Einführung in den Kern des Evangeliums
Römer 1, die Verse 3 und 4, da machen wir weiter. Wir haben uns eben damit beschäftigt, dass Paulus sich selbst vorgestellt hat und erklärt, dass seine Aufgabe darin besteht, das Evangelium zu verkünden.
Dieses Evangelium wurde bereits in alter Zeit durch die Propheten vorhergesagt und verheißen. Nun schauen wir uns das Evangelium genauer an und zoomen auf den Kern. Was steht im Zentrum des Evangeliums?
Im Zentrum des Evangeliums finden wir eine Person. Das ist es, was das Evangelium grundlegend von einer Philosophie unterscheidet. In der Philosophie steht ein bestimmter Lehrsatz im Mittelpunkt, zum Beispiel "Cogito, ergo sum" – ich denke, also bin ich. Das ist der Kern der Philosophie von Descartes.
Im Zentrum des Evangeliums steht jedoch eine Person, nämlich die Person Jesu. Es ist die Tatsache, dass Gott Mensch wurde und als Mensch das Evangelium für uns geboren und hervorgebracht hat. Dadurch wurde uns überhaupt erst eine Option eröffnet.
Die Person Jesu Christi im Evangelium
Es handelt sich um das Evangelium, Vers 3, das von seinem Sohn, dem Sohn Gottes, spricht. Der Begriff "Sohn Gottes" ist ein Titel, der die einzigartige Beziehung zwischen Gott, dem Vater, und dem Sohn ausdrückt.
Im Neuen Testament lesen wir zweimal die Worte: "Dies ist mein Sohn." Auch Jesus nennt sich selbst so und bekennt sich als Sohn des lebendigen Gottes. Heutzutage liest man oft, dass Jesus nie gesagt habe, er sei Gott. Aber in dem Moment, in dem er sagt: "Gott ist mein Vater, ich bin der Sohn Gottes", verstehen seine Zuhörer genau, was er meint.
Das können wir in Johannes 5 nachlesen. Jesus sagt es, und die Leute reagieren: "Wie, du machst dich Gott gleich?" Wer sich hinstellt und sagt: "Ich bin der Sohn Gottes", bringt damit zum Ausdruck: "Ich bin Gott."
Der Titel "Sohn Gottes" beschreibt Jesu Göttlichkeit und offenbart ihn als Teil der Trinität. Deshalb taufen wir auch auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der Sohn Gottes ist Gott.
Die zwei Phasen der Karriere des Sohnes Gottes
Über seinen Sohn kommen nun zwei wichtige Aspekte zur Sprache. Man kann sagen, dass die Karriere des Sohnes Gottes zwei Phasen hat: eine Phase der Erniedrigung und eine Phase der Erhöhung.
Die Erniedrigung beginnt in dem Moment, in dem das ewige Wort Gottes Fleisch wird. Für Gott ist es kein Aufstieg, sondern ein Abstieg, Mensch zu werden. Der Schöpfer, in dessen Ebenbild wir geschaffen sind, macht sich uns gleich und wird Mensch.
Im Vers 3 wird deutlich, dass Jesus aus der Nachkommenschaft Davids stammt, und zwar dem Fleisch nach. Das bedeutet: Er ist nach menschlicher Natur, nach dem, was wir anfassen können, nach dem, was man in Bezug auf seine Menschlichkeit sehen kann, ein Nachfahre Davids.
Ist Jesus also wirklich ein Nachfahre Davids? Ja, und das musste so sein. Auch im Alten Testament stand fest, dass der Messias ein Nachfahre Davids sein wird.
Deshalb beginnt das Matthäusevangelium im ersten Kapitel mit dem Satz: „Das Buch des Geschlechts Jesu Christi, des Sohnes Davids.“ Für uns heute mag das unwichtig erscheinen – wer fragt schon bei einer Person, wie die Eltern oder Urgroßeltern heißen und ob sie aus einem guten Stammbaum stammen? Heute ist das oft egal, doch in der damaligen Zeit war das ganz anders.
Wenn jemand behauptet, der Messias zu sein, dann will man sehen, dass seine Linie bis zu David zurückverfolgt werden kann. Matthäus beweist genau das in seinem Evangelium, das explizit an Juden gerichtet ist. Gleich zu Beginn sagt Matthäus: Ich kann euch zeigen, dass Jesus dem Fleisch nach ein Nachkomme Davids ist.
Die Erhöhung durch den Heiligen Geist und die Auferstehung
Und dann heißt es hier in Vers 4: „Und als Sohn Gottes in Kraft eingesetzt.“ Das ist jetzt schwierig übersetzt, und ich möchte das ein klein wenig erklären. Dieses Wörtchen „in Kraft“ klingt im Deutschen so, als würde es sich auf „eingesetzt“ beziehen. Das ist aber nicht richtig. „In Kraft“ muss sich auf „Sohn Gottes“ beziehen. Es ist der kräftige, der kraftvolle, der starke Sohn Gottes.
Und als kräftiger Sohn Gottes eingesetzt vom Geist der Heiligkeit – auch wieder eine dieser Übersetzungen, bei denen man sich fragt, wer den Übersetzer geritten hat. Wirklich, denn das ist schlicht und ergreifend der Heilige Geist. Man kann es so schreiben, es ist wortwörtlich eins zu eins übersetzt, nur ist es für uns heute nicht mehr verständlich.
Also: Er ist als kraftvoller oder als kräftiger Sohn Gottes vom Heiligen Geist eingesetzt worden. Und zwar aufgrund oder wegen der Totenauferstehung. Auf der einen Seite haben wir ihn als Mensch, den Sohn, der dem Fleisch nach, der Niedrigkeit nach Mensch ist, genauso wie es verheißen ist. Aber er bleibt da nicht stehen.
Der Heilige Geist setzt ihn als kraftvollen Sohn Gottes, als den erhöhten Herrn, durch die Totenauferstehung ein. Dadurch, dass er eben nicht tot bleibt, sondern wieder lebendig wird, und dadurch, dass das Grab leer ist. In seine Funktion als Retter und als Richter dieser Welt.
Wir müssen einfach verstehen, dass Jesus diese zwei Seiten hat.
Die zwei Seiten Jesu: Schwäche und Stärke
Wir lesen in den Evangelien etwas von Jesus, und manchmal wirkt er dabei schwach. Die Gefahr besteht darin, dass wir nur diese Seite von Jesus sehen: den Wanderprediger, der zwar auf jede Frage eine Antwort und auf jedes Problem eine Lösung hat, aber dennoch eine menschliche Seite zeigt.
Paulus sagt: Ja, das stimmt. Das ist eine Seite von Jesus. Gott wird Fleisch, macht sich klein – so klein, dass er in eine Krippe passt. So verwundbar, dass er an einem Kreuz für uns verbluten kann.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch den Moment, in dem das Grab plötzlich leer ist und vor uns der auferstandene Herr steht. In Psalm 2 heißt es: „Heute habe ich dich gezeugt, heute habe ich dich zum König eingesetzt über die ganze Erde.“
Im Geschehen von Kreuz und Auferstehung – und, wenn man will, auch der Himmelfahrt – wird eine zentrale Frage beantwortet. Diese Frage zieht sich über Jahrhunderte und Jahrtausende durch die Bibel und baut sich immer weiter auf: Wird Gott mit seinem Plan zum Ziel kommen?
Gott verspricht, dass es einen Retter geben wird. Das verkünden die Propheten. Doch wenn man sich die Geschichte anschaut, fragt man sich: Wo bleibt dieser Retter? Nach dem letzten Propheten Maleachi, der etwa 400 Jahre vor Christus lebte, herrscht eine lange Sendepause. Die Probleme sind weiterhin da. Kommt Gott mit seiner Idee eines Retters wirklich zum Ziel?
Währenddessen arbeitet der Teufel Schritt für Schritt daran, Menschen zu zerstören. Wird Gott das Problem des Bösen in den Griff bekommen? Diese Frage stellt sich genau in dem Moment, in dem Jesus kommt.
Am Kreuz wird die Antwort klar und deutlich gegeben: Es ist vollbracht! Ja, Gott wird mit seinem Plan zum Ziel kommen. Ja!
Die Bedeutung der Schwäche und das Angebot der Rettung
Wie macht er das? Indem er Mensch wird und stirbt, indem er schwach wird.
Warum macht er das? Weil Schwäche das Einzige ist, was der Teufel nicht für sich benutzen kann.
Da, wo wir schwach werden, wo jemand dich schlägt und du sagst: „Ich schlage nicht zurück“, wo jemand dich beleidigt und du beleidigst nicht zurück – in diesen Momenten, in denen wir schwach werden, setzen wir dem Bösen das Einzige entgegen, was wirklich Sinn macht: unsere Schwäche.
Wenn du sagst: „Wenn mich jemand schlägt, schlage ich zurück“, oder „Wenn mich jemand beleidigt, gebe ich dem so eine Kante“, dann machst du nichts Gutes. Du fügst einer bösen Sache nur eine weitere böse hinzu. Du spielst dem Teufel nur in die Hände.
Aber in dem Moment, wo du dem Bösen mit Schwäche begegnest, stoppt es. Wenn du ärgerlich werden willst und es nicht wirst, rettest du die Situation.
Im Extremfall passiert genau das am Kreuz: Gott wird schwach. Er wird so schwach, dass er den Schlägen des Teufels nichts entgegensetzt. Obwohl er sündlos ist, stirbt er am Kreuz für uns.
Seine Schwäche ist unsere Chance. Und deswegen kommt er wieder aus dem Grab. Deshalb steht er heute da als die Nummer eins im Universum.
Es gibt ein Lied, das heißt „The Champion“ – der Champion, er ist der Champ, derjenige, auf den du dich einfach verlassen kannst. Warum? Weil er der Einzige ist, der vom Bösen nicht überwunden wurde, sondern der das Böse überwunden hat. Und zwar durch Gutes, durch Schwäche bis ans Kreuz.
Aus dieser Position der Stärke heraus kann er uns ein Angebot machen und sagen: „Ich bin durch die Auferstehung von Gott eingesetzt als der mächtige Sohn Gottes. Ich stehe hier mit dem Evangelium, dem Zentrum des Evangeliums, um dir das Angebot zu machen, gerettet zu werden.“
Er ist, wie es im Text heißt, Jesus Christus, unser Herr.
Paulus’ Apostelamt und sein Lebensziel
Vers: Das Apostelamt des Paulus – durch ihn, durch diesen Herrn, der lebt und regiert – haben wir Gnade und Apostelamt empfangen für seinen Namen. Das heißt: zur Ehre seines Namens.
Das ist das ultimative Ziel im Leben von Paulus: Er möchte sein Leben für diesen Jesus einsetzen, damit er erhoben wird, damit man ihn kennenlernt und damit die Menschen hoch von ihm denken.
Ich glaube, das ist auch ein gutes Ziel für uns.
Zum Glaubensgehorsam unter allen Nationen werde ich später noch etwas sagen, insbesondere dazu, was dieser Glaubensgehorsam bewirken soll.
Der Ruf Gottes und die Berufung der Gläubigen
Vers 6: Unter denen seid auch ihr, die Berufenen Jesu Christi.
Gott ruft – er ruft in diese Welt hinein, und das auf verschiedene Weise. Ich glaube, dass, wenn wir von Gott angesprochen werden und den Ruf Gottes hören, dieser Ruf zunächst an jeden Menschen ergeht. Es ist ein Ruf, den man auf unterschiedliche Weise wahrnehmen kann.
Ganz unmittelbar geschieht das zum Beispiel in dem Moment, wenn jemand eine Predigt über das Evangelium, über Jesus, hört. An dieser Stelle ist der Ruf sehr, sehr nah. Aber ich weiß, dass viele Menschen von Gott auch durch ganz andere Dinge angesprochen werden.
Manch einer steht auf einem Berg, schaut sich das Panorama an und denkt: „Boah, es muss Gott geben!“ Wie man auf so einen Gedanken kommt, schauen wir uns morgen genauer an. Aber in diesem Moment ist eine Ansprache Gottes da.
Oder jemand sündigt und merkt plötzlich: „Ich brauche jemanden, der mir hilft, ich bin in großer Not.“ Nicht nur der Bergsteiger, der abstürzt und dann schreit: „Gott, hilf!“, sondern ganz anders, in Situationen, in denen ich Menschen verletze oder an Punkte in meinem Leben komme, an denen ich merke, so geht es alleine nicht weiter.
Ich weiß nicht, wie die Ansprache Gottes in deinem Leben ausgesehen hat, aber mich beeindruckt, dass Gott einer ist, der ruft, der uns ruft. Und dort, wo wir antworten, macht er uns zu Berufenen. Er macht uns zu Menschen, die auf seinen Wunsch eingehen, gerettet zu werden.
Das ist ein bisschen wie eine Einladung zum Geburtstag, die an alle Menschen rausgeht. Einige nehmen diese Einladung an und sagen: „Ja, ich will bei der Feier dabei sein.“ Dann schaut Gott herum und sagt: „Das sind meine.“
Heute würden wir nicht mehr von Berufenen sprechen, sondern von Gästen. Wir sind Gäste Gottes, wie auch die Römer: „Allen Geliebten Gottes, Berufenen Heiligen in Rom.“
Gott liebt die Welt, er liebt alle Menschen. Deshalb stirbt er auch für alle Menschen. Aber diejenigen, die seine Liebe erwidern und sagen: „Ich möchte etwas von dem erfahren, was du mir hier anbietest, ich möchte mich auf dein Angebot einlassen, ich möchte das Leben,“ sind in besonderer Weise Geliebte. Sie sind die Berufenen Heiligen.
Bedeutung des Begriffs „Heilige“ und der Segen
Das Wort Heilige
Ein Begriff, den wir heute selten verwenden: „heilig“ bedeutet abgesondert für Gott. Wenn etwas heilig ist, dann ist es für Gott bestimmt und von allem anderen getrennt.
Im Alten Testament ist zum Beispiel die Stiftshütte heilig. Man darf in der Stiftshütte nur Gott opfern. Sie ist für Gott da. Auch die einzelnen Instrumente, die dort stehen – der Leuchter, der Schaubrottisch, der Räucheraltar – sind alle heilige Gegenstände. Sie sind für Gott bestimmt.
Jemand, der sich dem Evangelium öffnet, öffnet sich Gott und der Person Jesu. Er tritt in eine Beziehung ein und ist in diesem Moment ein Heiliger. Nicht, weil er immer alles richtig macht. Ein Heiliger ist durchaus jemand, der noch Fehler macht. Aber in dem Sinn, dass Gott ihn für seine Zwecke ausgesondert hat. Gott sagt: „Ich möchte dich einsetzen für meine Sache, du gehörst mir.“ Das ist ein Heiliger.
Und dann, in Vers 7, folgt erst ein Segen und dann ein Gebet: „Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“ Das erinnert ein wenig an typische Schluss- oder Begrüßungsformeln in Standardbriefen. Allerdings ist es ein bisschen abgewandelt. Man liest: „Gnade euch und Friede“, da haben wir es. Das ist typisch christlich.
Paulus sagt: „Ich wünsche euch Gnade und Friede.“ Er wünscht uns eigentlich das, womit das Glaubensleben anfängt. Nämlich die Tatsache, dass Gott uns gnädig ist und uns beschenken möchte. Gnade hat viel mit unverdienter Gunst zu tun: Gott begegnet mir als jemand, der sagt: „Du verdienst es nicht, aber ich schenke es dir trotzdem.“
Friede ist das, wo wir hinkommen. Wenn wir uns auf die Gnade einlassen, kommen wir durch den Glauben zu dem Frieden mit Gott.
Die Bedeutung von Gnade im Glaubensleben
Und jetzt stellt sich immer die Frage: Was bedeutet es, wenn jemand einem anderen Gnade und Frieden wünscht? Man könnte ja sagen: „Ich habe das doch schon. Warum sollte ich das noch einmal bekommen, wenn ich es bereits habe?“ Ich habe Frieden mit Gott, und das stimmt. Das ist biblisch. Ich bin begnadigt, das ist total biblisch, wenn ich glaube.
Und trotzdem wünscht Paulus den Römern: „Ich wünsche dir Gnade und Frieden.“ Ich denke, das hat damit zu tun, dass wir Gnade nicht mit Begnadigung verwechseln dürfen. Es ist nicht der Moment, in dem wir einmal Vergebung empfangen. Gnade ist etwas viel Weiteres, ein umfassendes Konzept.
In der Bibel finden wir Aussagen wie: „Wir warten auf die Gnade, die uns noch gebracht wird.“ Wir finden auch Aussagen wie: „Dass wir jeden Tag Gnade zur rechtzeitigen Hilfe brauchen.“ Und wir finden die Aussage, dass wir begnadigt sind.
Merkt ihr das? Wir sind also Begnadigte, um begnadigt zu werden und heute in der Gnade zu leben. Unser ganzes Leben als Christ hat mit Gnade zu tun. Es ist nicht so, dass Gott einmal sagt: „So, jetzt sind deine Sünden vergeben, und jetzt renn allein. Du wirst dein geistliches Leben schon irgendwie hinkriegen.“ Sondern Gott sagt: „Jetzt, wo du zu mir kommst und diesen ganzen Ballast deiner Schuld bei mir abgelegt hast und angefangen hast, mit mir zu leben, möchte ich dir zeigen, wie das funktioniert.“
Und weißt du was? Du wirst jeden Tag meine Gnade brauchen, jeden Tag musst du mit deinen Fehlern wiederkommen. Denn du bist in einem Prozess. Du bist nicht von heute auf morgen vom Sünder zum Perfekten geworden, sondern es ist eine Entwicklung. Auf dieser Entwicklung möchte ich dich begleiten, mit dir gehen. Du musst keine Angst haben.
Das ist immer das, worin man so reinfällt: „Huch, jetzt lebe ich mit Gott, was ist, wenn ich einen Fehler mache?“ Aber Gott sagt die ganze Zeit: „Ich weiß, dass du Fehler machen wirst. Das ist nicht mehr der Punkt. Ich bin für deine Fehler gestorben.“ Als ich ja gesagt habe zu dir, bin ich für jeden blöden Gedanken gestorben, den du in deinem Leben noch tun wirst. Ich bin für jede Sünde gestorben, die du tun wirst.
Ich wusste das vorher. Wenn Gott zu mir ja sagt: „Ich will dich, Jürgen“, dann weiß er, dass ich heute Nachmittag mal wieder geschafft habe, meine Frau zu entmutigen und mich bei ihr entschuldigen musste. Ja, das ist blöd gelaufen. Ich arbeite daran, vielleicht bin ich in zehn Jahren so weit, dass ich diesen Teil meines Lebens auch irgendwie unter die Füße kriege.
Aber Gott wusste das schon vor 22 Jahren. Er wusste, dass ich am 7. September 2009 mal wieder meiner Frau, die ein bisschen Ermutigung gebraucht hätte, nur mit meiner Holzhammer-Methode eins auf den Deckel gebe. Das wusste er vorher. Es war nicht so, dass er an diesem Nachmittag, als ich spazieren ging und Gott bekannte, gesagt hätte: „Boah, wenn ich das vorher gewusst hätte, dass du das machst, hätte ich dich nicht genommen.“
Okay, wir leben in der Gnade. Es startet mit Gnade, weil ich nichts bringen kann. Ich kann doch heute auch nicht sagen: „Jetzt musst du mir aber vergeben, weil ich am Sonntag...“ Das war ganz schön schwierig. Ich bin morgens losgefahren nach Sachsen, habe am Nachmittag gepredigt und abends noch ein schwieriges Gespräch geführt. Also das muss doch mindestens reichen als Pendant zu der einen Sünde. Das ist doch Quatsch.
Egal, wie heilig du lebst, egal, was du richtig machst – du wirst für jede Sünde neu Gottes Gnade brauchen. Gott sagt: „Ich möchte sie dir schenken.“ Du brauchst nur kommen und sagen: „Vater im Himmel, bitte vergib mir das Übermorgen.“ Und Gott sagt: „Super, sehe ich auch so.“ Bekennen heißt dasselbe sagen.
Wenn ich zu meiner Sünde „Sünde“ sage, sagt Gott: „Super, dann ist alles in Ordnung.“ Solange ich meine Sünde verstecke oder beschönige, funktioniert das zwischen Gott und mir nicht. Also leben wir in der Gnade.
Wenn ich euch Gnade wünschen würde – und das möchte ich tun – dann wünsche ich euch, dass ihr dieses dynamische Konzept von Gnade versteht. Dass ihr begreift: „Hey, ich lebe aus Gnade.“ Und wenn der Herr Jesus kommt, was bringt er mit? 1. Petrus 2, Gnade. Warum? Weil es noch genug gibt, was in meinem Leben nicht in Ordnung ist und ich vielleicht auch nie in Ordnung gebracht habe.
Aber Gott sagt: „Kein Problem, ich habe genug Gnade für dich.“ Und das zu verstehen, wirklich so zu umfassen und zu sagen: „Das möchte ich festhalten, dieses Wissen, dass Gott mich liebt, dass ich begnadigt bin und aus der Gnade heraus lebe.“ Später werden wir im Römerbrief sehen, dass die Gnade uns erzieht, dass sie in uns eine Kraft ist.
Denn wenn ich verstanden habe, was es heißt, begnadigt zu sein, dann ist das ein unglaublicher Motor in mir. Er bringt mich dazu zu sagen: „Jetzt zünde ich durch, jetzt fange ich an, Beziehungen mit anderen Menschen zu leben, jetzt Evangelisation, jetzt Heiligkeit.“
Das ist es, was Gott tut: Er ersetzt die Furcht vor der Strafe durch eine von Gnade motivierte Liebe zur Veränderung – hin zu seinem Ebenbild.
Die Bedeutung des Friedens im Glaubensleben
Und das Zweite, was hier steht, ist Friede. Auch hier könnte man sagen: Ich habe doch Frieden mit Gott. Dabei gilt genau dasselbe, was ich eben für die Gnade gesagt habe. Friede ist nicht statisch. Friede will erfahren und durchdacht sein.
Friede bedeutet natürlich mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Im Hintergrund steckt ein Begriff, der aus dem Judentum stammt. Es ist ein umfassendes Wohlbefinden in allen Bereichen: in meinen Beziehungen, meinem Körperlichen, meinem Geistigen und meinem Geistlichen.
Wenn ich also sage: Ich wünsche dir Friede, dann wünsche ich dir, dass du in diesem Maß gesund und heil wirst. Auch das ist ein Prozess, bei dem wir als Christen Schritt für Schritt weitergehen. Wir werden heiler, gesünder und klarer im Denken.
Wir erfahren, dass Dinge, die uns früher kaputt gemacht, gebunden oder Angst gemacht haben, ihre Sogwirkung verlieren. Vielleicht sind sie nicht völlig weg. Ich glaube, dass man bestimmte Dinge bis zum Lebensende irgendwie behält. Aber das Gekettetsein wird weicher, und man erlebt vorsichtige Siege. Man kann sich wirklich von Dingen distanzieren und bekommt wieder einen Blick für ganz neue Perspektiven des Lebens. Man erhält neue Hoffnung.
Das ist der Begriff Friede: ein umfassendes Heilwerden. Wenn ich also jemandem Gnade und Friede wünsche, dann wünsche ich ihm eigentlich, dass er begeistert ist von dem, was Gott für ihn getan hat. Dass er erkennt, wie sehr das eine Realität ist, und dass er diese Realität in alle Bereiche seines Lebens umsetzt.
Paulus’ persönliche Bemerkungen und Gebet für die Gemeinde
Die Verse 8 bis 15 enthalten persönliche Bemerkungen, die Paulus macht. Er sagt in Vers 8: „Aufs Erste danke ich meinem Gott durch Jesus Christus euer allerwegen, dass euer Glaube verkündigt wird in der ganzen Welt.“ Überall, wo Paulus hinkommt, redet man davon, dass es auch in Rom, der Hauptstadt, eine Gemeinde gibt.
In Vers 9 heißt es: „Denn Gott ist mein Zeuge, dem ich in meinem Geist im Sinne von mit ganzem Herzen diene.“ Wenn Paulus sagt, er diene in seinem Geist, dann meint er damit, dass er eine ganz tiefe innere Motivation hat. Heute nennt man das eine intrinsische Motivation. Er tut das nicht einfach aus Selbstsucht, Gesetzlichkeit oder Pflichtgefühl, sondern er ist wirklich begeistert. Das ist sein Ding. Er möchte seinen Dienst gut machen.
Paulus fährt fort: „Gott ist mein Zeuge, dem ich in meinem Geist an dem Evangelium seines Sohnes diene, wie unablässig ich euch erwähne, allezeit in meinen Gebeten.“ Ihr wisst, dass mich Paulus und sein Gebetsleben fasziniert. Das habe ich euch letztes Jahr im Philippabrief schon gesagt: Hier ist jemand, der für eine Gemeinde, die er nicht persönlich kennt, regelmäßig Fürbitte tut. Das muss für uns Ältere ein Vorbild sein. Die Jüngeren können an dieser Stelle noch ein bisschen üben.
Für uns Ältere denke ich, ist es ein echtes Vorbild, über unsere Gemeindegrenzen hinauszuschauen und für andere Gemeinden zu beten – und nicht nur einmal, sondern immer wieder. Ich glaube, dass das wirklich etwas ist, was mit dem Alter zunehmen muss. Wir haben eine Verantwortung – ich sage das jetzt für mich – für die Gemeinden in Spandau. Ich bete für jede einzelne Gemeinde in Spandau, die ich kenne.
Warum? Weil ich nicht mit einer Gemeinde im luftleeren Raum schwebe, sondern weil wir eine Gemeinschaft sind. Paulus sagt: „Ich bete für euch, weil euer Glaube verkündigt wird.“ Er betet sogar für Gemeinden, mit denen er theologisch nicht so viel anfangen kann. Er weiß ganz genau, dass es dem Evangelium und dem Ansehen des Christseins in der Stadt schadet, wenn diese Gemeinden untergehen. Das müsste eine Motivation sein – wenn es nicht die Liebe zu den Geschwistern dort ist.
Paulus sagt: „Ich bete allezeit in meinen Gebeten, indem ich flehe, ob ich nun endlich einmal durch den Willen Gottes so glücklich sein möchte, zu euch zu kommen.“ Es hat nicht geklappt, und er sagt ihnen: „Hey, ich komme nicht zu euch, aber es ist nicht so, dass ich es nicht wollte. Ich würde gern zu euch kommen, aber es klappt irgendwie nicht.“ Er betet ständig für sie und bittet darum, dass er zu ihnen kommen kann.
In Vers 11 heißt es: „Denn mich verlangt sehr, euch zu sehen, damit ich euch etwas geistliche Gnadengabe mitteile.“
Die geistliche Gnadengabe und das Ziel der Gemeindeerstärkung
In der Bibel ist das Konzept der Gnadengabe sehr vielfältig. Gott begabt Menschen, und diese Gaben können ganz praktisch sein. So würde man die Gnadengabe des Dienens heute vielleicht als die eines Haushandwerkers bezeichnen.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch ganz außergewöhnliche Gnadengaben, die sich bis hin zu Wundern erstrecken. Solche Wunder erlebt heute wohl kaum jemand so, wie sie in der Bibel dargestellt werden.
Das Spektrum der Begabungen, die Gott in Menschen legt, ist also sehr groß. Paulus sagt, dass er den Gläubigen von seiner geistlichen Gnadengabe mitteilen möchte. Bei Paulus ist das ziemlich klar: Er ist Prediger, Lehrer, Apostel und jemand, der Gemeinden aufbaut. Er möchte von dieser Gabe etwas weitergeben. Er hat das Verlangen, die Gläubigen zu stärken.
Und jetzt kommt die Wahrheit ans Licht: Es ist eben doch nicht alles bei euch in Ordnung. Paulus tut es leid, den Römern das schreiben zu müssen. Aber ein kleines bisschen stabiler könnten sie schon sein.
Alle reden von euch: Wenn es bei euch gut läuft, seid ihr eine Ermutigung für den Rest der Welt. Läuft es aber schief, seid ihr der Witz der ganzen Welt. Paulus würde gerne ein paar Predigten halten und persönliche Gespräche führen, damit einige Dinge, die die Römer nicht richtig sehen, wieder in den Blick kommen.
Man könnte denken: „Mann, Paulus, du bist aber einer! Denkst du nicht ein bisschen zu hoch von dir?“ Paulus sagt aber gleich, dass das nicht alles ist. Obwohl er konkreten Bedarf und Handlungsbedarf in Rom sieht und die Gemeinde stärken möchte, weiß er, dass das nur eine Seite der Medaille ist.
Gegenseitige Ermutigung im Glauben
Vers zwölf
Das heißt, um bei euch mitgetröstet zu werden, muss jeder durch den Glauben, der im anderen ist, gestärkt werden. Ich sage euch das gerne: Wenn ich bei euch in Schwante bin, macht mir das viel Spaß. Es ist schön, mit euch zusammen zu sein, denn ihr seid eine sehr freundliche Gemeinde. Ihr lobt gerne, gebt gutes Feedback, und oft fahre ich nach Hause und denke: „Boah, das hat Spaß gemacht.“ Ja, einfach Spaß.
Es gibt verschiedene Gemeindetypen, und es gibt auch Gemeinden, in denen man das nicht so erlebt. Deshalb seid ihr etwas Besonderes. Ihr habt ein gutes Gefühl, zumindest im Umgang mit mir. Ihr tut mir gut.
Es ist immer ein Miteinander, wenn sich Christen treffen. Es ist nie so, dass nur einer gibt und der andere die Hände aufhält, um zu empfangen. Das wäre Schmarotzertum. Echtes Christsein bedeutet immer, dass jeder gibt und jeder empfängt. Das gilt sogar für einen Apostel.
Ein Apostel gibt viel. Paulus kann an dieser Stelle unendlich viel geben: tolle Predigten, wertvolle Erfahrungen, sein ganzes Know-how in Gemeindeentwicklung und Organisation. Aber Paulus weiß auch: Wenn ich das mache, werde ich immer auch mitgetröstet. Das Glaubensleben der Geschwister in Rom wirkt sich positiv auf Paulus aus. Er empfängt immer, sowohl von euch als auch von sich selbst.
Paulus’ Wunsch, Frucht in Rom zu sehen
Vers 13
Ich will aber nicht, dass euch unbekannt sei, Brüder, dass ich mir oft vorgenommen habe, zu euch zu kommen. Ihr erinnert euch sicher an den Frustbrief. Ja, ich habe es ein- oder zweimal probiert. Blöderweise war immer das Reisebüro zu.
Ich habe es also oft versucht und immer wieder probiert, doch bis jetzt wurde es verhindert. Mein Wunsch ist es, unter euch einige Frucht zu haben.
Wenn ein Lehrer oder ein Apostel über Frucht spricht, denkt er auf der einen Seite an Menschen, die zum Glauben kommen. Gleichzeitig denkt er aber auch daran, dass Menschen in ihrem Glaubensleben weiterkommen. Es geht darum, dass sie bestimmte Dinge, die ihr Leben blockieren, überwinden und so ein besseres Zeugnis für den Herrn Jesus werden.
„Damit ich auch unter euch einige Frucht haben möchte, wie auch unter den übrigen Nationen.“ Das Wort „Nationen“ in dieser Übersetzung bedeutet nicht „Nation“ im heutigen Sinne, sondern eigentlich „Heiden“.
Paulus’ Verpflichtung gegenüber allen Menschen
Vers 14: Sowohl Griechen als auch Nichtgriechen, sowohl Weisen als auch Unverständigen bin ich ein Schuldner. Dieser Begriff „Schuldner sein“ drückt eine tiefe Verpflichtung aus.
Paulus fühlt sich diesen Menschen verpflichtet, weil Jesus ihn vor Damaskus beauftragt hat, das Evangelium zu ihnen zu tragen. Er ist der Apostel der Heiden. Und als Apostel der Heiden betont er noch einmal in Römer 11, dass er keine Freiheit hat, zu entscheiden, wem er das Evangelium verkündet. Er hat einen klaren Auftrag erhalten.
Deshalb merkt er immer wieder: Ich bin noch nicht fertig. Das ist so, als würde jemand sagen: Ich habe da noch etwas zu erledigen, so wie ein Schüler, der denkt: Ich habe noch eine Hausaufgabe zu machen. Ich weiß, die brauche ich erst am Freitag, aber heute ist Montag. Und jetzt habe ich die ganze letzte Woche vor mir hergeschoben. Jeden Tag wächst die Dringlichkeit ein wenig.
Irgendwann ist Donnerstagabend, und man denkt sich: Morgen muss ich sie eigentlich erledigen. So sagt Paulus: Ich bin Schuldner, ich bin verpflichtet euch gegenüber. Gott hat mich beauftragt, das Evangelium gerade zu euch zu bringen – zu Menschen mit einem heidnischen Hintergrund und über euch hinaus.
Ihr nehmt eine zentrale Stellung im römischen Reich ein. Wenn es bei euch läuft, dann läuft es überall, weil man sich an euch orientiert. Wenn es bei euch nicht läuft, strahlt das auch irgendwie – allerdings negativ – in die ganze Welt aus.
Ich bin Schuldner. Dementsprechend …
Paulus’ Bereitschaft zur Evangeliumsverkündigung
Vers 15: Ich bin so willig an mir selbst, auch euch, die ihr in Rom seid, das Evangelium zu verkündigen. Die nächsten beiden Verse lohnen sich, auswendig gelernt zu werden.
Wenn ihr euch jeden Tag vornehmt, ein oder zwei Verse auswendig zu lernen, um den Kerngedanken der Predigt dadurch festzuhalten, ist das in meinen Augen vielleicht der intelligenteste Ansatz, um biblische Inhalte langfristig zu bewahren.
Deshalb würde ich zu Römer 1,16-17 raten. Es sind zwei Verse, die man einfach braucht. Sie erklären, warum Paulus bislang gezögert hat oder was für ihn kein Problem war, um nach Rom zu kommen.
Denn er sagt: Ich schäme mich des Evangeliums nicht.
Die Kraft und Bedeutung des Evangeliums
Mit Vers 16 und 17 kommen wir langsam zum Hauptteil. Paulus sagt: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht.“ Er hat nicht das Problem, dass das Evangelium etwas wäre, das er anderen Leuten nicht erklären kann. Allerdings sagt er an anderer Stelle: „Immer dann, wenn ich das Evangelium jemandem erkläre, gibt es diesen Moment, wo ich mich irgendwie zum Eumel mache.“ Und ich weiß, dass das stimmt.
Immer wenn ich eine evangelistische Predigt halte – von vorne – kommt dieser hässliche Moment, in dem ich jemandem, den ich gar nicht kenne, sagen muss: „So, und jetzt muss ich dich mit der Realität konfrontieren, dass du ein Sünder bist.“ Ich weiß, in diesem Moment würde er mich nicht mögen. Denn niemand möchte hören, dass er ein Sünder ist. Aber es gehört dazu.
Solange ich das nicht annehmen kann – dass ich verloren bin und Gott mich retten möchte – solange ich immer noch denke, ich sei einer von den Guten und eigentlich sei alles in Ordnung, und die zwei, drei Sachen, die nicht in Ordnung sind, kriege ich auch noch hin, wenn ich mich ein bisschen anstrenge und wenn Jesus mir vielleicht in der Bergpredigt noch so zwei, drei Tipps gibt – solange kann mir nicht geholfen werden.
Das heißt, wenn ich das Evangelium predige, muss ich den Leuten sehr deutlich sagen: „Hör her, du bist verloren. Ja, verloren. Richtig aussichtslos verloren.“ Und das ist der Moment, in dem man sich zum Deppen macht, weil die Leute sagen: „Wer ist der denn da draußen oder der da oben auf der Kanzel?“ Und genau das meint Paulus, wenn er davon spricht: „Wir sind Narren um Christi willen geworden.“
Das Kreuz ist eine Torheit, eine Dummheit. Wie kann jemand glauben, dass Gott Menschen rettet? Na gut, das geht vielleicht. Aber dass Gott an einem Kreuz stirbt? Heutzutage wäre das der elektrische Stuhl, das Pendant. „Auf einem elektrischen Stuhl stirbt für mich? Ey Mann, wo nimmst du das denn her?“
Und die Gefahr, sich des Evangeliums zu schämen, ist groß. Man schiebt vielleicht eher das Karitative unseres Glaubens heraus, so nach dem Motto: „Schau mal, wir haben auch das Rote Kreuz gegründet. Wir waren auch Christen. Und wenn es hier um die Kinderspeisung in Hellersdorf-Marzahn geht, sind auch Christen dabei.“ So schiebt man das Ganze Soziale vor, um nicht sagen zu müssen, dass es eigentlich ein Abfallprodukt unserer Liebe zu den Menschen ist.
Diese Liebe haben wir von jemandem gelernt, der für uns gestorben ist und uns seine Liebe gezeigt hat. Deswegen machen wir das. Aber das steht nicht im Zentrum unseres Glaubens – dass wir das Rote Kreuz gründen oder dass wir Kinder speisen. Es ist schön, wir machen das richtig, ich bin voll dafür. Aber es ist nicht das Zentrum unseres Glaubens.
Im Zentrum steht, dass einer für uns gestorben ist. Die Gefahr, sich dessen zu schämen, ist groß, denn es kommt der Moment, in dem man sich selbst hinstellt und sagt: „Du bist einer, der Jesus braucht.“ Und wenn du Jesus dein Leben nicht übergibst, wenn du dieses Angebot nicht annimmst, dann wirst du in alle Ewigkeit – das heißt in der Zeit, in der es keine Zeit mehr gibt – verloren gehen. Du gehst in die Hölle.
Paulus sagt: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht.“ Er weiß, dass es diesen Moment gibt, wenn er das predigt, aber er schämt sich des Evangeliums nicht. Warum? Weil es Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden ist.
Das, was uns motiviert, diesen Moment zu akzeptieren, in dem wir uns vielleicht zum Depp machen, ist die Gewissheit, dass wir, wenn wir jemandem das Evangelium präsentieren und ihm sagen: „Jesus ist für dich gestorben“, die Kraft Gottes bringen. Wir bringen das Dynamit Gottes, das die Ketten sprengt, an denen der Mensch hängt, die ihn fangen – all die falschen Denkmodelle, die Süchte und das Verlorensein.
Wir bringen das Dynamit Gottes an die Stelle in seinem Leben, wo man es zünden kann, und jemand wird wirklich frei. Frei von der Schuld seiner Sünde, befreit zu einem kraftvollen Umgang mit der Sünde, befreit auf lange Sicht von der Gegenwart der Sünde in der Gegenwart Gottes – in der Ewigkeit.
Die Frage ist, ob wir das glauben. Ob wir zutiefst glauben, dass wenn wir das Evangelium, die Botschaft von dem Herrn Jesus, einem Menschen bringen, wir damit etwas Gutes tun. Und nicht nur etwas Gutes, sondern das Einzige, was einem Menschen helfen kann. Dass wir das Beste tun. Und nicht irgendjemandem, sondern jedem Glaubenden.
Jeder Mensch, der glaubt – sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen, das heißt allen Arten von Menschen, die glauben – kann Rettung finden. Er kann die Kraft Gottes im Evangelium erfahren.
Die drei Aspekte des rettenden Glaubens
Und jetzt stellt sich die Frage: Was bedeutet Glauben? Ich möchte euch das kurz erklären. Glaube, echter rettender Glaube, besteht aus drei Teilen.
Der erste Teil – Rudi schmunzelt, weil du es schon mal gehört hast, ich weiß auch wann – hat immer mit dem Inhalt zu tun. Ich kann nicht glauben, woran ich will, sondern ich muss an das Evangelium von dem Herrn Jesus glauben. Ich muss an Jesus glauben und verstehen, wer Jesus ist.
Das ist auch das große Drama, das sich um viele Sekten rankt, wo Leute total hingegeben ihren Glauben, ihre Art von Glauben leben. Aber im zweiten Johannesbrief, Vers 9, heißt es, dass, wenn man die Lehre vom Christus nicht hat, wenn diese grundlegenden Dinge über Jesus im eigenen Verständnis nicht stimmen, man eigentlich gar nichts hat. Ich kann mir meinen Jesus nicht so zusammenbasteln, wie er mir passt.
Es gibt einige Eckpunkte, die einfach gesetzt sein müssen. Diese Eckpunkte sind: Jesus kam, um uns von unserer Sünde zu reinigen; er ist für die Sühnung unserer Sünde gestorben; Jesus ist der Christus, der im Alten Testament verheißene Messias; er ist Gottes Sohn und damit wahrhaftig Gott; er wurde Fleisch, also Mensch, so wie du und ich; Jesus ist das ewige Leben, und wer ihn hat, wer in ihm ist, wer mit ihm lebt, hat ewiges Leben; Jesus ist der Gerechte, der Einzige, der ohne Sünde gelebt hat; er ist unser einziger Beistand, den wir brauchen, um vor dem Vater bestehen zu können; und Jesus hat sein Leben für uns gegeben.
Diese Eckpunkte stammen alle aus dem ersten Johannesbrief, weil sich dieser Brief um die Frage dreht, woher ich weiß, dass ich gerettet bin. Deshalb habe ich mir erlaubt, sie in dieser Reihenfolge darzustellen. Ihr findet jeden einzelnen Punkt im ersten Johannesbrief. Das ist die Lehre des Christus.
Das ist der erste Punkt: Ich muss an das Richtige glauben. Ich brauche den richtigen Glaubensinhalt.
Der zweite Punkt, der zum richtigen Glaubensinhalt kommen muss, ist der Akt der Bekehrung. Glauben heißt ja Vertrauen. Das bedeutet, dass ich tatsächlich irgendwann auf die Knie gehe und sage: „So, Herr Jesus, ich habe verstanden, wer du bist. Tolles Angebot, und ich möchte es gerne annehmen.“ Das ist der Akt der Bekehrung, der Schritt des Glaubens.
Dieser führt hinein in den dritten Punkt, nämlich ein Leben des Glaubens. Dabei wird der Inhalt zum Akt und zum Leben.
Und plötzlich wird dieses Wort, das wir vorhin am Anfang in Vers 5 hatten, klar: „Zum Glaubensgehorsam unter allen Nationen.“ Rettender Glaube ist nie nur ein Lippenbekenntnis. Es reicht nicht, dass du den Inhalt, dein Glaubensbekenntnis, runterrasseln kannst. Es reicht auch nicht, dass du sagst, ich habe irgendwann mal die Hände gefaltet und ein Übergabegebet gesprochen.
Rettender Glaube zeigt sich im Leben, weil es um den Eintritt in eine Beziehung geht. Rettender Glaube beginnt mit einem bestimmten Glaubensinhalt, aber über die Jahre soll er wachsen. Du sollst immer mehr davon verstehen, und dein Leben soll immer mehr aus dieser Beziehung heraus geprägt werden.
Deshalb, wenn Paulus hier in Vers 16 von „jedem Glaubenden“ spricht, dann hat er Menschen vor Augen, die wissen, wer Jesus ist, die ihr Leben diesem Jesus übergeben und anvertraut haben. Menschen, die gesagt haben: „Herr Jesus, du sollst wirklich Herr in meinem Leben sein.“ Und die nach bestem Wissen, Gewissen und eigener Kraft – mit allen Fehlern, die man dabei macht – diesem Jesus nachfolgen.
Sie setzen das, was sie verstanden haben, in eine Lebenstraxis um – jeden Tag. Und wo sie sündigen, stehen sie immer wieder auf und sagen: „Entschuldigung, ja, ich glaube, ich war da doch unfreundlich zu meiner Frau, das tut mir echt leid.“ Das gehört dazu.
Die Offenbarung von Gottes Gerechtigkeit im Evangelium
Vers 17, der letzte Vers für heute Abend: Denn Gottes Gerechtigkeit wird darin, also im Evangelium, geoffenbart. Am Ende geht es immer um die Frage: Wie werde ich gerecht vor Gott? Ihr erinnert euch an Luther.
Das Evangelium offenbart also Gottes Gerechtigkeit. Gott möchte, dass wir gerecht leben. Gott selbst ist gerecht, denn er möchte diese Gerechtigkeit in unserem Leben sehen. Er erwartet Gerechtigkeit von denen, die mit ihm leben. Dabei wird durch das Evangelium nichts weggestrichen, sondern eher noch dazugesetzt.
Nur die Art und Weise, wie jemand gerecht vor Gott wird, ist jetzt eine ganz neue. Auf der einen Seite gibt es den Ansatz der Pharisäer: „Haha, ich habe die zehn Gebote und noch, ich weiß nicht, 600 mehr. Das ist wie eine Strickleiter. Ich hangle mich langsam hoch, indem ich immer alles richtig mache, und irgendwann bin ich oben im Himmel.“ Ich muss immer einen Schritt nach dem anderen machen.
Das ist dieses „Ich streng mich an, ich tue das Richtige, was ich denke, das Richtige ist, ich tue gute Werke.“ Jede alte Dame wird über die Straße geführt, und immer wenn eine Spendenbox vorbeigeht, gibt es einen Euro rein. Das ist die eine Seite, die Idee, dass wenn ich mich nur anstrenge und investiere, es Gott irgendwann reichen muss.
Morgen werden wir sehen, dass das ein Irrglaube ist.
Jetzt kommt das Evangelium daher und sagt: Wenn du ein Sünder bist, wenn du, wie dieser Zöllner in Lukas 18, dich in den Tempel stellst, deine Augen nach oben erhebst und sagst: „Sei mir, Sünder, gnädig.“ Wenn du sagst: „Ey, ich hab nichts, und alles, was ich hab, kannst du in die Pfeife rauchen. Das ist einfach Quatsch, ich schaffe es nicht, bitte sei mir gnädig.“
Solche Menschen begegnet Gott und sagt: „Okay, dich möchte ich haben.“ Und weißt du was? Ich habe eine gute Nachricht für dich. Du kannst nicht gerecht werden. Aber ich habe da einen, der hat gerecht gelebt. Und der ist bereit, von seiner Gerechtigkeit dir etwas abzugeben, und zwar genauso viel, wie du brauchst, damit du in den Himmel kommst.
Er ist bereit, deine Schuld zu nehmen und für sie zu bezahlen, so dass sie ein für alle Mal weg ist. Wenn der Teufel kommt und sagt: „Ich hätte gern den und den“, kannst du sagen: „Ja, tut mir leid. Der Schuldbrief, der gegen mich ausgestellt war, ist am Kreuz bezahlt worden. Der ist weg, ich bin gerecht.“
Das ist das, was hier steht: Denn Gottes Gerechtigkeit – die Idee von Gerechtigkeit, die Gott hat, nicht die Idee, die wir Menschen haben, dass wir sie uns erarbeiten können – sondern dass Gott sagt: „Ich möchte euch beschenken.“ Diese Idee von Gerechtigkeit wird im Evangelium geoffenbart.
Und dann geht es aus Glauben zu Glauben. Das fängt mit dem Glauben von dem Herrn Jesus an. Er macht uns das vor, wie das geht, und er macht es gut. Es geht weiter mit unserem Glauben. Es fängt mit dem Glauben von dem Messias an, und wir treten mit unserem Glauben in seinen Glauben hinein und nehmen das, was er durch seinen Glauben am Kreuz für uns erarbeitet hat, in Anspruch.
Wir leben genau in diesem Glauben, den Jesus uns vorgelegt hat.
Wie geschrieben steht – und das ist einer dieser Bezüge zum Alten Testament aus Habakuk 2,4 –, weil Paulus einfach zeigen möchte, dass diese Idee, dass Gerechtigkeit und Glaube eine Einheit bilden, nichts Neutestamentliches ist, nichts, was Paulus sich ausgedacht hat, sondern tief im Alten Testament wurzelt: „Der Gerechte wird aus Glauben und nicht aus seinen guten Taten leben.“
Du möchtest als Gerechter leben? Dann brauchst du Glauben. Das war immer so und wird immer so sein, weil das das Herzstück vom Evangelium ist. Wir werden gerecht aus Glauben.