Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Thomas Povileit und Jörg Lackmann.
Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Im Leben und auch in der Gemeinde werden wir Unrecht erfahren und verletzt werden. Ich glaube jedoch nicht, dass diese Erfahrungen der Grund dafür sind, weshalb wir hierher geachtet werden. Solche Erfahrungen machen wir immer wieder, und viele von euch haben das wahrscheinlich auch schon persönlich erlebt.
Die wichtige Frage ist: Was macht das mit uns? Werden wir dadurch bitter? Oder gibt es einen Weg, diese Bitterkeit über das erlebte Unrecht zu überwinden? Kann ich auch weiterhin mit dem anderen unterwegs sein, wenn er mir Unrecht getan hat, ohne dass in unserer Beziehung die Wahrheit auf der Strecke bleibt? Die Wahrheit würde verloren gehen, wenn ich alles nur herunterschlucke, weil ich eben Christ bin und man mir immer wieder sagt: „Du darfst nichts sagen, vergib einfach und lieb den anderen.“
Das ist ja die spannende Frage: Gibt es einen Weg, auf dem wir trotz des erlebten Unrechts innerlich frei bleiben und sogar das Böse mit Gutem überwinden können?
Die Aussage, dass wir Unrecht erleiden und verletzt werden, auch in der Gemeinde, klingt zunächst einmal recht pessimistisch. Ist das wirklich so oft der Fall, dass ich erleben muss, man tut mir Unrecht, sogar in der Gemeinde? Ich denke, das ist nicht für jeden zu jeder Zeit immer der Fall, aber für viele ist das auf jeden Fall Realität.
Der Podcast ist auch ein bisschen so entstanden durch Gespräche, die man in der Gemeinde geführt hat, wo Leute etwas berichtet haben. Ich habe in der Mitte einen ganzen Abschnitt eingefügt, nur weil ein Bruder eine Bemerkung gemacht hat. Den wollte ich eigentlich gar nicht bringen. Erst dachte ich, muss ich das jetzt doch reinbringen, wenn da so falsche Vorstellungen über das Vergeben vorhanden sind. Das kam von meinem Bruder.
Ich denke, es ist deswegen realistisch. Wir haben in der Bibel auch in der Gemeinde, also in der ganzen Welt, aber auch in der Gemeinde genug Beispiele. Zum Beispiel Johannes: Er hat im dritten Johannesbrief geschrieben. Ich habe der Gemeinde geschrieben, also es geht um Gemeindethemen, aber Diotrephes, der bei ihm der Erste sein möchte, nimmt uns nicht an. Er war Apostel. Darum will ich ihm, wenn ich komme, seine Werke vorhalten, die er tut, indem er uns mit bösen Worten verleumdet. Und damit nicht genug: Er selbst nimmt die Brüder nicht auf und verwehrt es auch denen, die es tun wollen, und stößt sie aus der Gemeinde hinaus.
„Mein Lieber, ahme nicht das Böse nach, sondern das Gute. Wer Gutes tut, der ist aus Gott; wer aber Böses tut, der hat Gott nicht gesehen.“ Diotrephes würde ich mal sagen, war wahrscheinlich Gemeindeleiter. Wenn er so viel Macht hat, anderen Brüdern zu sagen: „Ihr kommt hier nicht rein“, hat er ihn als Apostel verleumdet. Er hat auch anderen, die Brüder um Johannes aufnehmen wollten, gesagt: „Nein, ihr dürft das nicht.“ Selbst hat er so Leute rausgeschmissen und wollte selber der Erste sein. Das ist ja auch schon mal ein ganz schöner Vorwurf.
Also ist er auf jeden Fall jemand, der Stress in die Gemeinde bringt. Was mir nicht ganz klar ist: Warum sagst du, der war Apostel? Johannes? Johannes war Apostel, Diotrephes nicht. Nein, Johannes war Apostel. Aber er hat, ich meine, er hat immer einen Apostel abgelehnt. Ja, stimmt. Und das war ja der ältere Staatsmann, der war schon ein bisschen älter, war anerkannt, und einige sind ja schon gestorben. Das ist schon eine Hausnummer, wenn so etwas passiert. Das klingt ja so harmlos. Ich denke, wir kommen nachher noch mal kurz darauf, je nachdem, wie das Gespräch so fließt.
Paulus hatte mit Petrus eine Weile ganz schön Stress, als es nämlich um die Besteidung ging. Und da sagte er in Galater 2: „Als aber Petrus nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn er war ihm unrecht.“ Das steht da sogar wörtlich so. Ja, er war ihm unrecht, und ich widerstand ihm ins Angesicht. Das ist ja eine... Also er springt ihn fast so an, würde ich mal sagen. Bestimmt, also wegen einer bestimmten Sache.
Und es geht immer um Christen. Dass das in der Welt wäre, das denken viele. Die würden sagen: „Okay, aber hier muss es doch heimeliger sein.“ Ungerechtigkeit in der Gemeinde? Das darf ja nicht passieren, oder? Das ist doch so die Denke, die dahintersteht.
Noch zwei Beispiele: Paulus in Ephesus, was er den Ephesern – das ist eine christliche Gemeinde – sagt: „Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder. Nur macht die Freiheit nicht zu einem Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander durch die Liebe.“ Wenn ihr aber einander beißt und fresst, so habt acht, dass ihr nicht voneinander aufgezehrt werdet.
Also da hätte man wirklich ein Schild dranhängen müssen: „Bissige Christen“ oder so. „Achtung, bissiger Hund.“ So war die Gemeinde drauf.
Und jetzt Ephesus – da bin ich gerade verrutscht: „Darum legt die Lüge ab“, sagt der Christ, „und redet Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten; denn wir sind untereinander Glieder. Zündet ihr so sündigt nicht. Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn, gebt auch nicht Raum dem Teufel.“
Also wir haben eine Gemeinde, wo er einzelnen Kindern sagen muss: „Gebt dem Teufel keinen Raum“ und „lügt nicht“. Welcher Christ lügt bitteschön? Ich sage dir, es gibt Christen, die lügen. Gibt es. Du kannst die Briefe weiter durchgehen, ich habe die Briefe noch ein bisschen durchgelesen. Da gibt es etliche andere Beispiele.
Auch in der Gemeinde gibt es Lüge, Verleumdung, Machtspiele, Unrecht, Heuchelei, Hauen und Stechen. Das gibt es auch. Das ist realistisch. Und deswegen müssen wir lernen: Wie können wir, auch wenn wir das natürlich nicht gutheißen, damit umgehen, wenn uns das passiert?
Ich fand es sehr gut, dass du einfach gezeigt hast, dass es von der Bibel her, vor allem vom Neuen Testament, diese Dinge gibt. Im Alten Testament gibt es noch viel mehr, da gibt es ja Geschichten ohne Ende. Aber ich habe jetzt mal das herausgegriffen.
Genau, das heißt, ich darf oder ich muss darauf eingestellt sein: Es kann durchaus sein, dass mir in der Gemeinde echt Unrecht passiert. Und da würden vielleicht Leute sogar von der Welt her sagen, das ist Unrecht, was hier jemandem getan wird. Böses.
Wie ist das also, wenn mir so etwas widerfährt, wie es auch anderen passiert ist, über die du vorgelesen hast? Was sollte ich in so einer Situation tun? Irgendwie muss ich ja reagieren. Am wichtigsten ist natürlich erst einmal, innerlich damit zurechtzukommen und Ruhe vor Gott zu finden. Das möchte ich jetzt aber zunächst nicht behandeln, sondern erst später.
In Gesprächen mit Geschwistern habe ich nämlich festgestellt, dass manche eine völlig falsche Vorstellung davon haben, wie man äußerlich in solchen Situationen vorgeht. Sie machen sich dadurch unnötigen Druck. Bevor ich also auf die innere Verarbeitung eingehe, die eigentlich an erster Stelle stehen sollte, möchte ich erst einmal diese falschen Vorstellungen ausräumen. Es geht darum, wie man mit solchen Konflikten umgeht.
Es ist so, dass viele denken: Wenn mich so etwas trifft – also wirkliches Unrecht – dann muss ich sofort reagieren. Würde ich erst einmal sagen: Wenn es nur um mich persönlich geht, nicht um die Gemeinde, und es nicht allzu gravierend ist, dann würde ich gar nichts tun. Ich würde es einfach übersehen.
Spurgeon hat in seinem Buch „Ratschläge für Prediger“, das ja vom Titel her schon sagt, für wen es geschrieben ist, ein ganzes Kapitel mit dem Titel „Das blinde Auge und das taube Ohr“. Darin sagt er liebevoll zu Predigern: „Habt ein blindes Auge für das, was die Leute über euch sagen, oder ein taubes Ohr!“ Ein wunderbares Kapitel, vielleicht mache ich dazu mal einen eigenen Podcast.
Er zitiert zu Beginn Prediger 7,21: „Richte dein Herz nicht auf all die Worte, die man redet, damit du nicht hörst, wie dein Knecht dich verflucht, denn auch du hast schon andere verflucht.“ Salomo sagt dem Prediger also ganz klar: Hab ein taubes Ohr, hör nicht auf das Negative, das andere über dich reden.
Ich sage das jetzt mal etwas allgemein: Auch in dieser Gemeinde ist es mir schon passiert, dass Leute Negatives über mich gesagt haben. Wenn das nicht weite Kreise gezogen hat und ich persönlich gut damit umgehen konnte, habe ich einfach so getan, als ob ich davon nichts wüsste. Das Witzige ist ja, oft kommt so etwas ja doch heraus, weil irgendjemand dich gut kennt und dann hinter deinem Rücken darüber redet. Dann erfährst du es irgendwann.
Manchmal kamen Sachen bei mir an, bei denen ich dachte: „Boah, das finde ich nicht gut.“ Aber warum sollte ich deswegen Stress machen? Ich kann innerlich damit umgehen, ich merke mir das, aber ich hege keinen Groll. Dann ist das okay.
Im Neuen Testament steht im Petrusbrief vor allem: „Habt untereinander anhaltende Liebe, denn die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden.“ Du kannst einiges bedecken, aber das funktioniert natürlich nicht immer. Wenn es in dir gärt, dann nützt diese Bedeckung nichts.
Wenn du also damit nicht umgehen kannst oder wenn es eine ernsthafte Sünde ist, die angesprochen werden muss – sei es um des Sünders willen oder um anderer willen, weil die Sünde sonst Schaden anrichtet – dann musst du natürlich auf den anderen zugehen und die Sünde ansprechen. Da kann man nicht einfach zudecken.
Würdest du dann also auf den anderen zugehen und ihn ansprechen? Meistens ja. Es gibt ein paar Fälle, da ist Hopfen und Malz verloren. Im Neuen Testament wird ein Sektierer ein- oder zweimal zurechtgewiesen. Dann ist es gut, wenn man erkennt, dass man keine Chance mehr hat. Aber normalerweise soll man denjenigen ansprechen.
Jetzt kommen diese falschen Denkweisen ins Spiel, die ich eigentlich nicht im Podcast geplant hatte. Was macht man, wenn man so etwas erlebt? Eine Reaktion, die oft in einem hochkommt, ist, nicht geistlich, sondern fleischlich zu reagieren und zurückschlagen zu wollen.
Ich habe ein Beispiel: Ich hatte mal einen Konflikt mit meinem Bruder. Ich wusste etwas über ihn, das, wenn ich es nur erwähnt hätte, die Sache sofort für mich entschieden hätte. Das wäre ein K.o.-Argument gewesen, das ihn im Gespräch vernichtet hätte. Er hätte sich vielleicht noch aufgerappelt, aber in diesem Gespräch hätte er keine Chance mehr gehabt.
Innerlich dachte ich: „Boah, du weißt das jetzt.“ Das war schon ein Kampf. Ich erinnerte mich an Sprüche 25,9: „Trage deine Sache mit deinem Nächsten aus. Aber verrate nicht das Geheimnis eines anderen, damit nicht jemand schlecht von dir redet und das böse Gerede nicht aufhört.“
Okay, Salomo sagt hier, dass man streiten darf, aber keine Geheimnisse anderer verraten soll. Es gibt einen anderen Vers in den Sprüchen, der sagt, wer das Geheimnis eines anderen ausplaudert, ist ein Verleumder. Das will ich nicht sein. Ich will nicht mit fleischlichen Waffen kämpfen.
Aber das ist oft die Versuchung, weil man denkt: „Ich komme mit normalen Mitteln nicht weiter. Der andere lügt vielleicht, manipuliert. Ich fühle mich ohnmächtig.“ Dann will man die Redeschlacht gewinnen, macht eine Hausmacht, bringt den einen auf seine Seite, behauptet dies und jenes. Das ist sehr gefährlich.
Ich denke, in diese Schiene sollte man nicht geraten. Die Bibel sagt ganz klar, wie man das machen soll. In Lukas 17 spricht Jesus zu seinen Jüngern: „Es ist unvermeidlich, dass Anstöße zur Sünde kommen. Wehe aber dem, durch den sie kommen! Es wäre besser für ihn, wenn ein großer Mühlstein um seinen Hals gelegt und er ins Meer geworfen würde, als dass er einem dieser Kleinen einen Anstoß zur Sünde gibt.“
Das ist eine ernste Sache. Jesus sagt den Jüngern: „Habt Acht auf euch selbst!“ Da muss man sehr vorsichtig sein, wenn es um solche Konflikte geht.
Wenn aber dein Bruder gegen dich sündigt, so weise ihn zurecht. Wenn er reut, vergib ihm. Punkt Nummer eins: Wenn er sündigt, gehe ich auf ihn zu.
Viele sagen: „Warum denn? Er hat es doch getan, er muss auf mich zugehen.“ Es gibt auch eine Stelle, die sagt: Wenn du weißt, dass du gesündigt hast, dann geh auf deinen Bruder zu. Am besten trifft man sich auf halbem Weg, das wäre ideal.
Aber ich bin verpflichtet, auch wenn der andere die Sünde begangen hat, auf ihn zuzugehen. Vielleicht hat er gar nicht gemerkt, dass er mich verletzt hat. Deshalb gehe ich jetzt mal von richtiger Sünde aus.
Wenn es ihn reut, vergib ihm. Ich weise ihn freundlich, demütig, aber klar auf seine Sünde hin. Das wird nicht unter den Teppich gekehrt, sondern angesprochen – außer es ist so belanglos, dass man es laufen lassen kann. Aber hier geht es nicht darum.
Das mache ich, egal wie ich mich dabei fühle. Denn es geht weiter: Was ist, wenn er reut? Dann kommen natürlich Fragen auf: Ist seine Reue echt? Und dann sagt Jesus: „Wenn er siebenmal am Tag gegen dich sündigt und siebenmal am Tag wieder zu dir kommt und sagt: ‚Es tut mir leid‘, sollst du ihm vergeben.“
Da rumort es natürlich in uns. Wer siebenmal am Tag kommt, meint das ja nicht ernst. Darum geht es aber erst einmal nicht. Wenn er bereut – und das ist das Schwierige –, dann macht er es vielleicht nur, um Ruhe vor mir zu haben, und macht weiter wie bisher.
Das ist dann Gottes Sache. Ich denke, Gott wird das regeln, er sieht das. Unsere Pflicht ist erst einmal, wenn jemand sagt, er bereut, ihm auch zu vergeben – selbst siebenmal am Tag.
Die Apostel sprachen zum Herrn: „Mehr uns den Glauben, das ist doch unmöglich!“ Was sagt er darauf? Jesus antwortet: „Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, das kleinste Korn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanze dich ins Meer, und er würde euch gehorchen.“
Ich habe noch nie einen Baum verpflanzt, aber das könnte ich, sagt Jesus, wenn wir so ein bisschen Glauben hätten. Was soll das heißen? Es geht nicht um unseren Glauben, sondern um Gehorsam.
Dann bringt er ein Bild: Wer von euch hat einen Knecht, der pflügt und weidet, und wenn er vom Feld heimkommt, sagt ihr ihm sogleich: „Komm her und setz dich zu Tisch. Wo hast du heute gearbeitet?“ Nein, ihr sagt eher: „Bereite mir das Abendbrot, schürz dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe. Danach kannst du essen und trinken.“
Dankt ihr dem Knecht, dass er getan hat, was ihm befohlen war? Nein. So sollt auch ihr sagen: „Wir sind unnütze Knechte, wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“
Es geht nicht um unsere Gefühle. So wie der Knecht keine Lust hat, nach der Arbeit noch das Abendessen zuzubereiten, so hat man auch keine Lust, um Vergebung zu bitten. Das tut weh, ist schwierig, vor allem wenn man denkt, der andere meint es nicht ehrlich.
Das ist unsere Pflicht, das ist die Grundlage. Aber kannst du das immer? Da rumort es ja auch in dir, die Gefühle kochen hoch.
Wie gehst du damit um, gerade wenn du auf den anderen zugehen sollst? Wie du es jetzt gesagt hast: Erst einmal ist das ein Gebot. Jesus sagt ganz klar: Du bist der Knecht, du hast es zu tun, du bist ein unwürdiger Knecht. Da gibt es keine Ausrede.
Vergebung heißt nicht, dass ich vergesse, was er mir angetan hat. Das ist ein Missverständnis. Vergebung ist in erster Linie – wenn ich das mal definieren darf – ein Versprechen. Die Sünde wird konfrontiert: „Das ist Sünde, ich bitte um Vergebung.“ Das ist der Punkt.
Wenn er öfter auf dich zukommt, sollst du ihm immer noch vergeben. Vergebung heißt nicht, dass ich vergesse, dass es passiert ist. Vergebung heißt, ich werde es dir gegenüber nicht mehr vorbringen. Das ist meine Zusage.
Natürlich kommt das innerlich immer mal wieder hoch, es rumort und tut weh. Wir reden hier von ernsthaften Sachen, nicht von Kleinigkeiten. Aber das ist meine Zusage: Ich bringe das nicht wieder aufs Tapet.
Ich habe auch mal gehört, das fand ich hilfreich: „Ich werde es nicht mehr erwähnen, aber ich werde die Folgen auch selbst tragen.“ Wenn mir Unrecht geschieht und ich vergebe, kann es sein, dass Folgen in meinem Leben bleiben. Ich trage die selbst mit, auch wenn ich vergeben habe.
Verstehe ich das richtig: Wenn jemand Unrecht getan hat, muss er die Folgen beseitigen, so weit es möglich ist? Ja, aber manchmal kann er das nicht. Dann trage ich eben die Folgen selbst mit. Da bleibt natürlich etwas übrig, und das führt dann wieder zur innerlichen Verarbeitung.
Es ist spannend, wenn ich mit Leuten zu tun habe, die sagen: „Es tut mir leid.“ Aber es gibt auch Menschen, die das nicht sagen oder sogar behaupten: „Eigentlich bist du schuldig, ich bin gar nicht schuldig.“ Obwohl es offensichtlich ist, dass sie andere verletzt haben oder mir Unrecht getan haben.
Wie gehst du denn damit um?
Matthäus 18, ganz klar und konsequent. Ich habe es bisher noch nie vollständig durchgezogen. Matthäus 18 behandelt die Gemeindezucht. Sie ist notwendig, weil viele – und das ist ein Missverständnis – denken, als Christ müsse man immer vergebungsbereit sein und lieben. Das soll man ja auch sagen und innerlich bereit sein, zu vergeben, selbst bevor der andere um Vergebung bittet.
Das bedeutet jedoch nicht, dass jemand tun kann, was er will. Sonst hätte Gemeindezucht keinen Sinn. Ich lese mal aus Matthäus 18 vor, ab Vers 15:
„Wenn aber dein Bruder an dir sündigt, so geh hin und weise ihn zurecht unter vier Augen.“ Immer zuerst zu zweit, kein Tratsch, keine anderen mitnehmen. Erst einmal nur zu zweit.
Gut, wenn du Schwierigkeiten hast, das zu verarbeiten, kannst du mit einem Vertrauten darüber sprechen, aber möglichst im kleinen Kreis, denn solche Dinge breiten sich sonst unnötig aus. Wenn dein Bruder auf dich hört, hast du ihn gewonnen.
Hört er aber nicht, ist das genau der Fall für die Mahnung: Dann nimm noch einen oder zwei mit, damit jede Sache auf der Aussage von zwei oder drei Zeugen beruht. Hört er auch diese nicht, so sage es der Gemeinde. Die Sache zieht dann immer weitere Kreise.
Hier wird klar gesagt: Ja, ich soll vergebungsbereit sein. Aber wenn der andere nicht bereut, heißt das nicht, dass ihm die Sünde vergeben ist. Viele denken das falsch. Sie sagen: „Was störst du jetzt die Harmonie? Du sollst doch vergebungsbereit sein. Wo kein Kläger, da kein Richter.“ Das ist jedoch falsch.
Ich kann innerlich vergeben, und das soll ich auch. Aber wenn der andere die Vergebung nicht annimmt, bleibt die Schuld auf ihm. Sie bleibt auf ihm.
Ich glaube, du hast es gut formuliert, wenn du sagst: vergebungsbereit. Als Christen denken wir oft nicht an vergebungsbereit, sondern an vergeben – als wäre der Vorgang abgeschlossen. Die Bibel fordert aber, vergebungsbereit zu sein. Das heißt nicht, zu sagen: „Ich werde dir auf keinen Fall vergeben, egal was du machst.“ Das sollte ich nicht tun.
Aber in der anderen Richtung denken viele: „Na ja, du sollst ja vergebungsbereit sein, also lass die Sache ruhen.“ Das führt oft zu Problemen, weil dann Ungerechtigkeit gegenüber mir passiert. Die Bibel sagt: Wenn er nicht hört, nimm noch einen Bruder oder zwei mit. Und wenn das nicht klappt, dann sogar vor die ganze Gemeinde – bis hin zum Ausschluss.
Das ist allerdings selten vorgekommen, weil die Leute meistens vorher austreten, wenn überhaupt.
Was aber dann passiert, sind zwei typische Reaktionen:
Erstens sagen manche: „Weg Nummer eins, Schwamm drüber, hab dich nicht so, so schlimm wird es schon nicht sein.“ Manchmal wird sogar gesagt: „Wie kannst du?“, also das Opfer wird zum Täter gemacht. „Wie kannst du ihn angreifen? Störe nicht die Harmonie!“
Das ist schwierig, weil man sich mit Unrecht auseinandersetzen muss. Vielleicht lügt jemand. In den Beispielen steht, dass Leute lügen. Wenn du in der Gemeinde auf jemanden zugehst und sagst: „Du willst hier der Erste sein“, wird der sofort sagen: „Was behauptest du da? Ich will doch nicht der Erste sein, ich bin neuer Ältester.“ Das wird er leugnen. „Warum verleumdest du mich?“ Du hast ihn nicht verleumdet, sondern nur die Geschichte neu beleuchtet. Das ist keine Verleumdung.
Und warum wirfst du die Leute aus der Gemeinde raus, dass sie nicht mehr reinkommen dürfen? Das ist ein Missverständnis, so war das nicht. Ich habe ihnen schon angeboten, aber es hat nicht funktioniert. So sind die Leute.
Dann kommen andere und sagen: „Oh nee, schau mal, der ist ein wichtiger Mitarbeiter oder ein Freund von mir, ein Verwandter, ein wichtiger Geber, Geldgeber, ich bin vielleicht der Niemand.“ Und dann heißt es: „Nee, besser Deckel drauf, man soll vergeben und lieben.“ Aber so gerät die Wahrheit unter die Räder.
Fall Nummer zwei: Die Leute sind mutiger und wissen, dass es Heiligkeit Gottes und Gerechtigkeit gibt. Es kommt zum Gespräch, der andere leugnet alles, und es wird nichts gemacht. Nach dem Motto: „Jetzt haben wir uns ausgesprochen, jetzt sei bitte ruhig.“
Das ist auch schwierig. Paulus sagt zum Beispiel, man soll nicht vorschnell die Hände auflegen, vermutlich wegen der Ältestenschaft. Warum? Bei manchen gehen die Sünden voraus, bei manchen folgen sie erst später nach.
Das heißt, man erfährt erst Jahre später, was für Menschen sie wirklich sind. Das kannst du vorher nicht erkennen. Manche sind so manipulativ, sie leben von Lügen. Ich habe Christen erlebt, die knallhart gelogen haben. Wenn du keinen Zeugen hast, kannst du oft nichts machen. Dann bleibt das Unrecht im Raum.
Was dann passiert, ist oft das, was ich in Sprüche 18 gelesen habe. Das ist sehr tragisch:
„Ein gekränkter Bruder ist abweisender als eine feste Stadt, und Streitigkeiten sind hart wie der Riegel einer Burg.“
Wenn du so gekränkt wurdest, dass du Unrecht erlitten hast und niemand etwas dagegen unternimmt – entweder weil sie nichts machen wollen oder nicht können, weil der andere zu raffiniert oder zu mächtig in der Gemeinde ist, gut reden kann oder dich in die Ecke redet –, dann bist du so gekränkt, dass dich keiner mehr erreicht.
Du bist wie eine Burg, und die Streitigkeiten sind der Riegel dieser Burg. Das sind dann Fälle, in denen man sagt: „Warum kommt der nicht mehr in den Hauskreis? Warum will er nicht mehr mit uns reden? Warum verlässt er die Gemeinde und sagt kein Wort mehr?“
Er ist wie eine Burg. Die Streitigkeiten und Kränkungen haben ihn zur Festung gemacht. Emotional kommst du da nicht mehr durch, so verletzt ist er. Die Tür ist zu.
Die Tür ist zu, weil vorher nicht richtig mit dem Unrecht umgegangen wurde – oder weil die Person innerlich mit dem Unrecht, das es nun mal leider in dieser Welt gibt, nicht umgehen konnte. Beides ist möglich.
Es kann die Schuld des Hauskreises oder der Gemeinde sein, aber auch der Personen, die einfach nicht realistisch durch die Welt gehen. Beides kommt vor.
Ein Buchtipp dazu: „70 mal 7 – das Einmaleins der Vergebung“ von J. A. Adams. Einfach mal kaufen. Dort steht viel darüber, was Vergebung ist und was nicht.
Was hier angesprochen wurde, kommt dort nur am Rande vor, aber das, was vorher gesagt wurde, ist dort sehr ausführlich behandelt. Sehr hilfreich.
Lassen wir nicht einfach alles überdecken mit „Man muss doch immer lieb zueinander sein.“ Nein, Sünde muss angesprochen werden. Es tut dem anderen nicht gut, wenn er weiter in der Sünde lebt.
Ganz klar: Sünde muss angesprochen werden.
Aber wenn mir das passiert, wie kann ich dann innerlich damit umgehen? Man kann allgemein darüber reden, aber die persönliche innere Verarbeitung ist eine andere Frage.
Manchmal ist es so, dass ich, wie du es eben gesagt hast, denke: Da ist jemand rhetorisch so gut, während ich nur stammelnd versuche, etwas zurechtzulegen, aber nichts erreiche. Das macht innerlich etwas mit mir, und ich möchte geistlich damit umgehen. Hast du da Erfahrungen oder Tipps?
Ich selbst habe eine Erfahrung, die schon ein paar Jahrzehnte zurückliegt. Damals wurde ich sehr verletzt. In dieser Zeit half mir ein Bibelvers, und interessanterweise hörte ich auf der Heimfahrt einen Podcast, in dem derselbe Bibelvers in einer anderen Situation zitiert wurde.
Ich lese ihn einfach mal vor: Römer 12,17: „Vergeltet niemand Böses mit Bösem.“ Es geht also um eine Situation, in der uns jemand Böses getan hat. Der Vers sagt zunächst: Vergeltet nicht Böses mit Bösem. Da denkt man vielleicht: Was soll ich denn tun, wenn mir Unrecht widerfahren ist? Doch gleich kommt der Tipp: „Seid auf das bedacht, was in Augen aller Menschen gut ist.“ Ich glaube, das wollen wir alle, aber es ist eben nicht so einfach.
Weiter heißt es: „Ist es möglich, so viel an euch liegt, haltet mit allen Menschen Frieden.“ Das ist ein interessanter Satz. Es ist nicht immer möglich. Manchmal ist es schlicht unmöglich, mit allen Menschen Frieden zu haben, weil die anderen den Unfrieden machen. Ich soll alles tun, so viel an mir liegt, aber es gibt Situationen, die sind nicht lösbar.
Zum Beispiel gibt es in der Gemeinde Situationen, in denen jemand sündigt und Unrecht tut, aber kein Zeuge da ist. Was sollen die anderen tun? Derjenige sündigt weiter und schadet anderen Menschen. Solche Situationen gibt es.
Ich selbst wurde vor einigen Jahrzehnten tief verletzt. Da hat mir der nächste Vers geholfen, Römer 12,19: „Recht euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: ‚Mein ist die Rache, ich will vergelten, spricht der Herr.‘“ Das ist wirklich enorm hilfreich.
Warum? Oft wird gesagt: Wenn mir Verletzungen widerfahren, musst du doch lieben. Aber was ist mit der Gerechtigkeit? Ist Gott dann ungerecht? Hier kommt die Gerechtigkeit ins Spiel, und das ist, glaube ich, der Baustein, der oft fehlt.
Der Vers sagt: „Recht euch nicht selbst.“ Wir sollen uns nicht rächen oder fleischlich reagieren, sondern dem Zorn Gottes Raum geben. Es steht nicht „und liebt und vergebt, so haben wir“, sondern „gebt Gottes Zorn Raum“. Das heißt, er wird richten. Es wird nichts unter den Teppich gekehrt. Gott ist sozusagen mein Rechtsanwalt, der sich darum kümmert. Er richtet.
In 5. Mose 32 heißt es: „Mein ist die Rache, ich will vergelten, spricht der Herr.“ Vor ein paar Jahrzehnten hatte ich die Situation, dass mich jemand sehr verletzt hat. Ich betete diesen Vers im ersten Vierteljahr jeden Tag: „Recht euch nicht selbst, mein ist die Rache, ich will vergelten, spricht der Herr.“ Ich sagte: Danke, Herr, dass du dich rächen wirst. Du wirst deinen Zorn über die andere Person bringen. Danke auch, dass ich das nicht selbst tun muss. Du wirst zur rechten Zeit, am rechten Ort und im richtigen Maß richten.
Das hat mich sehr entlastet. Gott vergisst mich nicht. Er wird gerecht sein – auch bei mir, wenn ich jemandem Unrecht tue. Es ist ein zweischneidiges Schwert, aber er schaut auf mich, und ich bin entlastet. Mit welchem Maß würde ich denn selbst rächen? Ist das wirklich gerecht? Gott wird im richtigen Maß richten, und er weiß genau, was gerecht ist.
Im zweiten Vierteljahr betete ich den Vers nur noch jeden zweiten oder dritten Tag. Das war mein schlimmster Fall. Später habe ich das nochmal durchdacht, aber nicht so intensiv. Nach einem halben Jahr sagte ich zu Gott: Du bist souverän, du weißt das, du wirst richten. Sünde geht bei dir nicht durch. Gerechtigkeit und Wahrheit werden geschaffen, auch wenn die Situation jetzt unlösbar erscheint. Das gibt mir innere Freiheit.
Wer das nachlesen möchte, kann 5. Mose 32 lesen. Das ist aus dem Lied des Mose, in dem er beschreibt, wie das Volk Israel gegen Gott ist. Davor stehen Verse wie: „Denn sie sind ein Volk, an dem aller Rat verloren ist und das keine Einsicht besitzt.“ Oder: „Ihr Wein ist Drachengeifer und grausames Otterngift, sie sind wie Schlangen.“ Dann heißt es: „Ist dies nicht bei mir aufbewahrt und in meinen Archiven versiegelt?“ – das meint Gott. Und dann folgt: „Mein ist die Rache.“
Gott sieht es also sehr wohl. Das ist das Schlimme an solchen Gefühlen: Man denkt, man werde nicht mehr gesehen. Man fühlt sich wie ein Niemand, während der andere mit seiner Natur durchkommt, später andere verletzt, und die Gerechtigkeit wird mit Füßen getreten. Innerlich bleibt die Bitterkeit. Aber ich darf das Gott abgeben. Ich räche mich nicht selbst, sondern sage: Herr, du wirst es richten.
Wenn es dabei bliebe, wäre das natürlich schon irgendwie armselig. So will man nicht leben, dass man ständig nur die Rache und das Zorngericht Gottes auf dem anderen herabregnen lässt – sozusagen herbeibetet. Nein, ich bete nicht: „Räche mich“, sondern: „Dein ist die Rache, du wirst vergelten.“ Je nach Stimmungslage am Tag fällt das mal leichter, mal schwerer.
Man hat immer diese Ehrfurcht vor Gott, wenn man sagt: Er macht das, nicht ich. Das ist ein großer Unterschied. Man lernt, dass man sich nicht selbst helfen muss. Vor allem: Er macht das auch. Das darf nicht in meine Hand fallen.
Jetzt kommt aber auch der nächste Vers. Direkt danach zitiert Paulus Sprüche 25: „Wenn nun dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen; hat er Durst, gib ihm zu trinken.“ Das war mein Feind zu der Zeit. „Wenn du das tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.“
Das Bild ist spannend. Was soll das heißen? Es gibt verschiedene Auslegungen. Manche sagen, indem du deinem Feind Gutes tust, beschämst du ihn so sehr, dass er wie von feurigen Kohlen verbrannt wird. Der Feind wird also durch Liebe bekämpft – ein Widerspruch, der uns aber auf die Lösung hinführt.
Abschließend heißt es: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute.“ Das ist die Gefahr bei all dem: Man darf sich nicht vom Bösen beherrschen lassen, sondern soll es durch das Gute überwinden.
Jetzt müssen wir natürlich von diesen Rachegedanken, die wir Gott überlassen, wegkommen. Sonst breitet sich die Bitterkeit immer weiter aus.
Ich denke an eine Seniorin, die im hohen Alter immer noch verbittert ist über eine Person, die schon lange tot ist. Diese Person ist seit über zwanzig Jahren tot, und die Bitterkeit ist immer noch in ihr. Was du dem anderen wünschst, trifft letztlich dich selbst. Dieser ganze Hass, die Ohnmacht und die Wut zerfressen dich, nicht den anderen. Der lebt im Normalfall ruhig weiter. Wenn du dem nicht begegnest, frisst es dich auf.
Es ist wichtig zu sagen: Gott schafft mir Gerechtigkeit. Aber irgendwann muss auch die Liebe greifen. Interessanterweise, als ich einmal nach einem halben Jahr gebetet habe, kam Liebe für die Person auf. Ich habe gebetet: Herr, tu ihr nichts an, Herr segne diese Person. Später wurde es noch besser – es entstand eine Versöhnung mit der Person, sodass die Beziehung wieder gut war. Es war ein Gebet 2.0, könnte man sagen. Aber es hat erst einmal ein halbes Jahr gebraucht, weil es tiefgehend war.
Man darf das nicht so schnell übergehen, nach dem Motto: „Ah, der hat gesündigt, jetzt vergeb mal und Liebe.“ Dann passiert es, dass Leute so gekränkt sind, dass die Streitigkeiten wie eine Burg sind, an die du nicht mehr herankommst. Du musst das erst einmal verarbeiten. Die Wahrheit darf nicht unter die Räder geraten, die Gerechtigkeit auch nicht. Sünde ist Sünde. Manchmal kann man das nicht lösen – das ist Realismus. Es geht nicht immer. So viel an Möglichkeiten gibt es, und ich habe Beispiele genannt. Das ist nicht lösbar. Wir müssen manchmal damit leben.
Wir können damit leben, weil Gott Gerechtigkeit schaffen wird. Er wird Gerechtigkeit schaffen, aber er kann auch dein Herz befreien, sodass du innerlich frei wirst. Und das ist das Tolle.
Ich habe letztens von Uwe Holmer bei Idealisten.net gehört. Er war mit 92 Jahren der Pastor, der Erich Honecker und Margot Honecker nach dem Niedergang der DDR aufgenommen hat. Er hat einmal irgendwo gesagt, dass er den beiden vergeben hat.
Dann kam nach dem Predigtvortrag jemand ganz wütend auf ihn zu und sagte: „Sie dürfen Erich Honecker nicht vergeben! Ich war fünf Jahre in Bautzen inhaftiert und noch woanders. Was er mir angetan hat, dürfen Sie nicht vergeben!“ Darauf antwortete er: „Ich habe ihm nicht vergeben, was er Ihnen angetan hat. Ich habe Erich Honecker vergeben, was er mir angetan hat: dass meine zehn Kinder nicht auf die Oberschule durften, dass ich mit Gefängnis bedroht wurde und immer wieder Knüppel zwischen die Beine bekam. Er war ja Leiter einer großen diakonischen Einrichtung und Pastor in der DDR. Das habe ich ihm vergeben. Bautzen kann ich Erich Honecker nicht vergeben, das müssen Sie machen. Aber wenn Sie das nicht machen, gehen Sie daran kaputt.“
Derjenige brach in Tränen aus und sagte: „Sie haben Recht, ich werde ihm vergeben.“
Wenn du nicht vergibst, wirst du innerlich nicht frei, und es wird dich zerfressen.
Ich denke da an Joseph. Er wurde von seinen eigenen Brüdern versklavt. Er kam in die Fremde nach Ägypten, wurde durch eine intrigante, gelangweilte Frau, die alles hatte und noch ihren Spaß haben wollte, ins Gefängnis gebracht und verraten. Er hätte wirklich bitter werden können, aber er entschied sich zu vergeben.
„Ihr habt gedacht, es mir Böses zu tun, aber Gott hat Gutes daraus gemacht.“
Das Interessante ist, dass Gott es in seinem Leben benutzt hat. Ich habe mal eine Predigt auf Englisch gehört, die hieß „Feeding the hungry world“. Gott hat Joseph dazu benutzt, eine hungrige Welt zu ernähren – durch all diese Dinge.
Wenn wir das innerlich Gott hingeben, seine Liebe spüren und wissen, dass er sich darum kümmert, können wir innerlich frei werden. Wir können nicht alles auf der Welt lösen, aber wir können innerlich frei werden und anderen zum Segen werden.
Was ich aber auch mache – und das muss man auch sagen: Es gibt Geschwister, für die bete ich. Je nach Stimmung formuliere ich es unterschiedlich, die freundliche Variante lautet: „Herr, schenke ihm Buße.“ Das bete ich für manche.
Manche vereinen seit über zwanzig Jahren. Es gibt schon Erfolge, die ich aber nicht erzählen kann. Aber es gibt Erfolge. Warum? Ich will den nicht vernichten, sondern ich denke das wirklich: Er muss Buße tun. Und wenn er es nicht tut, dann geht er in seinen Sünden unter.
Ich finde das ein liebevolles Gebet, aber es ist natürlich auch ein urteilendes Gebet, weil ich sage: Durch meine Erlebnisse, durch das Unrecht, das ich erlitten habe.
Da ist diese Spannung zwischen Gerechtigkeit und Liebe. Aber Gott anvertrauen, überwinden wie Joseph, sodass aus dem Schlechten Gutes erwachsen kann. Dabei zu wissen: Gott trägt mich.
Dann gibt es Klagelieder, Verletzungen, Klagen – da gibt es noch so viel zu sagen. Aber ich glaube, das reicht jetzt erst einmal. Sonst könnte man noch mehrere Podcasts zu diesen Themen machen.
Man sollte einfach merken: Es gibt Unrecht, es gibt es. Befiehl es Gott an, er rächt dich. Und irgendwann, wenn du das ehrlich betest, wirst du zur Liebe durchgehen.
Das gibt mir auch die Freiheit, wenn ich weiß, dass Gott mich rächt, dann kann ich persönlich auf den anderen zugehen.
Das ist wie bei Gerichtsverhandlungen: Wenn ich weiß, da sind Leute, die für mein Recht eintreten, muss ich nicht bitter dem anderen gegenüber werden.
Ich fand es ganz wichtig, dass du auch gesagt hast, dieser Bibelvers aus dem Römerbrief macht die Gerechtigkeit noch einmal deutlich: Dass beides zusammengehört, die Gerechtigkeit und die Liebe.
Vielen Dank!
Das war wieder der Podcast der Evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, ihr konntet einen Impuls mitnehmen, wie ihr damit umgehen könnt, wenn euch jemand Unrecht tut.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns gern unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch, dass ihr euch darüber freuen könnt, dass Gott gerecht ist und dass ihr innerlich frei werdet, anderen offen zu begegnen und ihnen zum Segen zu werden.