrer durch und durch.
Aber er möchte, dass unmissverständlich klar ist unter den Gläubigen: Wir hören vom Wort Gottes, aber wir erfahren auch Gottes Kraft unter uns. Es bleibt nicht einfach nur bei Worten, die wir hören. Die Kraft Gottes manifestiert sich auch in unserem Leben, sodass wir Zeugnis davon geben können, wie mächtig unser Jesus ist, was er alles tun kann und wozu er imstande ist.
Amen.
Die Reaktion der religiösen Elite und die Bedeutung der Kinder
Vers 15: Als die Hohenpriester und die Schriftgelehrten die Wunder sahen, die Jesus tat, und die Kinder im Tempel schrien und riefen: „Hosanna dem Sohn Davids“, wurden sie unwillig.
Der Apostel Matthäus, der uns diesen Bericht überliefert, macht sehr deutlich, dass gerade diejenigen, von denen man erwarten sollte, dass sie etwas verstehen – also die Bibellehrer jener Zeit –, genau das nicht tun. Sie sollten eigentlich merken: „Endlich kommen die lang ersehnten Reformbemühungen. Endlich passiert etwas, und wir können Jesus loben, weil er den Fokus wieder auf das Wort Gottes und auf Gott selbst richtet.“
Matthäus zeigt uns, dass man sich auf die frommen Bibellehrer nicht verlassen kann. Wenn es darauf ankommt, scheitern sie. Sie tragen in dieser Geschichte nichts Positives bei, sondern sind eher das Problem. Matthäus betont dies so stark, dass er sogar sagt: Sogar die Kinder sind ihnen voraus.
Wenn wir ein paar Wochen zurückgehen, wissen wir, dass Kinder in der damaligen Gesellschaft kaum etwas galten und einen sehr niedrigen Status hatten. Matthäus bringt hier einen starken Kontrast: Hier sind die Kinder, und dort stehen eure frommen Bibellehrer. Sogar die Kinder haben mehr verstanden als diese Bibellehrer.
Im Reich Gottes, so denke ich, sollen wir daraus lernen, wirkt Gott nicht immer durch diejenigen, die wir für prädestiniert halten. Wir denken oft, durch diese Menschen muss es geschehen. Wenn wir uns nur an sie halten, glauben wir, dann werden wir Segen erleben. Doch ganz im Gegenteil: Die besonders Privilegierten und Angesehenen sind oft diejenigen, die unwillig werden.
Das ist bei Matthäus noch sehr vorsichtig und diplomatisch ausgedrückt. In einem anderen Evangelium heißt es, dass sie sogar versucht haben, Jesus umzubringen. Die Bibellehrer, die eigentlich wissen, dass man nicht töten soll, wie Gott es geboten hat, sind so voller Hass auf Jesus, dass sie bereit sind, dieses Gebot zu missachten, um ihn zu vernichten.
Wir sollen daraus lernen, dass auch wir in diese Falle tappen können. Wir können Menschen eine Position geben, die uns eigentlich nicht den Blick auf Jesus lenken, sondern ihn sogar versperren. Wenn unser Fokus zu sehr auf den frommen Bibellehrern liegt, kann unser Blick getrübt werden, und wir sehen Jesus nicht mehr.
Von diesen Bibellehrern gab es in diesem Text keine Orientierung. Unser Blick soll nicht auf Menschen gerichtet sein, egal wie privilegiert oder angesehen sie sind. Unser Blick muss einzig und allein auf Jesus Christus gerichtet sein. Kein Instrument, keine Instanz, keine Machtposition und kein Mensch hat das Recht, sich dazwischen zu stellen.
Auch wir Evangelikalen brauchen uns nicht über die Katholiken zu erheben und zu sagen: „Die rufen ständig Maria an.“ Auch wir können uns blenden lassen.
Wir sehen hier, dass Jesus die Gesellschaft sucht – mit wem? Mit schreienden Kindern, Lahmen und Blinden, die absolut unprivilegiert sind. Wenn du denkst: „Ich habe eigentlich nichts zu geben, ich bin eine Nullnummer für Gott“, dann sei dir gesagt: Wie oft können wir das denken? „Ich habe keinen Mehrwert für andere, ich bin nicht so begabt wie andere, was kann ich schon beitragen?“ Die Kinder, die Lahmen und die Blinden konnten nichts beitragen, und doch kümmerte es Jesus, wie es ihnen geht.
Er ließ es sich gefallen, dass sie seine Nähe suchten. Sie waren im Tempel willkommen. Nur weil die äußere Bewertung deiner Person dich disqualifizieren würde, heißt das nicht, dass das auch wahr ist. Jesus bewertet anders.
Jesus sagt nicht: „Ich muss unbedingt mit den Priestern und den angesehenen Leuten verkehren, ich brauche ihre Telefonnummern, um Kontakt zu haben.“ Wen interessiert das? Jesus lehrt und wirkt, und die Reaktionen sind gespalten: Die einen sind verärgert, die anderen loben ihn.
Das sehen wir immer wieder bei Jesus: Manche lieben ihn, andere hassen ihn. Wir sollten uns daran gewöhnen und bewusst entscheiden, uns daran zu gewöhnen, dass das Evangelium von Jesus einige hassen und andere lieben werden.
Wir müssen aus dem Mindset aussteigen, dass, wenn wir so leben, verkündigen und glauben, wie Jesus es möchte, uns alle Menschen lieben müssen. Das wird nicht passieren. Und wenn du den Punkt erreichst, an dem dich alle lieben, hast du das Evangelium verlassen und verfolgst nicht mehr den Weg Jesu.
Abschluss: Jesu Antwort auf die Kritik und unser Auftrag
Ich habe keine Zeit, jetzt weiter über dieses Thema zu sprechen, denn ich muss zum Schluss kommen.
Vers 16 bis 17: Die Schriftgelehrten und Priester sahen das alles und hörten „Hosanna dem Sohn Davids“. Sie wurden unwillig (Vers 16) und sprachen zu Jesus: „Hörst du, was diese sagen?“ Jesus aber antwortete ihnen: „Ja, habt ihr nicht gelesen: Aus dem Mund der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet?“
Er verließ sie und ging zur Stadt hinaus nach Britannien und übernachtete dort. Wahrscheinlich brauchte er danach erst einmal ein gründliches Mittagsschläfchen.
Also, die Elite hört das alles. Ich komme jetzt wirklich zum Schluss. Die Elite, die religiöse Elite, ist überhaupt nicht damit einverstanden, dass gerade die Kinder Hosannerrufe entgegenschleudern und Jesus als den versprochenen König Israels darstellen. Aus deren Perspektive: Wie dumm können Kinder sein, um so etwas über Jesus zu sagen? Das ist die höchste Instanz, die wir uns vorstellen können. Das ist die höchste Erwartung, die wir in unseren alten Schriften haben. Und das soll dieser Jesus sein? Was für eine Anmaßung, sich als König Israels auszugeben!
Dann konfrontieren sie ihn. Und Jesus – ich liebe das – er denkt nicht eine Sekunde an Deeskalation. Ganz im Gegenteil: Jesus schraubt es noch ein bisschen höher. Diese Verheißung reicht Jesus nämlich nicht. Er sagt nicht: „Ja, ihr müsst verstehen, es sind Kinder.“ Er sagt auch nicht: „Lass es doch dabei stehen.“ Nein, das reicht ihm nicht. Er setzt noch einen drauf und reizt sie, indem er sehr sarkastisch wird.
Sie fragen ihn: „Hast du gehört?“ Und er fragt zurück: „Habt ihr nie gelesen?“ Diese Dynamik allein in den Worten – die Atmosphäre in der Luft muss zum Schneiden gewesen sein. „Hast du gehört? Habt ihr nie gelesen?“ Und das sagt er gerade zu denen, die es auswendig können. Nicht: „Habt ihr nicht gelesen?“, sondern: „Habt ihr nie gelesen?“
Dann zitiert er aus Psalm 8, dass Säuglinge schon loben werden und so weiter. Und dann ist es interessant: Wenn er so ein Wortzitat bringt, wissen die Schriftgelehrten ganz genau, wo das steht und was damit gemeint ist. Wer ist denn in Psalm 8 überhaupt gemeint?
Wir lesen Psalm 8,2-3: „Herr, oder Jahwe, oder Gott Israels, unser Herrscher, wie berühmt ist dein Name in aller Welt! Ja, auch am Himmel zeigst du deine Größe und Herrlichkeit. Schon Säuglingen und kleinen Kindern hast du dein Lob in den Mund gelegt, damit sie deine Macht bezeugen.“
„Das hast du so bestimmt, um deine Gegner zu beschämen, um jeden Feind und Rachsüchtigen zum Schweigen zu bringen.“
Die Kinder schreien: „Es ist der König Israels!“ Hörst du das, Jesus? „Ja, habt ihr nie gelesen, dass der Gott Israels ein Lob in die Münder von Kindern hineinlegt und sie ihm zurufen, damit die Feinde das Fürchten gelehrt bekommen?“
Liebe Schriftgelehrten, liebe Priester: Ich bin der König Israels, aber ich bin nicht nur der König Israels, ich bin auch der Gott Israels. Vor euch steht weit mehr. Ihr müsstet erzittern und erbeben vor mir. Ihr müsstet auf euer Angesicht fallen, weil euer Gott Jahwe vor euch steht.
Dieser Name ist berühmt geworden in aller Welt. Jeder kennt diesen Namen, und er wird auf jedem Kontinent angerufen. Vor allem sonntags, nicht nur sonntags – ich hoffe –, aber vor allem sonntags sind gerade mit uns sehr, sehr viele, die diesen Namen ausrufen und diesen Namen loben.
Ich möchte abschließen: Lasst uns ein Tempel sein. Lasst uns ein Tempel sein, wie Jesus es hier vorzeichnet. Lasst uns ein Tempel sein, ein Haus des Gebets. Das heißt, dass wir eine Leidenschaft für Gott haben.
Lasst uns tief verwurzelt im Wort Gottes sein und biblische Lehre mehr und mehr liebgewinnen. Lasst uns eine Sehnsucht nach dem Wirken des Geistes haben. Und vielleicht das Wichtigste, was die letzte Lektion des Bethauses ist: dass unsere Hingabe und unser Fokus auf das Zentrum gerichtet sind – auf Jesus Christus, auf unseren Gott und auf unseren König.
Amen. Lass uns aufstehen zum Gebet.
