Ich weiß nicht, was ihr denkt, was das Nummer-eins-Thema in unserer Gesellschaft ist. Wenn man die Medien anschaut, hatte man vor zwei Jahren wahrscheinlich den Eindruck, das Thema Nummer eins sei Corona.
Wenn man heute in die Medien schaut, bekommt man den Eindruck, das Thema Nummer eins sei Klimaschutz. Aber wenn man genau hinschaut, merkt man, dass das nicht stimmt. Das Thema Nummer eins hat sich in dieser Gesellschaft nicht geändert.
Das Thema Nummer eins in unserer Gesellschaft ist nach wie vor Beziehung, Partnerschaft, Sex. Und darüber wollen wir heute reden.
Vielleicht sagst du, das ist gerade nicht mein Thema Nummer eins. Aber vielleicht ist es wichtig, dass wir trotzdem wissen, was das Thema Nummer eins in der Gesellschaft ist, in der wir leben. Auch in Bezug auf die Medien, mit denen wir alle in irgendeiner Form umgehen müssen. Und vor allem, was Gott dazu denkt – was er dazu denkt in Bezug auf uns, in Bezug auf seine Leute.
Das vorherrschende Thema unserer Gesellschaft
Partnerschaft, Sex und Dating-Apps erleben derzeit eine Hochkonjunktur. Ich weiß nicht genau, ob es diese riesigen Anzeigen noch gibt, da ich momentan nicht mehr so oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin. Dort heißt es alle elf Minuten verliebt sich ein Single über eine bestimmte Plattform.
Ich lese solche Artikel, finde sie aber oft übertrieben. Meist überfliege ich sie nur, da ich nichts bezahle und somit nicht alle Beiträge vollständig lesen kann. In einer sehr renommierten, konservativen Online-Zeitung gibt es regelmäßig eine Kolumne einer Frau, die Single ist. Das Thema der Kolumne lautet: Mit welchen Arten von Männern habe ich im letzten Monat gedatet? Mit welchen war ich im Bett? Und wie haben sie sich verhalten?
Dass dieses Thema in einer konservativen Zeitung behandelt wird, zeigt, dass auch diese Medien den Eindruck haben, ohne diese Berichterstattung einen Teil ihrer Leserschaft zu verlieren.
Vor einigen Jahren gab es eine sehr erfolgreiche Netflix-Serie, die in mehreren Staffeln ausgestrahlt wurde. Zufällig habe ich eine Werbung für die neueste Staffel gesehen, in der auch eine Statistik gezeigt wurde. Diese Statistik, vermutlich als Werbung gedacht, gab an, wie viele nackte Brüste man im Durchschnitt pro Folge sieht. Die genaue Zahl habe ich nicht behalten, aber es waren wohl zwischen acht und elf pro Folge.
Dieses Thema begleitet uns überall. Wenn man keinen Werbeblocker auf dem Browser hat, bekommt man ständig Anzeigen wie: „Haben Sie heute schon getindert?“ oder „Finden Sie attraktive Singles ab 50 im Rhein-Main-Gebiet.“ Ich frage mich immer, woher die Leute wissen, dass ich über 50 bin.
Es ist einfach das Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Wir leben in einer sexualisierten Gesellschaft, der wir kaum entkommen können.
Die biblische Perspektive auf das Thema
Hat die Bibel etwas dazu zu sagen? Beide Thessalonicherbriefe sind an eine sehr junge Gemeinde gerichtet. Die meisten Menschen in dieser Gemeinde waren weniger als ein Jahr gläubig, und die Gemeinde selbst bestand noch keine zwölf Monate. Es handelte sich dabei größtenteils um Gläubige, die nicht aus christlichen Elternhäusern stammten. Sie hatten sich mitten aus der römisch-griechischen Gesellschaft heraus zu Jesus bekehrt.
Die ersten drei Kapitel, die Paulus und seine Mitarbeiter schreiben, drücken eine tiefe Verbundenheit aus, aber auch eine große Sorge. Diese Missionare sorgen sich um die jungen Geschwister und die junge Gemeinde. Paulus erinnert sie daran, wie alles angefangen hat, wie er nach Thessalonich kam und wie sie ihn aufgenommen haben. Er erzählt, wie sie als Missionsteam viel geopfert haben in dieser Zeit und was diese Menschen, die am Evangelium interessiert waren, ihm auch emotional bedeutet haben.
Er erinnert sie daran, wie sie sich bekehrt haben und wie radikal das war. Es war auch für ihn und seine Mitarbeiter sehr ermutigend. Außerdem informiert er sie über die tiefe Sorge, die er um sie hatte. Er fragt sich, ob sie dem Druck von ihren Familien, dem Freundeskreis, der Gesellschaft, ihren Kollegen und Geschäftspartnern standhalten. Ob sie bei Jesus bleiben oder ob in diesen Monaten einige von ihnen gesagt haben: „Boah, das ist mir alles zu schwierig.“
Paulus lässt sie in seine Gefühle blicken und beschreibt, was es mit ihm gemacht hat, sie nicht besuchen zu können, weil er aus der Stadt politisch verbannt war. Er verwendet mehr als die Hälfte dieses Briefes, um ihnen letztendlich zu sagen, was sie ihm bedeuten. Dabei geht es nicht darum, Kritik zu üben. Es gibt eine bekannte Gesprächstechnik, bei der man erst sagt, was jemand gut macht, bevor man Kritik äußert. Man sagt dann oft: „Vergiss alles, was ich vor dem Aber gesagt habe.“ Aber Paulus macht das hier nicht nur in ein paar Sätzen oder in einem Kapitel. Er tut es in drei Kapiteln, damit auch der Letzte merkt, dass es ihm nicht darum geht, sie zu kritisieren.
Vielmehr möchte er ihnen etwas sagen, weil sie ihm wichtig sind. Ihre Beziehung zu Gott ist ihm wichtig, ebenso wie ihr Wachstum in dieser Beziehung. Er möchte, dass auch der Letzte unter seinen Lesern das versteht. Er beendet diesen ersten Teil mit zwei großen Appellen.
Ab Kapitel vier zeigt er ihnen, dass es nicht das letzte Ziel ist, einfach Christ zu sein. Es reicht nicht, nur zu sagen: „Boah, ich habe jetzt eine Fahrkarte in den Himmel in meinem Portemonnaie, und jetzt kann ich weiterleben wie vorher.“ Oder: „Na ja, ich glaube irgendwie an Gott, ich bete manchmal zu ihm, gerade wenn ich Schwierigkeiten habe. Ich gehöre zur Gemeinde, ich beschäftige mich mit der Bibel, ich bin einfach ein netter Christ, viele mögen mich.“
Paulus macht deutlich, dass das nicht die Endstation der Entwicklung ist. Er möchte ihnen zeigen, dass Gott wirklich etwas von ihnen möchte. Gott hat Ziele mit ihrem Leben und Ansprüche an ihr Leben. Gott möchte diesen jungen Christen das sagen, und er möchte es auch uns sagen – egal wie lange wir schon Christen sind.
Gott hat Vorstellungen von unserem Leben. Er hat Erwartungen, was er von uns erwartet, und Vorstellungen davon, wo wir uns von unserer Umgebung unterscheiden sollen. Das ist seine Botschaft, die sich durch die ganze zweite Hälfte des ersten Thessalonicherbriefes zieht.
Die Herausforderung des christlichen Lebens
Es gibt diesen Spruch: Entschuldigung, er enthält natürlich irgendwie einen Wahrheitsgehalt, und es gibt einen Grund, warum Leute ihn sagen. Aber wenn man darüber nachdenkt, ist er Unsinn. Der Spruch lautet: „Wir sind nicht besser als die Leute in unserer Umgebung, aber weil wir Gott kennen, haben wir es besser.“
Das ist natürlich auf der einen Seite wahr, weil wir immer noch nicht vollkommen sind. Auf der anderen Seite gilt: Wenn du dich bekehrt hast und sich nichts verändert hat, wenn du immer noch genauso bist wie deine Umgebung, dann ist irgendetwas schiefgegangen. Gott hat Ansprüche an unser Leben, und er möchte uns verändern. Das ist sein Anspruch. Gott hat Vorstellungen, und er möchte, dass diese unser praktisches Leben wirklich prägen.
Mein Predigttext heute ist 1. Thessalonicher 4. Letzten Endes möchte ich mit euch die Verse 1 bis 12 behandeln. Mal schauen, wie wir durchkommen. Ich beginne mit den ersten zwei Versen.
Übrigens – und das ist schon eine gefährliche Falle für uns – ich weiß nicht, was in deiner Übersetzung steht. Aber „übrigens“ heißt bei uns manchmal: „Okay, das Wesentliche habe ich jetzt gesagt, aber ja, da ist noch irgendwas, was ich sagen möchte.“ Hier in diesem Sprachgebrauch ist es anders. Hier bedeutet es: „Okay, ich habe wichtige Sachen gesagt, aber jetzt hört mal zu, jetzt kommt wirklich etwas, das mir noch auf dem Herzen liegt oder was mir noch auf dem Magen liegt, wenn ich an euch denke.“
„Übrigens“, sagt der Schreiber. Und jetzt fängt es ganz nett an, oder? „Bitten und ermahnen wir euch im Herrn Jesus, wie ihr von uns empfangen habt, wie ihr leben sollt, um Gott zu gefallen, und wie ihr auch lebt, damit ihr reichlich zunimmt.“
Er sagt: Schaut mal, wir haben euch damals, als wir bei euch waren, als ihr euch bekehrt hattet, als wir ein paar Wochen, ein paar Monate bei euch sein konnten, schon einiges von dem vermittelt, was Gott möchte – wie Christen leben, wie seine Kinder auf dieser Erde leben. Und vieles setzt ihr um, sagt Paulus.
Jetzt haben wir eine persönliche Bitte. Ich meine, ich habe euch gerade gesagt, was ihr uns bedeutet, dass ihr irgendwie wie meine Kinder seid. Und ich habe eine Bitte: Ich möchte euch ermahnen – und das ist doch sehr nett ausgedrückt –, dass ihr wachst, dass ihr noch mehr so lebt, wie Gott es möchte.
Im nächsten Satz wird er schon ein bisschen konkreter, denn „ihr wisst, welche Gebote, welche Befehle wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus.“ Er sagt: Ja, ihr lebt schon vieles, aber ihr könnt noch einen Qualitätssprung machen. Wir wünschen uns, dass ihr in meiner Versetzung steht, reichlicher zunimmt. Es gibt noch Luft nach oben.
Aber Leute, ich bin nicht nur euer geistlicher Vater, ich bin nicht nur der, dem ihr etwas bedeutet. Ich bin ein Bote des Herrn Jesus Christus. Zweimal in diesen zwei Versen sagt er „Herr Jesus Christus“. Und es ist nicht „Herr Gerd Müller“, es ist nicht einfach eine höfliche Anrede für Jesus.
„Herr“ heißt: Da ist jemand, der ist der Herr. Der ist der Chef, der hat die Befehlsgewalt über jeden, der zu ihm gehört. Und wir haben euch... Wir sind nur die Boten. Wir bitten und ermahnen euch, aber was wir euch weitergegeben haben, sind Befehle des Herrn.
Und er unterstreicht es: Die Dinge, die er als Nächstes sagt, sind Befehle des Herrn. Er sagt: Dieser Herr hat einen Anspruch, und was dieser Herr von seinen Leuten möchte, ist keine Option. Es ist kein Vorschlag, wie du besser leben könntest und dein Leben glücklicher wird. Es ist ein Anspruch, den er als dein Retter, dein Schöpfer und dein Herr an dich hat.
Okay, ich glaube, jetzt waren beim Vorlesen in Thessalonich die Leute wach. Was kommt jetzt nach diesen drei Kapiteln? Damals standen noch keine Kapitelnummern davor, aber was kommt jetzt nach diesen drei Kapiteln, nach diesen zwei Sätzen Einleitung?
Letzten Endes geht es in diesen Versen 1 bis 12 um drei Themen. Zwei davon werden mehr oder weniger nur angerissen, eines wird etwas ausführlicher behandelt. Ich möchte mit den zwei angerissenen Themen anfangen, die ich auch nur anreißen werde, und dann möchte ich etwas ausführlicher über das Hauptthema sprechen.
Ich habe gesagt, der erste Teil hat mit zwei Appellen, sozusagen zwei Segenswünschen, abgeschlossen. Der erste von diesen beiden Segenswünschen und Appellen war in Kapitel 3 bis 12: „Euch aber mache der Herr völlig und überströmend in der Liebe zueinander und zu allen, wie auch wir euch gegenüber sind.“
Er sagt, das ist das erste große Ziel, das Gott mit seinen Leuten hat: dass sie einander lieben. Ja, natürlich sollen Christen alle Menschen lieben, wir sollen unseren Nächsten lieben. Aber im Neuen Testament wird betont, dass wir vor allem einander lieben sollen, dass wir zueinander stehen sollen, dass wir füreinander da sind.
Paulus hat das ans Ende des ersten Teils gestellt, als einen von zwei großen Punkten. Dieser Punkt kommt auch hier in unserem Predigttext heute vor. Ich mache einen kleinen Sprung zu Vers 9.
Die Bedeutung der Bruderliebe
1. Thessalonicher 4,9:
Denn was die Bruderliebe oder Geschwisterliebe betrifft, so braucht ihr nicht, dass wir euch schreiben. Denn ihr selbst seid von Gott gelehrt, einander zu lieben. Das tut ihr auch gegenüber allen Geschwistern in ganz Mazedonien. Wir mahnen euch aber, Geschwister, darin noch reichlicher zuzunehmen.
Das ist ein beeindruckender Satz, besonders wenn man als Leser des Neuen Testaments die Briefe kennt, die Paulus an Gemeinden geschrieben hat.
Das Problem Nummer eins in den Gemeinden des Neuen Testaments war, dass die Gläubigen oft nicht miteinander auskamen. Dieses Problem besteht nicht nur im 21. Jahrhundert. Ich besuche gelegentlich verschiedene Gemeinden, nicht nur hier, und kann sagen, dass das größte Problem auch heute noch darin besteht, dass Geschwister und oft auch die Gemeindeleitung letztlich nicht miteinander auskommen.
Im letzten Jahr war ich in der ersten Hälfte des Jahres in sieben Gemeinden unterwegs, entweder regelmäßig oder als Redner bei Gemeindefreizeiten. In vier von diesen sieben Gemeinden, also mehr als 50 Prozent, ist die ursprüngliche Ältestenschaft, die eingesetzt wurde, wegen Konflikten zwischen den Ältesten gescheitert. Dabei sollen Älteste doch eigentlich Vorbilder für die Gemeinde sein.
Über 50 Prozent der Gemeinden haben also genau dieses Problem. Die Kirchengeschichte hat darauf reagiert, indem sie die biblische Struktur der Leitung durch Ältestenschaft abgeschafft hat. Stattdessen wurde die Leitung durch einen Pastor ersetzt – vermutlich streitet sich dieser nicht mit sich selbst. So scheint das Problem gelöst zu sein. Aber das ist nicht die neutestamentliche Lösung.
Die neutestamentliche Lösung besteht darin, dass wir als Leiter und Geschwister lernen müssen, miteinander auszukommen.
Im einzigen Brief, den Paulus an die Gemeinde in Thessalonich geschrieben hat, heißt es: Was die Geschwisterliebe betrifft, muss ich euch nichts schreiben. Von allem, was ich von euch höre, merke ich, dass der Heilige Geist euch das gelehrt hat und ihr es lebt.
Wenn ihr den 1. Korintherbrief, den Römerbrief, den Kolosserbrief, den Epheserbrief oder den Philipperbrief nicht gelesen habt, merkt ihr gar nicht, was für ein Wunder das ist. So eine Gemeinde zu haben, in der die Gemeinschaft unter den Geschwistern funktioniert, die nicht von Neid oder Profilierungssucht geprägt ist, sondern von Liebe zueinander – das ist außergewöhnlich.
Paulus schreibt hier: Ja, ihr könnt darin noch wachsen, es gibt noch Luft nach oben. Wisst ihr, was er ungefähr sechs Monate später in seinem zweiten Brief schreibt? Er freut sich und dankt Gott, dass die Geschwisterliebe bei ihnen weitergewachsen ist – ein wahres Wunder!
Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen: diese Gemeinschaft unter Gläubigen wirklich zu leben, wirklich als Einheit zu leben. Und ihr lebt diese Gemeinschaft nicht nur innerhalb eurer Gemeinde, sondern auch mit den Geschwistern aus der gesamten Provinz Mazedonien, wo Thessalonich die offizielle politische Hauptstadt war.
Paulus sagt: Bei allen Gemeinden und allen Geschwistern, die in dieser ganzen Provinz gläubig geworden sind, lebt ihr diese Liebe. Viele von ihnen mussten wahrscheinlich wegen bürokratischer Angelegenheiten immer wieder in die Hauptstadt kommen. Die Geschwister in der Gemeinde Thessalonich hatten die Gelegenheit, praktische Geschwisterliebe durch Gastfreundschaft zu zeigen. Sie nahmen diese Menschen auf, wenn sie mehrere Tage hintereinander jeden Tag zu Ämtern mussten, bis sie einen Termin bekamen.
Paulus hat das gehört und sagt: Ihr lebt diese Liebe nicht nur untereinander als Gemeinde, sondern auch mit allen Geschwistern aus der ganzen Provinz. Ihr nehmt sie auf, übt Gastfreundschaft, nehmt Anteil an dem, was den anderen bewegt, an ihren Sorgen, ermutigt euch gegenseitig.
Verglichen mit allen anderen Gemeinden des ersten Jahrhunderts ist das ein beeindruckendes Zeugnis.
Das war das erste Thema, und Paulus sagt, dass dies für euch kein Problem darstellt. Ich muss euch nicht viel darüber schreiben, denn es funktioniert bei euch.
Arbeitsmoral als zweite Herausforderung
Das zweite Thema war ein etwas anderes, und sowohl im ersten als auch im zweiten Thessalonischen Brief kommt Paulus immer wieder darauf zurück. Ich möchte es nur ganz kurz anreißen, da er es an dieser Stelle ebenfalls nur kurz behandelt. Dieses Thema betrifft die Arbeitsmoral.
Wir müssen dafür einen kurzen Blick in die römisch-griechische Gesellschaft werfen. Diese war etwas anders strukturiert als unsere heutige, obwohl ähnliche Probleme sicher auch bei uns existieren. In unserer Gesellschaft dreht sich vieles um Geld: Wie kann ich noch mehr Profit machen? Wie bekomme ich die nächste Gehaltserhöhung? Wir neigen dazu, diese Denkweise schnell auf andere Gesellschaften zu projizieren.
Natürlich spielte Geld auch damals eine Rolle. Aber in jener Gesellschaft war Ehre und Ansehen ein viel größeres Lebensziel und hatte eine viel höhere Bedeutung als bei uns heute. Reiche Menschen profilieren sich unter anderem dadurch, dass sie Sportveranstaltungen oder andere öffentliche Ereignisse sponsern. Vor allem galt es als Ehre, sozial schwache Menschen gezielt und öffentlich finanziell zu unterstützen.
Der Leitspruch lautete: Tue Gutes und rede darüber. Diese Unterstützung wurde so gestaltet, dass jeder davon erfuhr. Die wohlhabenden Unterstützer wurden Patrone genannt. Die Menschen, die von ihnen unterstützt wurden, waren ihre Abhängigen oder Klienten. Da die sozialen Unterschiede damals viel größer waren als heute, war dieses System sehr verbreitet.
Diese ärmeren Menschen, die von einem Patron finanziell unterstützt wurden, bekamen manchmal so viel, dass sie den Eindruck hatten, es lohne sich nicht mehr zu arbeiten. Das ist dieselbe Diskussion, die wir heute führen: Darf das Bürgergeld so hoch sein, dass es sich für viele Menschen nicht mehr lohnt, einer Arbeit nachzugehen? Dieses Thema war damals existenziell.
Die Patrone erwarteten im Gegenzug eine Gegenleistung. Alle, die von ihnen unterstützt wurden, sollten für sie Werbung machen. Das bedeutete, dass sie bei Wahlen für den Stadtrat für den Patron warben und öffentlich verbreiteten, wie wohltätig dieser sei. Sie sollten seine politischen Überzeugungen vertreten. Die Abhängigen wurden somit nicht nur finanziell abhängig, sondern dienten als eine Art Influencer. Das war ihr hauptsächlicher Lebensinhalt.
Was geschah nun gerade in Thessalonien? Relativ viele dieser Abhängigen hatten sich bekehrt, aber sie hatten seit Jahren nicht mehr gearbeitet. Paulus sah darin ein großes Problem. Manche blieben in ihrem alten Leben und arbeiteten nicht, sondern ließen sich von ungläubigen Patronen unterstützen. Andere wollten weniger arbeiten, erwarteten aber automatisch, dass die Gemeinde sie finanziell unterstützt.
Paulus sagt, dass es kein Zeichen von Geschwisterliebe sei, wenn alle anderen für einen finanziell aufkommen. Vielmehr würde Gott von denen, die es können, erwarten, dass sie selbst ihren Lebensunterhalt verdienen. Natürlich gibt es Menschen, die zu alt, krank oder psychisch belastet sind oder keinen Job finden. Diese sollen von der Gemeinde unterstützt werden – und zwar ohne ständiges schlechtes Gewissen oder Scham.
Aber Paulus stellt fest, dass es in der Gemeinde Menschen gibt, die arbeiten könnten, es aber nicht tun, weil sie glauben, die soziale Versorgung sei so gut, dass sich Arbeit für sie nicht lohnt. Er sagt, das sei keine Art, wie Christen leben sollten.
Ich lese dazu kurz Vers 11 aus Kapitel 4 vor: „Ihr sollt euch wirklich bemühen, still zu sein.“ In meiner Übersetzung bedeutet das, Initiative zu ergreifen und sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Der Begriff „still sein“ meint hier, sich nicht mehr öffentlich zu zeigen, also nicht mehr als Influencer tätig zu sein. Sie sollten nicht mehr auf den Marktplätzen unterwegs sein und Werbung für andere machen.
Paulus fordert sie auf, sich erst einmal aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, um ihre eigenen Geschäfte zu erledigen und mit ihren eigenen Händen zu arbeiten – so, wie er es ihnen geboten hat. Er hatte das Problem schon bei seinem Besuch gesehen und angesprochen, und er spürt, dass sich noch nicht viel geändert hat.
Im zweiten Thessalonischen Brief widmet er diesem Thema fast ein ganzes Kapitel, weil er den Eindruck hat, dass sich weiterhin nichts verändert hat. Dieses Verhalten war tief in den Menschen verwurzelt und über Jahre eingeübt. Paulus sagt, sie hätten das Nichtarbeiten regelrecht gelernt.
Er erinnert sie daran, dass er ihnen schon damals gesagt hat, dass das nicht gut sei: Sie sollten sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen, ihren „Blog schließen“ und anfangen, nach Arbeit zu suchen, um selbständig zu leben. So könnten sie ein ehrbares Leben führen, auch vor denen, die draußen sind.
Die Menschen sollten sehen, dass die Patrone, die sie unterstützen, sehr angesehen und sozial sind. Aber die Abhängigen, die sich unterstützen lassen, sind in der Gesellschaft nicht angesehen. Beide Seiten sind also nicht gleich angesehen.
Paulus fordert, dass Christen so leben sollten, dass es auch in den Augen ihrer Gesellschaft gut aussieht. Es soll sichtbar werden, dass sie ordentlich leben, weil sie Kinder Gottes sind. Sie sollen arbeiten, auch wenn sie vielleicht nicht mehr als Bürgergeld bekommen. Trotzdem sollen sie den Ehrgeiz haben, für ihren Lebensunterhalt selbst aufzukommen und niemanden nötig zu haben.
Das tut ihnen gut. Es stärkt ihr Selbstwertgefühl, sagt Paulus. Es wirkt sich positiv auf ihr Zeugnis in der Umgebung aus und auf ihre Persönlichkeit. Natürlich gibt es viele, die nicht arbeiten können, und viele kämpfen mit ihrem Selbstwertgefühl. Das lässt sich nicht einfach ändern.
Paulus sagt aber: Wenn du es ändern kannst, dann ändere es, denn es wird dir in jeder Hinsicht guttun. „Denn Gott befähigt dich als Kind Gottes.“
Heiligkeit als zentrales Anliegen
Aber schauen wir uns noch die Verse an, die Paulus in diesem Zusammenhang bei diesen drei Themen offensichtlich am meisten am Herzen liegen. Und das ist das, was ich in meiner Einleitung gesagt habe: Heiligkeit.
Wir denken oft, das einundzwanzigste Jahrhundert sei moralisch extrem abgestiegen im Vergleich zu früher. Ich höre so oft Christen jammern, gerade auch ältere Christen, über den Werteverfall, den wir in unserer Gesellschaft erleben müssen. Wie wenig unsere Gesellschaft in Westeuropa noch von christlichen Werten geprägt ist, besonders was die Moral betrifft.
Wenn ihr euch im Himmel irgendwann mal mit den Christen des ersten Jahrhunderts, mit den Christen der Gemeinden des Neuen Testaments unterhaltet, werdet ihr merken, dass sie die gleichen Probleme hatten. Sie lebten auch nicht in einer Gesellschaft, die von christlichen Werten geprägt war. Von daher finde ich es doch schön: Wir können endlich neutestamentliche Gemeinde sein. Wir können uns endlich in den gleichen Kampffeldern bewähren, in denen sich die Christen des ersten Jahrhunderts, über die im Neuen Testament geschrieben wird, auch schon bewähren mussten und durften.
Wie war die Gesellschaft damals? Paulus hatte seinen zweiten großen Appell am Ende des ersten Teils geschrieben, in Kapitel 3, Vers 13: „Um eure Herzen zu befestigen, dass ihr untadelig seid in Heiligkeit vor unserem Gott und Vater bei der Ankunft unseres Herrn mit allen seinen Heiligen.“ Er sagt, er wünsche sich, dass ihr euch als Menschen Gottes in Heiligkeit bewährt und dass niemand euch etwas in moralischer Hinsicht vorwerfen kann.
War der Satz wichtig? Ja, er schließt seinen ersten Teil des Briefes damit ab und seinen zweiten Teil mit fast dem identischen Satz, Kapitel 5, Vers 23: „Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig, und euer ganzer Geist und Seele und Leib werde untadelig bewahrt bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.“ Er endet seinen ersten Teil damit und er endet seinen zweiten Teil damit.
Letzten Endes ist das Hauptthema des zweiten Teils vom ersten Thessalonicherbrief Heiligkeit. Gott möchte in diesem Zusammenhang – Heiligkeit ist ein breites Thema – aber in diesem Zusammenhang vor allem moralische Heiligkeit von seinen Leuten.
Ich habe das gerade gesagt: Das erste Jahrhundert war nicht so viel anders als unseres. In vielen Gesellschaftsschichten war es absolut normal, voreheliche und außereheliche sexuelle Beziehungen zu haben. Scheidungen waren extrem verbreitet und sehr einfach in vielen gesellschaftlichen Kreisen. Es war absolut normal, wenn man verheiratet war, trotzdem regelmäßig in Bordellen unterwegs zu sein, und das wurde gesellschaftlich absolut toleriert.
Gerade in der griechischen Gesellschaft war es absolut normal, neben seiner Ehefrau homosexuelle Beziehungen zu jüngeren Männern zu haben, und das wurde gesellschaftlich absolut toleriert. Also das, was wir im 20. und 21. Jahrhundert erleben, ist nichts Neues.
Ich glaube, es war in Athen oder vielleicht in Korinth – ich habe es vergessen – man hat verschiedene Ausgrabungen gemacht von diesem großen Marktplatz dort, wo es verschiedene Statuen von den verschiedensten Göttern gab und in den verschiedensten Einrichtungen, die dort ihre Werbung hatten. Unter anderem stand dort eine riesige Abbildung von einem Penis als Fruchtbarkeitssymbol. Damit wurde jeder konfrontiert, der auf dem Markt eingekauft hat. Und woanders als auf dem Markt konntest du nicht einkaufen.
Das war die Gesellschaft, in der die Geschwister damals lebten. Aber sie lebten nicht nur dort, sie hatten schon seit Generationen in einer christlichen Entsklave gelebt. Sie hatten sich erst gerade bekehrt; das war für sie alles normal. So lebten ihre Familien, so lebten ihre Freundeskreise, so lebten ihre Berufskollegen. Es war eine absolut sexualisierte Gesellschaft.
Und aus der sind sie herausgekommen. Das Einzige, wovon sie vielleicht schon mal gehört hatten, war, dass im jüdischen Viertel der Stadt die Leute anders lebten, weil sie andere Moralvorstellungen hatten. Aber von ihrer eigenen Umgebung kannten sie das nicht.
Paulus sagt: Das ist etwas, was Gott von euch möchte. So wollte er es nicht nur im Alten Testament von den Juden, sondern das möchte er von euch, die ihr euch jetzt zu ihm bekehrt habt. Und es war zunächst wahrscheinlich eine sehr große Umstellung in ihrem Denken.
In Kapitel 4, Vers 3 heißt es: „Denn dies ist Gottes Wille, eure Heiligkeit.“ Ich meine, es gibt viele, gerade junge Leute, die sagen: „Boah, ich möchte rauskriegen, was der Wille Gottes für mein Leben ist.“ Ich habe eine einfache Antwort: Ein Teil des Willens Gottes für dein Leben ist Heiligkeit. Hier steht es wortwörtlich: „Das ist der Wille Gottes, eure Heiligkeit.“
Der Abschnitt endet sozusagen in Vers 7. Paulus hat noch einen Nachsatz in Vers 8, aber in Vers 7 sagt er: „Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit.“ Also wir könnten auch übersetzen: „Gott hat euch nicht berufen zu moralischem Schmutz.“ Unreinheit ist Schmutz, sondern zur Heiligkeit.
Das ist ein ganz wesentlicher Punkt: Unsere Berufung zu Gott. Es geht nicht nur darum: Kuschelt euch bei mir ein, ich habe euch lieb, ich bin immer bei euch, ich helfe euch in all euren Krisen, habt einander lieb, steht zueinander. Sondern ein ganz wesentlicher Punkt ist: Unsere Berufung, der Wille Gottes für unser Leben, ist moralische Heiligkeit.
Paulus betont das hier genau für diese Thessalonicher, die sich im einundzwanzigsten Jahrhundert wahrscheinlich ganz zu Hause gefühlt hätten in dieser Beziehung. In Kapitel 4 heißt es: „Denn dies ist Gottes Wille, eure Heiligkeit, dass ihr euch der Hurerei enthalten sollt.“
Hurerei ist kein Äquivalent zur Prostitution. Hurerei im Neuen Testament bedeutet jede sexuelle Aktivität außerhalb einer offiziellen Ehe, jede Form von nicht von Gott legalisierter Sexualität. Mein Gott liebt Sex, er hat ihn erfunden. Aber Gott hat ihm einen Rahmen gegeben: den Rahmen einer offiziellen Ehe.
Und wie gesagt, es war ein radikaler Bruch mit all dem, was ihre Umgebung gelebt hat. Es war ein passendes Lied am Ende dieses Liedblocks am Anfang, oder? Sei ein lebendiger Fisch, schwimme doch gegen den Strom.
Ich meine, stell dich mal als 18-, 19- oder 24-Jähriger hin auf die Frage, wann du das letzte Mal irgendwo Sex gehabt hast, in irgendeinem Partyspiel, und sagst: „Ich habe noch nie Sex gehabt, weil ich auf die Ehe warten möchte.“ Und dann schau mal auf die Reaktion.
Viele von uns sind nicht mehr in diesem Alter, aber nicht für jeden ist dieses Problem vorbei. Und das ist das, wozu wir den Mut haben müssen, es unseren Kindern und Enkeln beizubringen: Sei ein lebendiger Fisch, schwimme gegen den Strom.
Vers 4 sagt, dass jeder von euch sein eigenes Gefäß in Heiligkeit und Ehrbarkeit besitzt. Das ist ein interessantes Bild, und wir müssen gleich darüber sprechen. Jetzt kommt wieder ein schwieriges Wort, und Paulus verwendet, glaube ich, extra ein Wort, das man verschieden verstehen kann, um mehrere Dimensionen aufzumachen.
Bei mir ist es mit „besitzen“ übersetzt, man kann es aber auch mit „erwerben“ übersetzen. Das sind natürlich in unserem Sprachgebrauch zwei verschiedene Sachen: Ich versuche, etwas zu bekommen, oder ich habe schon etwas und versuche, gut damit umzugehen. Aber beides kann dieses Wort bedeuten, und ich glaube, Paulus macht es absichtlich. Wir werden es gleich anschauen.
Paulus sagt: Nicht in Leidenschaft der Lust, wie auch die Nationen, die Gott nicht kennen. Was heißt das? Er benutzt dieses Wort „Gefäß“ hier offensichtlich in Bezug auf unseren Körper. Was nicht deutlich wird, ist, ob er den eigenen Körper meint, also wie ihr euren Körper gut besitzen und gut damit umgehen könnt in dieser moralischen Beziehung. Oder ob er den Körper eines potenziellen Partners meint.
Wie kannst du gut, ehrbar mit dem Körper deines hoffentlich zukünftigen Partners umgehen? Und dann geht es manchmal auch um „erwerben“: Wie komme ich in einer Beziehung zu jemandem?
Das Erste, was er, glaube ich, sagen möchte, ist: Wenn du einen Partner suchst, soll das nicht im Wesentlichen über sexuelle Anziehung und Hormone passieren, sondern in Heiligkeit.
Wie gesagt, das ist ein krasser Unterschied zur Gesellschaft damals und ein krasser Unterschied zur Gesellschaft heute. Wir haben unser Denken, unser Gefühl für Normalität hat sich verändert durch all das, was wir nicht nur in unserer Umgebung hören, sondern auch sehen und lesen.
Wie viele Hollywoodfilme könntest du mir aufzählen, in denen nicht irgendwo die Beziehung zumindest zuerst im Bett landet? Selbst die, die mit einem Happy End vor einem traurigen Tag enden.
Es hat sich bei uns als Normalität etabliert, weil wir es so oft gesehen haben, weil wir es in unserer Umgebung so oft wahrnehmen. Es ist für uns ganz schwer, das nicht als normal zu empfinden, rein emotional.
Aber Paulus sagt: Gott sieht es anders. Nicht in Leidenschaft der Lust, wie auch die Nationen, wie die Menschen um uns herum, die Gott nicht kennen. Er sagt: Menschen, die Gott nicht kennen, leben so, für die ist das normal. Aber ihr sollt anders sein. Ihr kennt Gott, ihr kennt seine moralischen Vorstellungen, ihr wisst, was er von euch möchte.
Wenn wir das Wort mit „besitzen“ übersetzen und es ist immer noch der Körper unseres Partners, dann hat es mit ehelicher Treue zu tun. Das ist ein ganz großes Thema hier in diesem Zusammenhang.
Wie gesagt, es war nicht normal in der damaligen Gesellschaft, dass man unbedingt seinem Ehepartner treu ist. Dein Partner, auch sein Körper, soll dir etwas Heiliges sein, etwas, das du wirklich mit großer moralischer Integrität und Verantwortungsbewusstsein besitzt.
Also nicht wie jemand, der einen Gegenstand besitzt, sondern für den du dich verantwortlich fühlst, den du schützt und den du nicht beschmutzen möchtest. Paulus verwendet das Wort „Gefäß“ ganz absichtlich.
Für die Menschen war unmoralisches Verhalten so normal, dass sie das nicht mit Schmutz in Verbindung brachten. Aber ein Gefäß, eine kostbare Vase, da war es schon wichtig, dass sie nicht beschädigt wird, dass sie nicht beschmutzt ist, dass sie nicht stinkt, weil du etwas Komisches darin aufbewahrt hast, was vergammelt ist.
Das war wichtig, manchmal wichtiger als moralische Reinheit. Und Paulus sagt: So musst du den Körper deiner Frau, den Körper deines Mannes sehen. Du möchtest ihn bewahren. Du möchtest die Sexualität mit deinem Ehepartner nicht beschmutzen.
Denn dauernd diese Bilder von einer anderen Beziehung oder von einem Porno, den du gestern gesehen hast, flackern in deinen Kopf und du siehst eigentlich gar nicht mehr deine Frau, sondern mit deinen Augen jemand anderen, während du mit ihr Sex hast.
Gott möchte das nicht. Er möchte, dass du ihren Körper bewahrst, ihre Persönlichkeit bewahrst, eure Beziehung bewahrst.
Und das gilt auch für deinen Körper, wie du ihn besitzt. Gott möchte, dass wir Sexualität genießen, aber er möchte, dass wir ehrbar mit unserem eigenen Körper und mit dem Körper unseres Partners umgehen. Dass es eine exklusive Beziehung ist.
Dann fügt Paulus noch einen kleinen Aspekt hinzu, Vers 6: „Dass er seinen Bruder nicht übersehe oder übervorteile, noch hintergehe in der Sache, weil der Herr Rächer über das alles ist, wie wir euch auch zuvor gesagt und ernstlich bezeugt haben.“
Gott nimmt es ernst, Gott nimmt Ehe ernst. Hier geht es natürlich in erster Linie um Ehebruch. Paulus sagt: Vielleicht hast du die Macht, jemand anderem seine Frau wegzunehmen, weil du eine höhere gesellschaftliche Stellung hast, und der andere Mann kann nichts dagegen tun.
Vielleicht bekommt er vor Gericht nie Recht, weil du ein angesehener Bürger bist und er nicht. Du könntest gewaltsam in seine Ehe eindringen und seine Frau ihm wegnehmen, oder für eine Nacht wegnehmen – Recht der ersten Nacht.
Und er könnte nichts dagegen tun. Oder er könnte nichts davon mitbekommen, dass du seine Frau verführt hast.
Paulus sagt: Aber wisst ihr, wer das sieht? Und wisst ihr, was er dagegen tun kann? Gott sieht es. Und er ist ein Richter in solchen Dingen und ein Rächer.
Er wird den rächen, dem du Gewalt angetan hast, und der nichts dagegen tun konnte, weil du attraktiver warst oder eine gesellschaftlich höhere Stellung hattest.
Gott wird ihn rächen. Auch den, dem du seine Frau weggenommen hast mit einer Affäre, der es vielleicht lange nicht mal gemerkt hat und der es nicht gesehen hat.
Gott sieht es, und Gott wird es rächen. Als ich bei euch war, habe ich euch das schon gesagt. Leute, nehmt es nicht auf die leichte Schulter. Gott nimmt Ehe ernst.
Zum Schluss noch Vers 8, den Anhang. Vers 7 haben wir gelesen: „Denn Gott hat uns nicht zur Unreinheit berufen, sondern zur Heiligkeit.“ Gott ist dieses Thema wichtig.
Und jetzt sein Nachsatz in Vers 8: „Deshalb nun, wer dies verachtet, verachtet nicht einen Menschen, sondern Gott, der euch auch seinen Heiligen Geist gegeben hat.“
Ich glaube, dieser Nachsatz hat auch zwei Gründe. Der erste Grund ist: Manchmal ist es ein schweres Gebiet, und manchmal brauchen wir den Heiligen Geist, um heilig zu leben. Manchmal reicht unsere Kraft nicht. Das ist der eine Grund, warum Paulus das schreibt.
Aber ich glaube, er hat einen zweiten Grund. Wisst ihr, es gibt so viele andere Gebiete, in denen wir die Hilfe des Heiligen Geistes brauchen. In eurem Leben denkt ihr: Ich brauche die Unterstützung des Heiligen Geistes.
Glaubt ihr, der Heilige Geist heißt aus Versehen Heiliger Geist? Glaubt ihr wirklich, er wird euch auf irgendeinem Gebiet eures Lebens noch unterstützen, wenn ihr moralisch nicht heilig lebt?
Wenn du denkst, dass du den Heiligen Geist brauchst, sagt Gott: Dann würde ich dir empfehlen, heilig zu leben.
Das sind seine Themen, seine ersten echten Themen, über die er mit den Thessalonichern reden will in diesem ganzen Brief. Bis dahin ging es um die Beziehung, was sie ihm wert sind, was er mit ihnen erlebt hat, wie viele Ängste er um sie ausgehalten hat, weil sie seine geistlichen Kinder sind.
Und jetzt, am Anfang von Kapitel 4, die ersten Themen, über die er mit ihnen reden will: Er möchte mit ihnen über Heiligkeit reden, weil das so ein ungewöhnliches Thema in ihrer Gesellschaft ist.
Er möchte mit ihnen über Bruderliebe reden, und er sagt: Ja, okay, aber eigentlich muss ich nicht mit euch darüber reden.
Und er möchte mit einigen in der Gemeinde über Arbeitsmoral reden, und er wird dieses Thema fortführen.
Das sind seine ersten Themen, vor allem dieses Thema Heiligung lag ihm offensichtlich am Herzen.
Und wie gesagt, auch wir leben in einer sexualisierten Gesellschaft. Ich habe das schon oft zitiert. Ich weiß nicht, ob diese Umfrage die einzig repräsentative ist, aber vor ein paar Jahren gab es eine Umfrage unter männlichen und weiblichen Studenten an Universitäten. Sie wurden gefragt, ob sie regelmäßig Pornografie konsumieren.
80 Prozent der männlichen Studenten haben gesagt, dass sie das regelmäßig tun. 80 Prozent der männlichen Studenten in Westeuropa sagen, dass sie regelmäßig Pornos anschauen.
Wir leben in einer sexualisierten Gesellschaft. Das heißt ja nicht, dass die anderen 20 Prozent das nie tun, sie machen das nur nicht regelmäßig.
Bei weiblichen Studenten ist der Prozentsatz etwas niedriger, ungefähr die Hälfte, es sind so um die 40 Prozent. Aber es ist kein Thema, das bei unverheirateten jungen Leuten stehenbleibt.
Ich kenne gestandene Ehemänner, die Probleme auf diesem Gebiet haben. Es ist auch kein Thema, das zwingend nur bei Männern bleibt. Es gibt vermehrt Frauen, die Probleme auf diesem Gebiet haben.
Wir leben in einer Gesellschaft wie der griechischen und römischen damals, und Gott erwartet von uns, dass wir anders leben und dass wir unseren Kindern, unseren Jugendlichen und unseren Enkeln etwas anderes beibringen.
Gott möchte in Bezug auf Moral völlig andere Maßstäbe als unsere Gesellschaft. Leben wir das und lehren wir das, nicht nur unseren jungen Leuten, sondern immer wieder auch in unseren Gemeinden.
Aber das war die Botschaft von Paulus an die Thessalonicher und vielleicht die Botschaft Gottes heute an dich.
