Die Suche nach verbindlichen Werten in der Gesellschaft
So, jetzt sind alle versorgt.
Liebe Gemeinde, immer wieder wird die Forderung erhoben – sei es in der Politik, in der Forschung, in der Bildungsdiskussion, in der Medizin, in der Pflege oder auch beim Elternabend, bei großen und kleinen Fragen der Erziehung. Immer wieder heißt es: Wir brauchen Werte. Wir brauchen moralische Leitplanken, an denen sich alle orientieren können. Ein neues Wertebewusstsein wird gefordert. Es heißt, der Werteverfall sei nicht länger hinzunehmen. So weit, so einig.
Aber wie sollen diese Werte nun inhaltlich bestimmt werden? Wer legt diese Werte fest? Woher beziehen diese Wertsetzungen ihre Autorität? Wer setzt diese Werte? Wer bringt die Menschen dazu, solche Werte ernst zu nehmen und sich in ihrem praktischen Verhalten daran zu orientieren? Wer entscheidet zum Beispiel, wenn zwei Werte sich gegenseitig widersprechen oder sogar ausschließen?
Nehmen wir einen Fall: Eine Person sagt, sie kämpfe für den Wert, dass die Frau das Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper hat. Dagegen steht eine andere Person, die sagt: Der höchste Wert, für den ich kämpfe, ist das Recht des Kindes im Mutterleib auf Überleben. Welcher Wert hat Vorrang?
Kinder müssen unbedingt vor Gewalt geschützt werden, fordert zum Beispiel das Kinderhilfswerk UNICEF zu Recht. In Pressemeldungen dieser Tage heißt es, weltweit sterben jedes Jahr mehr als 50 Kinder aufgrund von Gewaltanwendung, davon 3.500 in den Industrieländern. Das ist furchtbar schlimm und muss uns beunruhigen.
Ich möchte hinzufügen: Mehr als dreimal so viele Kinder, nämlich über 150, sterben allein in Deutschland jährlich durch die brutale Gewalt der Abtreibung. Und wann haben Sie zuletzt aus den Verlautbarungen von UNICEF etwas darüber gehört?
Jetzt fragen wir: Ist das Leben eines Kindes außerhalb des Mutterleibes in den Augen von UNICEF wertvoller als das Leben eines Kindes im Mutterleib? Wer setzt diesen Wert? Sind Werte teilbar? Sind sie relativ? Gelten sie absolut? Welche Werte?
Werte in der öffentlichen Debatte und ihre Grundlage
Der regierende Bürgermeister unserer Bundeshauptstadt Wobereit hält es für einen hohen Wert, dass Homosexualität als positive Lebensform anerkannt und in der Öffentlichkeit dargestellt werden kann.
Gleichzeitig hat er mit seiner Landesregierung dafür gesorgt, dass Religion in der Schule kein Regelfach mehr sein soll. Stattdessen wird Religion durch Ethikunterricht, also Werteunterricht, ersetzt.
Nun stellt sich die Frage: Welche Werte werden dort wohl unterrichtet? Wer unbedingt noch Religion haben möchte, kann dies freiwillig als Wahlfach in einer der späten Nachmittagsstunden erhalten – sofern er das möchte.
Gegen die Ersetzung von Religion durch Ethik haben einige mit einem interessanten Slogan protestiert: „Werte brauchen Gott, Werte brauchen Gott!“ Dieser kurze Satz ist die Antwort auf all die bisherigen Fragen: Woher kommen die Werte? Welche Werte sind verbindlich? Die Antwort lautet schlichtweg: Werte brauchen Gott.
Es muss jemand wissen, was gilt. Es muss jemand die Autorität besitzen, diesen Werten Nachdruck und Gültigkeit zu verleihen. Ohne Gott bleibt jede Diskussion über Werte unverbindliches Gerede. Ohne Gott kann jeder seine eigene Meinung zum höchsten Wert erheben.
Für manche Feministinnen ist es dann das Selbstbestimmungsrecht der Frau, für den Bürgermeister die Anerkennung seines homosexuellen Lebensstils. Ohne Gott bestimmt die Macht den Wert. Wer die Macht hat, kann seine Werte durchsetzen und andere Werte absetzen.
Historische Beispiele für Werte ohne göttliche Grundlage
Denken Sie nur an die Französische Revolution im achtzehnten Jahrhundert. Sie verstand sich als eine Wertebewegung, als eine Freiheitsbewegung, die den Menschen neue, gute Werte bringen sollte. Bis heute berufen sich viele Politiker in ihren Reden auf die Werte des Humanismus und der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.
Das sollten ihre Werte sein: Liberté, Égalité, Fraternité. Das klingt alles gut. Allerdings galt Freiheit nur für diejenigen, die auf der „richtigen“ Seite standen. Gleichheit bedeutete für einige, dass ihr Besitz dem Erdboden gleichgemacht wurde. Brüderlichkeit genossen nur die Freunde der Revolution – und auch von denen nicht alle auf Dauer.
Für viele andere bedeutete Brüderlichkeit: „Willst du nicht mein Bruder sein, so schlage ich dir den Schädel ein“ beziehungsweise „lege ihn unter die Guillotine“. Werte brauchen Gott. Und weil die Französische Revolution Gottlosigkeit für einen hohen Wert hielt und den Glauben an Gott möglichst aus dem öffentlichen Leben heraushalten wollte, wurden ihre Werte zur Bedrohung für viele Mitmenschen.
Von außen betrachtet und ohne geschichtliche Erkenntnisse mögen einige Vokabeln der Französischen Revolution beim ersten Hören fast christlich klingen. Aber ein Wort ist noch kein Wert.
Die biblische Perspektive auf Werte
Ein Wort ist noch kein Wert. Deshalb setzt Paulus ganz anders an, wenn er beschreibt, welche Werte das Zusammenleben der Christen bestimmen sollen.
Wir haben diese Werte in den letzten Wochen ausführlich miteinander studiert, hier in unserem Gottesdienst. Dabei haben wir gefragt, welche Werte das Zusammenleben zwischen Mann und Frau in der Ehe bestimmen sollen. Außerdem haben wir darüber gesprochen, welche Werte für das Zusammenleben zwischen Kindern und Eltern gelten. Welche Werte sind von Gott her maßgeblich?
Zurzeit fragen wir abschließend: Welche Werte gelten zwischen Sklaven und Herren oder im weiteren Sinne zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern? Dabei haben wir eine Konstante gesehen, einen roten Faden, der sich durch all diese Werte hindurchzieht.
Paulus macht immer deutlich: Alle Werte haben einen unmittelbaren Bezug zu Gott. Für Paulus brauchen Werte Gott.
Das haben wir bei den Frauen gesehen. Er sagt in Epheser 5,22: „Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn.“ Das heißt, seht euer Verhalten in der Ehe als einen Dienst für Christus.
Den Männern hat er gesagt, in Epheser 5,25: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Gemeinde geliebt hat.“ Mit der gleichen Hingabe, Verbindlichkeit und in der Kraft, die er euch dafür gibt.
Den Kindern hat er gesagt: „Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in dem Herrn“ (Epheser 6,1). Macht euch klar, Kinder, dass ihr, wenn ihr an Christus glaubt, auch euren Eltern um Christi willen gehorsam sein sollt, weil er es von euch will.
Den Eltern hat er gesagt, in Epheser 6,4: „Ihr Eltern, erzieht eure Kinder in der Zucht und Ermahnung des Herrn.“ Das heißt, der Herr Jesus Christus, Gott, sein lebendiges Wort soll der Maßstab und der Garant eurer Erziehung sein. Das haben wir letzten Sonntag ausführlich gelesen.
Paulus schreibt weiter: „Seid gehorsam euren irdischen Herren, aber als dem Herrn Christus tut den Willen Gottes von Herzen“ (Epheser 6,5-6). Im Vers 7 heißt es: „Tut euren Dienst mit gutem Willen als dem Herrn.“ Und in Vers 8: „Was ein jeder Gutes tut, das wird er vom Herrn empfangen.“ Dann noch einmal in Vers 9: „Und ihr Herren, tut ihnen gegenüber das Gleiche und lasst das Drohen, denn ihr wisst, dass ihr auch einen Herrn im Himmel habt.“
Verstehen Sie, was Paulus hier über die verschiedenen Beziehungen schreibt, in denen wir Menschen stehen? Das kann man mit einem Satz zusammenfassen: Werte brauchen Gott.
Gott als Quelle und Kraft für das Leben nach Werten
Was Paulus schreibt, ist ein einziges großes Plädoyer für unser Thema: Gott ist die Quelle der Werte. Nur Gott hat die Kompetenz des Schöpfers, der weiß, was seine Geschöpfe brauchen und was gut für uns ist. Nur Gott kann uns auch die Kraft und die Bereitschaft geben, nach diesen Werten zu leben.
Deshalb sagt Paulus, bevor er all diese Einzelheiten anführt, im Epheserbrief 5,18: „Lasst euch erfüllen mit dem Heiligen Geist.“ Lasst euch ganz von Gottes Geist bestimmen und durchdringen!
Wir haben gesehen, dass das geschieht, indem wir in Gottes Wort heimisch werden, es lieben, studieren und daraus lernen. Wenn wir so unter Gottes Wort und mit Gottes Wort leben, dann verändert Gott uns nach seinem Willen. Er prägt unser Leben nach seinem Willen und gibt uns trotz aller Fehler und trotz der Sünde, die immer noch in unserem Leben vorhanden ist, die Bereitschaft und die Kraft, nach seinen Werten zu leben.
Werte brauchen Gott. Das gilt auch für die Werte, die das zwischenmenschliche Zusammenleben bestimmen sollen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir hier sehen: Paulus formuliert nicht nur einige allgemeine moralische Regeln, die gelten, weil sie den meisten Leuten einleuchten oder weil sie menschlich sind und eine Mehrheit hinter sich haben können.
Nein, Paulus bindet alle diese Werte an den lebendigen Gott, an den Schöpfer des Lebens und an seinen Sohn Jesus Christus. Werte brauchen Gott, Werte brauchen Christus.
Abgrenzung zu anderen Weltanschauungen
Und wenn sie das nun in einer Diskussion vertreten, dann kann es ihnen sehr schnell passieren, dass früher oder später der Einwand kommt: „Na ja, das klingt ja wie Scharia. Ihr wollt doch dasselbe wie die Moslems. Ihr seid genauso wie die islamistischen Fundamentalisten, die dem Westen die Werte des Korans aufzwingen wollen. So wollt ihr doch euren säkularen Zeitgenossen die Werte der Bibel aufzwingen. Wo ist da der Unterschied? Ihr wollt das mit göttlicher Autorität durchsetzen, was in der Bibel steht.“
Wer so redet, übersieht den entscheidenden Unterschied. Er vergleicht Äpfel mit Birnen. Den Nachfolgern Jesu Christi ist strikt verboten, für die Werte der Bibel auch nur ansatzweise mit Gewalt einzutreten, auch nur ansatzweise – und sei es nur mit argumentativem oder psychologischem Druck.
Jesus hat gesagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Wenn im Koran steht, dass alle Menschen so leben müssen und die Scharia alles bestimmen soll, dann sagt die Bibel: Nein, nur überzeugte Christen können so leben. Das ist der Lebensstil einer Minderheit.
Nur überzeugte Christen können einen überzeugenden christlichen Lebensstil praktizieren. Auch Nichtchristen können anständig leben, aber einen Lebensstil in Bindung an Christus können nur überzeugte Christen führen.
Weil wir überzeugt sind, dass das für alle das Beste ist, dass es für jeden Menschen eine Hilfe wäre nach Gottes Maßstab, möchten wir andere zu diesem Lebensstil einladen. Darum möchten wir auch Nichtchristen davon überzeugen, dass die Ehe zum Beispiel die beste Form für das Zusammenleben von Mann und Frau ist.
Wir wissen aber auch, dass das Entscheidende für den Nichtchristen nicht darin besteht, zunächst den einen oder anderen Wert zu übernehmen. Das Entscheidende für den Nichtchristen ist vielmehr, den Herrn Jesus Christus als seinen persönlichen Herrn und Retter kennenzulernen. Dann werden sich durch Christus auch seine Werte ändern.
Christen als Salz und Licht in der Welt
Aber wir haben als Christen eine besondere Aufgabe gegenüber der Welt. Jesus hat gesagt: Ihr seid das Salz der Erde, das Salz, das diese Welt vor Fäulnis bewahren soll.
Indem wir Christen uns an Gottes Maßstäbe halten, verhindern wir noch viel Fäulnis in dieser Welt. In diesem Sinne kann man sagen, dass wir die Umstände stabilisieren.
Aber Jesus hat noch mehr gesagt. Er hat auch gesagt: Ihr seid das Licht der Welt. Das Licht von Gottes Wahrheit soll durch euer Leben, durch eure Taten, durch eure Worte und durch euer Vorbild in dieser Welt leuchten.
Er hat gesagt, die Leute sollen eure guten Werke sehen und dadurch euren Vater im Himmel preisen. Das heißt, sie sollen durch euch Gott kennenlernen, Gott besser verstehen lernen. Sie sollen an eurem Leben sehen, wie Gott sich das Leben auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen auf dieser Welt eigentlich gedacht hat.
Ihr seid das Licht der Welt. Und das soll auch durch die Art und Weise geschehen, wie ihr als Sklaven und Herren lebt.
Die soziale Realität der Sklaverei im ersten Jahrhundert
Letzten Sonntag hatten wir gesehen, dass das Sklavenwesen im ersten Jahrhundert ein ganz normaler Bestandteil der Gesellschaft war. Etwa ein Drittel der Bevölkerung – manche sagen sogar noch mehr – waren Sklaven.
Das Problem bestand darin, dass die Sklaven als Werkzeuge galten, gewissermaßen als Besitz ihrer Herren. Viele von ihnen wurden drangsaliert. Allerdings hatten wir auch festgestellt, dass es im ersten Jahrhundert im Römischen Reich an manchen Stellen zu einer Verbesserung der Situation der Sklaven gekommen war. Manche Herren hatten erkannt, dass ihre Sklaven produktiver sind, wenn sie glücklicher sind. Deshalb behandelten einige ihre Sklaven besser.
Es kam also immer auf die Herren an. Manche waren charakterlich in Ordnung. Teilweise waren Sklaven sogar besser dran als Freie, weil sie versorgt waren. Sie hatten Sicherheit, ein Zuhause und ein Auskommen. Manche wollten gar nicht frei werden, weil sie dann das unternehmerische Risiko für ihre Existenz hätten übernehmen müssen.
Man muss das Sklavenwesen damals sehr differenziert betrachten. Das Neue Testament enthält keine Aufforderung zum gewaltsamen Umsturz. Stellen Sie sich das einmal vor: Ein solcher Aufruf hätte die damalige Gesellschaft ins Chaos gestürzt, wenn die Christen zur Aufhebung der Sklaverei aufgerufen hätten.
Das Unrecht und das Übel der Sklaverei bekämpft das Neue Testament vielmehr dadurch, dass es die Herzen von Herren und Sklaven verändert. Dadurch geschah eine echte Veränderung der Situation – weil die Herzen von Herren und Sklaven verändert wurden.
Gegenseitige Verantwortung in den sozialen Beziehungen
Und wir hatten letzten Sonntag gesehen, dass die Prinzipien, die Paulus den Sklaven nahegelegt hat, im übertragenen Sinne auch für das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gelten.
Wir hatten den Grundsatz festgestellt, den Paulus deutlich macht. Dieser Grundsatz gilt ebenso für das Verhältnis zwischen Mann und Frau oder Kindern und Eltern wie auch zwischen Sklaven und Herren. Es handelt sich dabei um den Grundsatz der Gegenseitigkeit.
Beide Seiten sollen einander jeweils dienen. Männer und Frauen sollen einander dienen, Kinder und Eltern sollen einander dienen, und Sklaven und Herren sollen einander dienen. So hatte Paulus es in Kapitel 5, Vers 21 formuliert: „Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.“ Das heißt, ordnet euch einander unter in der Ehrfurcht vor dem lebendigen Herrn.
Paulus machte dabei deutlich, dass dies nicht bedeutet, dass jeder das Gleiche tun soll. Vielmehr hat jeder eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen – die Männer, die Frauen, die Eltern, die Kinder, die Sklaven und die Herren.
Wir hatten außerdem gesehen, dass das Recht des Herrn die Pflicht der Sklaven ist und umgekehrt das Recht der Sklaven die Pflicht der Herren. Dieses Prinzip gilt auf Gegenseitigkeit.
Mutmachende Leitlinien für die Arbeit aus christlicher Sicht
Paulus hatte dem Sklaven drei mutmachende Leitlinien mitgegeben. Diese drei Leitlinien können auch uns Mut für unsere Arbeit machen.
Er sagte: Deine Arbeit ist Gottes Dienst. Du sollst Gott damit dienen und mit dem, was du tust, zu seiner Ehre leben. Zweitens betonte er, dass deine Arbeit aufrichtig sein soll. Du sollst nicht heucheln, also nicht nur fleißig sein, wenn dein Chef hinschaut, und ihm sonst eine Nase drehen. Drittens sagte Paulus, dass deine Arbeit belohnt werden wird. Gott wird auf seine Weise deine Treue belohnen.
Dadurch erscheint die Arbeit plötzlich in einem ganz neuen Licht: Deine Arbeit kann Gottesdienst sein.
Ein Gemeindeglied, ein Gottesdiensthörer, hat mich nach der letzten Predigt an eine interessante Sache erinnert. Er sagte, dass beim Sündenfall die ganze Arbeit im Grunde in ein schlechtes Licht gerückt wurde. Eine Folge des Sündenfalls war, dass auch die Arbeit von nun an im Zeichen der Sünde stand. Gott sagte: „Verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.“
Das bedeutet, durch den Sündenfall wurde auch unsere Arbeit in dieses Verhängnis hineingezogen.
Jetzt aber kann Paulus die Arbeit wieder in ein ganz neues Licht rücken. Es wird, wenn man so will, ein Stück der paradiesischen Arbeitsfreude in der Bindung an Christus wiedergewonnen. Es wird gesagt: Deine Arbeit darf der Ehre Gottes dienen.
Das ist das große Lied auf die Arbeit, das auch die Reformation gesungen hat: Arbeit zur Ehre Gottes, Arbeit im Gehorsam gegenüber Gott. Das ist ein Zurückgewinnen eines Terrains, das durch den Sündenfall schwer beschädigt worden war.
Natürlich steht die Arbeit immer noch unter der Sünde. Deshalb haben wir auch heute nicht nur Freude an unserer Arbeit. Wäre ja auch komisch – sei es in der Schule, an der Werkbank, in der Universität oder in irgendeinem Betrieb.
Nein, wir spüren die Auswirkungen der Sünde noch ziemlich deutlich. Und doch dürfen wir als Christen wissen: Deine Arbeit steht in einem neuen Licht. Du darfst Gott mit deiner Arbeit dienen.
Die Verantwortung der Arbeitgeber
Zum Schluss lenkt Paulus unseren Blick auf die Arbeitgeberseite, auf die Herren. Er geht davon aus, dass diejenigen, die bisher gut zugehört haben, auch in der Gemeinde von Ephesus mitgelesen haben. Dort saßen alle in der Gemeinde gemeinsam an einem Tisch. Sklaven und Herren befanden sich gewissermaßen im selben Boot.
In Vers 9 sagt Paulus nun: „Ihr Herren, ordnet euch ebenfalls unter.“ Für euch gilt also das, was in Vers 18 beziehungsweise Vers 21 steht: „Ordnet euch einander unter.“
Was bedeutet das praktisch für die Arbeitgeber? Paulus fordert die Herren auf: „Tut den Sklaven gegenüber dasselbe.“ Das heißt, begegnet ihnen mit der gleichen Haltung, mit der sie euch begegnen sollen. Paulus betont hier eine Gleichheit zwischen Sklaven und Herren.
Nun stellt sich die Frage: Worin besteht diese Gleichheit? Sie besteht nicht in der Gleichheit der Aufgaben. Paulus sagt nicht, dass die Herren den Anweisungen ihrer Sklaven gehorchen sollen. Er fordert auch nicht, dass die Herren aufhören, Herren zu sein.
Was bedeutet das also konkret für die Arbeitgeber, für die Herren? Inwiefern sollen sie den Sklaven gleich sein?
Zunächst geht es um die gleiche Haltung. Ihr sollt ihnen gegenüber dieselbe Haltung zeigen, mit der sie euch begegnen sollen. Dies bezieht sich auf Vers 6 und Vers 7, wo Paulus sagt, ihr sollt von Herzen den Willen Gottes tun. Dabei sollt ihr euch nicht nur an Gottes Gebote halten, sondern eure Arbeit auch für Gott tun. Er ist der eigentliche Adressat und derjenige, dem ihr mit eurem ganzen Leben dienen sollt.
Das heißt: Wenn du einen Betrieb führst, dann tue dies, um Gott zu dienen. Wenn du dein Personal anleitest und managst, dann diene damit dem Herrn. Ob du eine Abteilung leitest, Verhandlungen führst, Löhne aushandelst und festlegst, über den Ausbau oder die Verkleinerung deines Betriebs nachdenkst oder Mitarbeiter korrigierst, kritisierst, motivierst oder disziplinierst – deine Haltung soll sein, dich zu fragen: Was will der lebendige Gott von mir in dieser Situation? Was bedeutet Verantwortung ihm gegenüber? Wie kann ich dem Herrn als Christ in dieser Lage dienen? Wie kann ich seinem Namen Ehre bereiten und seinen Geboten treu bleiben?
Paulus sagt damit zu den Arbeitgebern und Herren: Auch deine Arbeit ist Gottesdienst. Du sollst gemäß den Geboten arbeiten, führen und leiten. Noch mehr: Du sollst es nicht nur nach Gottes Geboten tun, sondern auch um Gottes Willen. Der lebendige Gott soll durch dein Zeugnis geehrt werden.
Wenn jemand erfährt, dass du Christ bist, soll er sagen: „Ach so, deswegen verhält er sich so. Deswegen hat er so viel Geduld, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit.“ Du sollst deine Arbeit nutzen, damit Jesus bekannt wird und Menschen durch dein Verhalten zu Jesus Christus finden.
Die Bedeutung christlicher Führung in Unternehmen
Liebe Mitchristen,
es ist gut für die Gemeinde Jesu Christi, wenn Gott von Zeit zu Zeit einige von uns in Positionen bringt, in denen wir Verantwortung für viele andere Menschen tragen können. Das ist auch gut für die Menschen.
Je mehr Firmen von konsequenten Christen geführt werden, je mehr Abteilungen von konsequenten Christen geleitet werden und je mehr Geschäftsführungen in den Händen konsequenter Christen liegen, desto besser ist das für den Betrieb. Nicht, weil Christen eine eingebaute Erfolgsgarantie hätten, sondern weil Christen unter dem Segen Gottes leben. Irgendetwas von diesem Segen Gottes wird mit Sicherheit auf den Betrieb zurückfallen, wenn jemand dort sitzt und für seine Mitarbeiter und das Wohlergehen der Firma betet. Wenn er sagt: „Gott, lass du das Beste aus all dem erwachsen, was ich hier tue.“
Das ist nicht nur gut für die Firma, sondern auch für die Untergebenen. Meine Überzeugung lautet: Der größte Schutz für einen Arbeitnehmer liegt darin, wenn sein Arbeitgeber sich dem lebendigen Gott verpflichtet weiß.
Und überlegen Sie einmal, welche Chancen und missionarischen Möglichkeiten ein Chef oder Vorgesetzter hat! Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel: Sie alle kennen die Schuhkette Deichmann. Davon gibt es mittlerweile etwa 1000 Filialen in Deutschland und weitere 1100 Filialen weltweit. Man hat ausgerechnet, dass dort jedes Jahr etwa 100 Millionen Schuhe verkauft werden.
Professor Manfred Weise, der auch bei der Eröffnung des Wintersemesters der ART gesprochen hat und uns sehr verbunden ist, organisiert zum Beispiel ein missionarisches und medizinisches Projekt in Moldawien. Professor Weise ist Mediziner. Dabei wird er unter anderem unterstützt durch den jetzigen Chef der Firma Deichmann, also durch Heinrich Deichmann, den Sohn des Firmengründers Heinz Horst Deichmann. Beide sind ganz überzeugte Christen.
So konnte es nicht ausbleiben, dass Deichmann immer wieder in Interviews zu seiner Firmenphilosophie befragt wurde. Erst im Juni 2006 sagte er bei einem Vortrag: „Wir verstehen uns als überzeugte Christen. Die Liebe, die wir von Gott erfahren haben, wollen wir an Mitarbeiter und Kunden weitergeben.“
Als er sechzig wurde, also vor zwanzig Jahren, führte Idea ein Interview mit ihm in der Nummer 74 der Basisausgabe von 1986. Dort wurde Deichmann gefragt, was sich seit seiner Bekehrung verändert habe. Er antwortete: „Seitdem ich Christ wurde, liegt der wesentliche Sinn meines Lebens darin, das Evangelium von Jesus Christus in Wort und Tat meinen Mitarbeitern weiterzusagen.“
Idea fragte weiter: „Merken das Ihre Mitarbeiter denn auch?“ Deichmann antwortete: „Ja, Sie hören es im persönlichen Gespräch. Ich suche bei meinen vielen Besuchen in den Geschäften oder auch in unserer Zentrale in Essen so häufig wie möglich das Gespräch. Sie hören eine Menge darüber, bis hin zu der Aufforderung, Jesus Christus als Herrn im Glauben anzunehmen. Wir feiern in allen unseren Verkaufsstellen seit mehr als zwanzig Jahren regelmäßig mit allen Mitarbeitern Weihnachten. Bei dieser Gelegenheit evangelisiert dann der Konzernchef.“
Dann wurde er gefragt: „Sie sind mehrfacher Millionär. Wie ist Ihr Verhältnis zum Geld?“ Deichmann sagte: „Der Christ ist auch für die Verwendung seines Geldes Gott verantwortlich, als Haushalter. Ich bin reich, nicht um mir selbst etwas Besseres leisten zu können, sondern letztlich, um dieses Geld für die Sache des Reiches Gottes einzusetzen.“
Auf die Frage, wie er das mache, antwortete er: „Das Geld muss ehrlich erwirtschaftet sein. Von diesem Gewinn muss man dann neu investieren, damit die Firma erhalten bleibt und Arbeitsplätze geschaffen werden. Ein Teil des Gewinns wird verwendet für besondere soziale Leistungen an die Mitarbeiter, für eine großzügige Unterstützungskarte, für eine betriebliche Altersversorgung und für kostenlose Gesundheitswochen in der Schweiz.“
Viele seiner Gelder fließen auch in die sogenannte Deichmann-Sozialstiftung. Sie stellt Mittel für soziale und missionarische Projekte zur Verfügung, unter anderem in Indien. Deichmann sagt: „In den letzten zehn Jahren bin ich sehr oft in Indien gewesen. Wir arbeiten dort sozial und missionarisch. Viele der Menschen, die dadurch Christen geworden sind, bezeugen inzwischen an vielen Orten das Evangelium von Jesus Christus.“
Das ist ein gutes Beispiel für einen Herrn, einen Chef, einen Konzernbesitzer, der sagt: „Ich weiß, dass alles, was mir gegeben ist, mir von Gott geschenkt ist. Meine Arbeit soll Gottesdienst sein. Ich will ihm damit dienen. Davon sollen meine Mitarbeiter etwas haben, und davon sollen auch Menschen in fernen Ländern etwas haben.“
Insofern will Gott vom Herrn wie vom Sklaven die gleiche Haltung: Seine Arbeit ist Gottesdienst. Jeder von uns muss sich gemäß seiner Möglichkeiten, die Gott jedem von uns gegeben hat, einsetzen. Dabei hat jeder Stand auch seine besonderen Gefährdungen, die diese Haltung, Gott zu dienen, untergraben können.
Warnung vor Machtmissbrauch und Drohen
Wir hatten gesehen, dass Paulus die Sklaven vor allem vor Heuchelei gewarnt hatte. In Vers 6 heißt es: Ihr sollt nicht nur Dienst vor Augen haben, um den Menschen zu gefallen, sondern als Knechte Christi. Die Arbeitgeber warnt er vor etwas anderem. Hier scheint eine andere Gefährdung besonders nahezuliegen.
Paulus sagt in Vers 9: „Ihr Herren, tut ihnen gegenüber das Gleiche und lasst das Drohen.“ Das heißt, wenn du als Chef, Abteilungsleiter oder Arbeitgeber deine Arbeit als Gottesdienst ausüben willst, dann achte darauf, wie du die Menschen führst. Paulus weist darauf hin, dass es einen Punkt gibt, auf den du besonders achten musst: Lass das Drohen.
Was ist damit gemeint? Drohen bedeutet nicht, dass ich Konsequenz und Verbindlichkeit von meinen Mitarbeitern fordere. Drohen heißt auch nicht, dass ich durchgreife, wenn Entscheidungen nötig sind. Es heißt auch nicht, dass ich Unterordnung verlange – das sollen die Sklaven ja, wie Paulus in Vers 5 sagt. Sie sollen sich in einer vernünftigen Weise freiwillig unterordnen.
Aber was heißt Drohen? Das Wort kommt im Neuen Testament eher selten vor. Zum Beispiel in Apostelgeschichte 9, wo es heißt, Paulus schnaubte mit Drohen, als er noch Christenverfolger war. Oder in Apostelgeschichte 4, Vers 17: Der Hohe Rat, die führenden Theologen, wollen Petrus und Johannes unter Druck setzen, damit sie den Mund über Jesus halten und nicht mehr den Namen des Herrn in ihren Predigten verkünden. Dort heißt es, der Hohe Rat beschließt: „Wir wollen ihnen drohen, dass sie hinfort zu keinem Menschen von diesem Namen Jesus mehr reden.“
Also, was heißt drohen? Drohen heißt, dass ich dem anderen Angst mache. Drohen bedeutet, ich benutze meine Machtposition, um den anderen einzuschüchtern und unter Druck zu setzen. Drohen heißt, ich halte den anderen klein und sage: Bedenke immer, wer du bist in deiner Position und wer ich bin in meiner Position. Ich mache ihn klein, halte ihn nieder durch die Macht meiner Position und schüchtere ihn dadurch ein.
Offensichtlich ist es eine besondere Gefährdung, wenn wir eine führende Position innehaben, eine Position der Stärke, dass wir diese ausnutzen. Und Drohen geschieht nicht nur durch Worte. Es kann auch durch nonverbale Kommunikation passieren – durch Gesten, Blicke, durch die Art, wie ich jemanden grüße oder auch nicht grüße. Wir haben viele Möglichkeiten, andere einzuschüchtern, wenn wir nur wollen. Sei es durch unseren Tonfall, sei es durch eine abwesende Art, mit der wir gewissermaßen unsere Überlegenheit vor uns hertragen.
Was ist das Gegenteil von Drohen? Das Gegenteil ist Fairness, Freundlichkeit, Güte, Barmherzigkeit und in einem recht verstandenen Sinne auch Respekt. Der andere soll sich geachtet wissen, ja mehr noch, er soll sich angenommen fühlen.
Es ist so, als würde Paulus zu Apollos sagen: „Du, wenn du eine Führungsaufgabe innehast, bedenke, wen du vor dir hast. Das sind alles unverwechselbare Ebenbilder des heiligen Gottes.“ Und demgegenüber hast du eine Aufgabe. Diese kannst du nicht sinnvoll durch eine drohende Grundhaltung wahrnehmen. Das widerspricht dem Willen Gottes.
Wenn du deine Arbeit ausüben willst, dann achte darauf: Es sind deine Nächsten am Arbeitsplatz, und dein Herr hat dir aufgetragen, sie zu lieben. Es ist, als würde der Herr Jesus uns durch Paulus sagen: „Du, in der Art, wie du denen begegnest, da sollst du mir dienen. Und wenn du mit ihnen redest, sollst du dir klar machen, dass ich zuhöre. Du sollst so mit ihnen reden, dass du damit vor mir bestehen kannst.“
Während Paulus die Sklaven besonders zu Ehrlichkeit und Fleiß anhält, ermahnt er die Herren hier zu einem beherrschten und gütigen Umgangsstil und zur Fairness. Darin soll sich ihr Respekt zeigen.
Das ist nicht nur psychologisch begründet, etwa nach dem Motto: „Wenn du nett zu ihnen bist, arbeiten sie besser.“ Es ist theologisch begründet. Paulus sagt hier am Ende: Bei Gott gilt kein Ansehen der Person. Das heißt, du als Chef bist nicht mehr wert als deine Angestellten, nur weil du mehr Macht hast. Du bist vor Gott nicht mehr wert, nur weil du mehr Geld, mehr Ausbildung, mehr Intelligenz oder mehr Erfolg hast.
Deshalb bist du vor Gott nicht besser als die anderen. Gott gönnt dir das, und wenn du es auf ehrliche Weise erworben hast, kannst du damit für Gott viel Gutes tun. Aber es macht dich nicht besser als den anderen.
Vor Gott gilt kein Ansehen der Person. So erinnert Gott die Herren daran, dass sie sich zuletzt vor derselben Instanz rechtfertigen müssen wie ihre Sklaven auch. Er sagt hier: „Ihr wisst, dass euer und ihr Herr im Himmel ist.“ Das wisst ihr. Euer und ihr Herr ist im Himmel.
Damit haben wir wieder das Thema Gleichheit. Das ist der zweite Punkt, der für Sklaven und Herren in gleicher Weise gilt: die gleiche Haltung – erstens – und zweitens der gleiche Herr, genauer gesagt: ein und derselbe Herr.
Die letzte Instanz: Gott als gemeinsamer Herr
Paulus sagt: Ihr Herren, ihr seid zwar die irdischen Herren, von denen in Vers 5 die Rede ist, und ihr Sklaven seid gehorsam euren irdischen Herren. Ihr habt in dieser Welt eine bestimmte Leitungsfunktion. Ihr leitet eure Abteilung, ihr leitet den Konzern, ihr besitzt ihn vielleicht sogar. Aber in letzter Instanz, in der Instanz, bei der es darauf ankommt, seid ihr genauso klein und hilflos wie alle anderen auch. Ihr seid genauso angewiesen auf den Herrn im Himmel.
Es ist nicht nur die gleiche Haltung, die Paulus von euch verlangt, sondern er weist euch auch darauf hin: Es ist der gleiche Herr, vor dem ihr euch verantworten müsst. Wir haben das vorhin gehört. Es gibt dazu dieses bewegende Zeugnis von Paulus selbst, diesen Brief an Philemon.
Philemon gehörte zur Gemeinde in Kolossäa, und das ist eine ganz interessante Geschichte. Dieser Sklave Onesimus war ihm entflohen, denn Onesimus hatte Philemon bestohlen. Er hatte also Geld mitgehen lassen und fürchtete nun, dass das herauskommen würde. Deshalb floh er nach Rom und wollte dort untertauchen, unter anderen Sklaven. Es geschah also häufiger, dass Sklaven nach Rom flüchteten.
Dort, in Rom, begegnet dieser flüchtige Sklave Onesimus ausgerechnet dem Apostel Paulus, der damals im Gefängnis war. Wir wissen nicht, wie die beiden zusammengekommen sind, aber wir erfahren das Ergebnis. Paulus schreibt: Ich habe ihn gezeugt in der Gefangenschaft. Das heißt, ich durfte ihn zum Glauben an Jesus Christus führen. Ich habe ihm gesagt, dass es Vergebung seiner Schuld gibt. Ich habe ihm gesagt, dass es einen lebendigen Gott gibt, vor dem er sein Leben verantworten muss und dass auch für ihn am Ende Himmel oder Hölle stehen wird. Und dass es einen gibt, der seine Schuld getragen hat – das ist der Herr Jesus Christus am Kreuz.
So hat Paulus diesem entlaufenen Sklaven das Evangelium verkündet, und das Wunder ist passiert. Er hat sich nicht, wie wir das häufig bei Straffälligen erleben, gesperrt und gesagt: So ein Quatsch, das Christentum kann mir auch nichts helfen. Sondern Onesimus hat sich bekehrt. Er wurde von Gott zum lebendigen Glauben geführt.
Paulus sagt, er hat sich gleich bewährt. Er war mir gleich eine Hilfe im Gefängnis, der dir früher unnütz war, jetzt aber dir und mir sehr nützlich ist. In Vers 13 schreibt Paulus: Ich wollte ihn gern bei mir behalten, damit er mir an deiner Stadt diene, in der Gefangenschaft. Und trotzdem weiß Paulus: Ich kann ihn jetzt nicht einfach hier behalten. Ich muss ihn zu Philemon zurückschicken. Die Sache muss dort vor Ort noch einmal geklärt werden.
Das schreibt Paulus dann in diesem Brief, den er dem Sklaven mitgibt, in die Tasche steckt. Er sagt zu Philemon: Aber ohne deinen Willen wollte ich nichts tun, damit das Gute dir nicht abgenötigt wäre, sondern freiwillig geschehe. Denn vielleicht war er, der Onesimus, darum eine Zeit lang von dir getrennt, damit du ihn auf ewig wiederhättest.
Paulus sagt: Ich schicke dir einen neuen Menschen zurück. Es ist dein alter Sklave, aber ich schicke dir einen neuen Menschen zurück. Und das beschreibt er dann in Vers 16 so schön: Nun nicht mehr als einen Sklaven – also er meint damit nicht mehr nur als einen Sklaven, sondern als einen, der mehr ist als ein Sklave, ein geliebter Bruder, besonders für mich, aber wie viel mehr für dich, sowohl im leiblichen Leben als auch in dem Herrn.
Das ist die Situation: Paulus sagt, ich schicke ihn dir zurück, er soll dir weiterhin dienen, aber er ist jetzt mehr. Er ist zwar Sklave, aber er ist mehr als nur ein Sklave. Er ist dein Bruder in Jesus Christus geworden, weil er durch den Glauben den lebendigen Gott zum Vater bekommen hat.
Schauen Sie mal, wie liebevoll Paulus sich für diesen Mann einsetzt. Das ist bewegend. In Vers 17 schreibt er an Philemon: Wenn du mich nun für deinen Freund hältst, so nimm ihn auf wie mich selbst. Wenn er dir aber Schaden angetan hat oder etwas schuldig ist, das rechne mir zu.
Paulus sagt also: All das Gute, was ich für dich getan habe, das rechne du dem Onesimus an. Und all das Böse, was er dir angetan hat, das magst du mir zurechnen. Für diese Schulden werde ich aufkommen. Das gestohlene Geld, das jetzt auch irgendwie dann abhandengekommen war, das werde ich bezahlen.
Aber bitte, bitte nimm ihn auf in meinem Namen und um meines Willen, aber letztlich um Gottes Willen. Er kommt zu dir zurück, ja, er ist dein Sklave, er wird dir wieder bereitwillig dienen, aber er ist noch viel mehr geworden. Er ist jetzt dein Bruder durch Jesus Christus geworden.
Ich bin überzeugt, dass Paulus so ausführlich schreibt, um Philemon auch ein Vorbild dafür zu geben, wie nun die Verantwortung des Herrn gegenüber dem Sklaven aussehen soll: Nimm ihn an um Gottes Willen.
Und woher kommt diese innige Verbindung zwischen Paulus und Onesimus? Und dann soll sie ja auch zwischen Philemon und Onesimus da sein. Sie kommt durch den gleichen Herrn. Paulus sagt: Wir sind Kinder desselben Vaters. Wir sind durch den Glauben an Jesus Christus Kinder des lebendigen Gottes geworden. Wir sind Sklaven Jesu Christi im besten Sinne.
Darum nimm ihn an und freu dich, wenn er zurückkommt, und nimm ihn mit offenen Armen auf als deinen Bruder im Herrn, der dir jetzt umso lieber als Sklave dienen wird – im Sinne von Epheser 6.
Damit richtet Paulus zum Schluss den Blick von Herren und von Sklaven auf einen letzten Punkt, an dem alle gleich sind. Es ist nicht nur die gleiche Haltung, die Gott von uns erwartet, es ist nicht nur der gleiche beziehungsweise derselbe Herr, dem unser Leben gehört, sondern das dritte und letzte: Es ist der gleiche Himmel, es ist der gleiche Himmel beziehungsweise derselbe Himmel.
Paulus sagt: Euer und ihr Herr ist im Himmel, hier in Vers 9. Ihr Herren, bei euch kommt es darauf an, und bei den Sklaven kommt es genauso darauf an, dass euer Herr im Himmel ist.
Verstehen Sie: In Vers 5 hatte Paulus bei den irdischen Verhältnissen angesetzt. Aber zum Schluss macht er klar: Leute, alle eure irdischen Platzanweisungen, die unterschiedlichen Aufgaben, die ihr jetzt habt, die verschiedenen Stellungen und Positionen und sozialen Randfolgen, die ihr hier in diesem Gefüge einnehmt, die sind alle nur vorübergehend, sie sind alle nur kurzfristig.
Euer und ihr Herr ist im Himmel. Der Himmel ist entscheidend, die Ewigkeit ist entscheidend. Hier auf dieser Erde kann es so viel Veränderung geben.
Im 1. Korinther 7 hat Paulus ja auch einem Sklaven geschrieben: Gut, wenn du frei werden kannst, dann mach es. Also bist du als Knecht berufen, sorg dich nicht, aber kannst du frei werden, dann nutze es. Sieh, was Gott in deinem Leben für Wege öffnen mag, sei es als Sklave, sei es als Herr, Gott wird es dir schon zeigen.
Aber er sagt jetzt hier am Ende: Das ist nicht das Entscheidende. Das ist nicht das Entscheidende, welche Position du in diesem Leben einnimmst. Sondern lebe so, dass du bestehen kannst vor dem Himmel. Entscheidend ist, dass du gerettet worden bist durch den Glauben an Jesus Christus.
Die wichtigste Beziehung im Leben
Auch für die Christen, für die Geretteten, für diejenigen, denen Gott sagt: „Weil du an meinen Sohn Jesus glaubst, bist du im Himmel dabei“, wird im Himmel eine Bilanz ihres Lebens gezogen. Das betont Paulus immer wieder. Natürlich ist das Wichtigste, im Himmel dabei zu sein. Doch das Neue Testament weist immer wieder darauf hin, dass Gott im Himmel für seine Leute noch einmal eine Art Bilanz zieht.
Zum Beispiel schreibt Paulus in 2. Korinther 5,10: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat, sei es gut oder böse.“ Paulus erinnert auch daran mit dem Wort: „Euer und ihr Herr ist im Himmel.“
Auch für Arbeitgeber und Herren gilt, was Jesus gesagt hat: „Wem viel gegeben ist, von dem wird viel verlangt werden.“ Gerade die Herren werden am Ende noch einmal an ihre besondere Verantwortung erinnert. Im Kolosserbrief schrieb Paulus Ähnliches. Dort heißt es in Kolosser 4,1: „Ihr Herren, gewährt den Sklaven, was recht und billig ist, und bedenkt, dass auch ihr einen Herrn im Himmel habt.“
Jeder, der ein waches Gewissen hat, stößt dadurch auf die Frage: Wie kann ich vor meinem Herrn im Himmel bestehen? Paulus sagt damit, dass die wichtigste Beziehung in unserem Leben nicht eine von vielen wichtigen Beziehungen in dieser Welt ist. Die wichtigste Beziehung ist unsere persönliche Beziehung zu dem heiligen Gott, der uns geschaffen hat.
Für diese Beziehung gilt, was Paulus im letzten Teilsatz sagt: „Bei ihm gilt kein Ansehen der Person.“ Das heißt, vor Gott stehen wir alle gleich da – ohne menschliche Würden, ohne Titel, ohne Fähigkeiten, ohne Erfolge oder Misserfolge, ohne unsere gesellschaftliche Stellung, ohne das Image, das wir hier in der Welt genießen oder nicht genießen. All das mag hier in dieser Welt Bedeutung haben, aber vor Gott zählt das nicht.
Vor Gott sind wir alle nackt und bloß, ausnahmslos. Es gibt nur einen, der unsere Blöße bedecken kann, nur einen, der unsere leeren Hände füllen kann, nur einen, der unsere Schuld vergeben kann. Es gibt nur einen, der uns als verlorene Sünder vor Gott auf ewig retten kann – und das ist der Herr Jesus Christus, von dem in diesen Versen immer wieder die Rede ist. Er ist der Herr.
Paulus macht am Ende dieser großen, praktischen und umfassenden Passage allen deutlich – Männern wie Frauen, Kindern wie Eltern, Sklaven wie Herren –, dass kein Ansehen der Person gilt. „Euer und ihr Herr ist im Himmel“ – das ist die letzte und entscheidende Instanz. Diesem Herrn wollen wir alle mit unserem Leben dienen, auch mit unserer Arbeit, sei es als Sklaven oder als Herren.
Damit sitzen wir alle in einem Boot, in einem Schiff, das sich Gemeinde nennt: die gläubigen Herren und die gläubigen Sklaven bunt durcheinander gemischt. Das ist die Gleichheit und Brüderlichkeit, von der die französische Revolution nur träumen konnte. Wir gehen auf denselben Himmel zu, haben denselben Herrn. Der lebendige Gott ist unser Vater durch Jesus Christus, und er macht uns zu Brüdern und Schwestern in Christus.
Diesem Herrn sollen wir mit der gleichen Haltung dienen – auch in unserer Arbeit, sei es als Sklaven oder als Herren, als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer.
Worin hat diese Gleichheit und Brüderlichkeit ihren Grund? Sie hat ihren einzigen Grund in der Freiheit, die uns allein Jesus Christus schenken kann – nämlich der Freiheit von Schuld, der Freiheit von Sünde und Verdammnis durch Jesus Christus. „Ihr werdet die Wahrheit erkennen“, hat er selbst gesagt, „und die Wahrheit wird euch freimachen.“ Die Wahrheit meiner Vergebung heißt das, und sie wird euch freimachen.
Durch diese Freiheit in Christus haben wir echte Gleichheit und wahre Brüderlichkeit. Die französische Revolution aber wusste von dieser Freiheit in Christus nichts. Sie lehnte diese Freiheit ab. Deshalb wurde ihre Gleichheit und Brüderlichkeit zu einer Karikatur. Mehr noch: Sie wurden zu Schlagwörtern neuer Unterdrückung und Manipulation.
Ganz anders Paulus: Er sagt, wir sind frei durch Christus – als Sklaven oder Herren. Wir haben Vergebung unserer Sünden. Wir sind herausgerettet aus einem ewigen Schicksal in der Hölle. Wir haben den heiligen Gott, dessen Ehre wir durch unsere Gedanken, unser Leben, unsere Worte und Taten verletzt haben, nicht mehr als Gegner, sondern als liebenden Vater durch Jesus Christus. Darum dürfen wir ihm gehören.
Die Ausrichtung auf Christus statt auf soziale Positionen
Paulus hat damit unsere berufliche Stellung im öffentlichen Leben nicht einfach aufgehoben. Er hat Sklaven und Herren nicht kurzfristig aus ihrer sozialen Position herausgenommen. Vielmehr hat er etwas Grundsätzlicheres getan: Er hat sowohl Sklaven als auch Herren auf Christus hin ausgerichtet.
Er sagte: In Christus seid ihr Brüder. Paulus richtet sich an beide Seiten und sagt: Messt all diesen vergänglichen Strukturen in dieser Welt nicht so einen unendlich großen Wert bei. Das ist nicht angemessen, nicht nüchtern und kurzsichtig. Wenn ihr hier so lebt, als sei die Position, sei es eine, mit der ihr zufrieden seid, oder eine, mit der ihr weniger zufrieden seid, der Nabel eurer Welt, dann ist das falsch und kurzsichtig.
Richtet euer Hauptaugenmerk, sagt Paulus, viel stärker auf den Himmel, auf die Ewigkeit. Mit deinem Standbein im Himmel kannst du hier auf der Erde Christus von ganzem Herzen dienen.
Damit macht Paulus uns allen Mut, auch für unsere tägliche Arbeit, die wir ab morgen wieder zu tun haben. Er sagt nämlich: Du bist nicht ein Gefangener deiner Biografie, du bist kein Opfer der mancherlei verpassten Lebensmöglichkeiten, die auf deinem Weg liegen. Hättest du damals an jener Stelle anders entschieden und das Studium noch gemacht, hättest du vielleicht das und das noch schaffen können.
Paulus macht deutlich: Du bist nicht ein Gefangener deiner Biografie. Du musst nicht irgendwelchen verpassten oder auch nicht verpassten Gelegenheiten hinterherschauen. Dort, wo du jetzt stehst, will Gott dich haben und segnen.
Wenn Gott will, dass sich eine praktische Situation ändert, kann er dir das zeigen. Bitte ihn dann, dass er dir klar macht, was momentan sein Wille für dein Alltagsleben ist. Er wird dir helfen.
Gott nimmt deine Arbeit ganz ernst. Er nimmt deinen Alltag wirklich ernst. Du sollst und darfst deine Arbeit als Gottesdienst verstehen.
Aber vergiss nie: Nicht deine Arbeit bestimmt deinen Wert, nicht deine Position bestimmt deinen Wert, sondern allein dein Herr. Wo immer er dich hingesät hat, dort sollst du jetzt zu seiner Ehre blühen.
Diene deinem Herrn, sei ein Segen für deine Nächsten. Dann wird der Herr dich durchbringen. Er wird dich täglich tragen mit seiner Güte und seiner Macht. Ein ganzer Himmel wartet auf dich. Amen.