Einführung in den inneren Kampf des Menschen
Ich darf uns den Text zu dem Thema vorlesen, und wir finden ihn in Römer 7,18-25.
Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen des Guten nicht.
Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde.
Ich finde also das Gesetz, dass bei mir, der ich das Gute tun will, nur das Böse vorhanden ist. Denn ich habe nach dem inneren Menschen Wohlgefallen am Gesetz Gottes.
Aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet und mich in Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.
Ich elender Mensch, wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes? Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Also diene ich nun selbst mit dem Sinn dem Gesetz Gottes, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde.
Die Bedeutung des Wortes und der Trost im Evangelium
Ein Wort sagen können, das Trost ist.
Ich habe dieses Wort ausgewählt, weil es ein ganz wichtiges, zentrales Wort des Evangeliums ist. Ich erinnere mich noch an eine Israelreise, bei der die jüdische Touristenführerin bei einer passenden Gelegenheit einmal ausgeholt hat – wie Sie es alle schon bei Israelreisen erlebt haben. Sie sagte: „Ja, das mit Jesus ist ja ganz schön. Er hat die Kranken geheilt, die Menschen getröstet und sein Wort des Zuspruchs gegeben.“
Dann kam auch noch das Wort: „Die Bergpredigt ist ja wirklich etwas Gutes, dem stimmen wir alle zu. Aber Paulus, der ist doch der große Verderber des Evangeliums.“ Es war immer so, dass die Botschaft des Römerbriefs zurückgedrängt wurde.
Man kann heute junge Leute sehr leicht für Jesus begeistern. Jesus ist wunderbar, komm, stimme ein, wir haben so schöne Lieder. Aber zum Glück hat uns Paulus das Evangelium von Jesus richtig gezeigt – im Römerbrief.
Gerade zum Jubiläum, 500 Jahre Reformation, ist es erschütternd, wie oberflächlich an vielen Stellen von der Reformation gehandelt wird. Oft geschieht dies in einer abstoßenden, erregenden Weise, bis hin zu Büchern, die erschienen sind.
Was hat denn Martin Luther entdeckt? Dass der größte Trost des ganzen Evangeliums von Jesus im Römerbrief steckt. In dieser Botschaft.
Ich bin überzeugt, dass in unseren Tagen dieses Wort vom Römerbrief, wenn wir es mit unseren Worten unter unseren Zeitgenossen, Freunden und Bekannten verbreiten, plötzlich sehr aktuell und zeitnah wird.
Die Not des Menschen und die Herausforderung des Glaubens
All die Menschen, die da draußen in der Welt unterwegs sind, kommen mit ihrem Leben kaum zurecht. Es gibt kaum jemanden, der nicht am Rande des Existierens steht. Ängste belasten sie, das Bewusstsein über eigene Versäumnisse und die vielen Probleme drücken schwer.
Am Sonntagabend haben wir hier in Berlin noch einmal den Gottesdienst besucht. Es war wunderbar: die Lieder, die Musik, alles schön, auch das Evangelium. Doch am Ende stand der Aufruf: „Ihr müsst die Welt verändern!“ Dafür braucht man einen großen Glauben. Aber wie soll ich die Welt verändern? Ich kann ja nicht einmal die Nöte meiner Umgebung verändern. Ich kann nicht einmal meine Familie verändern. Nicht einmal mein eigenes Herz und mein eigenes Wesen schaffe ich zu verändern. Dabei möchte ich doch ein ganz anderer Mensch sein.
In der Geschichte unserer Familie, meiner Vorfahren, lebten sie auf der Schwäbischen Alb. Einer von ihnen war vor etwa 250 Jahren der Erste, der als Dorfschulmeister im Dorf Hülben tätig war. Er wirkte dort oben in einem Lehramt, das mit Landwirtschaft verbunden war. Es gab noch keine eigene Pfarrstelle dort. Von dem Ort Dettingen aus kam der Erweckungsprediger Fricker damals einmal pro Woche nach Hülben, um zu sehen, welche pastoralen Dienste zu erledigen waren.
Die Frau des Schulmeisters bereitete ihm ein Vesper zu, wie man bei uns in Württemberg sagt. Dabei sagte sie zu ihm: „Lesen Sie auch den Römerbrief!“ Acht Tage später kam er zurück und fragte: „Wie war es jetzt mit dem Römerbrief?“ Sie antwortete: „Das ist nichts für uns Hülbener. Mit dem fangen wir nichts an.“ Daraufhin sagte er: „Dann lesen Sie ihn einfach noch einmal.“ Als er wiederkam, sagte sie: „Das ist ein Wort für uns.“
Aus dieser Begegnung entstand eine Erweckung, die eine ganze Reihe von Dörfern dort oben in der Uraha-Alb erfasste. Diese Tradition hat uns tief geprägt.
Das größte Problem des Menschen vor Gott
Warum, was ist denn die Botschaft? Das größte Problem bin ich selbst. Wenn man heute eine Zeitung aufschlägt, sieht man, wie es in unserer Welt drunter und drüber geht. Dabei wird man fast verrückt, wenn man die Nachrichtensendungen hört. Wie soll das überhaupt noch weitergehen?
Wir werden mit all den scheinbar unlösbaren Problemen überschwemmt. Dabei sagt Paulus im Römerbrief, dass das allergrößte Problem zu allen Zeiten immer jeder einzelne Mensch vor Gott ist. Und jetzt kommt das Wort von der Sünde: Jeder Mensch ist von der Sünde besetzt und von ihr beherrscht. Das gilt natürlich auch in unseren Tagen.
Wie wir schon am Sonntag sagten, ist das Thema Sünde heute nicht mehr erwünscht. Deshalb ist auch das Kreuz nicht mehr gewünscht. Anselm Grün sagt zum Beispiel, dass er es nicht braucht, dass Jesus für ihn am Kreuz gestorben ist. Der Bergsteiger Reinhold Messner will alle Kreuze von den Bergen entfernen, weil ihn das Kreuz ärgert. Und Sie kennen den Streit um die Kuppel beim Berliner Schloss: Was man dort oben anbringt, darf heute nicht mehr das Kreuz sein.
Ausgerechnet dem Pharisäer Saulus, der es so wichtig war, in der Welt Gottes Ordnung und den Menschen nahezubringen – mit der Botschaft: „So müsst ihr leben, damit euer Leben gelingen kann“ –, wird von Jesus gezeigt, dass das größte Problem die Sünde seines eigenen Herzens ist. Und er wurde zum Prediger dieser wunderbaren Botschaft, des Abschnitts, den wir jetzt hier gelesen haben, in einer Offenheit ohne Gleichen.
Die Kraft des Zeugnisses der eigenen Schwäche
Nun wissen Sie ein ganz einfaches Stück, das man sich immer wieder vor Augen halten muss: Sie können einem anderen Menschen niemals sagen „Du bist ein Sünder“. Das kommt immer falsch an. Es ist noch nie gut angekommen, wenn jemand so etwas gesagt hat.
Was jedoch gut ankommt, ist ein Zeugnis, bei dem Sie sagen: „Ich bin nicht gut.“ Gerade dann, wenn Menschen sehr überzeugt sind, zum Beispiel an einem Festtag oder an einem Geburtstag, wo sie sagen: „Ach, du hast so viel Gutes“, können Sie noch hinzufügen: „Ich leide jeden Tag, jede Stunde unter meinem eigenen Wesen. Und ich bin so furchtbar erschüttert darüber, dass in meinem Leben das Böse so viel Raum hat.“
Wissen Sie, dass dieses Zeugnis zu allen Zeiten große Erwägungen ausgelöst hat? So macht es Paulus. Er erzählt von sich selbst, er, der Pharisäer, der Gesetzeslehrer, der sagt: „Ich bin nicht gut.“ Er sagt sogar: „Ich bin der Schlimmste, der Spitzenreiter der Sünder.“ So schreibt Timotheus in seinem Brief. Von ihm heißt es, dass ihm Gnade widerfahren ist. Das Allergrößte ist, dass Paulus in seinem Leben die erneuernde, begnadigende Kraft von Jesus erfahren hat.
Deshalb ist es eine große Tragik, dass heute in der Christenheit viele Programme gepredigt werden, auf die junge Leute abfahren. Ich war ja selbst tätig in den Diensten der Dritten Welt, in den Entwicklungsdiensten und den Coworkerdiensten, bei denen wir viele Leute ausgesandt haben – viele, viele Hunderte, die hinausgegangen sind.
Aber es besteht eine große Gefahr: Jemand geht hinaus und sagt: „Ich möchte die Welt verbessern.“ Doch irgendwann merkt er: Der Erste, der bekehrt werden muss, bin ich selbst. Der Heide in mir muss besiegt werden. Das ist das größte Problem.
Die Relevanz der Botschaft von Paulus in der Reformation
Die Botschaft, die Paulus im Römerbrief vermittelt, hat gerade in der Reformationszeit eine wunderbare Wirkung gezeigt. Luther erlebte in seinen großen Ängsten, insbesondere in seinen Höllenängsten, eine tiefgreifende Veränderung. Diese Ängste sind bei uns heute zwar oft verloren gegangen, obwohl vor einigen Tagen im Radio berichtet wurde, dass zehn Millionen Menschen in unserem Land unter sehr schweren Angstzuständen leiden.
Natürlich stellt sich die Frage: Was ist mein Leben angesichts der Macht des Todes? Genau das wurde Luther so deutlich bewusst. Er fühlte sich von der Macht der Hölle mit seinem Leben umgeben. Ursprünglich war er ein leichtsinniger Student, der nach Spaß lebte und tat, was ihm gerade gefiel. Dann ereignete sich der Tod seines Freundes in Stotternheim, der plötzlich vom Blitz getroffen wurde. Luther bemerkte, dass sein Freund nicht mehr sprach – er war tot.
Dieses Ereignis ließ ihn vor der Macht des Todes stehen. Solche Erfahrungen prägen unser Leben immer wieder, wenn wir plötzlich innehalten und uns fragen: Was ist mein Leben? Wenn ein Todesfall in der Familie eintritt und man hinaus auf die Straße geht, erkennt man, wie die Menschen den irdischen Dingen nachgehen. Doch zugleich sind sie tief getroffen von der Realität des kurzen, scheinbar sinnlosen Lebens. Die Frage bleibt: Was ist mein Leben überhaupt?
Martin Luther hat diese Erkenntnis in der Reformation zum Ausdruck gebracht. Ich bin in der lutherischen Tradition aufgewachsen und habe immer wieder junge Menschen im lutherischen Katechismus unterrichtet. Für mich war es sehr wichtig, dass Jugendliche im Alter von dreizehn oder vierzehn Jahren diesen Katechismus auswendig lernen. Dort heißt es, dass der verlorene und verdammte Mensch durch Jesus Christus erlöst wird. Wir stolzen Menschen sind vor dem lebendigen Gott verlorene und verdammte Menschen.
Der Heidelberger Katechismus, der in der calvinistischen Tradition steht, ist einer der schönsten Katechismen, die wir haben. Es lohnt sich, ihn zu lesen oder sogar zu kaufen, denn die Formulierungen sind wunderbar. Schon im Artikel 1 heißt es, dass ich nicht mir selbst gehöre, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus, der mich mit seinem eigenen Blut erlöst hat. Im Artikel 5 wird betont, wie wichtig es ist, dass ich von Natur aus geneigt bin, Gott und meinen Nächsten zu hassen. Ich bin nicht gut von Natur aus.
Die fortdauernde Macht der Sünde im Leben des Gläubigen
Jetzt gab es natürlich viele Leute, auch Ausleger, und das müssen Sie jetzt wissen, wenn Sie selbst Ihre Entscheidung fällen: Sie haben dieses Wort hier von Paulus gelesen und gesagt, dass Paulus das vor seiner Bekehrung geschrieben hat. Mit seiner Bekehrung sei jetzt alles anders. Gott nein! Paulus hat das nicht vor seiner Bekehrung geschrieben, sondern auch als gläubiger Christ und Jesusnachfolger.
Wir wissen um die Macht der Sünde in unserem Leben. Wer von uns im Pflegedienst mit alten frommen Leuten zu tun hat, der weiß, wie Starrsinn und Sturheit bis in die Todesstunde uns begleiten. Das alte Wesen, das in unserem Fleisch sitzt, zeigt sich in Trotz, Rechthaberei und einer unbeherrschten Art – all das, was uns regiert.
Es ist ganz erschütternd, wenn Angehörige oft sagen, dass sie bei ganz großen frommen Leuten gar nicht wussten, was plötzlich, wenn der Kopf nicht mehr klar ist, für Schimpfworte aus dem Mund kommen. Leider tragen wir diese furchtbare Not bis zu unserer Todesstunde mit uns herum.
Unser Christenleben ist jeden Tag von dieser Not geprägt: Die Sünde in mir ist mächtig, der Teufel hat einen Fuß in meinem Leben, und ich kann die Tür nicht einfach zuziehen. Stattdessen bin ich in einen Kampf gestellt. Paulus spricht von einer ganz tiefen Zerrissenheit.
Ich meine immer wieder, wenn Sie anfangen, zeugnishaft vor anderen zu reden, dass das eine große Hilfe für viele Menschen ist. Ich meine, dass es das Evangelium ist, das zu allen Zeiten die Herzen geöffnet hat. Nur dadurch sind Menschen zum Glauben gekommen.
Es geht nicht darum, dass wir uns an die moderne, gottlose Welt anpassen, sondern dass wir von dieser großen inneren Not sprechen. Wir bezeugen bei uns selbst, wie wir das durchleben: Ich bin geknechtet von der Sünde, und ich bin gefangen.
Zeugnisse von Not und Befreiung in der Gemeinschaft
Wir hatten bei unserer Jugendkonferenz für Weltmission im Januar die 25. Veranstaltung. Diese fand in der Messe Stuttgart statt und wurde von etwa fünf jungen Leuten besucht. Dort war auch ein Weingärtner aus Neustadt in der Pfalz, ein ganz großes Original. Er organisiert viele Fahrten in den Osten und sagte zu mir, dass man die jungen Leute unbedingt mitnehmen müsse.
Er sprach erschütternd über die Not in uns und griff an diesem Tag nur kurz ein Thema für die jungen Leute auf: die Bilder, die sie im Internet sehen und wie diese Schmutz- und Pornobilder in ihrem Kopf Schaden anrichten. Eine Frau verließ daraufhin mit lauten Schritten den Raum. Der Saal war mit 1.200 jungen Leuten voll, und es wurde laut gerufen: „Wir sind laut hier, das muss ich mir nicht gefallen lassen.“
Später sprach ich mit jungen Leuten, die wir als erfolgreiche Ingenieure kennen. Sie sagten, dass zum ersten Mal jemand offen ausgesprochen habe, was ihre große Not im Christenleben sei: „Ich bin von der Macht der Sünde beherrscht.“
Dann baute Hermann Hofsess, der hinter dem Vorhang oben stand, einen großen Sarg auf. Er zog den Vorhang auf und sagte zu den Jungen: „Jetzt werfen wir all den Schmutz und Dreck hinein und bekennen das vor Jesus. Er macht uns allein frei aus dieser großen Not.“
Ich erinnere mich an ein Männerfest, eine Veranstaltung, die oft weniger gut besucht ist als die Frauenfrühstückstreffen. Dennoch sind Männer nicht so schwerfällig, wie man oft denkt. Dort sprachen wir über die große Not, die viele Männer in ihrem Christenleben auf verschiedenen Gebieten belastet. Sie leiden schwer darunter, dass die Sünde noch so viel Raum in ihrem Leben hat.
Ein katholischer Mann, der Bötzi, war auch dabei. Er sagte: „Ich bin so froh, dass das ausgesprochen wurde. Ich war Alkoholiker, Handwerker, und bin in ein Kloster gegangen. Ich wusste, dass auch die Therapeuten mir nicht helfen konnten. In der Stille dieser kurzen Klosterzeit wurde Jesus für mich beim Bibellesen ganz groß.“
Er fügte hinzu: „Endlich wurde heute Abend ausgesprochen, dass ich mit meiner Kraft immer wieder erlegen bin. Ich habe gekämpft, und egal wie sehr ich mich bemühte, flossen auch viele Tränen.“
Sie wissen, wie es in der Erweckungsbewegung in den Liedern immer heißt: „Ich blicke voll Beugung und Staun hinein in das Meer seiner Gnad. Wie lang habe ich mühvoll gerungen, gesäuft unter Sünde und Schmerz, doch als ich mich ihm überließ, da strömte sein Frieden in mein Herz.“
Es ist eine Not, dass heute in christlichen Kreisen kaum noch über die Sünde gesprochen wird. Deshalb kommt das Thema auch sehr selten in den Versammlungen zur Sprache. In der Freikirche ist das besser als in den landeskirchlichen Kreisen, aus denen ich komme.
Dort sagen wir schon zu Beginn im Eingangsgebet: „Herr, komm zu uns und nimm zuerst die ganze Last dieser vergangenen Woche weg. Das, was mich belastet, was nicht gut war in den Gesprächen, in unserer Ehe, was in unserer Familie schiefgelaufen ist, was in meinen Gedanken böse und nicht recht war – das möchte ich dir bringen.“
Das Gesetz Gottes und die Unfähigkeit des Menschen
Paulus sagt in diesem siebten Kapitel: Das Gesetz ist gut, das Gesetz ist wunderbar, die Ordnung Gottes. Er selbst hat gesagt, dass das Gesetz bis ins Letzte erfüllt werden wird.
In Kurzbibelschulen, wie sie der württembergische Christusbund mehrtägig anbietet, haben wir gerade die ganzen Gesetzesbücher – Zweites Mose, Drittes Mose, Viertes Mose – durchgenommen. Das war wunderbar. Das sind befreiende Worte, aber ich kann sie doch nicht umsetzen. Es gibt überhaupt niemanden auf der Welt, der das tun und vollenden kann.
Darum sagt Paulus offen: Nicht ich tue es, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht. Ich will doch, ich will doch!
Ich bin auf ein humanistisches Gymnasium in Stuttgart gegangen, ein altehrwürdiges, das viele Jahrhunderte bestand. Unsere Lehrerschaft legte großen Wert darauf. Sie wussten auch, dass dieser Kampf schon in der Reformation zwischen Luther und Erasmus tobte. Für unsere Lehre war ganz klar: Man braucht Jesus nicht, sondern wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen. Wir schaffen es zwar nie ganz, aber es ist schon gut, wenn man ein Stück weiterkommt.
Das ist eine ganz verbreitete Ideologie, die heute auch in vielen christlichen Kreisen herrscht. Dazu heißt es noch: Mach täglich eine gute Tat, und dann ist das gut. So kannst du auch die Mängel deines Lebens ausgleichen. Das mag islamisches Denken sein, bei dem man das auf die Waagschale legt, um die Mängel seines Lebens auszugleichen. Mit dem Evangelium hat das nichts zu tun.
Es ist interessant, dass je länger man Christ wird, desto tiefer merkt man die Macht der Sünde in unserem Leben. Gegen diese Macht der Sünde kann ich nichts anderes tun, als wie Paulus zu rufen: Ich elender Mensch! Wer wird mich vom Leibe dieses Todes erlösen? Wie komme ich endlich heraus aus diesem großen, schrecklichen Geschehen?
Ich weiß, dass in mir nichts Gutes wohnt. Ich darf Sie noch einmal bitten, das in Schlichtheit auch vor Ihren Kindern und Enkeln bis in die Todesstunde hinein zu bekennen.
Die Kraft der Gnade und das Zeugnis großer Glaubensgestalten
Und darum sind mir die Texte der großen Lieder unseres Glaubens so unaufhebbar an mir und meinem Leben. Auf dieser Erde gibt es nichts, das so wertvoll ist wie das, was Christus mir gegeben hat. Das Entscheidende hat er mir geschenkt.
Sie wissen, dass ich immer gern auf die Geschichte zurückgreife. Wenn ich dann in Berlin bin, denke ich an unseren lieben Zinzendorf, der hier die Berliner Reden gehalten hat. Diese Berliner Reden sind mir etwas vom Allerschönsten und Größten, weil sie auf ganz schlichte Weise das Evangelium zusammenfassen.
Zinzendorf ist uns deshalb groß, weil er zu den Reichsgrafen gehörte. Dieser Adelstand hatte jederzeit Zutritt zum Kaiser. Das war ein besonderer Stand, den sonst nicht jeder Graf oder Herzog hatte. Zinzendorf verlor seinen Vater kurz nach seiner Geburt. Seine Mutter heiratete erneut, und zwar den preußischen Generalfeldmarschall. Aus den höchsten Adelskreisen stammend, wurde er von seiner Großmutter, der Freifrau von Gersdorf, großgezogen. Von früh an wurde ihm eine große Liebe zum Heiland eingeprägt.
So war es Zinzendorf schon in frühester Kindheit wichtig, Jesus zu dienen. Die Herrnhuter, die heute in einer großen Krise der liberalen Theologie stehen, verstehen von ihrem Erbe her, von den ganzen Zinzendorf-Liedern, dass es ihm immer wieder geschenkt war, das Evangelium so schlicht herauszustellen. Er wollte aus seinem großen Adelstand heraus der Geringste und Kleinste sein.
Einer seiner Mitarbeiter war Christian Gregor, der Sangesmeister der Brüdergemeinde. Er schuf die schönen Lieder, in denen es heißt: „Ich bin in Wahrheit eins der schlechtsten Wesen, das sich der Heiland auserlesen.“ Das ist so befreiend, wenn man offen vor Jesus sagen kann: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen vom Leibe dieses Todes?“
Zinzendorf konnte auch John Wesley helfen. John Wesley war als Missionar nach Amerika ausgereist. Schon als Student hatte Wesley ein ganz durchstrukturiertes Glaubensprogramm. Deshalb stammt auch der Name „Methodist“ aus seiner frühen Jugendzeit. Er trug diesen Namen gern: „Ja, ich bin ein Mann der Methode.“ Er wollte seinen Glauben mit eigener Kraft erzwingen.
Im Missionsdienst in Amerika, unter den Indianern, geschah jedoch eine Frauengeschichte. Wesley hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen, aber es gab Gerede. Die Missionsleitung schickte ihn zurück, und er war ein gescheiterter Mann. In London verbrachte er Tage und Wochen in einer schwierigen Lage.
Sie kennen sicher Mitchristen, die plötzlich von Gott in die Leere geschickt werden. Sie wollen eigentlich Gott mit ihrem Einsatz dienen, aber Gott sagt: „Die brauche ich gar nicht.“ So erging es auch Wesley.
Er ging in die Versammlung der Herrnhuter. Dort sprach Peter Böhler und las komischerweise nur die Vorrede Luthers zum Römerbrief. Luther sagt darin, dass der Glaube etwas Mächtiges ist. Diese Verbindung mit Jesus macht dich neu. Nicht das, was du tust, sondern indem du deine Hände ausstreckst und immer wieder neu Jesus in deinem Leben aufnimmst.
Das war für John Wesley der eigentliche Durchbruch zur Freude. Er konnte aus der Verkrampfung seines Lebens und aus den Zwängen herausfinden.
Die Herausforderung der Authentizität im Glaubensleben
Und wissen Sie, das ist in unserem Christenleben eine große Verkrampfung. Wir wollen so gute Menschen sein, dass wir das nach außen ausstrahlen. Ich höre das immer wieder von jungen Leuten, die sagen: „Ich möchte das in meiner Klasse vorleben.“
Was möchtest du vorleben? Es ist noch nie ein Mensch auf die Idee gekommen, zu mir zu sagen: „Du siehst so fromm aus, da muss etwas an deinem Glauben dran sein.“ Was soll das denn für ein Quatsch sein? Eine Heuchelei in unserem Gesicht?
Es kann doch gar nicht wahr sein. Sie fragen doch auch nicht den Menschen in der Bank: „Sind Sie so nett? Sind Sie vielleicht Anthroposoph oder was?“ Da wird auch niemand gefragt. Wichtig ist das Zeugnis der eigenen Verlorenheit.
Ich kann ohne Jesus keinen Schritt gehen. Ich brauche täglich seine Vergebung und seine Gnade. Ohne diese Gnade kann ich nicht leben. Das wird auch das Thema am Sonntag noch einmal sein: Die Heilsgewissheit ruht nie in meiner Frömmigkeit, sondern allein in dem, was Jesus mir unverbrüchlich zuspricht. Und das brauche ich.
Orte und Menschen der Glaubensgeschichte als Inspiration
Ich habe Ihnen, glaube ich, schon beim letzten Mal erzählt, dass Sie eine ganz besondere Liebe zum Bethlehemsplatz haben. Leider steht die Bethlehemskapelle nicht mehr.
Ein Stück entfernt vom Checkpoint Charlie, dort wo früher die Mauer stand, ist jetzt freundlicherweise noch das Stahlgerüst angebracht worden. Es war eine Segenstätte in Berlin. Pastor Jenicke war dort der Gründer der Berliner Mission. Er gründete die erste Bibelschule für Missionare an diesem Ort. Später war Gustav Knack dort mit seinen wunderbaren Liedern, zum Beispiel „Keiner wird zu Schanden, welcher Gott es hat“.
Man sieht noch die Bänke, wie sie dort standen. Das ist immer wieder ein besonderer Ort. Dort war auch Johannes Gossner. Er gehörte zu der großen Gruppe katholischer Priester, die zur Memminger Erweckung nach Napoleon um 1820 zum lebendigen Glauben an Jesus kamen. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das schon erzählt habe.
Es war ganz merkwürdig, dass eine ganze Reihe katholischer Priester zum lebendigen Glauben an Jesus kam. Ein Bischof Seiler war dabei, ebenso Ignaz Lindl, der später in Odessa wirkte. Dann kam Henhöfer zum Glauben, ein katholischer Priester, der in Baden die große Erweckungsbewegung angestoßen hat. Das sind Verbindungen zu Ludwig Hofacher nach Württemberg – und das ausgerechnet über lauter katholische Priester, die zum lebendigen Glauben kamen.
Johannes Gossner überlegte gleich, ob er nicht evangelisch werden sollte. Doch dann sagte ihm der Kaufmann Kiesling in Nürnberg: „Die evangelische Kirche ist so schwarz wie die katholische. Bleib, wie du bist, aber sei ein Zeuge Jesu und seiner Gnade.“
Was war der Anstoß für diese Priester? Eine katholische Frau auf dem Sterbebett wurde vom katholischen Kaplan besucht. Er sagte zu ihr: „Sie können ja gut sterben. Sie haben keinen Gottesdienst ausgelassen und so viel gebetet.“ Darauf antwortete sie: „Das macht mich doch vor Gott nicht gerecht.“
Der Priester fragte: „Ja, was denn dann?“ Sie sagte: „Allein die Gnade Jesu, der für mich am Kreuz gestorben ist.“ Dieses schlichte Zeugnis eines Gemeindemitglieds war entscheidend.
Noch einmal: Das Wissen um die eigene Verlorenheit und die Verdammnis unseres Lebens sowie die alleinige Gnade in Jesus ist der Trost unseres Lebens – immer im Leben und im Sterben.
Darum ist das ein ganz wunderbares Zeugnis, das wir auch geben. Das geschieht durch unsere Lieder und durch die Texte unserer Lieder, die wir immer wieder weitergeben und in diesen Liedern singen.
Die Bedeutung der Lieder im Glaubensleben
Ich habe mich gefreut, dass Sie das schöne Lied ausgesucht haben. Natürlich muss ich die Nationalhymne für uns württembergische Pietisten erwähnen, die Erbarmung widerfahren ist – eine Erbarmung, deren ich nicht wert bin.
Philipp Friedrich Hiller hatte seine Pfarrei in der Nähe von Heidenheim. Er wurde von Gott in eine große Not gestürzt, als seine Stimme versagte. Er konnte nur noch krächzen und konnte sich vielleicht unter vier Augen noch schwer unterhalten. Für einen Verkündiger des Evangeliums war das das Allerschlimmste.
Dann ging er zu seinem Freund Johann Albrecht Bengel und bat ihn: „Bet mit mir, dass Gott ein Wunder tut.“ Doch sie erlebten, dass Gott dieses Wunder nicht tat. Es war eine große Anfechtung. Hiller wollte dem Herrn dienen, doch es war damals auch ein wirtschaftliches Problem.
Die Pfarrer hatten nur Landanteile, also Ackerflächen, die sie bewirtschaften mussten. Hiller musste sich einen Vikar nehmen und diesen aus seinen Privateinkünften bezahlen. Das war alles sehr schwierig. Doch Bengel sagte zu ihm: „Schreibe!“ Daraufhin verfasste Hiller über tausend Lieder.
Das Liederkästlein gehört zu den kostbarsten Schätzen, wenn man es für die eigene Andacht schätzt. Es wird heute immer noch hochgehalten und immer wieder neu gedruckt. Dieses Schatzkästlein von Hiller enthält nicht einmal das schöne Lied „Jesus Christus herrscht als König“. So viele Lieder hat er geschaffen.
Gott wirkt oft ganz anders, indem er unsere Kraft zerbricht. Das hat bei Gott Methode, denn es kommt nicht auf mein Tun oder Können an. Dann treten das ganze Elend und die Schwäche hervor. In Hillers Liedern ist es fast anstößig, wie er von seinem Leib spricht. Er kann sogar vom Matensack in den Liedern reden.
Wissen Sie, die Texte sind nicht die Melodie – es ist ein sterbender Leib, den wir tragen. Paulus spricht davon, wenn er sagt: „Was ist mein Fleisch?“ Doch dann folgt der Dank: „Dank sei dir durch Jesus Christus!“ Jesus hat solche Leute erwählt und nimmt sie in seinen Dienst. Er gebraucht gerade solche Menschen.
Das ist für uns so wunderbar, dass wir uns darüber gar nicht ausbreiten müssen. Gerade in der etwas harten Sprache von Philipp Friedrich Hiller ist das so schön. „Nein, so bin ich, so ist mein Fleisch in diesem Leben.“ Wenn schon mein Leib zerbricht, mein Hüttlein tot ist, kannst du es brechen, denn es ist ein Werk von Lehm.
Aber du hast nichts zu rächen, denn meine Sünden sind vergeben – das singt Hiller in seinen Liedern. Er sagt: „Ich bin ein Mensch, ich stehe doch vor der Wirklichkeit dieses zerbrechlichen Lebens. Aber ich habe die Gnade von Jesus ergriffen.“
Das ist so groß, wie Paulus es in seinem Umschwung beschreibt: „Ich elender Mensch“ – so hat er sich gefühlt, auch in der Gefangenschaft. Es war nicht leicht, wie die Wachsoldaten ihn herumstießen und wie er in den nassen Zellen war. Er hatte ja schon mit seinen körperlichen Leiden zu kämpfen.
Wenn jemand mit körperlichen Leiden zu kämpfen hat und fragt: „Gott, warum kannst du das zulassen?“ – dann lässt Gott seinen Leuten sehr viel zu und legt ihnen viele Lasten auf. Doch Paulus sagt: „Dank sei dir durch Jesus Christus, mein Herr, dass ich das überwinden kann und dass ich plötzlich herausgeführt werde.“
Dann sieht er ein anderes Gesetz, nicht nur die Folge der Sünde in seinem Leben, die ihn so terrorisiert. So ist das wunderbare Geheimnis der Vergebung Jesu, der ihn erlöst, befreit und durchbringt.
Die Botschaft des Evangeliums als Schlüssel zur Bekehrung
Ich habe Ihnen gesagt, dass zu allen Zeiten dieses das entscheidende Schlüsselwort zur Bekehrung von Menschen war. Uns interessiert es ja immer wieder, wie wir heute Menschen erreichen oder wie wir das Evangelium verkünden können. Dabei hat sich im Grunde nie etwas geändert.
Ich denke an die gesegneten Ereignisse, wie Billy Graham in Berlin gewirkt hat und das Stadion gefüllt hat. In seinem Buch "Friede mit Gott" schildert er diese Erfahrungen. Das Buch ist im Grunde nur der Aufschrieb seiner Botschaften.
Er erzählt von Charlotte Elliot, einer guten Klavierspielerin, die bei einer christlichen Einladung abends wunderbar gespielt hat. Die Leute waren begeistert und spendeten Beifall. Dann war ein französischer Evangelist dabei, der auf Charlotte Elliot zuging und sie fragte: „Sind Sie eigentlich Christ?“ Sie antwortete: „Das geht Sie überhaupt nichts an.“
So reagiert jemand beleidigt und verletzt, wenn er diese Entscheidung noch nicht klar getroffen hat. Dieses Wort können Sie in "Friede mit Gott" von Billy Graham nachlesen, wo er die Geschichte noch einmal erzählt.
Dann sagt der Evangelist: „Sie sind vor Gott auch nicht besser als die Hure in der Hafengasse.“ Charlotte Elliot stand daraufhin auf und rannte aus dem Saal. In dieser Nacht dichtete sie das Lied „So wie ich bin, so muss es sein“. Dieses Lied wurde bei Billy Graham oft vor der Übergabe gespielt und vom Chor gesungen, während die Leute den Saal verließen.
Der Text lautet: „So wie ich bin, so muss es sein, oh Gotteslamm, ich komm, ich komm.“ Viele waren über dieses Lied empört. In Amerika sagten Journalisten, das sei nur ein süßliches Lied, deshalb träten die Leute vor. Billy Graham erwiderte darauf: „Dann lassen wir es einfach weg.“
Es entstand eine Pause, und die Leute sagten: „Das hält man ja überhaupt nicht aus, diese Stille.“ Daraufhin baten sie, die Musik wieder anzumachen.
Dieses Lied vermittelt den Menschen, dass sie ohne Jesus nichts sind. Das ist der entscheidende Schritt zum Glauben und zum Erkennen des Heils: die eigene Verlorenheit zu sehen.
Noch einmal: Ich kann nicht predigen „Du bist ein verlorener Mensch“, aber Sie können es bezeugen. Und das ist das Herrlichste des Evangeliums.
Ich freue mich, dass der Apostel Paulus das in seinen Briefen so oft erzählt hat.
Die Unmöglichkeit, das Gesetz ohne Christus zu erfüllen
Es muss in der Verkündigung des Apostels Paulus eine sehr große Rolle gespielt haben. Das Gesetz ist gut, hat er gesagt, aber ich kann das Gesetz nicht halten – erst wenn Jesus mich ergreift und ich seine Hand fasse. Das darf ich immer wieder neu tun, und das ist das Fröhliche unseres Christenlebens. Darum brauchen wir das immer wieder.
In den letzten Jahrzehnten hat man oft gesagt, die Evangelisation spreche ja bloß immer wieder die Frommen an. Und heute gibt es kaum noch Evangelisation in unseren Gemeinden. Ich finde das sehr schade, vielleicht bis auf wenige Christen. Ich fand es schön, dass so oft Evangelisation stattfand. Bis zum heutigen Tag darf ich sagen: Ich habe jede einzelne Evangelisationsveranstaltung immer selbst gebraucht für mein Christsein.
Für mich war es immer wieder ein Heimkommen und das einfache Ergreifen der Gnade – der Gnade von Jesus, die mich gesucht hat. Dabei durfte ich in den großen Abgrund alle Schuld hineinwerfen, alles, was nicht recht war an meinem Wesen. Immer wieder durfte ich das Wunder erleben, dass Christus mich erneuert.
Paulus fährt dann fort: So lebe ich nun, weil Christus mich frei macht von dem Gesetz der Sünde, von dieser Folge, von dieser Macht, die mein Leben bestimmt. Das ist tatsächlich ein Wunder – die Kraft von Christus erfahren zu dürfen. Christus macht uns stark, sodass wir immer weiter wachsen können.
Dann geht es bis zu diesem Höhepunkt: So ist nichts mehr Verdammliches an denen, die in Christus Jesus sind. Ich will nicht mehr anders leben als in Christus; ich möchte in ihm sein. Das ist so wunderbar, dass das bei gläubigen Christen immer wieder der neue Aufruf bleibt.
Die Freude und Verheißung des Lebens in Christus
Und das ist das Reformationsjubiläum – ein ganz wunderbares Reformationsjubiläum –, dass ich in Christus sein darf. Oder wie Luther so schön sagt: „Ein Kuchen werden mit Christus“, also ganz eng mit ihm verbunden sein. „Du in mir, ich in dir, niemand kann das trennen.“
Parguer hat es in der ernsten Theologie ebenso schön ausgedrückt. Er war ein großer Erweckungsprediger, der immer wieder betonte, dass es ein wunderbares Erbauungsbuch ist: „Erst wahres Christentum“, die fünf Bücher vom wahren Christentum. Diese sind auch heute noch lesenswert und stammen aus der lutherischen Orthodoxie.
Es ist so wichtig, dass ich Christus ergreife, mit ihm eins werde und immer wieder mit ihm lebe. Ich bin nicht mehr fleischlich, nicht mehr vom Fleisch bestimmt. Was bedeutet das bei Paulus? Es heißt, dass meine Ichsucht sterben muss. Mein Ich muss immer weiter zurücktreten, bis Christus immer stärker in mir wird. Denn Christus macht unsere sterblichen Leiber lebendig. Das ist ein großes Geheimnis.
Die Geschichte der Christenheit ist nie die Geschichte von Helden gewesen, sondern die Geschichte von ganz schwachen Menschen, die Jesus auserwählt hat und mit denen er seine Geschichte schreibt. Das ist ganz wunderbar.
Das werden Sie auch in Ihrer Gemeinde erleben. Ich darf Ihnen diese Verheißung mitgeben: Sie dürfen die Kraft von Jesus erfahren. Jesus wird sogar eine Spur durch Ihr Leben legen. Auch in der kommenden Generation, wenn Sie schon lange gestorben sind, wird manches aufgehen von dem, was Sie ausgesät haben. Denn das Samenkorn des Wortes Gottes ist wirksam und lebendig.
Darum ist das für uns ein großer Trost: aus dieser Verkrampfung frei zu werden. Ich will ein guter Mensch sein? Nein, ich bin kein guter Mensch. Aber ich bin froh, dass Jesus in mir Wohnung nimmt und mein Leben erneuert.
Schlusswort und Gebet
Du bist meines Lebens Leben, meiner Seele Trieb und Kraft, wie der Weinstock seinen Reben Lebenssaft und Kraft zuströmt. Du bist das Philippsbitter, und ich weiß, dass du die Mitte meines Lebens bist. Dich brauche ich immer mehr.
Ich habe in meinem Leben, wie es Ihnen allen wohl auch ergeht, erlebt, dass Leute oft sagen: „Du redest immer nur von Jesus.“ Ja, von wem sonst sollte ich reden? Was sollte ich sonst sagen? Jesus ist das Einzige, was uns trägt und hält. Er ist das Einzige, was uns über viele Traurigkeiten des Lebens hinweghelfen kann, weil Jesus alles zu seinem Lob und zu seiner Ehre macht.
Ich möchte noch beten: Herr Jesus, dir sei Dank, dass du in unser Herz hineinzuziehen vermagst. Auch was uns heute Abend bekümmert, wollen wir vor dir bekennen. Denn wenn wir sagen, wir hätten keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsere Sünde bekennen, so ist Gott treu und gerecht, dass er uns unsere Sünden vergibt und uns reinigt von aller Untugend.
Herr, mach du etwas aus unserem Leben, auch aus unserem Christenleben. Ich möchte auch bitten, dass du durch diese Gemeinde hier in der Hasenheide großen Segen wirkst. Du kannst das tun, nicht nach unserem Fleisch, sondern durch deinen Heiligen Geist. Du kannst wirken und Segen stiften in unseren Familien, in unseren Ehen, in unseren Gesprächen und durch die Aufgaben, die wir an dem Platz erfüllen, an dem du uns hingestellt hast.
Gebrauche uns, Herr, wir wollen nur dich recht fassen und dir danken, dass du stärker bist als alle Macht der Finsternis – viel, viel stärker. Dass uns nichts und niemand aus deiner Hand reißen kann und dass die Freude, die du schenkst, Jesus, unsere Freude, nie vergeht. Amen!