Heute Abend findet die letzte unserer vier Passionsandachten statt. Es ist wichtig, dass auch heute die richtigen Akzente gesetzt werden.
Ich weiß, wie schwer es Ihnen gefallen ist, sich loszureißen, angesichts aller Vorbereitungen für die bevorstehenden Festtage. Dabei soll nicht im Vordergrund stehen, dass wir Jesus einen Dienst erweisen, sondern dass er uns dienen will.
Deshalb möchte ich Sie mit dem Wort Jesu grüßen: „Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.“
Dies soll auch heute Abend geschehen.
Einstimmung und Gebet zum Beginn der Andacht
Wir wollen zuerst singen: „Eines wünsche ich mir vor allem anderen“, das Lied des Schwaben Albert Knapp, Nummer 421. Wir singen die ersten drei Verse.
Wir bleiben sitzen zum Beten.
Herr Jesus Christus, heute Abend wollen wir ein Wort von dir hören. Ein Wort, das uns in all dem, was uns jetzt bewegt, erreicht. Rede du jetzt mit uns. Gib uns nicht nur menschliche Gedanken und Menschenweisheit.
Du musst uns aufrichten, du musst uns trösten, du musst uns fröhlich machen. Lass uns durch all das, was uns jetzt beschäftigt, hindurchblicken auf das, was du uns am Kreuz erworben hast.
Schenke uns das Wissen, dass du uns mit deiner ewigen Liebe liebst, dass uns niemand aus deiner Hand reißen kann, dass wir dir gehören und dass es eine Vergebung gibt, die gilt.
Amen.
Lesung der Passionsgeschichte: Die Verurteilung Jesu
Wir waren fort in der Lesung der Passionsgeschichte und sind bei Lukas 23,13-25 angekommen.
Die Verurteilung Jesu
Pilatus aber rief die Hohenpriester, die Obersten und das Volk zusammen und sprach zu ihnen: „Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht als einen, der das Volk abwendig mache. Und siehe, ich habe ihn vor euch verhört und finde an dem Menschen keine Sache, deren ihr ihn beschuldigt. Auch Herodes nicht. Denn er hat ihn uns zurückgesandt, und siehe, er hat nichts getan, was des Todes wert sei.
Ich will ihn also züchtigen lassen und losgeben, denn es ist bei uns Brauch, ihnen einen Gefangenen nach dem Fest zu entlassen.“
Da schrie der ganze Haufe und sprach: „Hinweg mit diesem und gib uns Barabbas los!“ Barabbas aber war um eines Aufruhrs willen, der in der Stadt geschehen war, und wegen Mordes ins Gefängnis geworfen worden.
Da rief Pilatus abermals zu ihnen, weil er Jesus losgeben wollte. Doch sie riefen und sprachen: „Kreuzige, kreuzige ihn!“
Pilatus aber sprach zum dritten Mal zu ihnen: „Was hat denn dieser Übles getan? Ich finde nichts an ihm, das den Tod verdient hätte. Darum will ich ihn züchtigen und losgeben.“
Aber sie drängten ihn mit großem Geschrei und forderten, dass Jesus gekreuzigt werde. Ihr Geschrei wurde immer lauter.
Pilatus urteilte daraufhin, dass ihre Bitte erfüllt werde, und ließ den freigeben, der um Aufruhr und Mordes willen ins Gefängnis geworfen worden war, um den sie baten.
Jesus aber übergab er ihrem Willen.
Herr, jetzt erkläre du uns heute Abend selbst dein Wort. Amen.
Der Begriff der Auslieferung und die Bedeutung des Willens
Liebe Brüder und Schwestern,
Sie wissen, dass ich heute ein Stichwort herausgreife, denn wir sprechen heute Abend nicht über Barabbas und auch nicht über Pilatus. Das Stichwort lautet: ausgeliefert.
Ich höre sehr gerne anderen Menschen zu, wenn sie erzählen. Neulich erzählte mir jemand, wie er in den letzten Kriegstagen mit seiner Division aus Osteuropa zurückgedrängt wurde auf das Reich. Es gelang ihnen in einer schier übermenschlichen Anstrengung – Sie erinnern sich vielleicht an diese schrecklichen Zustände, wo man so hungrig war in den letzten Kriegstagen – diese Division erreichte die amerikanischen Frontlinien.
Sie sagten: „Da sind wir gerettet.“ Die amerikanischen Offiziere erklärten ihnen: „Jawohl, ihr bekommt Entlassungspapiere, ihr könnt heim, ihr werdet entwaffnet, und alles ist vorbei. Der Krieg ist zu Ende.“
Am nächsten Morgen wurden sie jedoch alle wieder auf Lastwagen verladen und in die andere Richtung gebracht. Schließlich kamen sie bei den Russen an. Der Mann sagt: „Das waren sechs Jahre meines Lebens, die ich in einem Arbeitslager litt, ausgeliefert.“
Bei Jesus war es nicht nur so, dass er ausgeliefert wurde – irgendwo in die Hände brutaler Menschen. Das gibt es ja auch sonst, und das ist schwer genug für jeden, der so etwas in seinem Leben erleben muss. Es wiederholt sich ja tausendfach, dass Menschen anderen Menschen ausgeliefert werden, die über sie bestimmen, ihr Schicksal in die Hand nehmen, und sie sich nicht wehren können.
Bei Jesus war es nicht nur so, dass er ausgeliefert wurde unter Pilatus. Wenn Sie aufmerksam verfolgt haben, wissen Sie, dass Pilatus ein sehr korrekter Mann war, ein rechtliebender Mensch. Die Römer hatten ein gutes Rechtssystem. Noch heute muss jeder Jurastudent in der Bundesrepublik das römische Recht studieren. Das römische Recht ist mit seinem großen Gerechtigkeitsempfinden bis heute, über zweitausend Jahre hinweg, Vorbild für unsere Rechtsprechung.
Pilatus muss dreimal ausdrücklich sagen: „Ich finde keine Schuld an ihm.“ Es wäre nicht einmal schlimm gewesen, dass Jesus in einen merkwürdigen politischen Rechtshandel hinein ausgeliefert wird, dass er ausgetauscht wird. Das gibt es ja immer wieder in unserer Welt.
Denken Sie nur daran, wenn es bei uns Erpressungsversuche oder Geiselnahmen gibt und man sagt: „Nun, einer soll eben leiden, das macht nichts, wenn nur die anderen Ruhe haben.“ Da schließlich gibt Pilatus Jesus doch frei.
Der Gegensatz zwischen Gottes Willen und menschlichem Willen
Sie ist nicht so schlimm, wie Sie es tun. Sie ist so schlimm, wie Sie es tun. Sie ist so schlimm, wie Sie es tun. Sie ist so schlimm, wie Sie es tun. Sie ist so schlimm, wie Sie es tun. Sie ist so schlimm, wie Sie es tun. Sie ist so schlimm, wie Sie es tun. Sie ist so schlimm, wie Sie es tun. Sie ist so schlimm, wie Sie es tun. Sie ist so schlimm, wie Sie es tun.
Der Wille des Menschen ist seit Anbeginn der Welt entgegen dem Willen Gottes. Lesen Sie die ersten Seiten der Bibel: Die ersten beiden Menschen schaffen es einfach nicht, ihren Willen mit dem Willen Gottes in Einklang zu bringen. An einer Stelle zeigt sich eine tiefe Kluft zwischen dem, was Gott will, und dem, was die ersten Menschen wollen.
Die ganze Not unseres Lebens liegt darin, dass der Wille Gottes und mein Wille einander so völlig entgegengesetzt sind. Deshalb gibt es in meinem Leben keinen Frieden, keine Ruhe, keine Freude und keine Erfüllung. Das Problem ist, dass die beiden Wege nie zusammenkommen: der Wille Gottes und mein Wille.
Wir sehnen uns nach Gott. Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch auf dieser Welt Heimweh nach Gott hat. Doch die Not besteht darin, dass die beiden Wege nie zusammenfinden – mein Wille und der Wille Gottes.
Deshalb hat Jesus seinen Jüngern gelehrt, gleich am Anfang zu beten: „Dein Wille geschehe.“ So soll in dieser Welt endlich der Wille Gottes geschehen – dieser große Wille Gottes, der Frieden schafft, Freude schenkt und Versöhnung bewirkt.
Man verfolgt dieses Thema durch die ganze Geschichte des Volkes Israel hindurch. Immer wieder zeigt sich, dass die Not darin lag, dass die Menschen nie dem Willen Gottes folgen konnten. Stattdessen waren sie aufrührerisch, lebten ihr eigenes Leben und gingen immer wieder von Katastrophe zu Katastrophe weiter.
Jesus’ Leiden am widerspenstigen menschlichen Willen
Und darin hat Jesus so gelitten, wenn er Menschen gesehen hat. Jesus sagte: „Ich sah sie zerstreut wie Schafe ohne Hirten.“ Sie haben einen Willen, der sie hierhin und dorthin reißt. Wir alle haben eine Sehnsucht nach Lust und wollen Befriedigung erfahren. Deshalb klappern wir alles in der Welt ab und suchen mit unserem Willen durstig nach Erfüllung. Wir wollen auch etwas vom Leben haben, doch allein fühlen wir keine wahre Befriedigung.
Jesus war es sehr wichtig, Menschen zum Willen Gottes zu führen und sie in die Nachfolge zu bringen. Dort sollen sie tun, was Gott will, und ihr Leben wird schließlich von diesem großen Frieden durchzogen.
In der Passionsgeschichte zeigt sich der tiefste Punkt, als Jesus dem Willen der Menschen ausgeliefert wird. Dieser sündige, gottferne Wille kann sich an Jesus austoben. Die Menschen schreien: „Wir wollen nichts mehr von Jesus wissen! Wir wollen ihn nicht haben! Ich will mein eigenes Leben haben, ich will mein Leben so gestalten, wie ich will.“ So haben wir es selbst in unserem Leben oft gesagt.
Keiner von uns hat Gott nicht schon trotzig erklärt: „Ich will das nicht.“ Ich verstehe Menschen, die sich von Gott losreißen. Doch nicht, weil das Evangelium schlecht verständlich ist, sondern weil wir nicht so leben wollen, wie er es will. Wir haben einen anderen Plan, einen anderen Kopf und ein anderes Herz.
An diesem Willen leidet Jesus zu Tode. Ich bin heute Abend einfach froh, dass das in der Passionsgeschichte noch einmal klargestellt wird. Jesus leidet nicht an irgendwelchen bösen Menschen, sondern an meinem bösen Willen, an meinem eigenmächtigen Willen, an meinem gottlosen Leben hinter unserer Frömmigkeit und hinter unserer äußeren Fassade. Dieses eigene Wollen, dieses eigene Planen: „Ich will mein Leben, meinen Willen, meine Planung.“
Doch Jesus übergab sich Pilatus und damit ihrem Willen. Ihr könnt mit ihm machen, was ihr wollt. Jesus gibt sich in die Hände der Menschen. Bis heute ist dies das Martyrium Jesu in unserer Welt: Dass Christen aus Jesus machen, was sie wollen. Menschen sagen, ihre Frömmigkeit wird so sein, wie sie es wollen und wie sie meinen. So entstehen Konfessionen, Gruppen und eigene Planungen.
Gott hat einen Willen: dass uns geholfen wird, dass allen Menschen geholfen wird. Das ist sein Wille. Darunter leidet er und lässt sich bis heute vom Willen der Menschen quälen, foltern und missbrauchen. Er will uns aus unserem eigenen Willen herauslösen.
Er kennt uns in der Tiefe, durchschaut uns und versteht uns. Das ist meine Freude heute Abend, im Anbruch dieses Karfreitags: dass er mich mit meiner Not und meinem täglichen Leid durch und durch kennt.
Paulus sagt: „Ich kann nicht einmal das Leben leben, was ich will, so schwach bin ich.“ Ich möchte gern Gott nachfolgen, doch in mir ist ein anderes Gesetz, das diesem göttlichen Willen widerstrebt. Darin sieht Jesus mich. Er kann mich heilen.
So tief ist er in die Tiefe hinabgestiegen, damit er mich herausholt und freimacht. Sein Wille ist stärker. Wo wir uns ihm überschreiben, wo wir ihm gehören und wo Jesus in unserem Leben der Herr ist, da kann er uns freimachen von all dem, was uns am eigenen Willen immer Not bereitet und uns von ihm wegtreibt.
Diesen Menschenwillen hat Jesus nicht zerstören können. Am Ende ist alles eingebaut in den Heilsplan Gottes. Die Schuld der Menschen wird nie geringer. Doch Jesus kann auch meinen Eigenwillen und meine Sünde in seinen Heilsweg mit hineinnehmen. So stark und groß ist er.
Es kommt darauf an, dass er uns ganz erlösen kann. Das muss bis in den Willen, bis ins Herz hineinreichen. Das ist eine Bekehrung, die er wirkt, die durch und durch geht, wo er unseren Willen freisetzt und wir ihm gehorsam werden.
Jesus hat es bis in die Tiefe erlitten, damit er uns erlösen kann. Herr, lass deine Todespein an mir nicht vergeblich sein. Amen.
Gebet und Ausblick auf die Feier des Abendmahls
Und nun singen wir vom Lied 417, den sechsten und den siebten Vers. Lied 417, Vers sechs und sieben.
Wir beten: Herr Jesus Christus, du siehst in die ganze Tiefe der Not unseres Lebens hinein. Es sind nicht nur äußere Konflikte, an denen wir leiden, und nicht nur äußere Zufälle, die uns so viel Not bereiten. Du hast uns oft schon gezeigt, dass wir an uns selbst zerbrechen.
Wie oft haben wir begonnen, unser Leben neu zu gestalten? Wie oft haben wir mit neuen Vorsätzen unser Leben ganz neu machen wollen – und sind doch zerbrochen!
Herr, danke, dass du auch das durchlitten hast. Dass du es bis ins Körperliche hinein spüren musstest, welche Not es bedeutet mit unserem eigenen Willen. Danke, Herr, dass du uns erlösen kannst, dass du uns heute Abend freisprechen willst und dass wir dir vertrauen dürfen. Das ist Glauben: dass wir dir vertrauen dürfen, dass du uns umwandeln willst und umwandeln kannst, dass du uns ein neues Herz gibst, das in deinen Geboten wandelt.
Herr, mach uns zu Menschen des Friedens, der Güte und der Liebe. Gib uns deine Art ins Herz. Herr, lass dein Leiden und Sterben doch darin nicht vergeben sein, dass wir nur äußere Frömmigkeit pflegen, sondern nimm uns ganz hin, damit du aus uns etwas machen kannst zum Lob deiner Herrlichkeit.
Wir bitten dich: Segne auch die Festtage mit unseren Familien, mit der Ruhe, die vor uns liegt, aber auch mit dem, was du uns an diesen Festtagen sagen willst. Lass uns dein Evangelium so verstehen, dass es große Freude bei uns wirkt.
Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns Frieden.
Wir halten jetzt im Anschluss eine ganz schlichte Feier des Abendmahls. Dazu möchte ich Sie einladen, weil uns Jesus das braucht: Er will jedem von uns persönlich zusprechen, dass er mich meint, dass er Sie meint, wenn er von seinem Frieden, von dieser Erlösung und von dieser Vergebung spricht.
Wir haben auch morgen im Anschluss an den Gottesdienst eine Abendmahlsfeier. Am Sonntag findet eine Abendmahlsfeier in der alten Form statt, bei der wir dann am Altar vortreten.
Am Ostermontag gibt es keinen Kindergottesdienst. Am Karfreitag und am Ostersonntag findet gleichzeitig Kindergottesdienst statt. Am Ostermontag dürfen die Kinder mit hier in den Gottesdienst kommen. Wir nehmen darauf Rücksicht, dass auch die Kinder angesprochen werden.
Das Opfer heute Abend ist zum letzten Mal für die Bibelverbreitung in der Sowjetunion bestimmt. Es ist wichtig, dass noch Türen geöffnet werden, um das Wort Gottes hineinzubringen. Das ist groß.
Wir denken daran, dass sich etwa fünf Millionen evangelische Christen in der Sowjetunion versammeln. Es werden mehr evangelische Christen sein, die den Karfreitag morgen begehen, als evangelische Christen in der Bundesrepublik Deutschland.
Viele von ihnen haben seit vielen Jahren keine Möglichkeit, ein christliches Buch zu besitzen. Wir danken Gott, dass er Türen öffnet, und danken Ihnen, dass Sie das ermöglichen können.
Wir machen jetzt eine kurze Stille. Wer nicht am Abendmahl teilnehmen möchte, kann in dieser Zeit gehen.